Titel: | Die Luftschifffahrt auf ihrem heutigen Standpunkte; von Th. Springmann. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. LXXIX., S. 322 |
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LXXIX.
Die Luftschifffahrt auf ihrem heutigen
Standpunkte; von Th.
Springmann.
Vorgetragen im technischen Verein zu Hagen am 5.
Juli 1871. – Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, Bd. XV S.
553.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Springmann, über die Luftschifffahrt auf ihrem heutigen
Standpunkte.
Die mannichfaltige und erfolgreiche Anwendung des Luftballons in dem jüngst beendeten
französischen Kriege seitens unserer Gegner hat die allgemeine Aufmerksamkeit
diesen, sonst dem Bereich der Technik ferner stehenden Gegenstand wieder in erhöhtem
Maaße zugewendet, und mag es scheinen, als ob die namentlich von französischen
Ingenieuren in neuerer Zeit angestellten Versuche und vorgeschlagenen Verbesserungen
der Luftschifffahrt größere Aussicht auf praktische Erfolge eröffneten.
Die gebräuchlichen Luftballons, wie solche die bekannten Luftschiffer der Neuzeit:
Coxwell in London, Gebrüder
Godard in Paris, Professor Wise zu Lancaster in
Pennsylvanien noch heute anwenden, sind genau so angefertigt, wie der erste Ballon,
den der geniale Charles im Jahre 1783 unter Beihülfe der
Mechaniker Gebrüder Robert herstellte.
Es sind dieß große kugel- und birnförmige Säcke aus Seiden- oder
Leinenstoff, welche mittelst eines Firnisses luftdicht gemacht und zur Vergrößerung
ihrer Widerstandsfähigkeit mit einem dichten Netz aus Stricken umgeben sind. In der
Nähe des unteren Ballonendes, das in einen Füllungsschlauch ausläuft, trägt jenes
Netz gewöhnlich einen Ring, an welchem mittelst weiterer Stricke die Gondel hängt.
Zur weiteren Ausrüstung gehört ferner die Klappe oder das Ventil, am oberen Ende des
Ballons angebracht,
und durch eine Feder stets geschlossen gehalten. Eine Zugleine führt von dem Ventil
durch den Ballon herab zur Gondel und ermöglicht es dem Luftschiffer, einen Theil
des eingeschlossenen Gases nach Bedürfniß entweichen zu lassen.
Als sonstiges nothwendiges Zubehör sind noch zu erwähnen: in Säcke gefüllter Sand als
Ballast, ein oder mehrere Anker nebst Säcken und ein Höhenbarometer.
Ist das Gewicht eines solchen Ballons in gefülltem Zustande mit Allem, was daran
hängt, kleiner als die verdrängte Luftmenge, so wird er nach dem Archimedischen
Princip in die Höhe steigen. In der Praxis gibt man bei der Abfahrt diesem Auftrieb
einen Ueberschuß von etwa 3 Proc. über das Ballongewicht, um durch eine genügende
Abfahrtsgeschwindigkeit zu verhüten, daß der Ballon etwa vom Winde gegen Bäume oder
Häuser der Nachbarschaft getrieben werde.
In je höhere Luftschichten sich nun der Ballon erhebt, um so mehr verringert sich der
ihn umgebende atmosphärische Druck. Das Gas des Ballons wird sich also ausdehnen; es
trägt der vorsichtige Schiffer daher Sorge, seinen Ballon vor der Abfahrt nicht ganz
zu füllen. Auf einer gewissen Höhe angekommen, wird das Gas den ganzen inneren Raum
desselben einnehmen, er ist dann straff gefüllt, steigt jedoch immer noch, und das
eingeschlossene Gas dehnt sich immer mehr aus. Ist nun der Füllungsschlauch
geschlossen, so entsteht innere Spannung oder Ueberdruck; ist derselbe wie
gewöhnlich offen, so entweicht das überschüssige Gas. In beiden Fällen kommt der
Ballon schließlich zu einer Höhe, in welcher Gleichgewicht zwischen dem Gewicht des
Ballons und dem der verdrängten Luftmenge eintritt. Die absolut steigende Tendenz
hört auf, der Ballon tanzt nur noch in wellenförmigen, langsamen Schwingungen auf
und nieder. Sollen noch höhere Regionen aufgesucht werden, so muß man etwas von dem
mitgenommenen Ballast auswerfen, der Ballon steigt dann wieder so lange bis abermals
Gleichgewicht eintritt. Soll er dagegen niedergehen, so öffnet ein Zug an der Leine
die Klappe, ein Theil des Gases entweicht und der Apparat beginnt zu fallen. In
untere dichtere Schichten kommend, wird das Gas einen immer kleineren Raum
einnehmen, und der Ballon, dann nicht mehr ganz gefüllt, wird an seiner unteren
Fläche Eindrückungen und Beulen bekommen. Das Uebergewicht seiner Schwere über den
Auftrieb wird stets dasselbe bleiben; der Ballon wird sinken, bis er die Erde
erreicht hat, oder durch Ballasterleichterung zu neuem Steigen gebracht wird. Dieses
Spiel kann so lange fortgesetzt werden, als Gas und Ballast vorhalten, ist jedoch
immerhin von verhältnißmäßig kurzer Dauer, da außer dem Gasverlust durch Oeffnen der Klappe noch
stetige Verluste durch Undichtigkeiten, durch Diffusion, sowie durch Endosmose und
Exosmose stattfinden.
