Titel: Ueber die Locomobil-Dampfmaschine des Mechanikers Molard zu Inneville; Bericht von Tresca.
Fundstelle: Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXV., S. 265
Download: XML
LXV. Ueber die Locomobil-Dampfmaschine des Mechanikers Molard zu Inneville; Bericht von Tresca. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Februar 1872, S. 49. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Molard's rotirende Dampfmaschine. Unter allen rotirenden Dampfmaschinen, welche beinahe täglich auftauchen, ist unstreitig die Scheibenmaschine eine der interessantesten und sinnreichsten. Zuerst in Belgien praktisch verwerthet, wo sie jedoch nur einen mittelmäßigen Erfolg hatte, ist diese Maschine in England unter den Händen von Rennie vielfach gebaut worden. Durch ihn wurde sie an Bord mehrerer Schiffe eingeführt, wo die Eigenthümlichkeit ihres Spieles ohne Zweifel nicht ohne Einfluß auf ihren vorübergehenden Erfolg gewesen ist. Fig. 1 stellt die Scheibenmaschine im senkrechten Längendurchschnitt, Fig. 2 in der Endansicht dar. Man stelle sich zwei Kegel mit gleichen Basiswinkeln und gemeinschaftlicher Horizontalachse vor, welche mit der Spitze einander gegenüber liegen. Wenn man, ohne ihre gegenseitige Lage zu ändern, an jedem derselben den Theil in der Nähe der Spitze hinwegließe, so könnte man längs einer, beiden Kegelflächen gemeinschaftlichen Erzeugenden eine tangirende Ebene an die conische Doppelfläche legen. Diese Berührung der Tangentialebene ist das, was in der Ausführung den nämlichen Dienst leistet, wie die Metallliederung des Kolbens der gewöhnlichen Dampfmaschine. Eine solche tangirende Ebene wird durch einfache Drehung um die verschiedenen durch die Spitze nach der Kegelachse gezogenen Perpendikel, ohne Reibung, nach und nach in alle Berührungslagen um die beiden Kegelflächen herumgeführt werden können. Wir sehen sie in Form einer Scheibe B, von gewisser Dicke, welche die Stelle des Dampfkolbens vertritt, gleichsam verkörpert. Zu dem Ende sind die Grundflächen beider Kegel durch eine Seitenwand von der Gestalt einer Kugelzone mit einander verbunden, wodurch eine Kammer oder ein Gehäuse entsteht, dessen beide Böden nach Innen conisch sind. Hieraus geht hervor, daß die Scheibe rings um die Kegel alle tangirenden Lagen einnehmen kann, indem sie in jeder derselben das Gehäuse in zwei getheilte Abtheilungen theilt, welche die beiden Dampfkammern der Maschine bilden. G und 0 sind Dampfcanäle, welche beide Kammern abwechselnd mit dem Dampfkessel und der freien Luft in Verbindung setzen. Der Dampfdruck ertheilt der Scheibe, während beide Kammern bezüglich des ein- und ausströmenden Dampfes ihre Rolle wechseln, eine schaukelnde Bewegung. Um die Arbeit des Dampfes zu verwerthen, muß derselbe in einen Raum eingeführt werden, welcher die Fähigkeit besitzt, sich nach und nach zu vergrößern, sey es während der Periode des vollen Druckes, oder während der Expansion. Ein solcher Vorgang würde aber in keinem der beiden Räume, in welche die Berührungslinie der Scheibe das Gehäuse theilt, stattfinden können, wenn nicht eine feste Scheidewand F, Fig. 2, vorhanden wäre, welche den Dampf in dem zwischen ihr und der Scheibe befindlichen Raum abschließt. Dieser Raum nun vergrößert sich in Folge des Dampfdruckes auf die bewegliche Scheibe, deren Berührungslinie unter diesem Druck ihren Ort fortwährend ändert. Um die eigenthümlich schaukelnde Bewegung der Scheibe ungeachtet der festen Scheidewand zu ermöglichen, ist in derselben eine mit einem Scharnier garnirte Keilnuth angebracht. Zur Uebertragung der Triebkraft auf die Welle ist die centrale Kugel oder Nuß des Scheibenkolbens mit einer zur Scheibe senkrechten Stange D ausgestattet, welche während des Ganges der Maschine einen Kegelmantel beschreibt, und mittelst der Kurbel M die Welle J in Rotation setzt. Vorstehende Beschreibung gibt einen Begriff von der ursprünglichen Anordnung des Erfinders Guibal; so ist in ihren Grundzügen die von Rennie adoptirte