Titel: | Ueber Rauchwaarenfärberei; von F. C. Keferstein. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. XVIII., S. 63 |
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XVIII.
Ueber Rauchwaarenfärberei; von F. C. Keferstein.
Vortrag gehalten in der Sitzung der Leipziger
polytechnischen Gesellschaft.
Keferstein, über Rauchwaarenfärberei.
Die Rauchwaaren sind im Allgemeinen Producte kälterer Länder und sind in solchen ein
gesuchter Artikel, weil sich der Mensch gegen die Kälte im Freien nicht gut anders
als durch Pelzkleidung zu schützen im Stande ist.
Obgleich nun dafür gesorgt wäre, daß, wo das Bedürfniß nach wärmender Kleidung sich
geltend macht, auch das nöthige Material dazu sich finde, so bewährt sich auch hier
das alte Sprichwort, daß der Prophet im eigenen Lande wenig gilt. Luxus und Mode
verlangen nach kostbarerem Rohmaterial und dieses beschafft der Handel.
Die sogenannten Rauchwaaren sind, weil Naturproducte, nun nicht etwa Waaren wie
Getreide oder Zucker, deren Qualität und Beschaffenheit zwischen Kennern leicht
festzustellen ist, sondern sie sind unter sich auch bei sonst gleicher Art und Güte
so verschieden, daß der Käufer die Waare mit eigenen Augen gesehen haben muß, um
beurtheilen zu können, ob sie dem heimischen Geschmack auch entspricht, oder
nicht.
Durch diese Eigenthümlichkeit des Rauchwaarengeschäftes ist es nothwendig geworden,
daß sich der Welthandel darin auf einzelne wenige Punkte concentrirte, von denen
sich einige von den anderen dadurch unterscheiden, daß hier nur zeitweise große
Lager zum Verkauf kommen, während dort große Lager fortwährend vorhanden sind und
das Geschäft ohne Unterbrechung fortgeführt wird.
Zu den ersteren Plätzen zählt London mit seinen großen Auctionen,
Nischney-Nowgorod mit seiner Messe, zu den letzteren in der Hauptsache Leipzig.
Die Rauchwaaren kommen theils roh, theils bereits bearbeitet in den Handel, sie
werden jedoch schließlich nur im bearbeiteten Zustande vom Kürschner ihrer
Bestimmung zugeführt.
Die Bearbeitung der Maare erfolgt stets dort, wo dieß am billigsten und am besten
ausgeführt werden kann, d.h. an den Punkten wo große Waarenposten zusammenströmen,
weil nur hier die betreffenden Arbeiter auf ununterbrochene Arbeit mit einiger
Sicherheit rechnen und die erforderliche Geschicklichkeit erlangen können.
Die Bearbeitung der Waare verfolgt verschiedene Zwecke. Zunächst und vor Allem muß
sie das Ziel im Auge haben, das Leder in einen Zustand zu versetzen, daß es dauernd
weich, dehnbar und geschmeidig wird. Dieß nennt man das Zurichten. Jedoch verfolgt
die Bearbeitung noch ein weiteres Ziel, es ist dieß die Verschönerung der Waare.
Verschiedene Rauchwaaren werden schöner durch das Scheren, andere dadurch, daß man
die borstenartigen Oberhaare ausrupft und ähnliche Arbeiten vornimmt, die wichtigste
und weitgehendste Verschönerung besteht jedoch in dem Färben der Waare.
Die Rauchwaarenfärberei besteht etwa seit 100 Jahren und gewinnt von Jahr zu Jahr
größere Ausdehnung, weil auch hierin größere Fortschritte durch die Benutzung der
Wissenschaft gemacht werden konnten. Man hat gelernt auch dem Leder eine größere
Dauer zu geben, als dieß früher der Fall war, so daß die gefärbte Waare immer mehr
Freunde gewinnt, zumal auch das Haar selbst durch die Farbe einen sicheren Schutz
gegen Mottenfraß erlangt.
Was das Färben selbst anbelangt, so unterscheidet man zwei wesentlich von einander
verschiedene Zweige, nämlich
die Kaltfärberei oder die sogenannte Wildwaarenfärberei
und
die Tunkfärberei, welche mit lauwarmer Farbflotte
betrieben wird.
