Titel: | Ueber den Effect einiger Kochmethoden im Vacuumapparat der Zuckerfabriken; von Ferdinand Jicinsky, Fabrikschemiker. |
Autor: | Ferdinand Jicinsky |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXLIII., S. 503 |
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CXLIII.
Ueber den Effect einiger Kochmethoden im
Vacuumapparat der Zuckerfabriken; von Ferdinand Jicinsky, Fabrikschemiker.
Jicinsky, über den Effect einiger Kochmethoden im
Vacuumapparat.
Bevor wir die nach den einschlägigen Versuchen verfaßte Uebersichtstabelle und deren
Consequenzen einer näheren Würdigung unterziehen, wollen wir zunächst anführen,
welchen Plan wir unseren Untersuchungen zu Grunde gelegt haben und welche Methode
uns zur Erreichung des Zieles am zweckmäßigsten erschien.
Von zwei technisch vollkommen geübten Fachleuten wurden in abwechselnder Reihenfolge
fünf Füllmassen nach verschiedenen Kochmethoden gemacht, und zwar die erste nach der
für das betreffende Etablissement üblichen, also normalen Kochmethode mit feinem
Korn, die zweite blank gekocht, die dritte gut ausgekocht mit grobem Korn, die
vierte gut ausgekocht mit feinem Korn, und die fünfte schlecht ausgekocht mit
unegalem Korn.
Die Beobachtung erstreckte sich dann auf die Qualität der Füllmassen selbst, auf den von den Füllmassen gleich nach beendeter
Verkochung abgepreßten Syrup, auf den freiwillig abfließenden Grünsyrup, um die verschiedene
Nachkrystallisation zu constatiren, auf die Qualität des resultirenden Rohzuckers
und schließlich auf die Ausbeute an Rohwaare und das entfallende Syrupquantum, somit
auch auf den quantitativen Effect im Allgemeinen.
Was die Probeentnahme der Füllmassen anbelangt, so ist zu bemerken, daß selbst unter
Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln, welche auch in unseren Versuchen nicht außer
Acht geblieben sind, eine Probe der ursprünglichen Füllmasse, wie sie noch im Vacuum
frei von jeglicher Nachkrystallisation besteht,
unmöglich ist, indem dieselbe gleich nach ihrem Austritt aus dem Vacuumapparat ihre
Beschaffenheit schon ändert. Wird die Probe aber vom Probehahn des Apparates und in
ein kleineres Gefäß entnommen, so ist dabei die Nachkrystallisation eine noch
kräftigere und die Füllmasse weit modificirter geworden, als wenn man eine Probe vom
Kühler genommen hätte. Um den Fehler möglichst zu verringern, wurde daher ein großes
Becherglas behufs Erwärmung vorerst gedämpft und hernach zur Vermeidung einer
Abkühlung in Tücher eingewickelt mit etwas Füllmasse ausgeschwenkt. Dabei bildet
sich an der Glaswand ein schützender Krystallüberzug, soweit als eben die Füllmasse
hängen geblieben ist, welcher sowohl die Gefäßwände als die später entnommene Füllmasseprobe
warm erhält. Gießt man dann mit einiger Vorsicht die Probe derart auf die
Waagschale, daß nur aus dem Centrum des Probeglases sich die Füllmasse hervorwälzt
und langsam auf die Waage herabfällt, so kann man hierdurch ein Quantum Füllmasse
abwägen, welches qualitativ der Hauptmasse im Kühler entspricht. In dieser Weise
haben wir eine bedeutende Probe der Füllmassen während des Ausfüllens vom Kühler
entnommen. Ein zweiter Antheil derselben wurde behufs Abscheidung und Untersuchung
des Syrupes gepreßt, und um auch hier die momentane Nachkrystallisation derselben
auf ein Minimum zurückzuführen, geschah das Auspressen in gedämpften Preßbeuteln von
dichter Leinwand. Die Feuchtigkeit welche die Leinwand bei gleichzeitiger Erwärmung
durch Dampf zurückhält, macht den Syrup ohne Benachtheiligung seiner Consistenz
durchgangsfähiger. Deßgleichen wurde der abgepreßte Syrup in heißen Bechergläsern
aufgefangen und dann saccharimetrisch behandelt.
