Titel: | Richard's selbstthätige elektrische Ausrückvorrichtung in Anwendung auf Strumpfwirkerstühle und Webstühle überhaupt. |
Fundstelle: | Band 206, Jahrgang 1872, Nr. VI., S. 14 |
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VI.
Richard's selbstthätige elektrische Ausrückvorrichtung in Anwendung auf
Strumpfwirkerstühle und Webstühle überhaupt.
Nach dem Berichte von du Moncel im Bulletin de la Société
d'Encouragement, September 1872, S. 473.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Richard's selbstthätige elektrische Ausrückvorrichtung für
Strumpfwirkerstühle und für Webstühle überhaupt.
Um den Nachtheilen zu begegnen, welche in der Strumpfwirkerei durch das Reißen der
Fäden oder die unvermuthete Entleerung der Spulen auf welche sie gewickelt sind,
herbeigeführt werden, hat man die mechanischen Vorrichtungen (casse-fils) erdacht, welche im Momente des Fadenbruches den
Webstuhl auf automatische Weise in Stillstand setzen. Der Berichterstatter weist nun
zunächst nach, daß die heut zu Tage gebräuchlichen Vorrichtungen dieser Art in
Anwendung auf die Strumpfwirkerei keineswegs vollständig genügen, und daß auch ihre
weitere Vervollkommnung in rein mechanischem Sinne zu keinem befriedigenden
Resultate führen könne, weil die Ursachen, welche das Reißen eines Fadens nach sich
ziehen können, nicht im Stande sind, eine für die Einstellung der Bewegung des
Webstuhles hinreichend kräftige mechanische Wirkung hervorzurufen. Erwägt man jedoch, daß die elektromagnetische Thätigkeit unter dem Einflusse
einer kaum merkbaren physischen Ursache eine energische Kraft darbietet, so
gestaltet sich die Frage anders und man erkennt leicht, daß das Problem unter
ausgezeichneten Bedingungen gelöst werden kann, ganz in Uebereinstimmung mit dem
eigenthümlichen Charakter der Elektricität, welche der Industrie und den Künsten
schon so große Dienste geleistet hat. Dieß ist nun Hrn. Richard in Paris (12, rue Portefoin) durch
seinen Apparat, welchen er mit dem Namen „Fühler“ (feeler) bezeichnet, gelungen. Es haben zwar bereits die
HHrn. Radiguet und Lecêne die Elektricität in ähnlichem Sinne angewendet,Man sehe die Beschreibung ihrer elektrischen Ausrückvorrichtung für
Strumpfwirkerstühle im polytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 304 und
480. indem sie den Fall der articulirenden Hakenstäbe in Folge eines Fadenbruches
zum Schluß des Batteriestromes benutzten, welcher einen Elektromagnet und mit diesem
die Ausrückvorrichtung in Wirksamkeit setzte. Die Thätigkeit dieses Mechanismus war
jedoch immer nur die Folge des Unfalles, sie kam ihm
nicht zuvor. Bei Richard's
System sind es hingegen die den Bruch der Fäden bedingenden Ursachen selbst, welche
diesen Bruch hindern; sobald aber einmal der Apparat still steht, ist es leicht, dem
Uebelstand, welcher Schuld daran ist, abzuhelfen. Das System von Radiguet und Lecêne
scheint überdieß nur auf kreisförmige Strumpfwirkerstühle anwendbar zu seyn, während
das Richard'sche System nicht nur die kreisförmigen und
geradlinigen Strickmaschinen, sondern auch gewöhnliche Webstühle, sowohl
rücksichtlich der Kettenfäden als auch der Einschlagfäden, umfaßt.
