Titel: | W. Thomson's Schreibapparat für transatlantische Telegraphen. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. LXII., S. 197 |
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LXII.
W. Thomson's
Schreibapparat für transatlantische Telegraphen.
Nach dem Engineering and
Mining Journal, Mai 1872, S. 305 und dem Engineer,
Juni 1872, S. 441.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Thomson's Schreibapparat für transatlantische
Telegraphen.
Das einzige telegraphische Instrument, welches bis zur jüngsten Zeit in Verbindung
mit dem durch lange unterseeische Kabel übertragenen schwachen galvanischen Strom in
Anwendung gebracht werden konnte, ist das Spiegel-
oder Reflexionsgalvanometer, bei welchem jede Aenderung
der Stromstärke durch die Bewegung eines Lichtstreifens sich kund gibt, dessen
Ortsveränderungen die Grundlage für ein alphabetisches System optischer Signale
bilden.
Der Erfinder des Spiegelgalvanometers, Sir William Thomson, Mitglied der Royal Society in London, hat
nun ein anderes Instrument erfunden, welches die Depesche
graphisch darstellt. Dieses Instrument ist gegenwärtig in Amerika, nämlich
in Duxburg (Mass.) in praktischem Gebrauch. Dasselbe markirt die Depesche auf einem
sich vorüberbewegenden Papierstreifen in Form einer krummen oder gebrochenen Linie,
als bildliche Darstellung der Aenderungen der Stromstärke.
Das Hinderniß, welches der automatischen Registrirung der transatlantischen Signale
seither im Wege stand, lag in der Schwierigkeit, einen so leichten in rascher
Bewegung begriffenen Körper zu diesem mechanischen Acte zu benutzen, ohne seine
Bewegung zu hemmen. Um nun dieses Ziel zu erreichen, bringt der Erfinder mit dem
durch den Strom in Schwingung gesetzten Körper ein leichtes, heberförmig umgebogenes
Haarröhrchen in Verbindung, von dessen Ende Tinte oder eine sonstige Flüssigkeit auf
das Papier übergeführt wird. Die Bewegung des markirenden Endes erfolgt parallel zur
Ebene des Papieres, während letzteres in einer zu dieser Bewegung senkrechten
Richtung vorüber gleitet. Das Haarröhrchen taucht mit dem kürzeren Schenkel in einen
festen, mit der gefärbten Flüssigkeit gefüllten Behälter, während die Flüssigkeit
von dem Ende des längeren Schenkels durch eine elektrische Kraft in senkrechter
Richtung auf das Papier gesprengt wird. Letzteres gleitet nämlich über eine z.B.
positiv elektrisirte Metallplatte, wogegen das Haarröhrchen negativ elektrisch ist.
Es findet also zwischen diesem und der Metallplatte eine starke elektrische
Differenz statt, welche das Bestreben erzeugt, eine Reihe von Funken überspringen zu
lassen, unter vorliegenden Umständen aber einen feinen Strahl von Tinte oder eine
Reihenfolge feiner Punkte auf dem Papier erzeugt.
Die Lage des Haarröhrchens wird somit in jedem Augenblicke registrirt, und ohne seine
Bewegung durch Reibung zu hemmen, eine continuirliche Linie gezogen. In ihrer
Längenrichtung entspricht diese Linie den durch die Unterbrechung des Stromes
entstehenden Zwischenräumen des Morse'schen Alphabetes,
und die rechts und links gehenden Ausbiegungen, welche je nach der Stärke des
Kabelstromes größer oder kleiner sind, entsprechen dem Punkt und Strich des Morse'schen Schreibstiftes.
Das mit diesem Schreibapparat in Verbindung stehende signalempfangende Instrument hat
eine eigenthümliche Einrichtung. Der ankommende Strom nimmt nämlich seinen Weg durch
eine sehr leichte Spirale von wenigen Windungen eines feinen Drahtes. Ein Theil
dieser Spirale befindet sich unter dem Einflusse eines sehr kräftigen permanenten
Magnetes, welcher, während die Spirale durchströmt wird, mit bedeutender Kraft auf
dieselbe wirkt. Die Drahtspirale erhält die nöthige Steifigkeit durch ein leichtes
Gestell, welches ihr zugleich die erforderliche Freiheit der Bewegung läßt. Die
Schwingungen dieser feinen Drahtspirale sind es, welche durch Vermittelung obiger
Schreibvorrichtung mit einem Minimum von Kraftaufwand auf einem vorüberziehenden
Papierband graphisch dargestellt werden. Der Erfinder hat das zu Stande gebracht,
was die meisten Elektriker für unmöglich hielten, und ein Instrument hergestellt, welches nicht nur
correct in seiner Construction, sondern auch praktisch tauglich ist.