Die Kaltfärberei, welche jetzt fast ausschließlich nur noch zum Färben von
sogenannter Wildwaare Anwendung findet, ist ein höchst mühsames Geschäft, welches
nicht nur eine sehr große Geschicklichkeit, sondern auch besondere Genauigkeit und
eine gewisse Kunstfertigkeit verlangt, da sonst die gewünschte Nüance oder
Schattirung leicht zu verfehlen ist und die betreffende Waare statt schöner zu
werden, leicht verdorben werden kann.
Die Wildwaarenfärberei befaßt sich nur mit den beiden Farben „Schwarz und
Braun“, durch welche sehr schöne Erfolge erreicht werden.
Viele Rauchwaare wird ausschließlich an der Spitze gefärbt, doch läßt sich dieß nur
dann bewerkstelligen, wenn das Unterhaar an und für sich schon schön und gleichmäßig
in der Farbe und Schattirung ausfällt. Diesen schwierigen Zweig der Färberei nennt man das Blenden. Es ist begreiflich, daß das Blenden sehr
vorsichtig betrieben werden muß, da sonst das Unterhaar leicht Farbe annehmen würde
und das Ansehen und der Werth geringer als vorher werden müßten. Geblendet werden
namentlich Bisamfelle in Braun, braune Katzen in Schwarz.
Andere Waaren, besonders hellfarbige, werden hellbraun im Unterhaar und mehr oder
weniger dunkelbraun bis schwarz an der Spitze gefärbt. Es sind dieß die englischen,
französischen und brabanter Kanin, Katzen u. dergl. Die bunte und scheckige Waare
dagegen wird gewöhnlich bis auf den Grund schwarz gefärbt.
Was das Färben selbst anbetrifft, so wird zunächst durch eine Behandlung mit
Kalkwasser dem Haare das Fett entzogen und dasselbe dadurch zur Aufnahme der Farbe
empfänglich gemacht. Das Auftragen der kalten Farbflotte geschieht darnach durch
einen bürstenartigen Pinsel. Nach jedem Aufstreichen muß die Waare getrocknet und
durch Klopfen von dem überflüssigen Farbstoffstaub befreit werden, ehe mit einem
neuen Anstrich vorgegangen werden kann. Manche Waare, z.B. die amerikanischen
Luchse, die Wildkatze etc. erfordern 20- und mehrmal diese Behandlung, ehe
die Farbe gleichmäßig schön und tief erscheint.
Schließlich wird die ursprüngliche Geschmeidigkeit des Leders und der schöne Glanz
des Haares durch längeres Läutern hervorgerufen. Man
bedient sich dazu der sogenannten Läutertrommeln. Dieß sind große Trommeln, welche
inwendig mit einer Art Wendeschaufeln versehen, mit etwas Sand und Sägespänen, oder
auch mit letzteren allein neben größeren Waarenposten gefüllt sind und so lange in
Umdrehung versetzt werden, bis der gewünschte Haarglanz zum Vorschein kommt.
Nachdem die Sägespäne durch Ausklopfen wieder entfernt worden sind, ist die Waare zum
Verkauf oder zur Verarbeitung fertig.
Große Posten von Bisam, sowie die Kamtschatka-Seehunde werden in England,
Massen von Kanin und Katzen in Frankreich, Luchse und Wildkatzen wohl ausschließlich
neben gewöhnlichen Katzen, Bisam und Kanin in Deutschland gefärbt. Namentlich hat
die Färberei von Herrn Meißner in Leipzig einen Ruf im
Färben von Luchsen und Katzen.
Die Tunkfärberei ist jedenfalls aus der Kaltfärberei entstanden und noch jetzt wird,
statt der ersteren, letztere für die betreffende Waare angewendet. Die Tunkfärberei
eignet sich weniger für die Wildwaare, dafür desto besser für das Färben von
Lammfellen. Wie schon erwähnt, bedient man sich hierzu einer lauwarmen Farbflotte
und der Name besagt deutlich genug, daß nicht nur das Haar, sondern das ganze Fell
gefärbt wird, indem es in die Flotte eingetaucht wird. Es wird hierdurch der wichtige Vortheil erlangt,
daß einmal eine intensivere Färbung erzielt wird, während andererseits der ganze
Proceß viel schneller beendet werden kann, sich mithin große Massen bei geeigneter
Einrichtung schnell fertigstellen lassen.
