Titel: | Sebor's Methode der Zuckergewinnung aus Melasse. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. CXLII., S. 497 |
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CXLII.
Sebor's Methode der
Zuckergewinnung aus Melasse.Von Hrn. Fr. Sebor als Separatabdruck aus der
„Zeitschrift für Zuckerindustrie, Organ des Vereines zur Hebung der Zuckerfabrication in Böhmen“ (1872 S. 248) mitgetheilt.
Sebor's Methode der Zuckergewinnung aus Melasse.
Der mittelbare Verlust des in der Melasse verbliebenen Zuckers galt stets als einer
der schwarzen Punkte am Horizonte der Zuckerfabrication, und ist es deßhalb nicht zu
verwundern, daß allerseits die größten Anstrengungen gemacht wurden, diesen
verlorenen Zucker als solchen gewinnbar zu machen. Im Verlaufe der letzten Jahre
wurden zu wiederholten Malen Vorschläge in dieser Richtung gemacht, Patente auf die
Wiedergewinnung des Zuckers aus Melasse genommen – aber immer verblieb es bloß bei dem guten
Willen. Die meisten der vorgeschlagenen Methoden erwiesen sich als in der Praxis
unausführbar oder als zu kostspielig, und es blieb dem Zuckerfabrikanten bis zum
heutigen Tage nichts übrig, als sein ganzes Melassenquantum und damit einen
bedeutenden Theil des ursprünglich in den Rüben angekauften Zuckers um den möglich
höchsten Marktpreis an den Spiritusbrenner abzuliefern.
Die bisher übliche Melassenverwendung hatte aber noch einen anderen, nicht minder
beachtenswerthen Nachtheil; die von der Rübe dem Boden entnommenen und in der
Melasse angehäuften mineralischen Pflanzennährstoffe, darunter vorzugsweise Kali,
wurden in ein Product, Potasche, verwandelt, das zwar anderen Industrien zu Gute
kam, der Ackerkrume jedoch für immer entzogen und so der Weg zu einer allmählichen
Bodenerschöpfung, falls nicht um theures Geld erworbene, künstliche Dünger den
Abfall ersetzten, angebahnt wurde.
Wir sind in der angenehmen Lage, ein Verfahren begrüßen zu können, welches geeignet
ist, den bisherigen Calamitäten ein Ziel zu setzen und in der Melassenverwerthung
einen Umschwung gewiß nur zum Vortheil nicht allein des Zuckerfabrikanten, sondern
auch des rübenbauenden Landwirthes eintreten zu lassen.
Hrn. Sebor ist es nach langjährigem Bemühen gelungen, eine
Methode ausfindig zu machen, welche eine Wiedergewinnung des Zuckers aus der Melasse
auf einfache Weise ermöglicht. Das Princip stützt sich zwar auf schon bekannte
Thatsachen, auf die eingehend von verschiedenen Chemikern studirten Eigenschaften
des Kalksaccharates; allein was schon Viele vor ihm resultatlos versucht haben, die
dabei auftauchenden technischen Schwierigkeiten zu überwinden, ist denselben durch
eine sinnreich zusammengestellte, und doch überraschend einfache Manipulation
gelungen.
Das neue Verfahren ist kein bloßer Laboratoriumsversuch mehr; der Patentinhaber hat
bereits zu wiederholten Malen seine Methode in Gegenwart anerkannter Autoritäten und
Fachmänner in einem derartigen Maaßstabe durchgeführt, daß deren Erfolg im
Fabrikbetrieb außer Zweifel gesetzt ist. Das Urtheil der betreffenden
Zuckerindustriellen ist ein übereinstimmendes und drückt die vollste Befriedigung
aus. Eine Reihe von Zuckerfabriken hat bereits das neue Verfahren acceptirt, um es
in der nächsten Campagne in Verwendung zu bringen.
Hr. Sebor wird im Verlaufe der nächsten Zeit allen
Interessenten Gelegenheit bieten, sich durch persönlichen Augenschein von der
Anwendbarkeit seiner Methode zu überzeugen.
Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, daß der größte Theil der Alkalien in
den Auswaschwässern dem rübenbauenden Landwirthe zu Gute kommt und ein
continuirlicher Ersatz der entzogenen Nährstoffe ermöglicht wird. Freilich wird es
sich noch darum handeln, die resultirenden verdünnten Salzlösungen in eine
transportablere Form zu bringen.
