Titel: | Verfahren zur analytischen Trennung der beiden isomeren Toluidine; von A. Rosenstiehl. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXXXIV., S. 326 |
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LXXXIV.
Verfahren zur analytischen Trennung der beiden
isomeren Toluidine; von A.
Rosenstiehl.
Aus den Comptes rendus, t. LXXIV p. 249; Januar
1872.
Rosenstiehl, über analytische Trennung der beiden isomeren
Toluidine.
Ich theile im Folgenden eine empfindliche und genaue volumetrische Methode zur
Bestimmung des mit PseudotoluidinMan s. Rosenstiehl's Untersuchungen über das
Pseudotoluidin im polytechn. Journal Bd.
CLXXXIX S. 393 und Bd. CXCIII S.
315. gemengten Toluidins mit.
Die analytische Trennung der beiden isomeren Toluidine ist durch die Eigenschaften
ihrer Oxalsäuresalze ermöglicht.
Das krystallisirte Toluidin bildet mit Oxalsäure nur ein
einziges Salz, dessen Zusammensetzung durch die Formel:
C⁷H⁹Nα .
H²O + C²O⁴H²
ausgedrückt wird; dasselbe ist also ein saures Salz. Es ist
bei 15° C. in 125 Theilen Wasser und in 6660 Theilen alkoholfreien Aethers
löslich.
Das Pseudotoluidin bildet zwei Oxalsäuresalze; das
eine
C⁷H⁹Nβ .
H²O + C²O⁴H²
ist ein saures Salz und löst sich bei 18°C. in 200
Theilen Aether; das andere, neutrale und wasserfreie Salz:
(C⁷H⁹Nβ)²
+ C²O⁴H²
löst sich bei 18° C. in 267 Theilen Aether. Der
Unterschied in der Löslichkeit dieser Salze ist demnach bedeutend und würde schon
für sich allein die Bestimmung des Toluidins durch Wägung gestatten; eine
merkwürdige Eigenschaft des zweifach-oxalsauren Toluidins ermöglicht aber
auch die volumetrische Analyse.
Versetzt man das Gemenge der beiden Alkaloide mit Oxalsäure, so sättigt sich das
Toluidin zuerst und bildet ein saures Salz, wie groß der Ueberschuß an Alkaloid seyn
mag; das Pseudotoluidin bleibt frei bis zu dem Augenblick, wo das Toluidin gänzlich
gesättigt ist.
Dasselbe Oxalsäuresalz bildet sich, wenn man das Toluidin der Lösung des neutralen
oxalsauren Pseudotoluidins zusetzt; in diesem Falle wird das Pseudotoluidin
frei.
Bei dieser Reaction verdrängt ein Molecül Toluidin zwei Molecüle Pseudotoluidin. Die
angeführten Erscheinungen treten in Gegenwart des Wassers oder des Aethers ein, sie erlangen jedoch nur
in letzterem Lösungsmittel die Schärfe welche eine analytische Methode auf sie zu
gründen gestattet.
Ich stelle für eine solche Analyse dar: 1) alkoholfreien Aether, welcher nicht
wasserfrei zu seyn braucht; 2) eine Lösung welche 5 Grm. reines (bei + 45° C.
erstarrendes) Toluidin enthält; 3) eine der vorhergehenden bei gleichem Volumen
äquivalente Oxalsäurelösung. Dann mache ich eine Vorprobe, um zu ermitteln ob der
Aether genügend rein ist. Zu diesem Behufe vermische ich 12 Kubikcentimeter des zu
prüfenden Aethers mit 0,2 Kub. Cent. von jeder der zwei titrirten Lösungen; es
bilden sich durch diese Vermischung 0,0022 Grm. saures oxalsaures Toluidin, zu deren
Lösung 16 Grm. Aether erforderlich sind. Ist dieser von genügender Reinheit, so
vermag er nicht die ganze Menge des Bioxalats zu lösen, sondern ein Theil des
letzteren scheidet sich in kleinen Krystallen aus, welche sich an den Wandungen des
Glases festsetzen.
Zur Ausführung einer Analyse löse ich 0,2 Grm. des zu untersuchenden Alkaloides in 80
Grm. Aether und gieße mittelst einer graduirten Bürette die Oxalsäurelösung hinein.
