Titel: | Das Chloralum und die Chloralumpräparate als Desinfectionsmittel; nach Prof. A. Fleck. |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. LV., S. 223 |
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LV.
Das Chloralum und die Chloralumpräparate als
Desinfectionsmittel; nach Prof. A. Fleck.
Fleck, über Chloralum und Chloralumpräparate als
Desinfectionsmittel.
Die im Anfang des vorigen Jahres errichtete chemische Centralstelle für öffentliche
Gesundheitspflege in Dresden, deren Vorstand Prof. Fleck
ist, gelangte unter Anderem in den Besitz der von der Chloralum-Company in London in den Vertrieb gebrachten
Desinfectionsmittel zum Zweck einer eingehenden Untersuchung über die
Zusammensetzung und den reellen Werth dieser Producte.Man s. darüber Calvert's Mittheilungen im
polytechn. Journal, 1871, Bd. CXCIX S. 68. Die Ostentation, mit welcher die Chloralum-Company ihr Geschäft in den Gang gesetzt und in Schwung
erhalten hat, ließ entweder auf eine große Vorzüglichkeit der gebotenen Desinfectionsmittel oder auf
einen großen – Irrthum schließen. Der Verdacht in letzterer Beziehung wurde
durch mehrere äußere Anzeichen, welche das Unternehmen begleiteten, genährt. Die
gelesensten Zeitungen und Journale Deutschlands sind der Tummelplatz der Chloralum-Company geworden, so daß es wohl an der
Zeit erscheint, daß ein unparteiischer Richter, als welcher die von Staatswegen
errichtete Centralstelle gelten wird, die Chloralum-Industrie und ihre
Producte einer rückhaltlosen Beurtheilung unterzieht.
Als Desinfectionsmittel empfiehlt die Compagnie: 1)das Chloralum als sicherstes, geruchloses und ungiftiges Desinfectionsmittel,
zur Desinfection von Latrinen und Schlinggruben, Ställen, Schlachthäusern,
Gassenrinnen und Straßenkoth, zum äußerlichen und innerlichen Gebrauch bei
Halsleiden, Diphteritis, Scharlachfieber, Blattern etc.
Zur chemischen Untersuchung wurde, wie Prof. Fleck in den
Industrieblättern, 1871, Nr. 4 mittheilt, der flüssige Inhalt eines sauber
etiquettirten Gefäßes im Gewicht von 637 Grammen, im Volumen eines halben Liters,
und im Preis von 15 Sgr. verwendet. Diese Flüssigkeit enthält in 100 Theilen:
82,32
Wasser
0,15
Chlorblei
0,10
Chlorkupfer
13,90
Chloraluminium
0,42
Chloreisen
3,11
Chlorcalcium mit Gyps
–––––
100,00
2) Chloralum Powder als Absorptionsmittel von organischen
Verunreinigungen, als Antisepticum und Adstringens in der Vermischung mit Weizenmehl
genossen, sowie als Desinfectionsmittel der Eisenbahnwagen, Schiffe, Aborte, Ställe,
Rinnsteine etc. empfohlen.
Zur Untersuchung war gegeben eine ebenfalls sehr schön etiquettirte Blechbüchse,
enthaltend ein weißes Pulver im Gewicht von 370 Grm. und im Preis von 5 Sgr.
Dasselbe enthält in 100 Theilen:
0,72
Chlorarsen
0,55
Chlorblei
0,37
Chlorkupfer
52,43
Chloraluminium
1,55
Chloreisen
11,51
Chlorcalcium
0,72
Gyps
32,15
Thon und Kieselerde
–––––
100,00
3) „Chloralum-Wool and
Wadding,“ empfohlen als blutstillendes Mittel und Antisepticum
bei frischen oder eiternden Wunden und Krebsgeschwüren, als Desinfectionsmittel für
Särge und Leichen.
Zur Untersuchung gegeben war ein sauber etiquettirter Beutel aus wasserdichtem
Gewebe, enthaltend 35 Grm. einer mit 1,73 Grm. festem Chloralum oder mit 9,80 Grm.
flüssigem Chloralum getränkten und getrockneten Watte im Preis von 20 Sgr.
Diese analytischen Resultate lassen nun über den Ursprung und die Darstellungsweise
der Chloralum-Präparate und deren wahren Werth keinen Zweifel.