Uns eine eingehendere Besprechung sowie Mittheilung einer Reihe von Zahlenbelegen,
geliefert durch den rastlosen Fleiß des Hrn. Mategczek
vorbehaltend, veröffentlichen wir in Folgendem zwei Commissionsberichte über die von
Hrn. Sebor im Beiseyn der Unterzeichneten durchgeführten
Versuche.
I. Commissionsbericht über die
Zuckergewinnung aus der Melasse nach dem Patente des Hrn. Fr. Sebor.
Auf Einladung des Hrn. Fr. Sebor begaben sich die
gefertigten Vertrauensmänner am 17. Januar 1872 in dessen chemische Fabrik bei Prag,
um einem Versuche der Zuckergewinnung aus der MelasseDas Verfahren ist Hrn. Fr. Sebor seit März 1870
patentirt. im größeren Maaßstabe beizuwohnen.
Zur fabrikmäßigen Verarbeitung gelangten probeweise 50 Pfund Melasse welche 45,5
Proc. polarisirte und 8,455 Proc. Alkalien, daher auf 100 Theile Zucker 19,18 Theile
Alkalien enthielt.
Zur Sicherstellung der Zuckerverluste wurden in Gegenwart der Gefertigten Proben des
abgehenden Diffusionswassers entnommen, und Hrn. Dr. Weiler zur Untersuchung übergeben, welche nachstehendes
Resultat ergab.
I. Wasser, welches noch zur weiteren Verarbeitung, resp. Zuckerscheidung gelangt,
hatte:
specifisches Gewicht
1,0235 = 5,9 Proc. Balling,
polarisirte
1,7 Proc. Zucker,
enthielt
0,617 Proc. Alkalien,
daher auf
100 Theile Zucker 36,29 Th. Alkalien.
II. Dasselbe Diffusionswasser nach der Zuckelausscheidung in der Form, wie es
überhaupt abgeht, und höchstens wegen seines Gehaltes an Alkalien Werth besitzt,
daher den eigentlichen Zuckerverlust repräsentirend, hatte
Dichte
1,0175, spec. Gewicht 44 Proc. Ball.,
Zucker
1,25 Proc.,
Alkalien
0,551 Proc., daher auf 100 Theile Zucker 44,08 Proc. Alkalien.
Es wurden somit 91 Proc. von den in der Melasse enthaltenen Alkalien entfernt.
Fassen wir diese praktischen Ergebnisse zusammen, so gelangen wir zu nachstehendem
Resultate:
In den verarbeiteten 50 Pfd. Melasse waren
22,75 Pfd. Zucker,
4,22 Pfd. Alkalien.
Durch die Diffusion entfernt laut oben:
700 Pfund Wasser, 1,25 Proc. Zucker,
0,551 Proc. Alkalien, daher
8,75 „ „
3,85
„ „
–––––––––––––––––––––––––––––––––––
Gewonnen von 50 Pfund Melasse
14 Pfd. Zucker,
0,37 Pfd. Alkalien,
welche in dem gereinigten
verarbeitungsfähigen Zuckerkalkenthalten sind.
Man erzielte daher bei diesem Versuche 28 Proc. Zuckerausbeute, von welcher bei der
weiteren Verarbeitung auf Rohzucker noch der gewöhnliche Zuckerverlust bei der
Saturation, im Schlamme, im Spodium, circa 2 Proc.
betragend, abzuziehen wäre, daher als Nettoausbeute 26
Proc. Rohzucker als ein sehr befriedigendes Ergebniß
resultiren.
Ein Muster des reinen Zuckerkalkes, von Dr. Weiler untersucht, ergab Zucker 13,6 Proc., Alkalien
0,549 Proc.; auf 100 Theile Zucker 4,037 Proc. Alkalien.
Behufs Sicherstellung der qualitativen Verarbeitung dieses Materiales in einer
Zuckerfabrik wurde beschlossen, Hrn. Sebor zu ersuchen,
diesen Zuckerkalk in die Wodolkaer Zuckerfabrik zu senden, wo derselbe als Einwurf
bei der Saturation benutzt wird, worauf die Säfte weiter untersucht wurden.
Das Resultat dieser Untersuchung wird vorstehender Begutachtung beigeschlossen.