Nachdem wir im Vorhergehenden Thomson's neues System in
seinen allgemeinen Grundzügen dargelegt haben, gehen wir zur näheren Beschreibung
der Technik desselben über. Fig. 8 stellt die
Haupttheile des registrirenden Apparates im Aufrisse, Fig. 9 im Grundrisse dar.
Ein aus einer größeren Anzahl Lamellen zusammengesetzter permanenter Stahlmagnet N, S mit einem Verbindungsstück und Polen aus weichem
Eisen dient zur Hervorbringung eines sehr kräftigen Magnetfeldes in dem tiefen und
engen Raum m zwischen den Polen. – Fig. 10 stellt
eine sehr leichte Spirale aus feinem seideübersponnenem Kupferdraht dar, welcher
zwischen l, m und o, n über
ein Paar leichte Stäbchen gespannt ist. Die Seite m, n,
welche nur aus dem feinen Draht besteht, bildet, da der letztere mit Paraffin
überzogen ist, ein dünnes flaches Band. Die Seite l, o
ist durch einen starken Faden verstärkt, um den Kupferdraht selbst keiner Spannung
auszusetzen; die Aufhängungsachse liegt näher an der verstärkten Seite. Diese
Spirale ist nun an zwei Seidenfäden l, p und m, q so aufgehängt, daß die Seite m, n in den magnetischen Raum zwischen den Polen des großen Stahlmagnetes
zu liegen kommt, und in einer Richtung parallel zu den Lamellen frei oscilliren
kann. Das von dem unteren Stäbchen der Spirale herabhängende Gewicht W dient zur Erhaltung der Form und zur Erhöhung der
richtenden Kraft der Spirale, indem bei der erwähnten bifilaren Aufhängung jede
Oscillation eine geringe Hebung dieses Gewichtes bewirkt.
Die eigenthümliche Construction der Spirale reducirt das Moment der beweglichen
Theile auf ein Minimum; die Form der Seite m, n als ein
dünner flacher Streifen gestattet es, die Theile des permanenten Magnetes einander
so nahe zu rücken, daß sie ein sehr kräftiges Magnetfeld darbieten, wobei zugleich
die Seite m, n der Spirale eine bedeutende Drahtlänge
der Einwirkung des Magnetismus exponirt. Thomson hat mit
Kupferdraht, wovon der laufende Fuß 1/4 Grain wiegt, und mit 20 Drahtwindungen gute
Resultate erzielt. Die beiden Enden des die Spirale bildenden Drahtes sind, wie Fig. 10 zeigt,
um die Aufhängefäden gewunden und an die Endstücke B, B
befestigt. Von den letzteren aus durchläuft der galvanische Strom, welcher die zu
registrirenden Signale übermittelt, die Windungen der Spirale. So lange nun dieses
nicht der Fall ist, erhält die Spirale lediglich durch die bifilare Aufhängung ihre
Richtung, ohne durch die Magnete afficirt zu werden. Sobald aber die Seite m, n von der Elektricität durchströmt wird, bewegt sie
sich aus ihrer Lage zwischen den Polen heraus oder weiter hinein. Die Richtung des Impulses hängt
von der Stromrichtung und die Größe der ablenkenden Kraft unter übrigens gleichen
Umständen von der Stromstärke ab. Die Seite m, n also
ist es, welche unter dem Einflusse der fortwährend sich ändernden Ströme des
submarinen Kabels sich rückwärts oder vorwärts bewegt. Wegen ihrer Leichtigkeit
folgt die Spirale sehr rasch den wechselnden Strömen, so daß ihre Stellung in jedem
Momente der jeweiligen Stromstärke entspricht. Die richtende Kraft der bifilaren
Aufhängung und das Gewicht müssen so justirt werden, daß die freien Oscillationen
der Spirale, wenn sie nicht durchströmt wird, schneller sind, als die Oscillationen
welche als Signale registrirt werden sollen. Diese Justirung wird durch Anwendung
eines Dämpfers in Gestalt einer kleinen auf den Faden r,
m drückenden Feder erleichtert, welche die richtende Kraft zu vermindern,
folglich den Betrag der Ablenkung zu vergrößern gestattet.