Sofort schlägt sich saures oxalsaures Toluidin nieder. Das Aussehen des
Niederschlages dient als Indicator für den Gang der Operation; anfänglich ist er
sehr zertheilt und amorph, und gleicht schwefelsaurem Baryt; beim Schütteln aber
vereinigt er sich zu Flocken und setzt sich dann rasch ab. Wenn weniger als 0,03
Grm. Toluidin in Lösung sind, so zeigt der Niederschlag ein seidenartiges Schillern;
sind nicht mehr als 0,01 Grm. bis 0,005 Grm. vorhanden, so erscheint er rein
krystallinisch.
Es ist zu empfehlen, die Flüssigkeit in diesem Augenblicke zu filtriren, denn der
zuletzt sich ausscheidende Antheil des Oxalsäuresalzes setzt sich gern an die
Wandungen des Glases an und verhindert das Hindurchsehen. Man versichert sich daß
die Fällung vollständig erfolgt ist, indem man einen kleinen Antheil der filtrirten
Flüssigkeit mit einem Tropfen der Oxalsäurelösung versetzt; das Vorhandenseyn von
Toluidin wird durch das Erscheinen kleiner Krystalle angezeigt, welche sich am
Flüssigkeitsspiegel an das Glas ansetzen.
Die Operation ist beendet, wenn diese Erscheinung nicht mehr erfolgt. Alsdann muß man
sich versichern: 1) daß man nicht einen Ueberschuß von Oxalsäure angewendet hat, was
mittelst der titrirten Toluidinlösung leicht ausführbar ist; 2) daß der Niederschlag
welcher sich zuletzt gebildet hat, wirklich ein Toluidinsalz ist: zu diesem Behufe
wäscht man ihn durch Decantiren mit ein wenig Aether aus, was rasch von Statten
geht, weil er dem Glase anhaftet; darauf trocknet man ihn und löst ihn in einigen Tropfen
Schwefelsäure-Bihydrat; versetzt man diese Lösung mit einer Spur
Salpetersäure, so bilden sich darin Adern von jenem prächtigen, aber vergänglichen
Blau, welches das Toluidin charakterisirt. In manchen Fällen, wenn ich ein
Pseudotoluidin zu Probiren hatte, welches höchstens 5 Procent Toluidin enthalten
konnte, änderte ich die Methode in der Weise ab, daß ich, anstatt die Säure
allmählich zuzusetzen, die zur Umwandlung sämmtlichen Alkaloides in saures Oxalat
erforderliche Menge mit einem Male zugoß. Nach Verlauf einiger Stunden setzt sich
das Toluidin, wenn solches vorhanden ist, in Form von fest dem Glase anhaftenden
Krystallen ab. Man wäscht durch Decantiren aus, und bestimmt, nach dem Trocknen in
einem Luftstrome, die Gewichtszunahme des Gefäßes.
Das Decantiren und Filtriren geht wegen der vollkommenen Beweglichkeit des
Lösungsmittels mit großer Schnelligkeit von Statten; aus diesem Grunde reduciren
sich die Verluste an Aether durch Verdunstung auf ein Minimum, wenn man einige
Vorsichtsmaßregeln beobachtet.
Nachstehend theile ich einige Analysen von Gemengen beider Alkaloide in bekannten
Verhältnissen mit, welche ausgeführt wurden, um die Methode auf ihre Zuverlässigkeit
zu prüfen.
Textabbildung Bd. 204, S. 328
Zusammensetzung des Gemenges; Volum
der verbrauchten Oxalsäurelösung; Gefundene Menge des Toluidins; Pseudotoluidin;
Toluidin; Grm.; Kub. Cent.
Nach diesen Resultaten steht die Methode in Bezug auf Genauigkeit der Mehrzahl der
volumetrischen Methoden nicht nach.
Schließlich will ich noch bemerken, daß bei dieser Methode die Resultate durch die
Gegenwart von Anilin gestört werden; der durch die
Oxalsäure gebildete Niederschlag ist in diesem Falle ein Gemenge von oxalsaurem
Anilin und oxalsaurem Toluidin, wie sich mit Hülfe der von mir beschriebenen
FarbenreactionenRosenstiehl, über die Farbenreactionen des
Anilins, des Pseudotoluidins und des Toluidins, im polytechn. Journal B. CXC S. 57. leicht nachweisen läßt.