Titel: | Bestimmung des Sauerstoffes im entkohlten Bessemermetall vor Zusatz des Spiegeleisens, Betrachtung der Wirkungsweise des Spiegeleisens, Ersatz desselben und Problem eines Bessemer-Gusses ohne Blasen; von Dr. August Bender in Berlin. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. CXXVII., S. 531 |
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CXXVII.
Bestimmung des Sauerstoffes im entkohlten
Bessemermetall vor Zusatz des Spiegeleisens, Betrachtung der Wirkungsweise des
Spiegeleisens, Ersatz desselben und Problem eines Bessemer-Gusses ohne Blasen;
von Dr. August Bender in Berlin.
Bender, über Ersatz des Spiegeleisens bei der
Bessemerstahlfabrication.
Das hier betrachtete Metall wurde auf folgende Weise erhalten. Nachdem die Charge im
Converter bis zu dem Punkte, wo Spiegeleisen zugesetzt wird, behandelt worden war,
wurde in eine durch die Gase eines oben geschlossenen Kupolofens zur Weißgluth
erhitzte Form aus feuerfestem Thon gegossen. Die hierdurch bewirkte langsame
Erkaltung mag zu dem großkrystallinischen Gefüge des Stückes geführt haben, wiewohl
schon der Sauerstoffgehalt an und für sich eine krystallinische Structur zu
begünstigen scheint. Blasen fanden sich nur hier und da bis zu 1 Millimet.
Durchmesser; unter der Walze erwies das Metall sich ganz faulbrüchig; unter dem
Meißel zeigte es eine ungemeine Zähigkeit und Härte.
Die Bestimmung des Sauerstoffes geschah durch Verbrennung desselben zu Wasser unter
allen nur möglichen Vorsichtsmaßregeln, welche die Chemie an die Hand gibt. Der in
einer 18 Liter haltenden, mit S Trichter etc. versehenen
Flasche entwickelte Wasserstoff wurde durch concentrirte Schwefelsäure, caustisches Kali,
eine 25 Liter große, mit Chlorcalcium gefüllte Flasche, ein glühendes, mit
Kupferspänen ausgelegtes Porzellanrohr zur Zerstörung von Arsenwasserstoff etc.,
schließlich nochmals durch caustisches Kali und dann erst in das eigentliche
Verbrennungsrohr geleitet, welches, mit feuerfestem Thon garnirt, durch Kohks und
Holzkohle erhitzt wurde. In diesem befand sich das Metall (5 Grm.) in feinster Feile
auf einer Oberfläche von mehr als 60 Quadratcentimeter vertheilt, indem zwei 25
Centimeter lange Platinschiffe stockwerkartig über einander gesetzt waren, doch so,
daß der Wasserstoff auch zwischen ihnen durchströmen konnte. Die Verbrennungsgase
passirten ein gewogenes Chlorcalcium-Rohr und schließlich noch, um ihren
Schwefelwasserstoff und etwa vorhandenen Phosphorwasserstoff abzugeben, eine Lösung
von Silbernitrat.
Die Gewichtszunahme des Chlorcalcium-Rohres betrug 19 Milligrm., entsprechend
0,34 Proc. Sauerstoff. Dieselbe mußte durch den Gewichtsverlust des Metalles
controllirt werden; dieser ergab sich zu 21 Milligrm., welche 0,42 Proc. Sauerstoff
entsprächen. Es ist aber von diesem Verlust noch der Schwefel abzurechnen, welcher,
als Schwefelwasserstoff fortgehend, das Metallgewicht ebenfalls verringerte; also
0,42 – 0,085 = 0,335 Proc. Sauerstoff.
Den zweiten Versuch führte man mit Porzellanschiffchen aus, um etwaige durch das
Platin verursachte Fehler zu vermeiden. Gewichtszunahme- und Abnahme stimmten
hinreichend; als Resultat ergab sich 0,37 Proc. Sauerstoff.