Die Spirale gibt dem Kabelstrom eben so leicht nach, als der kleine Spiegel und
Magnet des Reflexionsgalvanometers, aber der Strom erzeugt in dem neuen Instrumente
eine weit größere nutzbare Kraft, und gestattet mit der Spirale einen
Registrirapparat auf folgende Weise zu combiniren. Ein Seidenfaden m, r ist nämlich mit dem einen Ende an die Ecke m der Drahtspirale, mit dem anderen Ende an den oben
erwähnten kleinen Capillarheber t, r, s befestigt,
welcher in Fig.
11 in seiner wirklichen Größe dargestellt ist. Der Heber, dessen kürzerer
Schenkel in einen Tintebehälter taucht, ist an doppelten Fäden t, u, x, v auf der einen und einem einzelnen Faden v, w auf der anderen Seite so aufgehängt, daß er um
seine horizontale Seite als Achse oscilliren und den Bewegungen der Seite m, n der Spirale, mit welcher er verbunden ist, folgen
kann. Der Abstand des Befestigungspunktes r des Hebers
von der Achse t, w ist ungefähr 1/10 der Länge des
längeren Schenkels, so daß jede Bewegung der Seite m, n
an dem unteren Ende des Hebers verzehnfacht erscheint. In Folge der Oscillationen
des Hebers um seine horizontale Seite wird das Ende seines längeren Schenkels quer
über dem senkrecht abwärts sich bewegenden Papierbande hin- und hergeführt.
Das letztere gleitet über eine Messingplatte y, z,
welche mit einem Inductionsapparat in Verbindung steht, durch den sie mit
Elektricität stark geladen wird, während der Heber mit der Erde verbunden ist. Es
findet nun zwischen dem Heber und der Platte eine Reihe kleiner und rapider
elektrischer Entladungen statt, in deren Folge die Tinte von dem Heber auf den
Papierstreifen übergeführt wird.
Der neue Inductionsapparat, dessen sich Thomson zu
vorstehendem Zwecke bedient, wird durch das nämliche Uhrwerk C (Fig.
8 und 9) von
welchem der Papierstreifen seine Bewegung herleitet, in Thätigkeit gesetzt. Seine
Einrichtung ist folgende. Ein Rad A, Fig. 12, aus Vulcanit, an
dessen Rand eine Anzahl Metallstücke a, a¹, a², ... die sogenannten „Uebertrager“ (carriers) befestigt sind, wird in einer raschen Rotation um eine feste
Achse erhalten. Diese Uebertrager werden an diametral gegenüberliegenden Stellen des
Rades von zwei Federn B und C leicht berührt. Die Feder B ist mit der
Erde, die Feder C mit einem isolirten, dem Conductor
einer gewöhnlichen Elektrisirmaschine entsprechenden Metallstück D, dem „Recipienten,“ verbunden. Der Berührungspunkt b der Erdfeder mit den Uebertragern a¹, a², a³ ... ist der Einwirkung eines elektrisirten
Körpers, des „Inductors“
E ausgesetzt. Wenn dieser positiv elektrisirt ist, so
führt jeder der Uebertrager a, a¹, a², ... indem er mit der Erdfeder außer Contact
kommt, die negative Elektricität hinweg und gibt sie durch Vermittelung der Feder
C an den Recipienten D
ab. Recipient und Inductor sind so angeordnet, daß sie so nahe als möglich die
Contactstelle der correspondirenden Feder umgeben. Beide sind bei e und d im Durchschnitte
dargestellt, um die Uebertrager und Contactstellen zu zeigen. Es folgt aus dieser
Einrichtung, daß der Inductor an allen Metallstücken a,
a¹, a², ... negative Elektricität
inducirt, und daß jedes derselben der Reihe nach seine negative Ladung an den
Recipienten D und die mit diesem in Verbindung stehende
Messingplatte y, z (Fig. 11) abgibt, von
welcher die Elektricität auf den gläsernen Capillarheber übergeht. Der Inductor E (Fig. 12) muß zur
Erzielung eines wirksamen Spieles der Maschine eine kräftige und constante Quelle
der Elektricität darbieten. Zu diesem Zwecke dient ein zweiter Apparat, Fig. 13,
welcher hinsichtlich seiner Form und allgemeinen Einrichtung dem ersteren ganz
ähnlich ist, nur daß noch zwei andere Contactfedern beigegeben und die Verbindungen
anders angeordnet sind. Zwei Federn C und C₁ stehen mit den Inductoren E₁ und D₁ und
zwei Federn B und B₁
durch einen Draht mit einander selbst in Verbindung. Die Uebertrager a, a¹, a² ...
berühren die Federn C und C₁, während sie durch die Inductoren E₁ und D₁ ganz bedeckt sind; kurz
nach Aufhebung ihres Contactes mit den ersteren kommen sie mit den Federn B und B₁ in
Berührung.