Um die Functionen der verschiedenen Theile des Richard'schen Apparates zu verstehen, muß man in Betreff der Ursachen, welche
Fadenbrüche veranlassen können, genau unterrichtet seyn. Letztere können herrühren:
1) von der Aufhebung des Zusammenhanges der Fäden auf den Spulen in Folge schlechten
Anknüpfens; 2) von Knoten oder dicken Stellen im Faden; 3) von einer unregelmäßigen
oder stellenweise zu gepreßten Einspulung, wodurch eine übermäßige Spannung erzeugt
wird. Das Problem war also in der Art zu lösen, daß man den Faden, der in Folge
seines Bruches oder seines Ablaufens gar keine oder in Folge von Knoten,
Verdickungen oder schlechter Einspulung eine allzugroße Spannung zeigte, auf eine
Vorrichtung wirken ließe, welche im Stande wäre, unter dem Einflusse dieser beiden
entgegengesetzten Wirkungen die Kette zu schließen. Zu diesem Ziele nun ist Richard gelangt, indem er die Fäden über kleine polirte
Metallstege leitet, welche durch Drahtfedern von unten nach oben gedrängt werden und zwischen zwei
Metallschienen oscilliren, die mit dem einen Pole einer Volta'schen Säule direct in Verbindung stehen, während die Metallstege
selbst durch die mit der Entkuppelungsvorrichtung correspondirende Kette mit dem
anderen Batteriepol in Rapport gesetzt sind. Die über die Stege laufenden Fäden
verhindern den Contact der letzteren mit der darüber befindlichen Metallschiene,
wobei die Ausstreckung des Fadens unter einem durch die Spannung der erwähnten
Drahtfeder regulirbaren Drucke leicht vor sich geht. Wenn nun einer der Fäden reißt,
so kommen die beiden Metallstücke mit einander in Berührung, der Strom wird
geschlossen und die Ausrückvorrichtung tritt in Thätigkeit. Wenn dagegen der Faden
einer zu starken Spannung ausgesetzt seyn sollte, welche ihn zu zerreißen droht, so
drängt der bewegliche Steg die Drahtfeder zurück und kommt nun mit der unter ihm befindlichen Metallschiene in Berührung. Die
Folge davon ist, wie in dem ersteren Falle, ein Schluß des elektrischen Stromes,
welcher auf gleiche Weise den Stillstand des Strumpfwirkerstuhles zur Folge hat. Es
ist einleuchtend, daß die nämliche Wirkung erfolgt, wenn ein Knoten oder eine zu
dicke Stelle vorkommt. Das Princip einer präventiven Thätigkeit ist also mit
vorstehender Anordnung in wirksamer Weise realisirt, und das Problem in einfachster
Form gelöst.
Das elektromagnetische Ausrücksystem von Richard bietet an
sich nichts Besonderes dar. Die Armatur bewirkt, indem sie angezogen wird, die
Auslösung des Hebels mit der Rolle welche die Transmissionsschnur spannt, und setzt
dadurch den Strumpfwirkerstuhl außer Thätigkeit. Zugleich wirkt die Armatur auf
einen Stromunterbrecher, indem sie mit Hülfe eines kleinen Elfenbeinzahnes zwei in
unmittelbarem Contact stehende elastische Metallstreifen von einander trennt; eine
Anordnung welche nach erfolgter Reparatur des Schadens die Armatur wieder in ihre
vorherige Lage zu bringen und die Maschine wieder in Gang zu setzen gestattet.
Was die Anwendung seines Systemes auf Webstühle überhaupt anbelangt, so bedient sich
Richard für die Kettenfäden einer Reihe sehr nahe
aneinander liegender Metallschienen, welche wechselweise an zwei parallelen
Metallplatten befestigt sind, deren jede mit einem Pole einer Volta'schen Batterie correspondirt, in deren Schließungsbogen der
elektrische Entkuppelungsapparat eingeschaltet ist. Sich selbst überlassen, können
diese Schienen einander zu zwei und zwei berühren, nämlich eine Schiene der geraden
Reihe und eine Schiene der ungeraden Reihe. Wenn aber der Webstuhl montirt ist, so
trennt jeder Kettenfaden diese beiden Schienen und hindert dadurch den Schluß des
elektrischen Stromes. Nur wenn einer oder der andere dieser Fäden reißen oder wenn ein Knoten vorkommen
sollte, kommt die Berührung jener Schienen zu Stande und veranlaßt die Entkuppelung
des Webstuhles. Für die Einschlagfäden stattet Richard
den Schützen mit dem oben beschriebenen Unterbrecher aus, der sich jedoch auf einen
einzigen Steg reducirt. Zwei an den beiden gegenüberliegenden Flächen des Schützes
eingefügte und von einander isolirte Metallschienen stehen mit den beiden isolirten
Theilen des Unterbrechers in leitender Verbindung. Bei jedem Wurf des Schützes
werden sie, wenn dieser am Ende seines Laufes ankommt, zwischen zwei anderen
Metallschienen gefaßt, welche mit den beiden Polen einer mit dem Ausrückapparat
correspondirenden Volta'schen Kette communiciren, und
diesen Apparat mit dem Unterbrecher des Schützes in directen Rapport setzen. Der
weitere Erfolg ist dem mit Bezug auf den Strumpfwirkerstuhl beschriebenen ganz
analog.
Um übrigens gerecht zu seyn, müssen wir bemerken, daß schon i. J. 1855 Peyrot eine ähnliche Idee hatte.Exposé des applications électriques par
M. le comteDu Moncel, t.
III p. 75. Anstatt aber den durch den Unterbrecher des Schützes geschlossenen Strom auf
eine Ausrückvorrichtung wirken zu lassen, bediente er sich desselben nur dazu, eine
elektrische Schelle ertönen zu lassen, um den Arbeiter auf die dem Schützen drohende
Störung aufmerksam zu machen; deßhalb die Bezeichnung „navette-moniteur
électrique,“ welche Peyrot
diesem Systeme gab. Er hatte übrigens diese Anordnung nur für Bandwebstühle
bestimmt.