Ein solcher Ballon ist auf seiner Fahrt ganz der Willkür der herrschenden
Luftströmung preisgegeben, höchstens ist in engen Grenzen die Benutzung der in
verschiedenen Höhen etwa nach verschiedenen Richtungen gehenden Strömungen durch
rechtzeitiges Steigen oder Sinken ermöglicht; dabei schwankt er beständig hin und
her, und geräth sehr oft in drehende Bewegung, bald nach der einen, bald nach der
anderen Richtung hin.
So lange nicht Mittel und Wege gefunden sind, eine größere Herrschaft über die
Bewegung des Ballons zu ermöglichen, wird die Ballonschifffahrt nur eine sehr
beschränkte und untergeordnete Anwendung finden können.
Dieß erkannte man im ersten Jahre ihrer Erfindung und schon damals sann man auf
Mittel, dieses Problem zu realisiren. Gleich nach den ersten Versuchen Montgolfier's und Charles'
hatte die Pariser Akademie der Wissenschaften eine Commission zur Prüfung der neuen
Erfindung niedergesetzt.
In der ersten Sitzung dieser Commission, am 27. December 1783, also schon etwa vier
Wochen nach der ersten Charles'schen Luftfahrt, verlas
der berühmte Gelehrte Lavoisier über diesen Gegenstand
ein Memorandum folgenden wesentlichen Inhaltes:
„Die Vervollkommnung der Luftschifffahrt hängt hauptsächlich von vier
Erfordernissen ab:
1) einer Hülle, welche Leichtigkeit mit Festigkeit verbindet, und welche selbst
bei einem Ueberdruck von 1/2 Zoll (14 Millimet.) Quecksilberstand für das
eingeschlossene Gas undurchdringlich ist;
2) einem leichten Gase, billig und überall zu jeder Zeit zu beschaffen;
3) einem Mittel, die Maschine nach Willkür in den Grenzen von 200 bis 300 Toisen
(390 bis 595 Meter) steigen und sinken zu machen, ohne weder Gas noch Ballast zu
verlieren;
4) einem einfachen und leichten Steuerungsmittel.
Als Hülle hatte man eine Seide von einer dichteren Webart als Tafft
vorgeschlagen, welche man mit einem Kautschukfirniß durchdringt und etwa doppelt
über einander legen könnte.
In Betreff des Gases ist erwiesen, daß man aus fast allen animalischen und
vegetabilischen Substanzen große Mengen Gas erzeugen kann, hauptsächlich und am
besten aus Steinkohle, dessen Gewicht etwa gleich 1/3 dem der atmosphärischen
Luft ist.
Für den dritten Punkt hat Hr. Meusnier ein Mittel
angegeben, mit Hülfe dessen man mit Sicherheit und hinreichender Latitüde
steigen und sinken kann, wenn eine hinreichend starke Hülle gefunden seyn
sollte, die einen Druck von 1/2 Zoll (14 Millimet.) Quecksilberstand
aushält.“
Ueber das Meusnier'sche Mittel, den Luftballon ohne
Ballast- und Gasverlust zum Steigen oder Fällen zu bringen, gibt uns eine
während der jüngsten Pariser Belagerung in den Archiven des Conservatoire des arts et métiers aufgefundene Handschrift
Aufschluß. Nach dieser schlägt Meusnier vor, zunächst die
untere Schlauchöffnung des Ballons ganz zu verschließen und in demselben einen
steten Ueberdruck zu erhalten, wodurch das Volum des Ballons in jeder Lage desselben
constant bliebe. Um nun dessen specifisches Gewicht den betreffenden Höhen
anzupassen, respective durch dessen Vermehrung oder Verminderung ein Steigen oder
Sinken zu bewirken, bringt er in dem Ballon einen für sich abgeschlossenen Raum an,
in welchen je nach Bedürfniß atmosphärische Luft durch einen Balg oder eine andere
Gebläsemaschine eingepreßt, oder auch durch ein Ventil wieder herausgelassen werden
kann.
Dieses Luftreservoir läßt sich auf drei verschiedene Weisen anbringen:
1) als ein zweiter kleinerer Ballon in dem großen;
2) durch eine in dem Ballon angebrachte Zwischenwand;
3) dadurch daß man den mit Gas gefüllten eigentlichen Ballon in einen zweiten
hineinsteckt und den Zwischenraum zwischen beiden als Luftreservoir benutzt.