Construction und so jetzt noch die Einrichtung der fungirenden Organe der Maschine von Molard in Luneville (Meurthe-Departement) beschaffen. Bei der einen wie bei der anderen Construction ist die Reibung auf den Kegelflächen vermieden, nicht aber die Reibung der Nuß in ihrem sphärischen Lager, und auch nicht die des Kolbenrandes an den sphärischen Wänden des Gehäuses. Kurz, man vermindert die Reibung wenig und erleichtert die Dampfentweichung längs der Berührungslinien, welche ohne irgend eine Packung jede Communication zwischen den beiden Abtheilungen des Gehäuses verhindern sollen. Molard hat zwar diese Mängel nicht beseitigt, aber er hat an mehreren Theilen der Maschine bemerkenswerthe Verbesserungen angebracht. Der Kolbenrand ist mit einer geeigneten Packung versehen. Der Dampf circulirt, bevor er an die Einströmungsöffnung gelangt, in Räumen welche rings um das eigentliche Gehäuse eine Dampfhülle bilden. Diese Räume und allerdings ein wenig groß, und es befindet sich sogar zwischen den Vertheilungsorganen und den Kammern welche die Stelle des Dampfcylinders vertreten, so zu sagen ein schädlicher Raum. Die Regulirung des Dampfzuflusses geschieht mit Hülfe einer Verschließungsplatte, welche vor zwei Oeffnungen sich nach der einen oder der anderen Richtung verschiebt, je nachdem der Gang der Maschine zu rasch oder zu langsam ist. Zu diesem Zweck ist die auf die Hauptwelle festgekeilte, in Fig. 3 im Aufriß und in Fig. 4 im Querschnitt nach der Linie XY dargestellte Treibwelle in ihrem Inneren mit zwei eisernen Wangen N, N ausgestattet, welche mit der Verschließungsplatte in Verbindung stehen. Die Lage dieser Wangen wird durch die Wirkung der Centrifugalkraft und die Gegenwirkung einer Spiralfeder bestimmt, welche so regulirt ist, daß die Stellung der Wangen für eine gewisse Geschwindigkeit der Maschine einer gewissen Dampfzuströmungsöffnung entspricht. Bei zunehmender Geschwindigkeit haben die Wangen unter dem Einflusse der die Spannung der Feder überwiegenden Centrifugalkraft das Bestreben, eine an der anderen vorüberzugleiten und dadurch auf automatische Weise die Oeffnung für den Dampfzufluß zu verkleinern; bei abnehmender Geschwindigkeit findet der umgekehrte Vorgang statt. Diese sinnreiche Anordnung läßt zwar in der Ausführung die nöthige Empfindlichkeit ein wenig vermissen, indem die Oeffnung und Schließung zu ungestüm vor sich geht; aber die Erfahrung wird ohne Zweifel auf eine wirksamere Construction dieser Organe führen. Es ist hauptsächlich der Charakter der Einfachheit, welcher bei Molard's Locomobile überrascht. Die Maschine ist auf dem Rücken eines kleinen cylindrischen Röhrendampfkessels, die Welle parallel der Achse des letzteren befestigt, und das Ganze, auf vier kleinen Rädern ruhend, bildet gewiß die compacteste Anordnung, welche man finden kann. Die Stelle der Speisepumpe vertritt ein seitwärts vom Kessel angeordneter Injector. Der ganze Apparat wiegt nicht mehr als 1000 Kilogramme. Bei Gelegenheit der Pariser Industrie-Ausstellung im Jahre 1867 stellte Molard einen Versuch mit seiner rotirenden Dampfmaschine an. Der dynamometrische Zaum hatte einen mit einem Gewichte von 18 Kilogrm. belasteten 0,72 Meter langen Hebel. Aus diesen Dimensionen ergibt sich eine mechanische Arbeit von 81,43 Kilogrammmetern per Umdrehung. Der Versuch dauerte 4 Stunden, 31 Minuten, 30 Secunden. Während der ganzen Dauer desselben verbrauchte man 65 Kilogrm. Kohks und 544 Liter Wasser, woraus sich eine Verdampfung von 8,52 Kilogrm. Wasser per Kilogrm. des Brennmateriales ergibt. Die totale Anzahl der Umdrehungen der Maschine betrug 54050, also 199,08 per Minute oder 3,318 per Secunde. Die Maschine entwickelte demnach eine Arbeit von 81,43 × 3,318 Kilogrammmetern per Secunde, also von 3,603 Pferdekräften. Der Verbrauch an Kohks per Pferdekraft und Stunde belief sich auf 65 : 3,603 × 4,525 = 4 Kilogrm., der Verbrauch an Wasser auf 34 Kilogrm. per Pferdekraft und Stunde.

Tafeln

Tafel Tab.
									VI
Tab. VI