Titel: | Ueber Pressen von Bessemerstahl in flüssigem Zustande; von W. Hupfeld zu Prävali. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXIX., S. 279 |
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LXXIX.
Ueber Pressen von Bessemerstahl in flüssigem
Zustande; von W. Hupfeld zu
Prävali.
Hupfeld, über Pressen von Bessemerstahl in flüssigem
Zustande.
In neuester Zeit hat sich mit der rasch zunehmenden Verwendung des Bessemermetalles
immer mehr das Bedürfniß gezeigt, die Ungänzen der Ingots, welche von Luftblasen
herrühren, da dieselben beim weiteren Verarbeiten Veranlassung zu sehr viel Ausschuß
geben und daher eine große Unannehmlichkeit für den Bessemerbetrieb bilden, durch
irgend eine mechanische Manipulation unschädlich zu machen.
Man hat dafür schon seit längerer Zeit das Pressen der flüssigen Ingots durch irgend
eine Vorrichtung, oder auch das Gießen derselben, sowie anderer
Stahl-Façonstücke in einer hochgespannten Atmosphäre in Anwendung
gebracht, und zwar schon früher in England als neuerdings in Neuberg. Von letzterer
Stelle aus sind über diese Manipulation mehrfache Notizen in die Oeffentlichkeit
gelangt.
Bei der großen Wichtigkeit der Herstellung dichter Bessemergüsse für unsere
Stahlindustrie dürfte es jedoch auch nicht ohne Interesse seyn, eine Bemerkung Bessemer's über diesen Gegenstand zu reproduciren, welche
er in seiner Antrittsrede als neugewählter Präsident des Iron
and Steel Institute am 28. März 1872 eingeflochten hat. Er sagt darin
nämlich Journal of the Iron and Steel Institute, 1871,
No. 2):
„Unter die wichtigsten Verbesserungen in der Stahlerzeugung ist die
Erfindung Sir Joseph Whithworth's zu rechnen, Stahl
unter hydraulischem Druck zu gießen. Der Guß großer Stahlmassen frei von
Luftblasen ist bisher sehr schwierig gewesen, hauptsächlich deßwegen, weil bei
der außerordentlich hohen Temperatur des geschmolzenen Stahles eine gewisse
Quantität Sauerstoff vom Metall absorbirt und so lange zurückgehalten wird, als
die Temperatur in gleicher Höhe bleibt, während er frei wird, sobald das Metall
bis zur beginnenden Erstarrung abgekühlt wird. Sobald daher das Metall in eine
kalte Form aufgenommen wird, werden große Mengen Gas frei, von welchem ein Theil
in der erstarrenden
Masse bleibt, und zahlreiche Zellen oder Wespennester (honey combs) bildet.“
Ein ähnliches Resultat ergibt sich beim Eisenfeinen, wenn man zu lange bläst;
Kohlenoxyd wird dann während der Erkaltung des abgestochenen Metalles in großen
Mengen frei und verursacht die so wohlbekannte luckige Eisenstructur.
Ein anderer Fehler, der dem Gußstahl anhängt, rührt von der krystallinischen Structur
her, welche dieses Metall deine Erstarren annimmt. So lange das Metall diese, durch
das Gießen veranlaßte Krystallisation beibehält, hat es nur geringe Cohäsion, und
die relative Festigkeit ist kaum halb so groß, als nach dem Schmieden oder Walzen.
Man kann diesen Stahl nur um einige Grade ohne Bruch aufbiegen und sein Ausdehnungs
Coefficient ist ungemein gering; wenn aber ein beträchtlicher Druck angewendet wird,
während der Stahl vom flüssigen in den festen Zustand übergeht, so werden die
Krystalle in der hohen Temperatur und in ihrem so zu sagen plastischen Zustande so
eng zusammengedrückt, daß die Masse in allen Theilen gleiche Dichtigkeit und
Cohäsion zeigt, und zwar eine viel größere, als jedes spätere Schmieden bewirken
könnte.
