Titel: | Beiträge zur Technologie der Gerbstoffe; von Prof. Dr. Rud. Wagner in Würzburg. |
Fundstelle: | Band 205, Jahrgang 1872, Nr. XLVIII., S. 138 |
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XLVIII.
Beiträge zur Technologie der Gerbstoffe; von
Prof. Dr. Rud. Wagner in Würzburg.
Wagner, über Gerbstoffe.
Im Eingange seiner Abhandlung in der „deutschen
Industriezeitung“ (1872, Nr. 10 und 11) weist der Verfasser darauf
hin, daß es kaum ein zweites Capitel in der angewandten organischen Chemie gibt, in
welchem eine solche Verwirrung herrscht, und eine solche Unzahl von Irrthümern und
schiefen Anschauungen sich eingeschlichen hat, wie in dem Abschnitt von der
Gerbsäure, und zählt sodann die Eigenschaften auf, welche diejenigen Stoffe, die man
zu den Gerbsäuren zu rechnen pflegt, mit einander gemein haben.
Zu diesen Eigenschaften der Gerbsäuren gehört bekanntlich die, daß sie in einer
wässerigen Leimlösung Niederschläge erzeugen. Diese Niederschläge verhalten sich in
vieler Hinsicht verschieden; der mit gewissen Gerbstoffen, wie dem Tannin der
Galläpfel, hervorgebrachte, mit Gerbstoff gesättigte Niederschlag hat große Neigung,
sich zu zersetzen, während der mit einer Lösung der Gerbsäure der Eichenrinde und
der Valonia erzeugte Niederschlag sich äußerst haltbar erweist. Obgleich die meisten
Gerbsäuren, in wässeriger Lösung mit geschwelltem Corium längere Zeit in Berührung gelassen, sich auf
die Bindegewebefasern niederschlagen und Leder bilden, so erzeugen doch nur
diejenigen Gerbsäuren den Anforderungen der Technik entsprechendes, namentlich der
Fäulniß in gehörigem Grade widerstehendes Leder, welche mit Leimlösung haltbare
Niederschläge geben. Der Gerbstoff der Eichenrinde zeichnet sich, wie oben bemerkt,
durch große Beständigkeit des Leimniederschlages und, wie bekannt, durch gerbende
Eigenschaften dem Corium gegenüber aus. Ob das Gerbevermögen eines Gerbmateriales
außer von der Menge der darin enthaltenen Gerbsäure auch noch von deren
Moleculargewicht abhängig ist, wissen wir nicht. Es ist dieß indessen vor der Hand
zu bezweifeln, da der Proceß der Ueberführung der Blöße in Leder im Wesentlichen ein
auf physikalische Processe zurückzuführender ist. Nach der Meinung vieler Gerber ist
nicht allein die Menge der Gerbsäure einer Rinde, sondern auch die Art des
Gerbstoffes darin für die Qualität des herzustellenden Leders von Belang.
Als Prototypus aller Gerbsäuren gilt bekanntlich der Gerbstoff der Galläpfel, der
unter dem Namen Tannin in der Materia medica, in der modernen Wein- und Bierpathologie, in der
Schwarzfärberei und zum Erschweren der Seide, zur Fixirung einiger Theerfarben und
des Alizarins in der Rothfärberei etc. Verwendung findet, aber nie zur Lederbereitung dient, und zwar keineswegs allein wegen des hohen
Preises der Galläpfel, sondern weil das Tannin im technologischen Sinn überhaupt
kein Gerbstoff ist und wohl lederähnliche Producte, aber kein eigentliches Leder zu
bilden vermag. Das Tannin ist bisher nur aus den Galläpfeln, sowohl denen der Eiche,
als auch den von einigen Rhus-Arten abstammenden, dargestellt worden. Ob es
in dem Sumach oder in anderen als Gerbmaterialien verwendeten Pflanzen sich findet,
ist fraglich. So viel steht jedoch fest, daß mit dem Gallustannin identisches Tannin
aus dem Sumach trotz vielfältiger Versuche und gegentheiliger Behauptungen bis auf
den heutigen Tag noch niemals extrahirt worden ist.