Nach 24 Stunden haben wir je 10 Stück bezeichnete Brode von jedem Sud gewogen,
dieselben auf den Böden abziehen lassen und zur gründlichen Trennung des Grünsyrupes
überdieß noch genutscht. Das Restgewicht ließ dann die Menge des Grünsyrupes und der
Rohwaare erkennen. Während dieser ganzen Manipulation wurden überdieß genaue
Durchschnittsproben von Grünsyrup und Rohzucker jedes Sudes genommen und
entsprechend untersucht. Mit Uebergehung der zahlreichen Detaildaten führen wir die
berechnete und geordnete Beobachtungstabelle auf; da im ganzen Versuche auch die
Nachkrystallisation Berücksichtigung finden sollte, so sey noch bemerkt, daß aus dem
früher angeführten Grunde die Zahlen für Füllmasse und abgepreßte Syrupe nur eine
relative Richtigkeit aufweisen können.
I. Beobachtungstabelle der
Kochversuche.
Textabbildung Bd. 204, S. 505
Beschffenheit; Füllmasse;
Abgepreßter Syrup; Grünsyrup; Gewonnener Rohzucker; Pro 100 Füllmasse gewonnen;
Saccharomet.-Grädigkeit; Zucker; Nichtzucker; Zucker-Quotient;
Polarisation, Procente; Rohzucker; normal, feines Korn; blank gekocht; gut
ausgekocht, grobes Korn; gut ausgekocht, feines Korn; schlecht gekocht und
schmierig
Zur Beobachtung der Nachkrystallisation genügen uns lediglich die Rubriken für
abgepreßte Syrupe und für die Grünsyrupe, nur müssen die letzteren einer und
derselben Füllmasse entstammen. Da aber in unserem Beispiele (Tabelle I) nur die
Füllmassen Nr. 3 und 4 ganz gleich sind, so haben wir die Syrupe der übrigen drei
auf die zwei gleichen Füllmassen zurückzuführen, wobei als Grundlage der Reduction
die Zuckergehaltsquotienten benutzt worden sind. Die Reduction auf die zwei
genannten Füllmassen ergibt somit folgende Tabelle (II).
II. Reductionstabelle.
Textabbildung Bd. 204, S. 506
Probesud Nr.; Abgepreßter Syrup;
Grünsyrup; Quotient der Nachkrystallisation; Saccharomet.-Grädigkeit;
Zucker; Nichtzucker; Quotient
Im Allgemeinen ist die Nachkrystallisation nach der Größe des Zuckergehaltsquotienten
im abgepreßten Syrup und im Grünsyrup zu bemessen, und es wird dort die stärkste
Nachkrystallisation zu suchen seyn, wo mit dem höchsten Quotienten im abgepreßten
Syrup der niedrigste Quotient im Grünsyrup erscheint, und umgekehrt die schwächste
Nachkrystallisation wo mit dem niedrigsten Quotient des abgepreßten Syrupes der
höchste Quotient für den correspondirenden Grünsyrup auftritt. Mit anderen Worten,
es dürfte sich die Nachkrystallisation durch die Verhältnißzahl zwischen den beiden
Zuckerquotienten ausdrücken lassen. Wir haben daher in der letzten Rubrik der
Tabelle II diese Zahlen für jeden Sud berechnet und geordnet, und nennen sie Quotienten der Nachkrystallisation. Nach numerischer
Ordnung dieser Quotienten unterliegen die fünf Füllmassen folgender Classification:
Nr. 3, 1, 2, 4, 5, wobei Nr. 3 (gut ausgekocht, mit grobem Korn) die kräftigste, Nr.
5 (schlecht gekocht) die schwächste Nachkrystallisation aufzuweisen hat. Die
Zwischenstufen entfallen
auf die Kochversuche: normal und fein, blank gekocht, fein und gut ausgekocht. Das
Resultat entspricht vollkommen der Annahme, daß die Krystallisation in den Syrupen
im directen Verhältnisse steht zur vorangegangenen Krystallisation im Vacuum, und
daß sie mit deren Vollständigkeit und somit auch mit der Konsistenz des restirenden
Syrupes zusammenhängt.