Meusnier hält die letztere Anordnung aus verschiedenen
Gründen für die bessere. Einmal würden die durch Diffusion oder Undichtigkeiten
entweichenden Gase nicht verloren gehen, sondern in dem Zwischenraum noch wirksam
bleiben; dann würde nur der äußere Ballon durch den erforderlichen Ueberdruck
angespannt; entstände durch zu große Spannung wirklich ein Riß in demselben, so
würde doch der, das eigentliche Steiggas enthaltende, innere Ballon unversehrt
bleiben, durch den Riß also kein Unfall zu befürchten seyn.
Durch die bekannten Gebr. Robert wurde auch wirklich ein
Apparat nach dem Meusnier'schen Princip mit innerem
Luftreservoir angefertigt, und damit zu Saint Cloud eine Probe angestellt.
Der Ballon war cylindrisch, von 30 Fuß (9,4 Met.) Durchmesser, an beiden Enden durch
Halbkugeln geschlossen und in seinem Inneren mit einem Luftbeutel versehen, der also
hier die Functionen der Schwimmblase eines Fisches zu versehen hatte. Dieser innere
Beutel oder kleinere Ballon war mit der äußeren Hülle durch Stricke verbunden,
welche ihn in gefülltem
Zustand in seiner Lage erhalten sollten. Diese Stricke waren jedoch vor der Füllung
angebracht, und ihre Länge nicht genau regulirt worden; außerdem hatte der schlaff
herunterhängende leere innere Ballon sich gerade über den Strick gelegt, der zum
oberen Ablaßventil führte.
Die Füllung des Hauptballons war noch lange nicht vollendet, als aus Versehen schon
die haltenden Stricke gelöst wurden. Um dieses Versehen wieder gut zu machen, mußte
man eine bedeutende Menge Ballast auswerfen und füllte dann rasch den inneren Beutel
mit Luft, doch reichte auch dieß nicht aus, um den Hauptballon ganz auszufüllen,
welcher trotzdem noch immer etwa zu ein Viertel leer war.
In höheren Regionen angelangt, füllte endlich das sich ausdehnende Gas den ganzen
Ballon; die zum Halten des inneren Beutels angebrachten Stricke erwiesen sich aber
als zu kurz. Einer von ihnen zerriß mit knallendem Geräusch, und der nun umsinkende
Beutel legte sich auf die untere Verschlußklappe. Bald darauf zerriß der innere
Beutel ganz, sein Stoff bedeckte ganz jene Klappe und verwirrte sich außerdem mit
der zum oberen Ventil führenden Zugleine.
Der Apparat war noch immer im Steigen begriffen, man versuchte vergeblich Gas
ausströmen zu lassen. Alle Mittel schlugen fehl. Der Ballon war in der größten
Gefahr zu zerplatzen. Da griff man zu dem letzten Hülfsmittel: eine Oeffnung in die
Hülle zu schneiden. Letztere riß in ihrer ganzen Länge auf, und das Luftschiff
begann mit rapider Schnelligkeit zu fallen, doch erreichten glücklicher Weise die
Insassen ohne Verletzung festen Boden.
Dieser, durch verschiedene unverschuldete, wie auch zum Theil verschuldete
Zufälligkeiten verursachte Mißerfolg schreckte von weiteren Versuchen ab, ohne
jedoch die Unzweckmäßigkeit des Systemes selbst darzuthun.
Ein anderes Mittel zu demselben Zweck wurde jetzt während der Pariser Belagerung
durch einen Hrn. Joulie vorgeschlagen, und es hat allen
Anschein, daß günstige Resultate mit demselben zu erzielen sind.
An Stelle des Ballastes will er an der Gondel einen metallenen Behälter anbringen,
dessen Wände stark genug sind, um einem bedeutenden inneren Druck von etwa 25 bis 30
Atmosphären widerstehen zu können. Durch eine Compressionspumpe kann man Gas aus dem
Ballon in dieses Reservoir verdichten, wodurch die Steigkraft des ersteren
vermindert würde. Andererseits würde man durch Oeffnen eines Hahnes das verdichtete
Gas in den Ballon zurückströmen lassen können und hierdurch den ganzen Apparat
wieder zum Steigen bringen.
Wir kommen jetzt zu dem vierten von Lavoisier
aufgestellten Erforderniß zur Vervollkommnung der Luftschifffahrt, dem
Steuerungsmittel.
Sehr vielfach ist hin und her gestritten worden, ob es überhaupt möglich sey, einen
frei in der Luft schwebenden Ballon nach Willkür zu lenken. Sehen wir uns den Fall
etwas näher an.
