Titel: | Zur Bestimmung des Bierextractes; von Victor Grießmayer. |
Fundstelle: | Band 204, Jahrgang 1872, Nr. LXIII., S. 250 |
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LXIII.
Zur Bestimmung des Bierextractes; von Victor Grießmayer.
Grießmayer, über Bestimmung des Bierextractes.
Zur Bestimmung des Bierextractes werden zwei Methoden, die directe und die indirecte,
angewendet. Die directe Methode, welche bei
wissenschaftlichen Arbeiten hauptsächlich im Gebrauche ist und für sehr exact
gehalten wird, besteht darin, daß man eine gewogene Menge Bier in der sogenannten
Trockenente so lange eindampft, bis zwei auf einander folgende Wägungen keine
Gewichtsdifferenz mehr anzeigen. Bei der indirecten
Methode wird das specifische Gewicht des Bieres mit dem Pyknometer bestimmt, und
dann werden in der Balling'schen Tabelle die dazu
gehörigen Extractprocente aufgesucht. Der Verf. zeigt nun, daß diese beiden Methoden
ungenau sind.
Wenn man bei der Ausführung der directen Methode den
Aspirator gehörig im Auge behält, so bemerkt man, daß – zumal in der zweiten
Hälfte der Operation, wo das meiste Wasser schon verdampft ist – über dem
durch das Auslaufen immer mehr sinkenden Niveau des Wassers eine weiße Dampfschicht
sich bildet; öffnet man dann den Deckel des Aspirators, um ihn wieder mit Wasser zu
beschicken, so entweichen – zumal beim Einfüllen – dicke, schwere,
weiße Nebel von charakteristisch stechendem Geruch. Dieß wiederholt sich bei jeder
neuen Beschickung des Aspirators.
Wenn man irgend eine vergohrene Flüssigkeit im Wasserbade eindampft, die
entweichenden Dämpfe an einer über das Gefäß gelegten Glasplatte sich condensiren
läßt, und das Condensirte dann mit einer Spritzflasche in eine Schale dirigirt, so
erhält man eine stark süß schmeckende Flüssigkeit, welche sauer reagirt. Beim
Destilliren einer von 100 Grammen vergohrenem Rohrzucker herrührenden Flüssigkeit
erhielt der Verf. ein 50,17 Grm. betragendes Destillat, welches ein specifisches
Gewicht von 1,0034 hatte, entsprechend 1,85 Proc. Extract nach Balling oder 1,53 Proc. Glycerin nach Metz,
d.h. 0,767 Grm. absoluter Menge von Glycerin in der abdestillirten Flüssigkeit.
Wenn man 1 Liter Bier auf ein Drittel eindampft und von dem Eingedampften 100
Kubikcentim. der Destillation unterwirft, so erhält man ein Destillat von dem spec.
Gewichte 1,00201, d.h. dieses Destillat hat nach der Balling'schen Tabelle einen Extractgehalt von 0,5 Proc.
Es ergibt sich hieraus, daß die directe Extractbestimmung sich geradezu als eine
Destillationsmethode für das Glycerin und theilweise auch für die Bernsteinsäure
charakterisirt. Beide Substanzen haben eine große Neigung, sich mit den
entweichenden Wasserdämpfen zu verflüchtigen, und so kommt es denn, daß die directen
Extractbestimmungen in der Regel um circa 0,2 Proc.
niedriger ausfallen, als die indirecten nach der Balling'schen Manier.Pasteur, der bekanntlich zuerst das Glycerin
unter den Producten der Gährung entdeckt hat, bestimmte dieses und die
Bernsteinsäure im Wesentlichen dadurch, daß er die vergohrene Flüssigkeit im
Wasserbade zur Trockne eindampfte und den Rückstand mit
Aether-Alkohol aufnahm, wobei sowohl das Glycerin als die
Bernsteinsäure in Lösung gingen. Bei dieser Bestimmungsweise ist nicht
berücksichtigt, daß ein Theil der zu bestimmenden Körper bereits mit den
Wasserdämpfen verflüchtigt war. Es ist demnach klar, daß bei jeder Gährung
mehr Glycerin und Bernsteinsäüre entsteht, als bisher und speciell von Pasteur angenommen wurde.