Die Wirkungsweise dieser Anordnung ist nun folgende. Angenommen, ein Inductor E₁ stehe mit der Erde in Verbindung, die Federn
B, B₁ seyen isolirt, der Inductor D₁ sey positiv elektrisirt und mit dem anderen
Inductor E der Inductionsmaschine Fig. 12 verbunden.
Angenommen ferner, die Achse mit den Uebertragern werde nach der Richtung der Pfeile
in rasche Rotation gesetzt, so wird jeder Uebertrager, nachdem er den Contact C₁ verlassen, bei Berührung mit der Feder b₁ durch Induction eine negative Ladung
empfangen, während die Feder b und der Uebertrager womit
sie in Contact ist, in demselben Momente eine positive Ladung empfängt. Diese
Wirkungen sind Folge der Wiedervertheilung der Elektricität in dem isolirten System,
welches aus zwei unter dem Einflusse der Induction stehenden Uebertragern nebst
Verbindungsfedern und Drähten besteht. Unmittelbar darauf wird der Contact bei b und b₁
unterbrochen; die Uebertrager behalten ihre positive und negative Ladung, bis sie
durch die Feder C und C₁ mit den Inductoren in Verbindung gelangen; alsdann fließt die
negative Ladung durch E₁ in die Erde ab und die
positive verläßt den Uebertrager an der inneren Seite von D₁, um sich nach den bekannten Gesetzen der Induction an der
äußeren Fläche von D₁ zu vertheilen. Die
Wiederholung dieses Vorganges führt zu einer Anhäufung der positiven Elektricität
auf D₁, welche nur in der vollkommenen eine
Zerstreuung der Ladung durch Leitung oder überspringende Funken hindernden Isolation
des Inductors D₁ ihre Grenze findet. Die positiv
und negativ elektrischen Ladungen sind durch die den Uebertragern beigesetzten
Zeichen + und – angedeutet, während die vollständig oder nahezu vollständig
entladenen Uebertrager mit einer Null bezeichnet sind.
In der Endansicht Fig. 14 ist der Inductor E weggelassen, um
das Rad mit den Uebertragern in der Frontansicht zu zeigen. Wenn nun das
registrirende Instrument in Thätigkeit ist, während die Messingplatte und das
darüber hingleitende Papierband mit statischer Elektricität stark geladen sind, so
ziehen diese das Ende des Hebers an, und unter dem Einflusse dieser Attraction und
einer durch fortwährende kleine elektrische Entladungen in dem Heberende veranlaßten
rapiden Vibration fließt die Tinte als eine Reihenfolge feiner Tröpfchen von dem
Heber auf das Papier. Diese Tröpfchen fließen auf dem gleichmäßig sich
fortbewegenden Papierbande in eine fortlaufende Linie zusammen. Letztere ist daher
nichts Anderes als die graphische Darstellung der successiven Lagen, in welche der
Heber durch den an die Seite m, n der Spirale
befestigten Seidenfaden gezogen wird; sie ist eine zusammenhängende Curve, deren
rechts oder links gerichtete Ausbiegungen die Bewegungen der Seite m, n der Drahtspirale in Folge der wechselnden Ströme,
mithin die transatlantischen Signale graphisch wiedergeben. Ist kein Strom
vorhanden, so entsteht auf dem Papier in seiner Längenrichtung eine einfache gerade
Linie. Kurze positive und negative Signale geben zu beiden Seiten der
„Nulllinie“ kleine Ausbiegungen. Erdströme haben lang
gestreckte Curven von einer Seite des Papieres zur anderen zur Folge, welche von den verhältnißmäßig
kurzen Curven der Signale selbst überlagert sind.
Das Instrument eignet sich zur Aufzeichnung aller jener Signale, welche das
Reflexionsgalvanometer liefert. Seine Empfindlichkeit ist so groß, daß der unter
einem Widerstande von 8000 Ohm'schen Einheiten durch das
ganze atlantische Kabel geleitete Strom eines einzigen Daniell'schen Elementes vollkommen unterscheidbare Signale hervorbringt,
während der Widerstand der Spirale des Instrumentes selbst 20 solcher Einheiten
nicht übersteigt. Um erforderlichen Falles die Kraft zu vermehren, bedient sich Thomson zweier leicht beweglichen Spiralen und setzt jede
derselben durch einen Seidenfaden mit dem markirenden Capillarheber in Verbindung.
Indem man den Faden nahe an der Drehungsachse des letzteren befestigt, ist man im
Stande, die Bewegung des Heberendes im Vergleich mit derjenigen der Drahtspirale zu
vergrößern.