Irgend ein Gegenstand, eine Seifenblase oder Ballon, welcher sich mit der umgebenden
Luftschicht im Gleichgewicht befindet, wiegt genau so viel, wie die von ihm
verdrängte Luftmenge. Er wird sich genau so verhalten wie ein Theil jener
Luftschicht und jeder Strömung derselben folgen, ohne dieser Bewegung irgend einen
anderen Widerstand als den seiner Trägheit entgegen zu sehen, welch' letzterer als
mit dem des gesammten umgebenden Mittels identisch anzusehen ist.
Der Luftschiffer wird also selbst bei heftigstem Winde, so lange jener nicht
stoßweise auftritt. Nichts von demselben verspüren und nur an der unter ihm
liegenden Erdoberfläche seine fortschreitende Bewegung, deren Richtung und
Geschwindigkeit ermessen können.
Das Anbringen von Segel und Steuer an solchen Ballons hat sich daher erklärlicher
Weise als vollkommen zwecklos erwiesen.
Anders würde es seyn, wenn man dem schwebenden Apparat eine von der umgebenden Luft
unabhängige, eigene, wenn auch nur geringe Geschwindigkeit geben könnte. Das
Steuerruder würde in der Luft, durch die es steigt, einen Widerstand finden und
letztere einen Druck auf dasselbe ausüben können. Hieraus ergibt sich, daß die
Lenkbarkeit eines Ballons auf das Innigste mit dessen Fortbewegung durch einen an
demselben angebrachten Mechanismus verbunden ist, für welchen sich die
Schiffsschraube am zweckmäßigsten erwiesen hat.
Betrachten wir nun einen solchen durch mechanische Hülfsmittel getriebenen Ballon an
einem Beispiel.
Angenommen, ein Ballon von der gewöhnlichen kugelförmigen Gestalt hätte einen
Durchmesser von 20 Met., so würde sein Kubikinhalt 4190 Kubikmeter betragen. Der
Kubikmeter der verdrängten Luft wiegt bei einem Barometerstand von 760 Millimetern
etwa 1,3 Kilogrm. Hat nun das zum Füllen angewendete Leuchtgas ein specifisches
Gewicht von 0,5, so würde jeder Kubikmeter desselben einen Auftrieb von 1,3 –
0,5 . 1,3 – 0,65 Kilogrm. repräsentiren, also obige 4190 Kubikmeter etwa 2700
Kilogrm. Auftrieb. Dieselben würden sich etwa, wie folgt, auf die Belastung
vertheilen:
1260 Quadratmet. Hülle etwa
330 Kilogrm.
das Netz
200 „
Stricke, Ring, Gondel
600 „
drei Luftschiffer
230 „
Anker, Schleppseil
100 „
Instrumente, Bagage, Lebensmittel
200 „
Ballast
450 „
–––––––––––
Summa
2100 Kilogrm.,
so daß für die Schraube und deren Bewegungsmaschine, sowie den
zur Abfahrt erforderlichen Ueberschuß an Auftrieb nur noch etwa 600 Kilogrm.
disponibel blieben.
Um die zur Bewegung dieses Ballons erforderliche Kraft zu ermitteln, berechnen wir
uns den Hauptquerschnitt P desselben, normal zur
Bewegungsrichtung, wie folgt:
Hauptquerschnitt des Ballons
314 Quadratmet.
Querschnitt der Gondel, Stricke etc. etwa
16
„
–––––––––––––
Summa F
=
320 Quadratmet.
Der Bewegungswiderstand P einer Fläche F in einem Mittel, dessen Dichtigkeit = γ, ist, wird bei einer Bewegungsgeschwindigkeit =
v durch die Formel ausgedrückt:
P = αv²/2g Fγ,
worin der von der Form des schwimmenden Körpers abhängige
Widerstandscoefficient α für die Kugel = 0,6
ist.
Nehmen wir nun an, jener Ballon solle bei Windstille mit einer Geschwindigkeit von 10
Met. in der Secunde, also 36 Kilometer oder 4,8 Meilen in der Stunde, also etwa
gleich der eines in mäßiger Fahrt begriffenen Güterzuges, vorwärts bewegt werden, so
würde der dieser Bewegung entsprechende Luftwiderstand seyn:
P = 0,6 . 10²/(2 . 9,8) . 320
. 1,3 = 1273 Kilogrm.,
also die zur Bewegung erforderliche Kraft = 10 . 1273
Meterkilogramme = etwa 170 Pferdestärken effectiv, ungerechnet die durch Reibung
oder sonstige im Bewegungsmechanismus stattfindenden Kraftverluste.
Die gleiche Kraft wird erforderlich seyn, sobald der Ballon gegen einen Wind von 10
Met. Geschwindigkeit ankämpfen wollte, ohne daß er hierbei von der Stelle kommen
würde.