Richard's Erfindung, in Anwendung auf den
Strumpfwirkerstuhl, hat bereits in der Praxis Eingang gefunden und zwar mit
ausgezeichnetem Erfolg. Gegenwärtig arbeitet der Apparat in der internationalen
Ausstellung zu London und scheint das Interesse competenter Männer zu erregen. Ob
auch der zweite Theil seiner Erfindung bereits praktische Anwendung gefunden hat,
ist uns nicht bekannt. Jedenfalls ist kein Grund vorhanden, warum er nicht eben so
gute Resultate als der erste liefern sollte.
Nähere Beschreibung der elektrischen
Ausrückvorrichtung in Anwendung auf den Strumpfwirkerstuhl.
Fig. 1 stellt
den von dem Erfinder „Fühler“ genannten Apparat im
Längendurchschnitte,
Fig. 2 einen
der Stege im Aufrisse und
Fig. 3 einen
solchen im Grundrisse dar.
Fig. 4 ist
eine Längen- und Endansicht der zur Führung der Fäden in den Apparat
dienenden Hakennadel.
Fig. 5 ist ein
Aufriß des Ausrücksystemes,
Fig. 6 ein
Aufriß des mit dem letzteren verbundenen elektrischen Apparates, und
Fig. 7 ein
Horizontaldurchschnitt desselben nach den Linien I, II der Fig. 6.
A ist die Hauptplatte, auf welcher die Organe des
„Fühlers“ angeordnet sind.
B bezeichnet die auf und nieder beweglichen Metallstege,
an Zahl den Fäden der Spulen gleich; sie haben im Verticaldurchschnitt die Gestalt
eines Winkelhakens und bestehen aus einer horizontalen Platte (Fig. 2 und 3), welche mit einer
verticalen von einer Drahtfeder umgebenen Spindel verbunden ist. Diese Drahtfeder
liegt in einer entsprechenden Höhlung des Theiles A.
– C sind kleine, aus der Platte A hervorragende Ständer, welche frei durch die Stege B treten, um die Verticalität ihrer oscillirenden
Bewegung zu sichern. – D ist eine feste, polirte
oder emaillirte Querschiene, in welcher die oberen Enden der Stegspindeln frei
gleiten. Zwischen diese Querschiene und die obere Fläche der Stege führt man mit
Hülfe der in Fig.
4 dargestellten Nadel die Fäden der Spulen. Jeder dieser in Fig. 1 durch
einen Punkt bezeichneten Fäden hat also zu seiner Bewegung von der Linken zur
Rechten und umgekehrt den zwischen den Stegspindeln und den Ständern C befindlichen Spielraum.
E, E sind metallene Contactschienen, parallel zur
Querstange D, welche sich auf der einen Seite vereinigen
und eine Art Gabel bilden, in welcher der ganze Apparat gelagert ist.
F bezeichnet eine zwischen der Querschiene D und der oberen Schiene E
gelagerte isolirende Substanz; G bezeichnet eine andere,
auf gleiche Weise zwischen der Platte A und der unteren
Schiene E eingeschaltete isolirende Schichte.
H, H ist ein Schraubenbolzen nebst Mutter, welcher
sämmtliche Theile des Apparates vereinigt; die Löcher, durch welche er geht, sind
mit einem isolirenden Stoffe ausgefüttert.
I ist eine Schraube, welche den einen Draht des
elektrischen Schließungsbogens mit der Platte A, und J eine Schraube, welche den anderen Draht des
Schließungsbogens mit der Gabel E, E verbindet.
In diesen Schließungsbogen ist der Ausrückungsapparat
eingeschaltet, dessen nähere Beschreibung wir jetzt folgen lassen.
K, Fig. 6 und 7, ist der gewöhnliche
Elektromagnet; L ist die Armatur, welche bei
geschlossener Kette von ihm angezogen wird, im Zustande der Ruhe aber das Ende des
einarmigen Hebels M zurückhält. Dieser Hebel ist mit
einem Zapfen versehen, welcher die Stange N trägt.
Letztere enthält an einem ihrer Enden eine Spannrolle, welche die
Transmissionsschnur des Strumpfwirkerstuhles so lange im Zustande der Spannung
erhält, als die Stange N von dem Zapfen des Hebels M unterstützt ist. Wenn die Armatur L das Ende des Hebels M
losläßt, so wird dieser durch die Feder O
herabgezogen.