Da der Werth der Gerbmaterialien nach dem Quantum der darin sich findenden Gerbsäure
bemessen, und dabei als Maaßstab das Tannin der Galläpfel angelegt zu werden pflegt,
so ist es selbstverständlich von Belang, die Constitution des Tannins und dessen
Moleculargewicht genau zu kennen. Leider sind aber die Ansichten der Chemiker über
diese sehr wichtigen Punkte, insbesondere über die Verwandlung des Tannins in
Gallussäure, noch getheilt. Nach der einen
Anschauungsweise tritt bei der Verwandlung des Tannins in Gallussäure aller
Kohlenstoff des ersteren wieder in der letzteren auf, so daß die Gallussäurebildung
nur durch eine andere
Gruppirung der Atome, vielleicht auch unter Mitwirkung der Wasserelemente vor sich
geht; nach der anderen Ansicht findet eine Spaltung des
Tannins in der Weise statt, daß neben der Gallussäure mindestens noch ein kohlenstoffhaltiger Körper sich bildet.
Der Verf. gibt in seiner Abhandlung eine Zusammenstellung der Hauptresultate der
bisherigen Untersuchungen über die Umwandlung des Tannins in Gallussäure,
hinsichtlich deren wir auf unsere Quelle verweisen. Faßt man diese Resultate
zusammen, so ergibt sich daß es viele Arten von Tannin gibt, nämlich ein
glycosefreies und ein glycosereiches, und eine Unzahl von Tanninen, die in Bezug auf
ihren Zuckergehalt in der Mitte liegen zwischen den beiden genannten Endgliedern. Ob
das Verhalten aller dieser Tannine, deren Moleculargewichte sich innerhalb der
Zahlen 161 und 618 bewegen, gegen Leim, gegen Corium, gegen Chamäleon ein gleiches
ist, wissen wir nicht, ebenso wenig, ob die Dichten der wässerigen Lösung dieser
verschiedenen Tannine mit „Hammer's
Tabelle“ übereinstimmen oder nicht.
So lange man das Tannin nur als Collectionamen gelten lassen kann für ein wechselndes
Gemenge von Körpern, deren Natur zum Theil „total“ unbekannt
ist, so lange ist es „absolut“ unzulässig, „chemisch
reines Tannin,“ selbst von Trommsdorff
bezogenes, als Ausgangspunkt einer Methode zur quantitativen Bestimmung des
Gerbstoffgehaltes der Eichenrinde zu machen. Die nach einer solchen Methode
erhaltenen Resultate haben für die Praxis mindestens einen sehr zweifelhaften
Werth.
Von den Gerbmaterialien, welche für Gerbe- und Färbezwecke große Wichtigkeit
haben, verdienen besondere Beachtung der Sumach, die Eichenrinde, die Valonia und
die Bablahschoten.
Der Sumach oder Schmack ist
bekanntlich ein getrocknetes und zu einem gröblichen Pulver zerriebenes Gemenge der
Blätter, Blattstiele und Zweige verschiedener Rhus-Arten. Die im Handel
vorkommenden Sumachsorten haben verschiedenen Ursprung, verschiedenes Gerbevermögen,
und sind je nach dem Orte ihrer Zubereitung verschiedenen Verfälschungen ausgesetzt.
Es dürfte daher eine kurze Auseinandersetzung der waarenkundlichen Theile des
Sumachs hier um so mehr am Platz seyn, als die meisten Lehr- und Handbücher
der technologischen Chemie, ja selbst die der Waarenkunde neuesten Datums,
unvollständige und theilweise irrige Angaben über den Sumach enthalten, ferner die
wenigen Chemiker, welche bisher den Sumach zum Object einer (meist höchst
oberflächlichen) Untersuchung machten, den Sumach bona
fide vom Kaufmann entlehnten, unbekümmert darum, ob die dargebotene
pulverförmige Drogue in der That von dem Gerbersumach stammte oder vielleicht nur
ein Gemenge von wahrem Sumach mit fremden adstringirenden Pflanzentheilen war.