In einem Patent, welches ich 1856 nahm, beschrieb ich eine Methode, Stahl unter
hydraulischem Druck in eisernen Coquillen zu gießen; ein eiserner Plunger sollte in
die halbflüssige Masse an dem einen Ende der Coquille gepreßt werden, während auf
die andere Seite hydraulischer Druck wirkt. Ich hatte in derselben Zeit die
Bemerkung gemacht, daß die Gase welche aus Flüssigkeiten unter gewöhnlichem
Atmosphärendruck entweichen konnten, darin zurückgehalten werden, sobald man den
Atmosphärendruck auf ihre Oberfläche verstärkt. Ein gutes Beispiel für diese
Erscheinung ist das Entkorken einer Champagnerflasche, in welcher die
Gasentwickelung erst beginnt, sobald der Druck welcher in der verschlossenen Flasche
vorhanden ist, aufgehoben wird. In ähnlicher Weise glaubte ich das Treiben und
Kochen des Stahles in den Coquillen zu vermeiden, wenn man den flüssigen Stahl einem
hohen Luftdrucke aussetzte. So kam ich zu der ersten Idee, Stahl unter dem Drucke
von Luft oder Gasen zu gießen, die in eine geschlossene Kammer gepumpt werden
sollten, in welcher sich die Coquille und die Gußpfanne befinden; allein meine
zahlreichen anderweitigen Geschäfte verhinderten mich, die Sache weiter zu
verfolgen, bis die Idee vor einigen Jahren von Sir Joseph Whitworth wieder aufgenommen wurde.
Die große Schwierigkeit, Stahlgüsse frei von Luftblasen und von genügender Zähigkeit
zu erzeugen, um daraus Kanonen und Geschosse zu fabriciren, veranlaßte diesen Herrn,
das flüssige Metall dem Drucke eines hydraulischen Plungers auszusetzen, welcher in die
Coquille getrieben wurde. Seine Versuche in dieser Richtung wurden vom besten
Erfolge gekrönt, und ich hatte Gelegenheit, mich persönlich von der vollkommenen
Dichtigkeit verschiedener großer cylindrischer Massen zu überzeugen, welche mir nach
dem Abdrehen und Bohren gezeigt wurden, und in denen nicht das geringste Bläschen
sichtbar war. Es wurde sogar constatirt, daß diese einfachen, unter Druck
ausgeführten Stahlgüsse eben so fest, wenn nicht fester waren, als geschmiedeter
Stahl.
Ich fühle mich verbunden, zu erklären daß Sir Joseph Whitworth keine Idee von meiner früheren Erfindung hatte, als er mit
seinem System, unter hydraulischem Druck zu gießen, an die Oeffentlichkeit trat,
nach welchem System jetzt das sogenannte Whitworth-Metall erzeugt wird.
Es wäre von unschätzbarem Werthe, wenn man ein Verfahren entdeckte, wornach man ein
schmiedbares Metall, fester als Schmiedeeisen, in irgend eine gewünschte Form gießen
könnte, denn gerade die Form macht die Schwierigkeit. Man
kann sich leicht denken, wie man eine einfache Figur, wie ein längliches Geschoß,
einen massiven Cylinder, oder einen Ingot mit einem Plunger von einer Seite
zusammendrücken und damit eine gleichmäßige Wirkung auf die ganze Masse erzielen
kann, aber es ist eine ganz andere Sache bei complicirten Formen.