Nehmen wir nun als mittleren Sauerstoffgehalt des Bessemermetalles vor Zusatz des
Spiegeleisens 0,35 Proc. an, und sehen wir zu, wie viel dieser Sauerstoff vom
Zusatze in Anspruch nehmen wird; denn offenbar ist die nächste Aufgabe eines
Zusatzes die Neutralisation des im Bade vorhandenen Sauerstoffes. Die Charge war mit
3500 Kil. ausgeführt; davon gehen ab 10 Proc. Abbrand; es bleiben also 3150 Kil.
affinirtes Metall mit einem Gehalt von 11,02 Kil. Sauerstoff. Zugesetzt werden circa 325 Kil. Spiegeleisen, im Mittel à 5 Proc. Kohlenstoff und 8 Proc. Mangan, also
16,25 Kil. C und 26 Kil. Mn. Nach den chemischen Atomgewichten gehören zur Sättigung
von 16 Kil. O 55 Kil. Mn; 26 Kil. Mn sättigen daher nur 7,57 Kil. O; es bleiben
mithin 3,45 Kil. O zu sättigen übrig. Der Kohlenstoff tritt also, wie ja schon die
Flamme beim Zusatz von Spiegeleisen zeigt, auch in Thätigkeit zur Neutralisation des
Sauerstoffes.Bei preußischem Spiegeleisen, das im Allgemeinen weniger Mangan enthält, wird
dieß noch mehr der Fall seyn. 16 Kil. O fordern 12 Kil. C; 3,45 Kil. O brauchen also 2,58 Kil. C, es bleiben
mithin an C 13,67 Kil. Das Bessemermetall enthielt noch vor dem Zusatz 0,08 Proc. C,
oder die 3150 Kil. enthielten schon 2,52 Kil. C; es treten nun hinzu 13,67 Kil.;
dieß macht in Summa 16,2 Kil. in circa 3450 Kil. Metall,
was 0,47 Proc. C ausmacht. Ganz entspricht dieses Resultat nicht dem Procentgehalt
des Stahles an C, der im Mittel gleich 0,40 ist. Der Verf. ließ aber absichtlich, um
zuerst eine einfache Berechnung hinzustellen, einen Umstand außer Acht. Der Stahl
nimmt nämlich im Durchschnitt, d.h. unter der obigen Charge analogen Verhältnissen,
0,15 bis 0,20 Proc. Mn auf, oder mit anderen Worten, da der Kohlenstoff gleichzeitig
in Action tritt, so wird nicht alles Mangan zur Reduction verbraucht, und es kann
noch ein kleiner Theil desselben im metallischen Zustande sich mit dem Eisen
vereinigen. Wir haben also vom Kohlenstoff noch ein Gewicht abzuziehen, welches an
Effect gleich 34,50 . 0,15 = 5,17 Kil. Mn ist. 55 Kil. Mn sind in Bezug auf
Neutralisation des Sauerstoffes äquivalent 12 Kil. C; 5,17 Kil. Mn also gleich 1,12
Kil. C. Es kommen jetzt nur 16,2 minus 1,12 Kil., also
etwa 15 Kil. C auf circa 3450 Kil. Metall, oder der
Stahl würde nach der Rechnung 0,43 Proc. C enthalten. Die Differenz zwischen dem
theoretisch berechneten und dem praktischen Resultat (0,40) dürfte noch größer seyn,
ohne daß die hier aufgestellten Anschauungen dadurch umgestoßen würden, da ja die
Gewichte der auf einander wirkenden Massen nicht genau bekannt sind.
Wie schon im Vorhergehenden sich erwies, sind nach den chemischen Verbindungsgesetzen
erst 55 Kil. Mn, wenigstens in Bezug auf ihre Wirkung zur Sättigung des
Sauerstoffes, äquivalent 12 Kil. Kohlenstoff. Dieses schon so ungleiche
Zahlenverhältniß stellt sich noch ungünstiger, wenn man beide Gewichte mit ihrem
Preise multiplicirt. Der Vergleich ist um so mehr berechtigt, als der größte Theil
des Mangans eben so dadurch, daß er in die Schlacke tritt, verloren geht, wie der
Kohlenstoff, welcher als Kohlenoxyd entweicht. Der Ausdruck
„verloren“ gilt nur von dem in die Schlacke übergegangenen
Theil des Mangans (mehr als 3/4 bis 4/5 der Gesammtmenge); ob der in den Stahl
eingetretene Theil vortheilhaft oder eher nachtheilig auf dessen Eigenschaften
einwirkt, darüber sind die Stahlkenner noch nicht gleicher Meinung. Oder hat das
Mangan, dadurch, daß es in die Schlacke getreten, schädliche Stoffe entfernt? Der
Verf. hat an wiederholten Proben sogar eine Zunahme des Siliciums durch Zusatz von
Spiegeleisen, freilich nur um 0,02 bis 0,03 Proc., nachgewiesen; Phosphor bleibt
bekanntlich; Schwefel nimmt zwar ab, aber nicht mehr, als bei Zusatz von reinem
Kohleneisen. Ein reines, weißes Kohleneisen wird aber sehr leicht und im Vergleich
mit Spiegeleisen billig
überall erhalten, wo reine Kohks (Holzkohlen wären noch vortheilhafter) zu haben
sind. Man schmelze nur Bessemer-Abfälle, Schmiedeeisen-Abfälle etc.