Da ein solcher Wind von 10 Met. Geschwindigkeit nicht einmal mit dem Namen eines
„heftigen“ zu bezeichnen ist, so ist aus dem Vorstehenden
ohne Weiteres
ersichtlich, daß man bei unseren jetzigen Hülfsmitteln von vorn herein darauf
verzichten muß, ein Luftschiff mit Maschinen zu versehen, die es ermöglichten,
beliebig nach jeder Richtung und sogar gegen einen mäßigen Wind zu fahren, und ist
dieß auch von jeher allen einsichtigen Luftschiffern klar gewesen.
Wir haben jedoch auch gesehen, daß ein Lenken des Luftschiffes schon möglich wird,
wenn man demselben auch nur geringe, eigene Geschwindigkeit ertheilt. Da nun der
Luftwiderstand proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit, also der erforderliche
Kraftaufwand proportional dem Kubus der Bewegungsgeschwindigkeit ist, so stellt sich
für diesen Fall die Sache bedeutend günstiger. Wollte man z.B. dem oben erwähnten
Ballon nur eine Geschwindigkeit von 1 Met. ertheilen, so würde hierzu nur ein
effektiver Kraftaufwand von 12 3/4 Meterkilogram., etwa 1/6 Pferdestärke,
erforderlich seyn.
Noch günstiger wird der Fall, wenn man dem Ballon eine der Fortbewegung weniger
Widerstand leistende Form als die der Kugel, deren Widerstandscoefficient = 0,6 ist,
gibt; hat man doch bei gut geformten Dampfschiffen diesen Widerstandscoefficienten
bis auf 0,05 = 1/20 herabgedrückt. Man stellt daher die steuer- und lenkbaren
Ballons in der Form von länglichen, vorn und hinten zugespitzten Rotationskörpern
her, durch welche auch zugleich die Wirkung und der Einfluß des angebrachten Steuers
wesentlich vergrößert werden. In den Comptes rendus de
l'Acad. des sciences vom 17. October 1870 wird das Project eines solchen
Luftschiffes von dem bekannten Schiffbauer und Ingenieur Dupuy
de Lôme mitgetheilt; Fig. 13 und 14 geben eine
Abbildung desselben.
Der Ballon hat eine Länge von 40 Met. und an seinem größten Querschnitt einen
Durchmesser von 14 Met. Damit der Wind nicht durch Zusammendrücken dessen Form
verändere, soll im Inneren desselben eine Spannung von 3/10000 bis 4/10000
Atmosphären Ueberdruck erhalten werden, welches einen Druck auf die Hülle von 3 bis
4 Kilogrammen pro Quadratmeter Oberfläche ausmachen
würde.
Die Enden des den Ballon umgebenden Stricknetzes sind mit zwei unterhalb des Ballons
in dessen Längsrichtung laufenden Stangen m, n
verbunden, an welch' letzteren dann wieder an weiteren Stricken die Gondel a hängt. Oberhalb der Gondel, zwischen dieser und den
erwähnten Stangen, ist in einem Rahmen die Fortbewegungsschraube angebracht, welche
mittelst Riemenscheibenvorgelege von der Gondel aus durch Menschenkraft in Bewegung
gesetzt werden soll. Von der hinteren Spitze des Ballons aus ist ein Strick b, d nach der Mitte der, die beiden Stangen dort
verbindenden Traverse gespannt. Zwischen diesem Strick b,
d
und der unteren
Mittellinie des Ballons ist ein Segeltuch E befestigt,
welches dem Apparat als Kiel dient. Der Strick b, d
dient einem zweiten Segel D als Scharnierachse, welches
seinerseits als Steuer fungirt und mittelst Zugleinen von der Gondel aus gehandhabt
werden kann.
Der Ballon ist nach dem Meusnier'schen System mit einer
inneren Lufttasche versehen, sein Gesammtkubikinhalt berechnet sich auf 3860
Kubikmeter; davon geht ab der Inhalt der Tasche, der gleich 1/10 des Balloninhaltes
= 386 Kubikmeter angenommen ist. Dupuy de Lôme
nimmt zur Füllung ein Leuchtgas an, welches bei hoher Temperatur abgetrieben werden
und eine Steigkraft von 735 Grm. pro Kubikmeter bei 760
Millimet. Barometerstand haben soll. Obige 3474 Kubikmeter würden dann eine
Steigkraft von 2553 Kilogrm. entwickeln. Die Belastung berechnet er wie folgt:
Ballonhülle mit Tasche
425 Kilogrm.
Netz und Stricke von Seide
90 „
Steuer
13 „
Anker
25 „
Längsstangen
135 „
Gondel
255 „
Schraube mit Vorgelege etc.