Denkt man sich z.B. diesen Druck auf der einen Seite einer Lehmform angewendet, in
welche eine Locomotiv-Doppelkurbelachse gegossen werden soll. In diesem Falle
würden wir zwei Brüche in der Richtung des Druckes haben, und selbst wenn es möglich
wäre, daß die Theile der Form zwischen den Kurbeln durch den enormen Druck nicht
beschädigt würden, welcher auf das Ende der Achse wirkt, so würden wir doch aus
einer anderen Ursache nicht reussiren. Der Plunger wird nämlich zweifelsohne den
Druck auf die ganze Masse verpflanzen, so lange das Metall flüssig bleibt, aber
gerade in diesem Zustände ist ein Druck als Ersatz des Schmiedens ohne Werth;
dagegen ist er höchst nothwendig, wenn mit der Erstarrung ein Zusammenziehen der
Masse stattfindet, um die Bildung von Blasen in der Mitte zu vermeiden und die
Verdichtung der Krystalle zu bewirken, welche sonst unter dem Hammer stattfindet. Es
ist klar, daß es sich in diesem Falle, wie in hundert anderen, wo es sich um
complicirtere Formen handelt, das System mit einem Plunger zu pressen, absolut
unanwendbar ist.
Es gibt bei diesem System noch andere unüberwindliche Schwierigkeiten, wenn man
es auf Stahlgüsse gewöhnlicher Art anwenden will; man müßte die Formkästen enorm
stark machen und inwendig nur mit einer sehr dünnen Lehmschicht bekleiden, um
ein Zermalmen derselben zu verhüten; auf der anderen Seite würde wieder z.B. eine
starke Kernspindel mit nur sehr dünnem Lehmmantel das Zusammenziehen des
Gußstückes unmöglich machen und ein Reißen desselben herbeiführen. Ich glaube
indessen, daß man diese Schwierigkeiten vermeidet, wenn man einen gewöhnlichen
Formkasten anwendet, auf gewöhnliche Weise formt und nur für starke Kammern
sorgt, in welche man die Formen setzt. Die Oeffnung für den Einguß muß durch
eine Schraube verschließbar gemacht werden, und eine künstlich hochgespannte
Atmosphäre kann man durch Verbrennung einer Mischung von Anthracit mit fein
gepulvertem kohlensauren Natron in der Kammer erzeugen. Diese Mischung bildet
ein unverbrennliches Gas von beliebiger Spannung, welches auf jeden Theil des
Gusses wirken wird, ohne die Form zu zerstören. Wenn wir auf diese oder irgend
eine andere Weise Stahl- oder Schmiedeeisengüsse erhalten könnten, frei
von Blasen und von entsprechend großer Dichtigkeit, so würden wir einen
ungeheuren Fortschritt erzielt haben. Wer die schönen Stahlgüsse der Bochumer
Gußstahlfabrik in Deutschland oder der Herren Vickers
und Comp. in Sheffield gesehen hat, wird die
Wichtigkeit eines Verfahrens begreifen, wornach man solchen Stahlgußstücken die
gleiche Schmiedbarkeit und Zähigkeit wie Stahlschmiedestücken geben
könnte.“
So weit Bessemer. Es scheint, daß trotz der augenfälligen
Wichtigkeit des Gegenstandes seine Anwendung bisher nur eine beschränkte geblieben
ist, wenigstens fanden wir bei unserer Besichtigung der bedeutendsten englischen
Bessemerwerke in Sheffield und Cumberland nirgends das Pressen in Anwendung.
Allerdings setzt das Verfahren eine theilweise Aenderung der Anlage und Manipulation
voraus, welche in der gegenwärtigen arbeitsreichen Zeit bei älteren Anlagen am
schwierigsten zu bewerkstelligen ist.
Dagegen ist das Arbeiten aus großen Ingots für die Schienenfabrication, und zwar
mittelst Vorschmiedung, allgemein in der Uebung; ein Ersatz der Schmiedearbeit durch
Vorwalzen wurde (analog Bochum) auf einigen neueren Anlagen in Aussicht genommen,
directes Fertigwalzen kleiner Ingots fanden wir nirgends. (Aus der Zeitschrift des
berg- und hüttenmännischen Vereines für Kärnthen).