Wie die internationalen Industrie-Ausstellungen in London (1862) und Paris
(1868) gezeigt haben, finden in den verschiedenen Ländern folgende Pflanzen zur
Herstellung des Sumachs Verwendung: Rhus coriaria, Rhus
cotinus, Rhus glabrum, Rhus canadense, Rhus typhinum, Rhus pentaphyllum, Arbutus
uva ursi und Coriaria mystifolia. Im
europäischen und amerikanischen Handel kommen folgende Sumachsorten vor:
1. Sicilianischer Sumach (von Rhus
coriaria) ist die geschätzteste Sumachsorte. Man unterscheidet
Alcamo- oder Carini-Sumach, der als ein ziemlich feines, gut
gesiebtes, von Holzstückchen völlig freies, grünlich-gelbes Pulver von
angenehmem, an Thee erinnernden Geruch erscheint, von einer zweiten, mehr rostgelben
Sorte, die schwächeren Geruch und geringeres Gerbevermögen besitzt. Ein großes
Exportgeschäft für Sumach ist die Firma Gardner-Rose u. Comp. in Palermo, welche für den metrischen Centner des besten
sicilianischen Sumachs 185 Frcs. verlangt.
2. Italienischer Sumach (ebenfalls von Rh. coriaria) aus Mittel-Italien, namentlich dem
früheren Großherzogthume Toscana, ist ein schmutzig grünes Pulver, dessen Geruch dem
des lohgaren Leders nicht unähnlich ist. Sein Gerbvermögen steht dem des
sicilianischen Sumachs weit nach. Es wird behauptet, der italienische Sumach,
welcher mit dem in Istrien und Krain gebauten wohl identisch ist, werde häufig mit
Sondroblättern (Pistacia lentiscus?) vermischt.
3. Spanischer Sumach (von mehreren Rhus-Arten)
kommt in drei Sorten vor: 1) als Malaga- oder Priego-Sumach, die
beste Sorte, feines Pulver, von hellerer Farbe als der sicilianische Sumach,
röthliche Holzstückchen und Späne und nicht selten Samen enthaltend, von starkem,
theerähnlichem Geruch; 2) als Malina-Sumach und 3)
als Valladolid-Sumach; diese beiden Sorten sind
minder geschätzt, heller als der Malaga-Sumach und größere Mengen von
weißlichen Holzspänen enthaltend. Der portugiesische oder
Porto-Sumach kommt dem Malaga-Sumach
sehr nahe, erscheint aber als gröberes, grünlich-gelbes Pulver, welches
gröbere weiße Holzspäne und nicht selten größere Mengen von Sand beigemengt
enthält.
4. Tyroler-Sumach, aus den Blättern und
Blattstielen von Rhus cotinus bestehend, wird in
Südtyrol, insbesondere im unteren Etschthal, in Istrien und Dalmatien, sowie in der
Umgegend von Wien gebaut. Die Blätter sind verkehrt eiförmig und nur zerbrochen, nicht gepulvert.
Der Geruch erinnert an Eichenrinde. Diese Sumachsorte, sowie der sicilianische und
italienische, wird häufig mit Feigenblättern verfälscht, auch mit den Blättern der
Flöhalart.
5. Französischer Sumach (von Coriaria mystifolia.) Man unterscheidet folgende vier Sorten:
a) Fauvis (Departement du
Bar, Umgegend von Brignolles); er gleicht dem sicilianischen Sumach, ist jedoch
heller, sein Geschmack ist gewürzhafter, und außerdem ist er weniger leicht zu
conserviren;
b) Donzère (von den
Ufern der Rhone, zu Donzère und Montélimart gewonnen); grobes,
körniges, aber gleichförmiges Pulver von dunkelgrüner Farbe und entschiedenem
Ledergeruch, sehr beliebte Sorte;
c) Redoul oder Redon (aus dem südlichen Frankreich, namentlich von den
Ufern des Lot, des Tarn und der Garonne); feines, trockenes, graugrünes Pulver von
heuähnlichem Geruch, wenig geschätzte Sorte;
d) Pudis (aus dem südlichen
Frankreich); feines oder wenig zusammenhaftendes Pulver von
hellgelblich-grüner Farbe, die geringste der französischen Sumachsorten.