unter Zusatz von etwas Kalk zur Verschlackung der Asche in einem schmalen und hohen
Kupolofen um. Man erhält ein weißes, gekohltes Eisen, dessen Siliciumgehalt den der
benutzten Abfälle nur um Weniges übertrifft, dessen Gehalt an chemisch gebundenem
Kohlenstoff auf 3,40 bis 3,80 Proc. gestiegen ist, und dessen unreine Beimengungen
nur vom Material abhängig sind, also vollständig in der Hand des Hüttenmannes
liegen. Es wird daher an Orten, wo reine Kohks oder gar Holzkohlen zu Mittelpreisen
zu haben sind, und außerdem noch keine Siemens'schen
Stahlöfen zur Verwerthung der Bessemer-Abfälle sich im Betriebe befinden,
eine Umschmelzung der Schienenenden und sonstiger Abfälle auch von Schmiedeeisen
Vortheil bieten. Dieß um so mehr, als das bedeutend größere Gewicht des
zuzusetzenden Kohleneisens das Stahlquantum erhöht, wie folgende Berechnung zeigt:
3150 Kil. entkohltes Metall à 0,35 Proc. O
enthalten 11,02 Kil. O. 16 Kil. O fordern 12 Kil. C; 11,02 Kil. O also 8,26 Kil. C.
Indem wir den Gehalt des Kohleneisens an C gleich 3,40 Proc. setzen, sind 243 Kil.
Kohleneisen zur Neutralisation des Sauerstoffes nöthig. Es enthalten jetzt die 3385
Kil. Metall 31,5 × 0,08 C = 2,52 Kil. C (0,08 Proc. ist der Gehalt des
affinirten Metalles an chemisch gebundenem Kohlenstoff); damit sie auf 0,40 Proc. C
kommen, müssen ihnen noch 11,02 Kil. C zugeführt werden. Das Kohleneisen darf, indem
die Gesammtmasse des Metalles zu 0,40 Proc. C stehen soll, in die folgende Rechnung
nur mit 3 Proc. eingeführt werden; es sind daher noch 367 Kil. nöthig. Die Summe des
zuzusetzenden Kohleneisens beträgt also mindestens 610 Kil.; es wird dadurch das
Stahlquantum um circa 600 Kil. erhöht, während beim
Spiegeleisen schon wegen des Preises desselben von einem Zusatz zum Zwecke der
Gewichtserhöhung keine Rede seyn kann.
Beide vorerwähnte Materialien aber, Spiegel- wie Kohleneisen, betrachtet in
Bezug auf den ersten Zweck eines Zusatzes überhaupt, nämlich Neutralisation des im
Bade vorhandenen Sauerstoffes, sind mangelhaft. Bei beiden wird aus dem Sauerstoff
ein gasförmiges Product, das Kohlenoxyd gebildet. Sey es nun, daß diese Bildung in
der Zeit bis zum Gusse nicht vollständig vor sich geht, sey es, daß der Stahl im
flüssigen Zustande Kohlenoxyd gelöst halten kann und während des Erstarrens dasselbe
abgibt, Thatsache ist, daß auch der schönste Bessemerstahl Blasen enthält. Diese
Blasen aber wären wahrscheinlich zu vermeiden, wenn man einen Körper fände, der mit
dem Sauerstoff eine leichtflüssige Schlacke bildete, anstatt ein Gas, wie das
Kohlenoxyd. Der Zusatz nach Entkohlung des Bessemermetalles wäre dann einfach so zu
regeln, daß zuerst dieser Körper bis zur vollständigen Neutralisation des
Sauerstoffes eingegeben würde, und dann erst die zur Recarburation nöthige Menge
Kohleneisen oder auch Spiegeleisen. Die Auffindung und Anwendung eines solchen
Körpers dürfte die Qualität des Bessemerstahles noch um ein Bedeutendes heben.
(Berg- und hüttenmännische Zeitung, 1872, Nr. 31.)