140 „
Zubehör der Gondel
30 „
6 Arbeiter zum Drehen der Schraube,
ein Steuermann, ein
Luftschiffer und ein
Passagier
630 „
Bagage und Lebensmittel
45 „
Instrumente
20 „
Depeschen und Briefe
235 „
Ballast
435 „
–––––––––––
zusammen
2478 Kilogrm.
Es bliebe also der zur Abfahrt nothwendige Ueberschuß an Steigkraft von etwa 3 Proc.
disponibel.
Dupuy de Lôme berechnet die zur Fortbewegung
dieses Apparates erforderliche Kraft, wie folgt: Es beträgt der
Hauptquerschnitt des Ballons
154 Quadratmet.
Querschnitt der Gondel, Insassen etc.
4 „
Querschnitt des Tauwerkes und sonstigen
Zubehörs
20
„
Den Widerstandscoefficienten des Ballons nimmt er zu 1/20 desjenigen jener
Querschnittsfläche an, indem er behauptet, daß dieser Coefficient bei einigen gut gebauten
Dampfschiffen bis auf 1/80 gebracht sey, und daß nur die unebene Oberfläche des
Ballons, welche durch die Maschen des Stricknetzes eingeschnitten und in unzählige
kleine Ausbauchungen getheilt sey, ihn veranlasse, denselben so hoch (?) anzunehmen.
Für die Gondel, Stricke etc. wird der Coefficient 1/2 gesetzt.
Ferner nimmt er für seinen Apparat eine Geschwindigkeit von 8 Kilometer pro Stunde gleich 2,23 Met. pro Secunde in Aussicht; es entspricht dieß der Geschwindigkeit eines
Windes, den man mit „leichte Brise“ bezeichnet. Bei einer
solchen Geschwindigkeit von 8 Kilometer findet sich dann der Winddruck gegen eine
Fläche von 1 Quadratmeter zu 0,665 Kilogrm. Nimmt man nun an, daß der Widerstand den
eine in der atmosphärischen Luft sich bewegende Fläche findet, gleich ist dem Druck
den ein Wind von derselben Geschwindigkeit gegen eine feststehende Fläche ausübt, so
würde sich der Widerstand des erwähnten Apparates unter Zugrundelegung des
angeführten Coefficienten, wie folgt, berechnen:
Ballon
154 Quadratmeter
0,665 . 0,05 =
5,12 Kilogrm.
Gondel, Stricke etc.
14 „
0,655 . 0,5 =
4,68 „
––––––––––––––––––––––––
Summa
9,8 Kilogrm.
Hieraus ergibt sich dann die zur Bewegung mit einer Geschwindigkeit von 2,22 Met.
erforderliche Kraft gleich 27,77 Meterkilogrm. Zur Uebertragung dieser Kraft auf den
Ballon benutzt Dupuy de Lôme eine Schraube von 8
Met. Durchmesser mit einer Steigung gleich dem Durchmesser und mit vier Flügeln,
deren jeder gleich 1/8 der Steigung breit ist. Diese Flügel bestehen aus
Seidentaffet, der über einen Rahmen gespannt ist.
Bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 21 Touren würde diese Schraube die
erforderliche Kraft von 27 3/4 Meterkilogrm. übertragen und außerdem noch 2 1/4
Meterkilogrm. durch Reibungswiderstände absorbiren, so daß im Ganzen ein
Kraftaufwand von etwa 30 Meterkilogrm. erforderlich wäre, der durch Drehen an der
Kurbel von vier Mann, mit noch zwei Mann Ablösung, gut bewältigt werden könnte.
Die Achse der Schraube befindet sich 6,20 Met. über dem Boden der Gondel und 16,80
Met. unter der Ballonachse; es könnte nun scheinen, als ob diese tiefe Lage der
Schraube unter dem Angriffspunkt sämmtlicher Luftwiderstände von nachtheiligen
Folgen seyn könnte; um dieß zu ermitteln, vergegenwärtigen wir uns die Wirkung der
verschiedenen, den Gesammtapparat angreifenden Kräfte.
Es sind dieß vier, Fig. 15:
1) die Schraube, welche mit einem Druck K = 9,8 Kilogrm.
in der Richtung ihrer Achse wirkt; derselben steht entgegen:
2) der Gesammtluftwiderstand W ebenfalls gleich 9,8
Kilogrm. Er findet seinen Angriffspunkt in dem Schwerpunkt der
Hauptquerschnittsfläche, welcher im vorliegenden Fall 2,60 Met. unter der Achse des
Ballons und 12,20 Met. über derjenigen der Schraube liegt.
3) Die Schwerkraft G, gleich dem Gewicht des ganzen
Apparates, welches, wenn aller Ballast ausgeworfen ist, noch 2043 Kilogrm. beträgt
und in dem Schwerpunkt des ganzen Luftschiffes, in der Gondel gelegen, angreift.
