Titel: | Verbesserter Hemmapparat zum sicheren und schnellen Bremsen eines Eisenbahnzuges; vom kgl. bayer. Obermaschinenmeister J. Heberlein in München. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXIX., S. 253 |
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LXIX.
Verbesserter Hemmapparat zum sicheren und
schnellen Bremsen eines Eisenbahnzuges; vom kgl. bayer. Obermaschinenmeister J. Heberlein in München.
Bayerisches Patent vom 14. Juni 1869. – Aus
dem bayerischen
Industrie- und Gewerbeblatt, 1872 S. 272.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Heberlein's Hemmapparat für Eisenbahnzüge.
Das Bedürfniß, einen im Laufe befindlichen Eisenbahnzug so rasch als möglich zum
Stehen zu bringen, ist bis jetzt stets nur sehr unvollkommen gelöst und wir finden
allenthalben noch die höchst primitive Einrichtung der Einzelbremsen bei den
Eisenbahnzügen, welche nicht bloß ein zahlreiches Bedienungspersonal erfordern,
sondern auch alle die Mängel besitzen, welche auf menschlichen Schwächen beruhen.
Die Bremse des kgl. bayer. Obermaschinenmeisters Heberlein scheint eine glückliche Lösung des allgemeinen Bedürfnisses zu
gestatten, und es dürfte ebenso Pflicht aller Eisenbahn-Verwaltungen seyn,
den Werth dieser Bremse zu untersuchen und zu würdigen, wie es das ernstlichste
Verlangen des reisenden Publicums ist, daß die Sicherheit des Betriebes und resp.
der Person durch derartige Einrichtungen mit allen Kräften gewahrt wird.
Wir geben in Nachstehendem eine Beschreibung und in Fig. 10 und 11 eine
Zeichnung des Heberlein'schen Bremsapparates, welcher das
allgemeine Interesse hervorgerufen hat, und bemerken hierzu, daß derselbe in
neuester Zeit noch verbessert wurde, daß aber das dabei angewendete Princip das
gleiche geblieben ist.
Aus Fig. 10
und 11 ist
ersichtlich, wie die Heberlein'sche Bremse angebracht
ist. In Mitte des Zuges befindet sich ein Wagen (Nr. 3), welcher als Bremswagen
bestimmt ist. An diesem Wagen sind an einer Achse zwei gußeiserne mit Hirnholz
ausgefütterte Scheiben a befestigt, welche sich mit
derselben bewegen, während ein Rahmgestell b unten am
Wagengestelle in einer Führung ruht. In diesem Rahmgestelle b bewegen sich zwei kleine Achsen mit darauf festgekeilten stählernen
Frictionsrollen c und Schnurläufen d.
Auf jedem dieser Schnurläufe d ist eine Kette e befestigt, welche sich auf den nächstfolgenden Wagen
fortleitet und hierdurch ein Wagen mit dem anderen verbunden werden kann.
An diesen zwei Wagen ist die bereits überall eingeführte Spindelbremse vorhanden;
dieselbe bleibt ganz unverändert bis auf den Winkelhebel f, welcher aus zwei Blechtheilen besteht, die eine kleine Rolle g umfassen, während oberhalb derselben zwei gleich große
Rollen h am Fußplatze befestigt sind.
Sodann ist am erwähnten Rahmgestelle b eine Zugstange i, welche oben am Wagen Nr. 3 in einer Nase ruht. Will
man nun im Conducteur-Coupé des Bremswagens den Zug zum Stehen
bringen, so darf man nur an dem Metallknopf k anziehen,
und das Rahmgestell b wird mit den Frictionsrollen c auf die sich bewegenden Scheiben a fallen, dieselben werden die Frictionsrollen c in Bewegung setzen, die Ketten sich aufwickeln, die
Bremshebel f in die Höhe heben, wodurch alsdann die
Bremshölzer l an die Räder angedrückt werden.
Nachdem nun, wie aus der Zeichnung ersichtlich, die Bremsvorrichtung am Wagen Nr. 3 doppeltwirkend
ist, so ist auch erklärlich, daß bei einer Geschwindigkeit von 8 Meilen per Stunde, sowie am Metallknopfe k angezogen wird, in einer Secunde die Bremshölzer an die Räder gedrückt
sind, mithin längstens in 8–10 Secunden der Zug bei obiger Geschwindigkeit
zum Stehen gebracht werden kann.
Damit nun aber sowohl der Locomotivführer als auch der Wagenwärter den Zug ebenso
rasch bremsen kann, so leitet sich eine Schnur m von der
Zugstange i zu dem Haspel welcher auf dem Dache der
Locomotive befestigt ist, während ein zweiter Haspel am Ende des Zuges auf dem Dache
des letzten Wagens angeschraubt wird. Um aber auch die Maschine rasch einhalten zu
können, ist der Tender mit einer ähnlichen selbstwirkenden Bremse versehen wie der
Wagen Nr. 3.
Dieser Hemmapparat entspricht mehr wie jede andere Bremsvorrichtung den Anforderungen
welche die Sicherheit erheischt, indem erstens vom Bremswagen durch den Druck auf
die Feder der Eisenbahnzug bei größter Geschwindigkeit auf eine kurze Entfernung zum
Stehen gebracht werden kann; zweitens der den Zug in Bewegung setzende
Locomotivführer sowie der Wagenwärter denselben auf dieselbe kurze Entfernung
anhalten kann; drittens würde sich der Zug, falls ein Wagen sich ablösen sollte,
ganz von selbst bremsen; endlich viertens bremst sich, im Falle ein Achsenbruch oder
eine Entgleisung der Maschine vorkommt, der Zug ebenfalls von selbst.
Was die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten betrifft, so dürfte aus der
Zeichnung zu entnehmen seyn, daß an Einfachheit alle Hemmapparate übertroffen sind,
und bliebe die Spindelbremse, mithin das ganze System, wie bisher beibehalten.
Um die Bremshölzer wieder frei zu machen, darf nur vermittelst des Hebels n das Rahmgestell b in die
Höhe gehoben werden, und die Kette e wird sich sofort
durch die Schwere der Winkelhebel f abwickeln und der
ganze Apparat frei seyn.