Die in letzterer Zeit mehrfach in Vorschlag gebrachten Methoden behufs Gewinnung des
Zuckers aus den Melassen bedingten nicht nur die Anlage kostspieliger und
complicirter Fabrikseinrichtungen, sondern es beruhten sämmtliche Verfahren meist
auf der Anwendung einer bedeutenden Menge von Alkohol, so daß dieselben für den
praktischen Betrieb keine Aussicht auf einen befriedigenden Erfolg zu versprechen im
Stande waren.
Das Verfahren des Hrn. Fr. Sebor ist ganz entschieden dazu
geeignet, die Aufmerksamkeit der Industriellen auf sich zu lenken. Nachdem durch
eine zahlreiche Reihe von Versuchen das Wesen dieser Methode sich als vollkommen rationell bewährt hat, so verdient dieses
Verfahren ganz besonders auch deßhalb empfohlen zu werden, weil dasselbe keine
kostspieligen Werksvorrichtungen erfordert, die Zuckerfabriken bei dessen Adoptirung
keine besonderen Maschinen und Apparate benöthigen, und dasselbe wegen seiner
Einfachheit von den Arbeitern leicht durchgeführt werden kann.
Von besonderem Vortheile erscheint nach dem in Rede stehenden Verfahren die
Verarbeitung der Melassen während der Campagne, indem dadurch ein zur Scheidung der
Rohsäfte geeignetes Material in genügender Menge gewonnen, und zugleich denselben
der in den Melassen enthaltene Zucker zugeführt wird, ohne dadurch deren Qualität zu
verringern, wo hingegen fast sämmtliche mineralische und organische Bestandtheile
der Melassen für die Landwirthschaft nützlich verwendet werden können.
Das Verfahren des Hrn. Sebor ist demnach als ein
erfreulicher Fortschritt auf dem Gebiete der Zuckerindustrie zu betrachten, und
demselben ein glücklicher Erfolg zu wünschen.
Dr. Weiler. – Joh. Schade, Zuckerfabrik-Inspector in Dux. – E.
Weselsky, Zuckerfabriks-Director in
Wodolka.
Nachdem ich mich von dem ganzen Betrieb dieses interessanten
Verfahrens überzeugt habe, kann ich mich nur dem Urtheil dieser Herren
anschließen. Julius Robert.
Beilage zum Commissionsbericht
I.
Am 22. Januar 1872 gelangte der nach dem Verfahren des Hrn. Sebor in Gegenwart der oben angeführten Sachverständigen dargestellte
Zuckerkalk in der Wodolkaer Zuckerfabrik zur
Verarbeitung.
Um zu constatiren, wie die Qualität des Saftes bei der Benutzung des Zuckerkalkes
zur Saturation sey, wurde der Rohsaft, sowie der saturirte Saft aus zwei Kesseln
untersucht, und der Zuckerkalk in zwei nachfolgende Kessel in der Art
eingetragen, daß die im Zuckerkalke enthaltene Menge Kalk pro ein Kessel 1,75 Proc. netto Kalkzugabe
zur Saturation entsprach.
Nachstehend folgt die Untersuchung der Säfte:
I. Rohsaft im Saturationskessel wie er von der Diffusion kommt:
Dichte
12,70 Proc.
Polarisation
10,81 „
–––––––––
Differenz
1,89 Proc.
Derselbe Saft nach gewöhnlicher Art mit Kalkzusatz saturirt:
Dichte
10,90 Proc.
Polarisation
9,40 „
–––––––––
Differenz
1,50 Proc.
Kali- und Natronsalze 0,425 Procent. Auf 100 Theile Zucker 4,52 Theile
Alkalien.
II. Der saturirte Saft aus dem nächstfolgenden Saturationskessel:
Dichte
11,00 Proc.
Polarisation
9,94 „
–––––––––
Differenz
1,06 Proc.
III. Rohsaft aus dem folgenden Kessel:
Dichte
12,70 Proc.
Polarisation
11,09 „
–––––––––
Differenz
1,61 Proc.
Derselbe Rohsaft mit Zuckerkalk geschieden; da die in dem Zuckerkalke enthaltene
Kalkmenge 1,75 Proc. Kalkzugabe zum Safte nicht entsprach, wurden noch 4 Pfund
Kalk zugesetzt.
Dichte
10,65 Proc.
Polarisation
9,95 „
––––––––––
Differenz
0,70 Proc.
