Titel: | Zur Wiedergewinnung der Salpetersäure in der Schwefelsäurefabrication; von Dr. Georg Lunge. |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. CXXI., S. 532 |
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CXXI.
Zur Wiedergewinnung der Salpetersäure in der
Schwefelsäurefabrication; von Dr. Georg
Lunge.
Lunge, über Wiedergewinnung der Salpetersäure in der
Schwefelsäurefabrication.
Im vorhergehenden Heft dieses Journals S. 448 macht Hr. Friedrich Bode aus Freiberg einige Bemerkungen über den von mit in
Bd. CCI S. 341 (zweites Augustheft 1871) beschriebenen Denitrirungsthurm, welcher,
wie er zu beweisen sucht, nur in einem einzigen Falle einen Vortheil gewährt und
zwar gerade in dem Falle, wo meiner Ansicht nach seine Anwendbarkeit sehr
zweifelhaft ist, nämlich bei alleiniger Verarbeitung von Erzstaub. Ich kann eine
Discussion über diesen Thurm, welcher in England für den wesentlichsten Fortschritt
in der Schwefelsäurefabrication in den letzten Jahren gehalten wird, nur willkommen
heißen, und ich muß vor Allem meine Genugthuung darüber aussprechen, daß, wie ich
aus Hrn. Bode's Aufsatz und aus mit zugegangenen
Privatbriefen ersehen habe, das Verfahren wohl jetzt allgemein das Glover'sche genannt werden wird, was an seiner
Ursprungsstätte durch- aus nicht allgemein der Fall ist. Ich muß aber auch
von vornherein Gewicht darauf legen, daß in dieser Discussion Hr. Bode und ich nicht auf dem gleichen Standpunkte stehen.
Was ich beschrieben habe, ist, wie ich hinreichend deutlich gemacht zu haben glaube,
eine praktisch ausgeführte und seit Jahren in Betrieb befindliche Fabrikanlage, von
ganz derselben Art (abgesehen von unbedeutenden Local-Modificationen) wie sie
in England schon bei der Fabrication von 2 bis 3 Millionen Centner Schwefelsäure im
Jahre im Gebrauche ist. Hier am Tyne arbeiten jetzt, mit einer einzigen Ausnahme, alle irgend wie bedeutenden Fabriken nach diesem
Verfahren, und in Lancashire, wo es erst kürzlich bekannt geworden ist, führt ein
Fabrikant nach dem anderen dasselbe ein. Das ist doch wohl ein sehr gewichtiges
Factum, welchem von Hrn. Bode nur theoretische
Berechnungen und Annahmen gegenübergestellt werden, welche noch des Beweises
bedürfen, und diesen durch die bloße Behauptung ihrer Wahrscheinlichkeit entschieden
nicht erhalten. Damit soll selbstredend nicht gesagt seyn daß das Glover'sche Verfahren, weil es in so großem Maaßstabe
eingeführt ist, über der Kritik stehe, und man kann Hrn. Bode für die Anregung einer solchen nur dankbar seyn.
Hr. Bode scheint nicht zu behaupten, daß das Glover'sche Verfahren dem von ihm empfohlenen der
Concentration in auf die Kiesöfen gesetzten Pfannen nach
stehe; wenigstens kann ich nicht ein einziges Argument dafür in seinem
Aufsatze auffinden. Er bemüht sich vielmehr nur nachzuweisen, daß das letztere
Verfahren dem ersteren gleichstehe, und ich will mit nur
erlauben seine Argumente dafür im Einzelnen zu prüfen.
Hr. Bode gibt zu, daß ein Mehrverbrauch von Dampf in den
Kochtrommeln stattfinde, führt aber an, daß „Cascaden“ bei
richtiger Ausführung die Kochtrommeln entbehrlich machen. Daß, besonders mit kaltem
Wasser gespeiste, Cascaden eine genügende Denitrirung hervorbringen, muß ich
bezweifeln; dagegen spricht die Meinung der Praktiker mit denen ich darüber
gesprochen habe, und auch die Angabe von Schwarzenberg,
daß jetzt allgemein (er wußte noch Nichts von dem Glover'schen Thurme) Dampf zur Denitrirung
angewendet werde.
Die theoretische Berechnung mit Calorien, welche Hr. Bode
anstellt um zu erweisen daß die Hitze der Kiesofengase für sich allein hinreiche, um
sämmtliche fabricirte Schwefelsäure von 50 auf 60° Baumé zu bringen,
beruht auf der Vergleichung mit einer bestimmten Menge von Steinkohlen, über welche
mit ihm zu streiten sich nicht der Mühe lohnt, da es doch wohl sonnenklar ist, daß
die Hitze der Kiesofengase sehr viel vollständiger zu
Gute gemacht wird, wenn man dieselben direct mit der zu concentrirenden Säure in
Form eines Sprühregens in Contact bringt, wie es im Glover-Thurme geschieht, als wenn man durch das Blei der Pfanne und
die nöthigen Unterlagen hindurch wirken muß. Das würde freilich nicht viel schaden,
wenn man eben in der Praxis doch in solchen Pfannen alle nöthige Säure von 50 auf
60° Baumé concentriren könnte. Das kann aber Hr. Bode eben nur sehr unbestimmt behaupten. Er sagt selbst, daß, wo er die
von ihm empfohlene Einrichtung angetroffen hat, in den meisten Fällen die
Concentration nicht genügend ist, nur die Gerstenhöfer'schen Stuffkiesöfen sollen davon eine
Ausnahme machen. Auf dieses Argument kann ich nicht eingehen, da ich keine
publicirte Beschreibung solcher Stuffkiesöfen (welche der
Leser natürlich nicht mit den allgemein bekannten Gerstenhöfer'schen Schüttöfen für Erz staub
verwechseln wird) auffinden kann und gestehen muß, von denselben und ihren Erfolgen
noch Nichts gehört zu haben; die (vermuthlich sehr zahlreichen) Leser welche mit mit
im gleichen Falle sind, werden wohl eben so wenig wie ich geneigt seyn, die Erfolge
dieser, vorläufig noch geheimnißvollen Oefen auf die Waagschale gegenüber denjenigen
zu legen welche mit dem Glover-Thurme in
mindestens 20 Fabriken allen Leuten sichtbar erhalten werden. An und für sich wird
der Werth einer Röstofen Construction nicht durch die in dem Ofen erzielte Hitze,
sondern durch ganz andere Umstände bedingt.