4) Als letzte Kraft wirkt noch der Auftrieb A, welcher im
Gleichgewichtszustand ebenfalls gleich dem Gewicht des Apparates ist, und dessen
Angriffspunkt mit dem Schwerpunkt der verdrängten Luftmenge zusammenfällt und hier
15,55 Met. von dem Schwerpunkt des ganzen Apparates entfernt liegt.
A und G wirken in derselben
verticalen Linie nach entgegengesetzter Richtung, heben sich daher gegenseitig
auf.
W und K bewirken als ein in
entgegengesetzter Richtung ziehendes Paar paralleler Kräfte eine Drehung.
Durch diese Drehung wird aus A und G ebenfalls ein, jedoch nach der anderen Richtung drehendes Kräftepaar,
Fig. 16.
Zwischen diesen beiden Kräftepaaren tritt nach den Bezeichnungen der Figur
Gleichgewicht ein für den Fall
Gx = Km,
woraus
x = (9,8 . 12,20)/2043 = 0,058
Met.
Hat sich also der Schwerpunkt des ganzen Apparates um 58 Millimet. aus der durch den
Angriffspunkt des Auftriebes gehenden Verticallinie verschoben, so tritt keine
weitere Verschiebung mehr ein. Bei der Entfernung von 15,75 Met. dieser beiden
Punkte von einander ist jene Verschiebung von 58 Millimeter verschwindend klein und
gibt nur einen Neigungswinkel des Apparates von wenigen Minuten, welcher ganz
vernachlässigt werden kann.
Herrschen nun Windstille oder ein Wind, dessen Geschwindigkeit kleiner ist als 2,20
Met., so kann dieser Ballon nach jeder beliebigen Richtung hin bewegt werden. Bei
stärkerem Wind ist jedoch nur, wie Fig. 17 ersehen läßt,
eine gewisse Abweichung nach beiden Seiten von der Windrichtung möglich, und zwar
läßt eine „frische Brise“ von 4 Met. Geschwindigkeit pro Secunde eine Abweichung von 33° zu, während
bei
„starker Brise“ oder 8 Met. Geschwindigkeit des Windes pro Secunde nur eine solche von 16° möglich ist.
In Fig. 17
ist V die Richtung der Windströmung, S die Richtung in welcher die Schraube wirkt.
Betrachten wir nun die Function der inneren Lufttasche: Bei der Abfahrt ist diese
Tasche mit atmosphärischer Luft gefüllt, der ganze übrige Rest des Ballons mit
Leuchtgas. In den höheren Regionen wird der atmosphärische Druck geringer, der Druck
im Inneren des Ballons muß also auch verringert werden; dieß geschieht, indem man
Luft aus der Tasche ausströmen läßt. Auf einer bestimmten Höhe angekommen, wird die
Tasche ganz entleert seyn.
Bei dem Dupuy de Lôme'schen Ballon ist das Volumen
der Tasche 1/10, des Volumens des Ballons angenommen, das eingeschlossene Leuchtgas
muß sich also auf jener Höhe um 1/10 seines Rauminhaltes ausgedehnt, der Luftdruck
mithin sich um 1/10 vermindert haben, und das Barometer von 760 Millimet. auf 684
Millimet. gefallen seyn, was einer Höhe von 866 Met. entspräche. Der Ballon fährt
immer noch fort zu steigen, da seine Steigkraft die Last immer noch um 3 Proc.
übertrifft. Den nun erfolgenden Ueberdruck des Gases läßt man durch Ausströmen an
der unteren Oeffnung des Ballons sich ausgleichen. Dieses Steigen wird so lange
andauern, bis endlich in den immer dünner werdenden Luftschichten der Auftrieb
gleich der Last wird, sich also um 3 Proc. vermindert hat. Es findet dieß statt,
wenn der Barometerstand ebenfalls um weitere 3 Proc. gesunken ist, also in diesem
Falle 664 Millimeter beträgt, entsprechend einer Höhe von 1100 Met. Tritt nun durch
eine Ursache eine Verminderung der Steigkraft ein, so beginnt der Apparat zu fallen,
und in Folge dessen verdichten sich die Gase im Ballon; um diesen nun straff zu
erhalten, muß man Luft in die Tasche einführen. Hierdurch wird nichts an der
Steigkraft geändert, das Luftschiff wird also sinken, bis es die Erde erreicht hat,
oder durch Auswerfen von Ballast erleichtert wird.
Auf einem gewissen Punkt würde die innere Tasche wieder ganz angefüllt seyn. Dieser
Punkt würde einem Barometerstande entsprechen, welcher 3 Proc. unter demjenigen
wäre, auf welchem sich der Ballon ursprünglich in der gleichen Lage einer
angefüllten Tasche befand, nämlich dem Abfahrtspunkt; da der Ballon ja mittlerweile
3 Proc. an Steigkraft einbüßte. Diesem Barometerstand von 737,8 Millimet. entspräche
eine Höhe von 244 Met.