Kali- und Natronsalze = 0,431 Proc. Auf 100 Theile Zucker 4,33 Theile
Alkalien.
IV. Der nächstfolgende Kessel wurde wieder mit Zuckerkalk geschieden, und da die
in dem Zuckerkalke enthaltene Kalkmenge zur Saturation nicht genügte, wurden
noch 6 Pfund Kalk in Form von Kalkmilch zu gesetzt.
Der saturirte Saft zeigte:
Dichte
10,60 Proc.
Polarisation
9,80 „
––––––––
Differenz
0,80 Proc.
Kali- und Natronsalze 0,431 Proc. Auf 100 Theile Zucker 4,39 Theile
Alkalien.
Es ist hiermit Folgendes constatirt:
1) Die Saturation mit Zuckerkalk war ganz normal, unter denselben Erscheinungen
und dauerte dieselbe Zeit, wie bei gewöhnlicher Kalkzugabe.
2) Die Säfte der mit Zuckerkalk geschiedenen Saturationskessel waren ein wenig
mehr gefärbt, als jene mit bloßem Kalkzusatz, dagegen, wie die vorstehende
Untersuchung zeigt, qualitativ bedeutend besser.
3) Durch diesen Versuch ist constatirt, daß der Zuckerkalk zur Saturation
vollständig geeignet ist, und daher die Verarbeitung der Melasse auf Zuckerkalk
nach dem Verfahren des Hrn. Fr. Sebor und Benutzung
des Zuckerkalkes zur Saturation, die rationellste Art der Zuckerverwerthung aus
der Melasse ist.
Wodolka, am 3. April 1872.
Weselsky,
Zuckerfabriks-Director.
II. Commissionsbericht über
das Verfahren der Zuckergewinnung aus der Melasse nach dem Patente des Hrn. Franz
Sebor in Prag.
Im Auftrag des Hrn. Ritter Horsky von Horskysfeld
unterzogen die Gefertigten das Verfahren des Hrn. Sebor
einer genauen Prüfung in dessen chemischer Fabrik bei Prag.
Zur fabrikmäßigen Verarbeitung gelangten 10 Ctr. Melasse von 40° Baumé
Dichte und 47,3 Proc. Zuckergehalt,
diese 10 Ctr. Melasse enthielten somit
473 Pfd.
Zucker
durch Manipulationsverluste gehen ab
185 „
„
–––––––––––––––
bleiben
288 Pfd.
Zucker
im gereinigten Zuckerkalk, welcher bei der Saturation der
Rübensäfte statt gewöhnlicher Kalkmilch in der Libeznitzer Zuckerfabrik verwendet
und verarbeitet wurde.
Während laut früherem Commissionsberichte 28 Proc. Zuckerausbeute constatirt wurden,
ergab der letztere Versuch 28,8 Proc. Zuckerausbeute.
Sämmtliche Producte des Versuches übernahm das Commissionsmitglied Hr. Mategczek zur chemischen Untersuchung, deren Resultate
von ihm in einer Tabelle zusammengestellt wurden.
Durch die Saturation dieses Zuckerkalkes in der Libeznitzer Zuckerfabrik wurde
sichergestellt, daß der Zucker aus dem Zuckerkalke vollständig gewonnen werden kann,
und daß der Zuckerkalk zur Saturation der Rübensäfte vollkommen geeignet ist.
Nachträglich gelang es Hrn. Sebor die Zuckerausbeute noch
um weitere 7 Proc. zu erhöhen, wovon sich die Gefertigten während der viertägigen
Versuchsarbeiten vollkommen überzeugten.
Hiernach würde die früher angeführte Ausbeute von 28,8 Procent die überraschende
Ziffer von 35,8 Proc. ergeben.
Der wirkliche Vortheil dieses Mehrgewinnes von 7 Proc. Zucker bleibt jedoch für die
Praxis insolange fraglich, als es nicht gelingt, die Manipulationskosten hierfür
bedeutend zu reduciren.
Im Uebrigen schließen sich die Gefertigten dem Urtheil der Herren Dr. Weiler, Julius Robert, Joh. Schade, Emil Weselsky, laut ihrem Commissionsbericht vom 17. Januar
1872 an.
Prag, am 10. April 1872.
Eduard Mategczek, Chemiker der Zuckerfabrik in
Unter-Berkowitz. – Ernest Mik,
Zuckerfabriks-Director in Kolin.