Was nun die indirecte, Balling'sche Methode betrifft, so
beruht dieselbe auf der Tabelle, welche die den spec. Gewichten von Zuckerlösungen
entsprechenden Extractprocente angibt. Balling hat seiner
Zeit diese Bestimmungen mit dem Tausendgranfläschchen ausgeführt, und es ist zu
vermuthen, daß bei einer solchen Belastung die Empfindlichkeit der Waage sehr gering
gewesen seyn mag.
Verschiedene Collisionen, in welche der Verf. durch die Balling'sche Tabelle gerieth, bewogen ihn, selbst Fundamentalversuche über
den Extractgehalt von Zuckerlösungen anzustellen, und er kam dabei zu dem schon von
ihm vermutheten Resultate, daß auch die Balling'sche
Methode in der Regel geringere Procente angibt, als wirklich vorhanden sind.
Balling hat bekanntlich zwei Tabellen ausgearbeitet. In
der einen gibt er den Extractprocentgehalt an, welcher Zuckerlösungen von 0 bis
19,272 specifischem Gewicht entspricht, und zwar von einem Zehntausendstel zum
anderen; in der zweiten Tabelle von 0 bis 75 wird nur von 10 zu 10° die
entsprechende specifische Schwere angeführt.
Um nun seine Versuche mit den Balling'schen vergleichen zu
können, hat der Verf. diese zweite Tabelle in der Art interpolirt, daß er von 19,272
bis 51,4277°, entsprechend den specifischen Gewichten von 1,08 bis 1,241,
eine vollständige Scala aller specifischen Gewichte von einem Zehntausendstel zum
anderen nach Analogie der von Balling ausgerechneten
ersten Tabelle von 0 bis 19,272 entwarf.
Der Verf. führte seine Bestimmungen des specifischen Gewichtes selbstverständlich
mittelst des Pyknometers aus. Er stellte Zuckerlösungen von bestimmtem Gehalte dar,
nahm davon die specifischen Gewichte und verglich hiermit die Balling'schen Gehalte. So entstand folgende Tabelle:
SpecifischesGewicht
Extractprocentgehalt
Differenz
nach Grießmayer
nach Balling
1,23182
50
49,883
+ 0,117
1,19399
42,82
42,77
+ 0,05
1,17114
39,23
38,35
+ 0,88
1,15094
34,39
34,31
+ 0,08
1,14894
34,03
33,905
+ 0,125
1,14194
32,65
32,4782
+ 0,1718
1,12006
28,08
28,17
– 0,09
1,11398
26,72
26,69
+ 0,03
1,10176
24,24
24,063
+ 0,177
1,08420
20,28
20,22
+ 0,06
1,05061
12,504
12,428
+ 0,076
1,03878
9,789
9,604
+ 0,185
1,03394
8,482
8,425
+ 0,057
1,02450
6,129
6,122
+ 0,007
Die Balling'schen Bestimmungen sind also durchschnittlich
um 0,13 Proc. niedriger, als der directe Versuch ergibt.
Ein wissenschaftlich genaues Resultat wird hiernach mit keiner von beiden Methoden
erzielt. Man kann annehmen, daß in den meisten Fällen die Balling'sche Methode um 0,2 Proc. mehr angibt, als die directe Methode; da
nun die Balling'sche auch noch um circa 0,13 Proc. zu wenig ergibt, so kann man darauf rechnen, bei der
directen Methode um 0,2 bis 0,3 Proc. weniger zu finden, als der Wahrheit
entspricht. Diese Differenz dürfte selbst für technische Zwecke zu groß seyn; es ist
aber noch wenig Aussicht vorhanden, eine auf andere Principien begründete technische
Methode zu bekommen. Die in neuerer Zeit eingeführte Metz'sche aräometrische Analyse,Mitgetheilt im polytechn. Journal, 1871, Bd. CCI S. 547. so vortrefflich und praktisch sie auch ist, leidet natürlich an demselben
Fehler, da sie ja auf die Balling'sche Tabelle basirt
ist. Der Verf. schlägt daher vor, daß man, so lange keine bessere Bestimmungsweise
aufgefunden ist, zu allen gefundenen Extractgehalten noch 0,2 Proc. addire, um einen
Annäherungswerth zu erhalten. (Der bayerische Bierbrauer, 1871, Nr. 12.)