Eine Beurtheilung des qualitativen Effectes, hier der Polarisation des Rohzuckers,
hat keinen besonderen Zweck und kann auf Richtigkeit nicht den mindesten Anspruch
machen, weil wir es abermals nicht mit ganz gleichen Füllmassen zu thun haben, und
übrigens nicht wissen können welche und wie viele Nebenumstände auf die Polarisation
des Zuckers modificirend mitwirken. Folgende Calculation dürfte hinreichen:
Die Füllmassen Nr. 1 und 5 (Tabelle I) sind mit ihrem Zuckergehaltsquotienten von den
gleichen Füllmassen 3 und 4 so wenig verschieden, daß wir ihre
Rohzuckerpolarisationen als direct vergleichbar annehmen. Nur die Füllmasse Nr. 2
zeigt für einen Quotient von 89 eine Rohzuckerpolarisation von 93; jedoch ist diese
Ziffer weit höher anzuschlagen, weil den übrigen Füllmassen auch der höhere
Durchschnittsquotient von 92,50 entspricht; wir umgehen für dieselbe jede Reduction
deßhalb, weil in der vorliegenden Frage nur die exacte Ueberzeugung entscheiden kann
und jede Reductionszahl, welche sich etwa auf die Quotienten der Füllmassen basiren
würde, ganz werthlos wäre.
Dem Vorstehenden zufolge gehören hinsichtlich der qualitativen Wirkung die
Kochmethoden Nr. 1 und 3 (normal und fein, grob und gut ausgekocht) in die erste
Classe; Nr. 2 und 4 (blank, fein und gut ausgekocht) in die zweite Classe, und Nr. 5
(schlecht gekocht) in die letzte Kategorie.
Zur Beurtheilung des quantitativen Effectes, hier der
Ausbeute auf den ersten Wurf oder des sogenannten 1sten Productes, haben wir
ebenfalls eine Zahl gebildet, welche uns der mangelhaften Reductionen enthebt und
das Quantum des krystallisirten Zuckers erkennen läßt. Wir benöthigen dazu nur der
Zuckerquotienten der Füllmasse und des entsprechenden Grünsyrupes. Je besser die
Füllmasse und je schlechter unter denselben Umständen der entfallende Grünsyrup ist,
desto vollständiger war die Krystallisation und Ausbeute. Wir nennen somit die
Verhältnißzahl der genannten zwei Zuckergehaltsquotienten den Krystallisationsquotient, welcher in seinem reciproken Werthe den Namen
Syrupquotient erhalten kann. Die beste Ausbeute muß
den höchsten Krystallisations-, aber den niedrigsten Syrupquotient aufweisen.
Die Quotienten finden sich in der folgenden Tabelle geordnet.
III. Tabelle der Krystallisations-
und Syrupquotienten.
Probesud Nr.
Krystallisations-Quotient.
Syrup-Quotient.
Classification.
1
1,1341
88
I
2
1,1125
89
IV
3
1,1084
90
V
4
1,1219
89
II
5
1,1204
89
III
Wir haben schließlich zur Bestimmung des Totaleffectes die
Resultate des qualitativen und quantitativen Effectes zu vereinigen. Die einzelnen
Producte von Krystallisationsquotienten und Rohzuckerpolarisationen sind dann
Verhältnißzahlen, welche den vollständigen Werth jeder Kochmethode ergeben. In
folgender Tabelle finden sich dieselben berechnet, und es erübrigen uns keine
erläuternden Bemerkungen hierüber, da wir, ebenso wie in der vorhergehenden Tabelle
III, eine Classificationsrubrik beigefügt haben.
IV. Tabelle der Totaleffecte.
Probesud Nr.
Krystallisations-Quotient.
Rohzucker-Polarisation,Proc.
Totaleffect.
Classification.
1
1,1341
95,00
107,7395
I
2
1,1125
93,00
103,4625
V
3
1,1084
95,00
105,2980
IV
4
1,1219
94,50
106,0195
II
5
1,1204
94,00
105,3176
III
Es haben somit gut ausgekochte Füllmassen mit feinem Korn den
höchsten Werth. Die am wenigsten vortheilhafte Kochmethode ist dagegen das
Blankkochen. Ihr zunächst steht das Kochen auf grobes Korn und auf feines Korn
mit unvollständig verkochter Füllmasse.
Berlin, im Mai 1872.