Der krumme Hebel P dient dazu, den Hebel M in die Höhe zu richten und mit der Armatur L wieder in Eingriff, mithin die Maschine wieder in Gang
zu bringen. Sobald nämlich der Arbeiter die Stange N in
die Höhe hebt, drückt ein an derselben angebrachter Stift auf den Hebel, durch
dessen kürzeren Arm sofort der erwähnte Eingriff bewerkstelligt wird. Diese
Einrückung kann offenbar nur stattfinden, nachdem die Armatur L wieder ihre frühere Lage eingenommen hat, d.h. nachdem der elektrische
Strom wieder unterbrochen ist. Diese Unterbrechung geht unmittelbar nach erfolgter
Entkuppelung der Maschine auf folgende Weise vor sich.
Q, Fig. 6, sind zwei in den
Schließungsbogen eingeschaltete, einander berührende elastische Metallstreifen,
durch welche der elektrische Strom beständig seinen Weg nimmt. Wenn nun der Hebel
M herabfällt, so schiebt sich ein an seiner unteren
Seite befestigter kleiner Elfenbeinzahn R zwischen beide
Streifen Q, hebt sofort ihren Contact auf und
unterbricht den Strom; die Armatur L entfernt sich daher
unter dem Einflusse ihrer Gegenfeder von dem Elektromagnet und kann mit dem Hebel
M wieder in Eingriff gebracht werden.
Die Wirkungsweise des Apparates ist nun folgende. Einer der Pole der Volta'schen Säule steht, wie gesagt, bei I
Fig. 1 mit dem
„Fühler“ in Verbindung. Ferner ist das eine Ende der
Spirale des Elektromagnetes (Fig. 6) mit der
Klemmschraube J des „Fühlers,“ das
andere Ende mit dem einen Metallstreifen Q verbunden,
während der andere Streifen mit dem zweiten Pol der Säule in leitender Verbindung
steht. Wenn nun unter diesen Umständen die Fäden der Spulen des Strumpfwirkerstuhles
zwischen den Stegen B (Fig. 1) und der
Querschiene hindurch gehen, so findet zwischen keinem der Stege und den Schienen E, E ein Contact statt, der Strom ist also unterbrochen.
Sobald aber der Faden irgend einer Spule reißt, so wird der betreffende Steg durch
seine Feder aufwärts gedrückt und seine Spindel kommt mit der oberen Schiene E in Berührung; der Strom ist somit hergestellt, die
Armatur L wird angezogen und die Ausrückung geht vor
sich. Kaum ist aber der
Hebel L herabgefallen, so trennt der Elfenbeinzahn R die beiden elastischen Streifen Q und der Strom ist von Neuem unterbrochen, so daß man, nachdem der
Schaden reparirt ist, das ganze System wieder in's Geschirr rücken kann.
Kommt statt des Fadenbruches ein Knoten zum Vorschein, so erweitert sich in Folge der
vermehrten Fadendicke der Abstand zwischen dem betreffenden Steg und der Querschiene
D; der Steg drückt auf die Drahtfeder und seine
Spindel kommt nun mit der unteren Schiene E in
Berührung, wodurch der Strom hergestellt ist und Alles in der beschriebenen Weise
vor sich geht.
Anwendung der elektrischen
Ausrückvorrichtung auf Webstühle.
Die Figuren 8,
9 und 10 sind nur
Skizzen des Richard'schen Systemes in Anwendung auf die
Kette der Webstühle, und zwar stellt Fig. 8 das System im
Grundrisse, Fig.
9 in theilweisem Aufrisse, und Fig. 10 eine einzelne
Metallschiene im senkrechten Durchschnitte dar. S, S'
(Fig. 8)
sind parallele Platten, auf welche zwei Systeme von Metallschienen befestigt sind.
Diese Schienen sind wechselweise angeordnet und in der Art elastisch, daß diejenigen
der Platte S von gerader Ordnung mit denen der Platte
S' von ungerader Ordnung in Berührung kommen.
Zwischen diese beiden Reihen sind die Kettenfäden gezogen, deren Dicke hinreicht, um
die Berührung der Schienen zu verhindern, welche mithin nur an der Stelle selbst
stattfinden kann, wo ein Faden reißt.
Jede der Platten S, S' correspondirt mit einem Pole der
Batterie und zwar, wie die großen Buchstaben P und N (Fig. 8) andeuten, S mit dem positiven, S' mit
dem negativen Pol. Hieraus folgt, daß, da jeder Kettenfaden zwischen einer positiven
und einer negativen Schiene des Systemes sich befindet, der Contact der beiden
betreffenden Schienen bei erfolgendem Fadenbruch den Schluß des elektrischen Stromes
bewirkt, durch Vermittelung einer in den Schließungsbogen eingeschalteten
Ausrückvorrichtung die Entkuppelung veranlaßt und den Webstuhl in Stillstand setzt.
Was die Einschlagfäden anbelangt, so ist der Schütze selbst mit einem Fühlersystem
ausgestattet, welches aus einem einzigen Steg besteht.