Die Fabrication derselben ist folgende: Ein kalkhaltiger, schwach eisenhaltiger Thon
wird mit roher, rauchender Salzsäure übergossen und soweit möglich gelöst. Die
concentrirte, über dem ungelöst gebliebenen Thon geklärte Flüssigkeit wird abgezogen
und in Flaschen als „Chloralum verkauft (der Name ist auf den Gehalt an
Chloraluminium zurückzuführen). Der abgeschiedene Schlamm wird sammt der
anhängenden Flüssigkeit in Bleipfannen eingedampft, eingetrocknet und liefert
das „Chloralum-Powder“
In das Chloralum selbst wird Baumwolle oder Watte eingetaucht, damit getränkt,
ausgedrückt, getrocknet und liefert „Chloralum-Wool and Wadding.“
Der Arsenik-, Blei- und Kupfergehalt der Präparate ist auf die
Unreinheit der angewendeten Lösungsmittel, der Salzsäure, sowie auf die Apparate in
welchen die Auflösung des Thones erfolgte, zurückzuführen. Der reelle Werth des
Inhaltes der Flasche mit Chloralum, welche zu 15 Sgr. verkauft wird, ist nicht über
2 Sgr. zu veranschlagen. Der Werth des Chloralum-Powder, welches in Blechbüchsen für 5 Sgr. verkauft wird,
ist als eingetrockneter Abfall, nicht höher als 1 Sgr. zu taxiren. Die
Chloralum-Watte, welche zu 20 Sgr. verkauft wird, hat den Werth von höchstens
1/2 Sgr. Eine Auflösung von 10 Grm. schwefelsaurer Thonerde in 1 Pfd. Brunnenwasser
ersetzt in allen Fällen die obigen Präparate, bei denen alle Bestandtheile, außer
dem Chloraluminium, als Verunreinigungen, resp. Vergiftungen zu betrachten sind, und
übersteigt den Werth von 1 Sgr. nicht.
Um die Bedeutung des Chloralum als Desinfectionsmittel zu prüfen, wurden gleiche
Volume Cloakenflüssigkeit mit Chlorkalk, Alaun, Eisenvitriol, Chloralum, Aetzkalk,
Chlormagnesium behandelt und die geklärte Lösung auf ihren Gehalt an Fäulnißstoffen
mittelst alkalischer Silberlösung geprüft. Der Wirkungswerth dieser
Desinfections- und Klärungsmittel ließ sich dann durch folgende Zahlen
ausdrücken:
Chlorkalk
desinficirt
100,0 Proc. Fäulnißstoffe
Aetzkalk
„
84,6 „
„
Alaun
„
80,4 „
„
Eisenvitriol
„
76,7 „
„
Chloralum
„
74,0 „
„
Chlormagnesium
„
57,1 „
„
Die desinficirenden und klärenden Wirkungen des Chloralum stehen sonach denen des
Alauns oder der schwefelsauren Thonerde und des Eisenvitriols, welche sich noch
durch viel bedeutendere Billigkeit auszeichnen, nach.
Resumiren wir diese Angaben über Werth und Zusammensetzung der
Chloralum-Präparate, so ergibt sich Folgendes: 1) Die
Chloralum-Präparate haben mit dem ähnlich klingenden Chloralhydrat nichts
gemein und sind der Hauptsache nach Chloraluminium Gemische. 2) Die
Chloralum-Präparate enthalten Chlorverbindungen von Blei, Kupfer und Arsenik,
welche deren Anwendung zu einer nicht gefahrlosen gestalten und zumal die Verwendung
als inneres Arzneimittel oder als Adstringens für offene oder eiternde Wunden
gefährlich erscheinen lassen. 3) Der Preis der Chloralum-Präparate ist weder
mit ihrer Zusammensetzung, noch mit ihrer Wirkung übereinstimmend. Wo sich, bei der
Chloralumflüssigkeit ein Reingewinn von wenigstens 700 Proc. und bei der Watte ein
solcher von 400 Proc. mit Leichtigkeit herausrechnen läßt, da ist die Grenze einer
soliden Geschäftsführung als überschritten zu betrachten. 4) Auf Grund dieser Untersuchungsresultate gehört das Chloralum und die aus
demselben dargestellten Präparate in den Bereich der unpreiswürdigen
Geheimmittel und ist vor deren Ankauf im Interesse der allgemeinen
Gesundheitspflege und im materiellen Interesse des Publicums auf das
Entschiedenste zu warnen. (Deutsche Industriezeitung, 1872, Nr. 5.)