Titel: | Ueber Risse in großen Gußstücken und in Bessemerstahl-Ingots insbesondere; von Fritz v. Ehrenwerth in Heft. |
Autor: | Fritz v. Ehrenwerth |
Fundstelle: | Band 207, Jahrgang 1873, Nr. XV., S. 56 |
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XV.
Ueber Risse in großen Gußstücken und in
Bessemerstahl-Ingots insbesondere; von Fritz v. Ehrenwerth in Heft.
Ehrenwerth, über Risse in großen Gußstücken.
An großen Gußstücken aus Roheisen, sowie insbesondere an den Ingots aus
Tiegelgußstahl und Bessemerstahl treten häufig Risse an der Oberfläche ohne irgend
eine äußerlich bemerkbare Ursache auf.
Es sind diese Risse wohl zu unterscheiden von jenen welche durch Hindernisse
entstehen, die die Form des Gußstückes, irgend ein Ansatz u.s.w. der gleichmäßigen
Zusammenziehung beim Erkalten, dem Schwinden entgegensetzen, und ist ihr Vorkommen
ganz verschieden von jenem der letzteren. – Während diese letzteren immer
eine Richtung einhalten, welche die Ursache des Reißens, das Hinderniß des
Schwindens sogleich erkennen läßt, und in dieser Richtung meist die ganze, von
diesem Hinderniß abhängige Dicke oder Stärke des Gußstückes durchziehen, treten sie
nur oberflächlich auf, reichen nicht tief in das Innere der Masse und verfolgen
ausnahmslos eine Richtung normal auf einer der größeren Dimensionen des Gußstückes
oder Ingots. – Bei Bessemer-Ingots und großen Gußstücken aus weißem
Roheisen, welche sich der Plattenform mehr oder weniger nähern, sich somit nach zwei
Richtungen in wenig verschiedener Ausdehnung erstrecken, habe ich die Beobachtung
gemacht, daß sie sich sogar kreuzen, ja es ist mir ein Fall vorgekommen, in welchem
die breiteren Seiten eines flachen Bessemer-Blockes von Sprüngen und Rissen
so durchzogen waren, wie allenfalls ein naßgeschlagener und trocken gewordener
Lehmboden. Nichts destoweniger besaß der Stahl die vorzüglichste Qualität und hat
sich unter dem Hammer tadellos verarbeiten lassen. Es werden die Risse überhaupt um
so zahlreicher, je heißer das Roheisen oder der Stahl in die Formen oder Coquillen
gebracht wird, je weniger diese vorgewärmt worden sind, je rascher das Gußstück
abkühlt und je weniger Dehnbarkeit, Tenacität das vergossene Material, sey es nun
Roheisen, Stahl, oder irgend ein anderes Metall, seiner Natur nach besitzt.
Immer aber halten sie eine Richtung ein, quer auf eine oder zwei größere Dimensionen
des Ingots.
Nach dem Grade der Dehnbarkeit des Metalles und der Vorwärmung der Form oder Coquille
richtet sich ferner die Tiefe, auf welche die Risse in das Innere des Gußstückes
sich erstrecken. Je weniger dehnbar das Material des Ingots ist, desto tiefer reichen unter
sonst gleichen Umständen die Risse in das Innere.
Ingots aus beim Gießen aufschäumendem, vollständig entkohlten oder überblasenen
Bessemermetalle sind leicht rißfrei zu erhalten, so lange dieses von Kürze
vollkommen frei ist, und die Risse nicht etwa in Folge fehlerhaften Gießens sich
einstellen. – Sobald die Qualität des Stahles eine weniger gute, und er nur
merkbar mit Kürze behaftet ist, kommen sofort die Risse zum Vorschein, wenn auch der
Abguß ohne jeden Anstand und in vollkommen glatte, fehlerfreie Coquillen
erfolgt.
Ingots aus strahligem, weißen Roheisen in nicht bedeutend vorgewärmten Coquillen,
kommen in Bruchstücke zersprungen aus diesen, oder zerspringen bei einem ganz
leichten Hammerschlage und zeigen die Bruchfläche mehr oder weniger angelaufen, ein
Beweis daß die Sprünge sich gebildet hatten, als die Masse noch heiß genug war, um
Anlauffarben anzunehmen.
