Titel: | Ueber das Anilinschwarz; von E. F. Brandt. |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. XXI., S. 70 |
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XXI.
Ueber das Anilinschwarz; von E. F. Brandt.
Aus dem Bulletin de la
Société industrielle de Mulhouse, t. XLII p. 354; November und
December 1872.
Brandt, über das Anilinschwarz.
Man darf nicht glauben daß das Anilinschwarz eine ganz bestimmte Zusammensetzung hat,
und daß jedes Anilinschwarz, nachdem es auf dem Gewebe fixirt ist, dieselbe
schließliche Zusammensetzung besitzt.
Diese schließliche Zusammensetzung ist im Gegentheil eine sehr wandelbare, weßhalb es
so viele hinsichtlich ihrer Eigenschaften verschiedene Anilinschwarz gibt, indem die
einen mehr oder weniger der Einwirkung des Lichtes und der verschiedenen chemischen
Agentien widerstehen, andere mehr oder weniger leicht in Berührung mit einer Luft
welche saure oder schweflige Ausdünstungen enthält, grünlich werden.
Je intensiver ein Anilinschwarz ist, desto besser widersteht es bekanntlich diesen
verschiedenen Agentien. Allerdings hängt diese Intensität zum Theil von der
Concentration der angewandten Farbe ab; aber außerdem sind noch andere Umstände von
Einfluß auf ihre Aechtheit.
Ein Schwarz welches sich in Gegenwart eines Ueberschusses von Anilin entwickelt, wird
stets ächter seyn als ein Schwarz von derselben Concentration, welches sich in
Gegenwart eines Ueberschusses von Säure entwickelt. Es ist somit immer gefährlich,
ein Schwarz anzuwenden welches sich nur in Folge seiner Säuerlichkeit entwickelt.
Abgesehen von der Schwächung des Gewebes welche dadurch veranlaßt werden kann,
erhält man auf diese Weise nur eine schwarze Farbe welche sehr leicht grünlich wird
und welche das Chlor durchaus nicht verträgt, was ein sehr großer Uebelstand ist;
denn es braucht in diesem Falle nur das Leuchtgas ein wenig Schwefel zu enthalten,
damit die durch die Verbrennung sich bildende schweflige Säure die Falten aller
Stücke im Magazin grünlich gefärbt macht.
Mit einer Farbe welche einen Ueberschuß von Basis enthält, erhält man hingegen ein
Schwarz welches viel schwieriger grünlich wird und welches die Einwirkung des Chlors
viel besser verträgt. Damit ein Schwarz mit Ueberschuß von Basis den Anforderungen
in praktischer Hinsicht genügt, muß es sich hinreichend rasch entwickeln um die
Verflüchtigung des Anilins zu vermeiden; diesen Zweck erreicht man aber leicht, wenn
man chlorsaures Anilin anstatt chlorsauren Kalis anwendet, indem man alsdann die Menge von
Anilinsalz entsprechend dem Anilin des angewandten chlorsauren Anilins
vermindert.
Das chlorsaure Kali zersetzt sich in Gegenwart eines Ueberschusses von Anilin nicht
leicht. In jedem Anilinschwarz welches irgend ein chlorsaures Salz enthält, muß sich
stets chlorsaures Anilin bilden. Der Unterschied besteht nur darin, daß manche
Druckereien das chlorsaure Anilin auf dem Gewebe erzeugen durch ein Gemisch von
chlorsaurem Kali und einem Anilinsalz, während andere es schon ganz gebildet
aufdrucken.
Es ist aber einleuchtend, daß man an der Zeitdauer der sogenannten Oxydation des
Anilinschwarz in dem Maaße gewinnen wird, als man die Reactionen welche auf dem
Gewebe stattfinden müssen, zu vereinfachen im Stande ist.
Man kann das Anilinschwarz als das Resultat von zwei ganz verschiedenen Reactionen
betrachten: 1) Zersetzung des chlorsauren Anilins; 2) Oxydation des Anilinsalzes
welches dem chlorsauren Salze beigemischt ist. – Durch die Zersetzung des
chlorsauren Anilins entstehen chlorirte Producte des Anilins. Vielleicht können sich
dabei mehrere Substitutionsgrade bilden, was die Verschiedenheit der Resultate
erklären würde. Aber außer diesen chlorirten Producten welche nur einen Theil des
jetzigen Anilinschwarz ausmachen, bildet sich noch ein anderes Product welches das
Resultat der Oxydation des Anilinsalzes ist.
Das Anilinschwarz besteht daher aus zwei Schwarz: das eine, durch die chlorirten
Substitutionen des Anilins gebildet, ist sehr ächt, und widersteht fast allen
chemischen Agentien; aber dasselbe ist kein so schönes Schwarz wie dasjenige welches
das Gemisch der zwei Schwarz gibt, das seinen ganzen Glanz und Effect nur durch die
Vermischung mit dem zweiten Product erhält welches sich durch die Oxydation des
Anilinsalzes bildet. Dieses zweite Product hat eine dunkle violettblaue Farbe,
welche in hinreichend concentrirtem Zustande schwarz ist; es ist aber viel weniger
ächt als das erstere; es wird durch die geringste Menge freier Säure grünlich; der
Seife widersteht es vollkommen. Diese zwei Schwarz, das braune Schwarz und das blaue
Schwarz vermischt, bilden das jetzige Anilinschwarz.
Um ein schönes Schwarz zu bekommen, muß man daher die Mischung der zwei Nuancen so
berechnen, daß man sowohl das Maximum von Lebhaftigkeit als das Maximum von
Aechtheit erhält, deren dieses Gemisch fähig ist. Dieß hängt von dem Verhältniß des
chlorsauren Salzes ab, welches die Farbe enthält.
Ich habe zu meinen Versuchen ein Anilin angewandt, welches Toluidin und Pseudotoluidin
enthielt. Ich habe dann die Versuche mit reinem Anilin wiederholt, und dieselben
Resultate erhalten, daher ich glaube daß man dieselbe Theorie für das Schwarz dieser
drei Basen gelten lassen kann. Jedes dieser drei Schwarz bestünde aus zwei
besonderen Theilen: einem durch die chlorirten Substitutionen der Basis gebildeten,
und einem durch die Oxydation des Salzes derselben Basis entstanden.