Titel: | Ueber das J. Schröder'sche Zuckergewinnungsverfahren; Bericht von Dr. O. Kohlrausch. |
Fundstelle: | Band 203, Jahrgang 1872, Nr. XXXV., S. 133 |
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XXXV.
Ueber das J. Schröder'sche Zuckergewinnungsverfahren; Bericht von Dr. O. Kohlrausch.Aus dem vom Verfasser redigirten „Organ des Vereines für
Rübenzuckerindustrie in der österreichisch-ungarischen
Monarchie,“ 1872 S. 22.
Kohlrausch, über das Schröder'sche
Zuckergewinnungsverfahren.
Die Generalversammlung des Centralvereines für Rübenzuckerindustrie in der
österreichisch-ungarischen Monarchie ernannte am 4. Juni 1871 gelegentlich
ihres Zusammentrittes in Preßburg auf Wunsch des Hrn. Directors Julius Schröder eine Commission aus fünf MitgliedernDie Commission bestand aus den Herren Leopold v. Lippmann, Ferdinand Rothermann, Dr. Paul Wehle und
dem Berichterstatter Dr. O. Koylrausch, Chemiker des Vereines. zur Prüfung und Begutachtung seines Zuckergewinnungsverfahrens. Die
Besichtigung des letzteren fand am 10. Juni zu Pecek in Böhmen in der Fabrik der
Herren M. Weinrich und A. Mettenheim er statt.
Das Verfahren besteht darin, daß man auf Krystall gekochte
Masse in Blechkästen füllt, in welchen bis zum Erkalten der Masse noch feines
Korn anschießt, die Kästen dann ausstößt, die Füllmassestücke ganz in die
Centrifuge setzt, schleudert und eventuell mit Dampf deckt.
Die Blechkästen haben eine dem Durchmesser und der Höhe der Centrifugentrommel
entsprechende Form, d.h. die aus 5 Kästen genommenen Füllmassestücke bilden, mit
ihren schmalen Flächen aneinandergestellt, einen Ring dessen äußerer Durchmesser und
dessen Höhe gleich dem Durchmesser und der Höhe der Trommel ist, so daß der Ring
ziemlich genau in die Trommel paßt.
Die Trommel der Centrifuge ohne oberen Rand ermöglicht ein bequemes Einsetzen der
Füllmassestücke, und werden dieselben durch einen mittelst Schieber an der Trommel
zu befestigenden Ring in ihrer Lage festgehalten. Nun wird die Trommel in Bewegung
gesetzt und bei Arbeit auf Rohzucker die Füllmasse wie gewöhnlich geschleudert; bei
Arbeit auf weiße Waare hingegen wird der Mantel der Centrifuge oben mit einem
Blechdeckel geschlossen, in dessen Mitte sich ein circa.
9 Zoll weiter Stutzen befindet, welcher, in Verbindung gebracht mit einem ebenso
weiten Rohre, die Zuleitung des Dampfes und der atmosphärischen Luft ermöglicht.
Nach dem Ausschleudern des grünen Syrupes, wird der Dampf durch die Röhre
zugelassen. Das Gemisch von Dampf (Retourdampf) und atmosphärischer Luft ist fast
zur Condensation abgekühlt und wird dessen Wärme nach einem am Blechdeckel
angebrachten Thermometer geregelt. Die heiße Luft zieht durch zwei Stutzen ab,
welche am Mantel, diametral gegenüberstehend, angebracht sind.
Im Uebrigen ist die Construction der Centrifuge die gewöhnliche Fesca'sche, nur sind in der Trommel zur besseren Erhaltung des
Gleichgewichtes sogenannte Flughämmer oder Regulatoren angebracht.
Nach dem Decken, welches 15–16 Minuten in Anspruch nimmt und wobei in der
Centrifuge eine Temperatur von 36–39° R. eintritt, wird der Dampf
abgesperrt und die Trommel läuft noch 7–9 Minuten weiter, um den Zucker mit
atmosphärischer Luft vollständig zu trocknen. Sodann wird sie in Stillstand
gebracht, der Blechdeckel aufgezogen und der weiße trockene Zucker in Blöcken
herausgenommen.
Von den fertigen Producten wurde je eine Probe genommen, in ein Glas mit
eingeschliffenem Stöpsel gegeben, versiegelt und an das Vereinslaboratorium
eingesandt.
Die erhaltenen Resultate, welche wir der Uebersicht wegen in tabellarischer Form
mittheilen, waren folgende:
Textabbildung Bd. 203, S. 134
Füllmasse; Rohzucker; Weiße Waare;
Syrup; Ausbeute in Procenten; Gewichts-Differenz; Zeitdauer des Versuches
in Minuten; Zucker; Syrup; Summa 90 à 30 incl. Beschickung.
Bemerkungen. I und II sehr stramme, auf Korn gekochte
Füllmasse. Bei dem Anlassen der Centrifuge, Versuch II, Temperatur 23°
Reaumur. Höchste Temperaturbeobachtung 38,5° R. Das Decken dauerte 16
Minuten, dann ging die Trommel noch 7 Minuten ohne Decke. III, IV, V weniger stramm,
feineres Korn. Rohzucker von III noch ziemlich feucht. Alle erhaltenen Zucker von V
schön weiß. Nach dem Erkalten trocken und klingend beim Anschlagen. Beobachtete
Temperatur bis 38,5° Reaumur.