Zum Vortheil des Glover'schen Thurmes spricht auch noch,
daß man in demselben auf 62° Baumé concentriren kann, bei richtiger
Hitze der einströmenden Gase; jedenfalls mit aller Leichtigkeit auf 61 1/2°
B. Um wie viel vortheilhafter es aber ist, für die Absorption Säure von 61
1/2° oder 62° als solche von 60° zu haben, darüber brauche ich
kein Wort zu verlieren; und ebenso wenig darüber daß, selbst angenommen man könne in
den Bleipfannen über den Kiesöfen bis 60° concentriren, von da bis auf
62° nach ein weiter Schritt ist. Ich kann Hrn. Bode zwar nicht den Vorwurf machen, dieses einfach übersehen zu haben,
weil ich die erreichte Grädigkeit in meinem früheren Aufsatze nicht ausdrücklich
erwähnt habe, in dem Glauben daß die meisten rationellen Fabrikanten eben mit so
starker Säure (61 bis 62°) absorbiren; aber nachdem ich es jetzt erwähnt
habe, zusammengehalten mit dem oben Gesagten, darf ich wohl Hrn. Bode's Behauptung „daß die Concentration der
Kammersäure auf den Stuffkiesöfen leistet was man nur wünschen kann“
als widerlegt betrachten.
Ich will nur eben anführen, daß, wo man das Gemenge von Salpeter und Schwefelsäure
dicht hinter oder über den Kiesöfen durch die offen darüber hinstreichenden Gase
zersetzt, wie es überall in England geschieht, man von den Bleipfannen überhaupt
absehen muß; wollte man die letzteren vorher anbringen,
so behielte man nicht hinreichende Hitze für die vollständige
Salpetersäure-Austreibung, und brächte man die Pfannen nach her an, so würde das Blei durch die Salpetersäuredämpfe wohl gar zu
schnell zerfressen werden, weil es ihnen unmittelbar ausgesetzt werden muß.
Weiterhin meint Hr. Bode daß der Verlust durch
entweichende Schwefelsäuredämpfe bei der Concentration zu gering sey um überhaupt
in Anschlag gebracht
werden zu können. Dieß beruht aber auch wieder nur auf ziemlich vagen Annahmen, und
jedenfalls findet doch einiger Verlust statt, welcher im Glover'schen Thurme ganz vermieden wird. Noch wichtiger aber erscheint mit
der Verlust an salpetriger Säure, welche ja bekanntlich in der Kammersäure sehr
häufig vorhanden ist, und welche bei der Pfannen-Concentration verloren gehen
muß, aber im Glover'schen Thurme dem Processe erhalten
bleibt.
Hrn. Bode's Annahme daß der Thurm den Zug behindere, ist
bei regelrechter Schichtung der Füllung und hinreichendem Querschnitte völlig
unbegründet.
Endlich was Reparaturbedürftigkeit betrifft, habe ich für meinen Theil mit Pfannen
immer sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ein wohlgebauter Glover'scher Thurm dagegen verursacht sehr wenige Unterhaltungskosten, da
die Säure und die heißen Gase nicht unmittelbar mit dem Blei in Berührung kommen.
Nach weiter gemachten Erfahrungen möchte ich, wo es die Localumstände zulassen, eine
Entfernung des Thurmes von den Kiesöfen von 20 bis 30 Fuß für die passendste halten.
Wo man weiter gehen muß und findet daß die Gase zu kühl in den Thurm gelangen, wird
man sich wohl in den meisten Fällen durch die Anlage eines Paares von Kiesöfen unmittelbar vor dem Thurme helfen können.
Zur Steuer der Wahrheit will ich gern anführen, daß die ersten von Glover selbst erbauten Denitrirungsthürme nur etwa ein
Jahr dauerten und auch sonst vielfache Mißgriffe bei ihrer Construction vorkamen;
gerade dieß war einige Jahre lang der weiteren Verbreitung dieser Thürme an ihrer
eigenen Heimathsstätte hinderlich. Jetzt ist man längst über das Versuchsstadium
hinaus, und ich habe mich, im Interesse meiner festländischen Collegen, bemüht, eine
so deutliche Beschreibung zu geben daß sie für jeden Sachkundigen hinreichend seyn
muß, Fehler bei der Construction zu vermeiden.
South Shields, bei Newcastle-upon-Tyne.