An die vorstehenden Sorten von französischem Sumach schließt sich der von den Arabern
in Algerien zum Maroquingerben angewendete Tezera-Sumach von Rhus pentaphyllum
an.
6. Amerikanischer Sumach (von Rhus
glabrum, Rh. canadense und Rh. typhinum
herrührend); er wird neuerdings in den Vereinigten Staaten in großer Menge
producirt.
7. Schwedischer Sumach. In Delekarlien stellt man Sumach
aus den Blättern der Bärentraube (Arbutus uva ursi) her,
einer Pflanze die schon von Hermbstädt neben den Blättern
und Blattstielen des Preißelbeerstrauches (Vaccinium Vitis
idaea) als Surrogat des Sumachs in der Gerberei und Färberei empfohlen
wurde.
Wenn man von einigen kurzen Notizen über den Sumach und den in ihm enthaltenen
Gerbstoff von Bartholdi und Morin absieht, so war J. Stenhouse
Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XLV S. 8. vor fast dreißig Jahren der Erste, welcher sich ausführlicher mit dem Sumach
befaßte. Er fand, daß in dem Sumach (die Sorte des untersuchten Sumachs ist nicht
näher bezeichnet) neben Gallussäure sich ein Gerbstoff vorfinde, der beim Kochen mit
verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure Gallussäure gebe. Er schloß daraus, daß der
Sumachgerbstoff dem Tannin ähnlich sey. Versuche, Tannin
aus dem Sumach darzustellen, sind von Stenhouse nicht
gemacht worden. Bei
einer Arbeit über die quantitative Bestimmung der Gerbsäure, welche der Verfasser
vor sechs Jahren publicirte, war er veranlaßt, Sumach auf Tannin zu prüfen. Er
bediente sich hierzu und zu den späteren Versuchen einer von ihm selbst bereiteten
Sumachsorte von Rhus coriaria, welches in dem
botanischen Garten zu Würzburg cultivirt worden war. Seine Assistenten Pfeifer und W. Schenk fanden,
wie Stenhouse, Gallussäure und neben dieser in namhafter
Menge eine Gerbsäure – der Verfasser nennt sie
„Sumachgerbstoff“, – die bei der trockenen
Destillation neben Krystallen von Oxyphensäure eine braune Flüssigkeit lieferte,
welche mit Eisensalzen zwar eine schwarzblaue Färbung, aber beim Abdampfen keine
Pyrogallussäure gab. Beim Kochen der aus der Cinchonin-Verbindung
abgeschiedenen Gerbsäure mit verdünnter Schwefelsäure erhielt man zweifelhafte
braune Körper (Plobaphene?), welche bei der trockenen Destillation keine
Pyrogallussäure, sondern Oxyphensäure gaben. Alle Versuche, die später angestellt
wurden, aus dem Sumach des Rhus coriaria Tannin
darzustellen, blieben erfolglos.
Daß man, wie Stenhouse sagt, und wie seine Nachbeter
wiederholen, den Sumach als „Ersatzmittel für Galläpfel“ in der
Türkischrothfärberei anwende, ist nicht wörtlich zu nehmen. Niemals wird der den
präparativen Operationen (Reinigen und Oelen) unterworfene Baumwollstoff behufs des
Gallirens mit Sumach allein, sondern stets mit einem Gemisch von Sumach und
Galläpfeln behandelt. Um allen Anforderungen entsprechendes Türkischroth
darzustellen, genügt nach der Ansicht der Rothfärber das Tannin der Galläpfel allein
nicht, sondern es ist hierzu der Gerbstoff des Sumachs unentbehrlich; es kann jedoch
letzterer durch den der Myrobalanen und der Divi-divi ersetzt werden. Bei der
mangelhaften Kenntniß der übrigen Sumachbestandtheile muß indessen bis auf Weiteres
zugegeben werden, daß neben der Gerbsäure auch andere Bestandtheile des Sumachs den
Proceß des Fixirens der Krappfarbstoffe auf der Baumwollfaser zu unterstützen
vermögen. (Polytechnisches Centralblatt, 1872 S. 808.)