Schwarz gefärbte Lammfelle, Astrachan, kommen schon seit langer Zeit unter dem Namen
„russische Treibel“ in den Handel. Diese Waare wird von den
Tartaren nach der Manier der Kaltfärberei behandelt, jedoch theilweise so mangelhaft
hergestellt, daß, seit man in Deutschland und namentlich in und bei Leipzig gelernt
hat, viel schöner tief schwarz zu färben, diese Waare viel von ihrem früheren Markte
verloren hat, ja daß sogar die ungefärbte Waare besser bezahlt worden ist als die
gefärbte.
Die Lammfelle fallen bekanntlich theilweise schon von Natur schwarz oder dunkelbraun
aus, und ist es nicht schwierig, diese Waare kalt gefärbt tief schwarz herzustellen;
lange Zeit, viel Ausdauer und Lehrgeld aber hat es gekostet, ehe man dahin gelangt
ist, auch buntscheckige und ganz weiße Lammfelle schön und tief schwarz
herzustellen. Es fällt bei Versuchen in dieser Beziehung in das Gewicht, daß schon
die rohe Waare ziemlich kostbar ist und z.B. einzelne persianer Felle roh mit 5
Thlr. pro Stück bezahlt werden.
Bei der Tunkfärberei kommt ferner in Betracht, daß die rohe Waare vielfach ganz roh,
d.h. nur getrocknet an den Markt kommt, während die Wildwaare dem Färber zugerichtet
schon überliefert wird. Der Tunkfärber muß daher auch das Zurichten verstehen, und
zwar muß er dieses so handhaben, daß der Färbeproceß weder beeinträchtigt wird, noch
der Qualität des Leders Schaden verursachen darf.
Das Zurichten besteht nun darin, daß das Leder der vorher
in Wasser eingeweichten Felle zunächst von einem gebogenen, stumpfen Messer, dem
sogenannten Zieheisen, von den überflüssigen Fleischtheilen befreit wird. Nachdem
dieß geschehen, muß das Leder gebeizt werden, was durch
Bestreuen mit Gerstenschrot und Einlegen in Salzwasser geschieht. Das
Gersten- oder Maisschrot geht hierbei in die weinige, später in saure und
leicht auch in die faulige Gährung über, so daß schon hierbei Vorsicht dringend
geboten ist. Man schützt die Waare gegen das Verderben durch fleißiges Umlegen,
wodurch zugleich die schädliche Erhöhung der Temperatur vermieden wird.
Hat die Beize in richtiger Weise auf das Leder eingewirkt, so werden die Felle
herausgenommen, gewaschen und getrocknet, und in mäßig feuchtem Zustande nochmals
von dem Messer, dem Zieheisen, ausgezogen. Schon in diesem Zustande finden die
Lammfelle vielfache Verwendung, das Haar hat seine natürliche Farbe behalten, es ist nur
schmutzfrei geworden, das Leder aber ist fast blendend weiß und dehnbar. Es gibt
indessen viele Felle, die, obgleich schön im Bau, doch, weil sie bunt oder ganz weiß
sind, wenig Werth haben würden, wollte man sie ungefärbt bearbeiten. Der Färber
schreitet daher zu dem wichtigeren Theile seiner Arbeit, dem eigentlichen
Färben.
Dem Färben geht wiederum die sogenannte Tödtung voraus, welche in dem Entfernen aller Fetttheile
aus den Haaren besteht. Man erreicht diesen Zweck durch verschiedene Mittel, unter
welchen Kalkwasser noch immer eine große Rolle spielt. Nach dem Tödten müssen die
benutzten Chemikalien, welche der Farbeflotte nachtheilig seyn würden, durch gutes
Auswaschen wieder entfernt werden. Die nach mäßigem und gleichartigem Trocknen
vorbereitete Waare gelangt nun in die lauwarme Farbflotte, deren Zusammensetzung
vielfachen Abänderungen unterliegt, deren Grundstoffe jedoch dieselben sind oder
seyn können, welche unserer gewöhnlichen Tinte zu Grunde liegen.