Die procentische Zusammensetzung der Füllmasse und der erhaltenen Producte ist aus
der folgenden Tabelle ersichtlich:
Zucker
Wasser
Salze
organ. Substanz
Füllmasse zu den
VersuchenI und II
91 Proc.
8,006
0,74
0,251
Rohzucker I
97,8
20,00
0,200
Spuren
Syrup I
66,0
30,170
2,598
1,232
weiße Waare II
99,7
0,308
Spuren
Syrup II
64,1
32,660
2,161
0,879
Füllmasse zu den
VersuchenIII, IV, V
89,0
9,604
0,777
0,619
Rohzucker IV
98,0
1,254
0,546
0,200
Syrup IV
63,0
33,102
1,822
2,076
weiße Waare V₂
99,4
0,610
–
–
Syrup V₂
64,9
31,446
2,114
1,540
Diese procentischen Zahlen für Füllmasse einerseits, und Rohzucker oder weiße Waare
plus dem dazu gehörigen Syrup andererseits, müssen selbstverständlich auf die
angewendete absolute Menge Füllmasse umgerechnet, dieselben Zahlen für Zucker,
Wasser etc. ergeben, falls ganz genau richtig in Pecek gewogen und im
Vereinslaboratorium gearbeitet worden ist. Wir lassen des Vergleiches wegen die
umgerechneten Zahlen folgen.
Versuch I.
Zucker
Wasser
Salze
organ. Substanz
Gewonnen 116 Pfd. Rohzucker
=
113,448
2,320
0,232
–
„
31 Pfd. Syrup
=
20,460
9,353
0,795
0,383
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa
133,908
11,673
1,027
0,383
(Verlust in der Centrifuge 2 Pfd.)
Verarbeitet 149 Pfd. Füllmasse
=
135,59
11,929
1,107
0,374
Versuch II.
Gewonnen 96,5 Pfd. weiße Waare
=
96,210
0,297
–
–
„ 49
Pfd. Syrup
=
31,409
16,003
1,058
0,430
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa
127,619
16,300
1,058
0,430
(Zuwaage durch condensirten Dampf 4,5
Pfd.)
Verarbeitet 141 Pfd. Füllmasse
=
128,310
11,288
1,047
0,354
Versuch IV.
Gewonnen 104 Pfd. Rohzucker
=
101,920
1,304
0,568
0,208
„
36,5 Pfd. Syrup
=
22,995
12,082
0,665
0,757
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Summa
124,915
13,386
1,233
0,965
(Verlust in der Centrifuge 2 Pfd.)
Verarbeitet 142,5 Pfd. Füllmasse
=
126,825
13,686
1,107
0,882
Versuch
V₂.
Gewonnen 91 Pfd. weiße Waare
=
90,454
0,559
–
–
„ 54
Pfd. Syrup
=
35,046
17,000
1,141
0,831
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
(Zuwaage 2,5
Pfd.)
Summa
125,500
17,559
1,141
0,831
Verarbeitet 142,5 Pfd. Füllmasse
=
126,825
13,686
1,107
0,882
Diese Zahlen stimmen wohl nicht genau überein, allein die Differenz beträgt in den
meisten Fällen nicht einmal 1 Procent, und sie können daher die Beruhigung geben,
daß wesentliche Beobachtungsfehler weder bei dem Abwägen in Pecek, noch bei den
Untersuchungen im Laboratorium vorgefallen seyn können.
Der Schwerpunkt des Verfahrens beruht sowohl bei Arbeit auf
Rohzucker, wie auch auf weiße Waare darauf, daß die Füllmasse nicht wie
gewöhnlich durch Maschinen zerkleinert, sondern in fester Form in die Centrifuge
gelangt, auf welchen Punkt auch bei der Patentnahme das größte Gewicht
gelegt wurde.
Die Ausbeute an Rohzucker, wie auch an weißer Waare, wird sich bei Saftwaare um ein
Bedeutendes geringer stellen und dürfte überhaupt das Verfahren für
Rohzuckerfabriken von geringerem Werthe seyn, wo hingegen es für weiße Waare und zwar für Export in Piléform,
jedenfalls sehr vortheilhaft erscheint, wenn man in Betracht zieht, daß eine auf
dieses Verfahren eingerichtete Fabrik außer den Saftmanipulationsräumen nur eines
Füllhauses und eines Raumes für die Ausstellung der Centrifugen, dagegen keiner Bodenräume und Trockenstuben bedarf und daß zur
Herstellung des fertigen Zuckers eine verhältnißmäßig so kurze Zeit nothwendig
ist. Mit einer Centrifuge gewöhnlicher Größe dürften in 12 Stunden circa 15 Ctr. Pilé erzeugt werden.
Die erhaltenen Resultate zusammengefaßt, ergeben daß Hr. Director Schröder aus der
Füllmasse I. 68 Proc. weihe Waare und 78 Proc. Rohzucker, ferner aus Füllmasse II.
64 Proc. weiße Waare und 73 Proc. Rohzucker dargestellt hat.
Dieses Resultat wurde bei Raffinade-Füllmasse gewonnen und es bleibt Hrn. Schröder noch der Beweis zu führen übrig, daß bei
Verarbeitung von Saftfüllmasse verhältnißmäßig ähnliche Ausbeuten erhalten werden.
Stellt sich hier ein ähnliches Resultat heraus, so wird sich das Schröder'sche Verfahren sicher bald Eingang in der
Zuckerfabrication verschaffen.
Gr. Seelowitz, am 18. Juli 1871.