Ich darf hier wohl auch das häufige, von selbst erfolgende Springen der Flossen und
größeren Gußstücke aus weißem Roheisen sowie jenes bei ungeeignetem Roheisen so
schwer zu vermeidende Springen der Hartwalzen nach dem Gusse anführen.
Die Erstreckung der Sprünge in die Tiefe kann man bei Bessemer- oder
Gußstahl-Ingots, selbst wenn sie äußerlich ganz rißfrei zu seyn scheinen,
sehr gut beobachten, wenn man sie nach dem Erkalten bricht. Da treten die Risse an
der sonst metallischen Bruchfläche als muschelförmige, mehr oder weniger
ausgedehnte, sich vom Rande etwa wenige Linien bis 1 und 1 1/2 Zoll in das Innere
ziehende, angelaufene Flecken hervor, und zwar häufig an, der Längenausdehnung der
Ingots nach, ganz verschiedenen Stellen, so daß z.B. bei Ingots mit quadratischem
Querschnitte und größerer Länge die Risse auf der einen Seite näher dem Kopf-
oder Fußende liegen, während sie auf der anderen wieder mehr die Mitte des Blockes
einhalten.
Obschon nun diese Risse und Sprünge in den vorangeführten Fällen immer ohne eine
äußerlich sichtbare Veranlassung erfolgen und ihr Entstehen und Auftreten von jenem
der durch behindertes Schwinden verursachten ganz verschieden ist, so hat man
gleichwohl bisher meist dieselbe Ursache, das Schwinden, oder das ungleiche
Schwinden dafür angenommen.
Nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen aber hat man den Grund dafür gerade in
entgegengesetzter Richtung zu suchen, nämlich in der beim Uebergange vom flüssigen in den festen
Zustand, beim Erstarren oder Gefrieren erfolgenden Ausdehnung. Kommt nämlich das flüssige Metall, sey es
nun Roheisen oder Stahl, in die Form oder Coquille, so erstarrt sogleich der mit den
Wanden in Berührung kommende Theil desselben, während das Metall im Inneren des
Gußstückes flüssig bleibt und bei seiner später erfolgenden Erstarrung und damit
verbundenen Ausdehnung die äußere Rinde schon fest vorfindet und bersten machen muß,
wenn ihr die Dehnbarkeit fehlt, um der Ausdehnung ohne Riß Folge leisten zu
können.
Es ist wohl auch klar, daß das Schwinden einen Riß in einem nahezu
parallelepipedischen Stücke Gußeisen oder Stahl bei reiner Coquillebei einer Coquille nicht verursachen kann, nachdem durch dasselbe die Oberfläche des Stückes
wohl nur zusammengezogen, gepreßt, nicht aber bersten gemacht werden könnte.
Die behandelten Risse sind Aeußerungen eines, in der ganzen Natur herrschenden
Gesetzes; sie werden hervorgebracht durch dieselbe Kraft, welche die Flasche
zerbricht, in der man Wasser zum Gefrieren bringt, welche das Krachen des
Gletscher- und Seen-Eises, das Schwimmen des Eises auf dem Wasser, des
festen Roheisens auf dem flüssigen verursacht.
Daraus ergeben sich nun die Vorsichtsmaßregeln gegen das
in der weiteren Verarbeitung, z.B. der Guß- oder Bessemerstahl-Ingots
oft sehr unangenehme Auftreten der Risse ganz von selbst: 1) möglichst geringe und,
da dieß nicht immer seyn kann, doch möglichst gleichmäßige Ausdehnung der Ingots
oder Gußstücke nach allen drei Dimensionen, mit anderen Worten, Annäherung an die
den tropfbaren Flüssigkeiten eigenthümliche Tropfen- oder Kugelform; 2)
möglichst langsame Abkühlung des Gußstückes, daher auch gutes Vorwärmen der Form der
Coquille, und 3) möglichst große Dehnbarkeit, Tenacität des zum Gusse verwendeten
Materiales, richtige Auswahl der diese Eigenschaften besitzenden Roheisensorten.
(Zeitschrift des berg- und hüttenmännischen Vereines für Kärnten.)