Die Felle werden jedes einzeln eingetaucht und bleiben mit so viel von der
Farbflotte, als sie aufnehmen können, beladen, mehrere Tage liegen. Die Farbe ist
ein wenig dunkles Blau, welches erst bei dem Trocknen in ein dunkleres Blau und
schließlich in tiefes Schwarz übergeht. Gewöhnlich genügt ein einmaliges Eintauchen
noch nicht, um besonders bei heller, scheckiger und weißer Waare das gewünschte
tiefe Schwarz zu erlangen und ist daher ein mindestens zweimaliges Eintauchen
gebräuchlich.
Wie bei der Kaltfärberei muß auch bei der Tunkfärberei, hier jedoch durch Auswaschen,
das Entfernen des Farbstaubes von der ersten Farbe her, sowie das Trocknen
vorhergehen, zumal ohne vorheriges Trocknen die erste Farbe theilweise noch
unentwickelt und löslich seyn würde.
Hat die Farbe die gewünschte Tiefe erlangt, so muß das Leder, welches durch
wiederholtes Anfeuchten und Trocknen hart und steif geworden ist, wieder weich und
dehnbar gemacht werden, zu welchem Zwecke die bekannten Mittel angewendet werden.
Schließlich wird der vorzügliche Glanz des gefärbten Haares durch das Läutern
hervorgerufen. Die Waare braucht dann nur noch gesäubert, sortirt und verpackt zu
werden, um wieder marktgängig zu werden.
Alle schöngefärbte schwarze Lammwaare wird in und bei Leipzig gefärbt, wo mehr oder
weniger großartige Fabriketablissements nur für diesen Zweck seit erst 10 bis 15
Jahren entstanden sind, welche noch immer der Erweiterungen bedürfen.
Wie bedeutend und bedeutungsvoll für den Leipziger Handel und für Leipzig's Industrie
diese Branche geworden ist, ersieht man daraus, daß von dieser Waare mindestens 2
Millionen Stück in Leipzig gefärbt werden, wodurch allein an Arbeitslöhnen etwa
150,000 Thlr. in Umlauf gesetzt werden müssen.
Die Waare, roh oder fertig, zeigt auch für den Laien einen großen Unterschied in der
Qualität, d.h. abgesehen von der Güte des Leders oder der Farbe, im Ansehen oder im
Charakter. Während die ächten Persianer so gleichmäßig gelockt sind, daß die
Haarlocken wie glänzende Perlen aneinandergereiht daliegen, zeigen andere
kurzhaarige Felle die schönsten Moirée-Muster, welche man, da diese
schöngemusterten Lammfelle ziemlich kostbar sind, mit glücklichem Erfolg auf
plüschartigem gewebtem Stoff seit einigen Jahren nachahmt. Die Wolle oder das Haar
der Schafe oder Lämmer und die Zeichnung, der Charakter derselben, hängt von der
Abstammung, der Cultur und auch von Witterungseinflüssen ab; es ist bei der großen
Mannichfaltigkeit der Wollschafe daher natürlich, daß auch das Lammfell als Pelzwerk
sehr große Verschiedenheiten zeigt, ja daß viele und die Mehrzahl der Lammfelle als
Pelzwerk fast gar keinen Werth haben. –
Der so umfangreiche Handel und die Färberei hat in Leipzig noch einen anderen, sehr
wichtigen Geschäftszweig, wenn nicht hervorgerufen, so doch wesentlich ausgebildet.
Es ist dieß die Kunst des Sortirens.
Man kann Pelzfutter nur schön aus möglichst gleichartiger Waare herstellen und
besteht die Kunst des eigentlichen Kürschners, des sogenannten Galanteriekürschners,
besonders darin, aus dem gegebenen Material ein schön gemustertes Stück
herzustellen. Bei der gefärbten Waare liegt nun die Schönheit in dem Charakter, in
der Zeichnung und ist es für den Käufer, wie für den Verkäufer höchst wichtig, die
großen und sehr gemischten Waarenposten so geordnet auf Lager zu halten, daß sich
ein Ueberblick über die Qualität schnell und sicher gewinnen läßt, was nur durch das
Sortiren erreicht werden kann.
Es ist dieß nun eine Kunst, welche schwer zu erlernen ist, sie erfordert einen
geübten Blick und ein schnelles Verständniß für die kleinsten Abweichungen. Diese
Kunst ist leichter auszuüben bei fertiger Waare, als bei roher, und doch muß auch
bei dieser schon ein Sortiment vorgenommen werden. (Blätter für Gewerbe, Technik und
Industrie, Bd. VI S. 81.)