Denken wir uns den Ballon, auf dieser Höhe angelangt, durch eine geringe Quantität
Ballast erleichtert, so würde er sich wieder heben, und zwar wieder bis zu der Höhe
von 1100 Met., und das Spiel könnte so fortgesetzt werden. Der Gesammtballast würde also zur
Ausgleichung der durch Diffusion oder Endosmose verursachten Gasverluste verbraucht
werden können und dabei der Ballon immer straff gefüllt bleiben.
Von der damaligen Pariser Regierung wurden dem Hrn. Dupuy de
Lôme 40,000 Frcs. zur Ausführung seines Projectes bewilligt, doch
ist mit nicht bekannt geworden, wie weit dieselbe zu Ende geführt, und was für
Resultate damit erzielt wurden.
Die Idee des fischbauchförmigen Ballons, versehen mit Schraube und Steuerruder, ist
jedoch keine Originalerfindung von Dupuy de Lôme;
derartige Apparate sind schon früher mehrfach zur Ausführung gebracht worden.
Der bekannte Ingenieur H. Giffard machte sogar schon im
Jahre 1852 eine Probefahrt mit einem derartigen, in großem Maaßstab hergestellten
Luftschiff, das auch in den einzelnen Details eine auffallende Aehnlichkeit mit dem
Dupuy de Lôme'schen hatte.
Der Ballon hatte eine Länge von 44 Met., einen Durchmesser
von 12 Met.; mit Ausnahme der obersten Partie und der Spitzen war derselbe allseitig
mit einem Netz umgeben, dessen Enden in eine Reihe von Stricken ausliefen, die an
einer einzelnen horizontalen Holztraverse von 20 Met. Länge befestigt waren. Am Ende
dieser Stange war an dem letzten jener Stricke eine Art dreieckigen Segels
angebracht, das als Steuer und zugleich als Kiel diente, und mittelst zweier zur
Gondel führenden Leinen gerichtet werden konnte. Ueberläßt man diese beiden Leinen
sich selbst, so stellt sich auch das Steuer von selbst in die Achse des Ballons ein
und dient dann als Kiel oder Windfahne, die das ganze System in der Richtung des
Windes erhält.
Eine Art hölzerner Tragbahre war an ihren vier Ecken etwa 6 Met. unter der erwähnten
Holztraverse aufgehängt und trug eine kleine dreipferdige Dampfmaschine nebst
verticalem Kessel mit innerer Feuerung. Auf der gekröpften Welle dieser Maschine war
direct eine dreiflügelige Schraube von 3,40 Met. Durchmesser aufgekeilt, welche 110
Umdrehungen in der Minute machte, und dadurch dem Apparat eine Geschwindigkeit von 2
bis 3 Met. bei Windstille ertheilte. Das in dem Ballon eingeschlossene Gas
repräsentirte eine Steigkraft von 1800 Kilogrm. und die Belastung vertheilte sich
wie folgt:
Ballon mit Klappe
320 Kilogrm.
Netz
150 „
Holztraverse, Stricke, Steuer
300 „
Maschine und Kessel (leer)
100 „
Inhalt des Kessels an Wasser u. Kohlen
60 „
Tragbahre nebst Behälter und
Rahmen der Maschine
420 „
Schleppseil
80 „
Luftschiffer
70 „
nothwendige Steigkraft bei der Abfahrt
10 „
Wasser- und Kohlenvorrath, zugleich
als Ballast
dienend
290 „
Am 24. September 1852 Abends 5 Uhr erhob sich Giffard
allein in seinem Apparat vom Pariser Hippodrom aus. Der Wind hatte eine ziemlich
bedeutende Heftigkeit, gegen welche anzukämpfen die Maschine viel zu schwach war,
doch gelang es vollkommen, verschiedene Manöver seitlicher Bewegung, sowie Umdrehung
im Kreise auszuführen. In seinem Bericht sagt Giffard:
„Das Steuerruder wirkte ganz nach Wunsch, bei dem geringsten Zug an einer
der beiden Steuerleinen satz ich sofort den Horizont sich um mich drehen. Ich
stieg bis auf eine Höhe von 1800 Met. und es gelang vollkommen, mich auf irgend
einem bestimmten Niveau zu erhalten; da die Nacht einbrach, mußte ich meine
Landung bewerkstelligen, die in der Nähe von Trappe glücklich vor sich ging,
doch erlitt der Apparat hierbei einige Havarien.“
Auch der Scientific American berichtet von verschiedenen
Versuchen mit ähnlich geformten und steuerbaren Luftschiffen.
Hiervon ist zunächst zu erwähnen der sogenannte Aëroport eines gewissen Hrn.
Rufus Porter, Fig. 18. Derselbe baute
ein Versuchsmodell von 22 Fuß (6,71 Met.) Länge und 4 Fuß (1,22 Met.) Durchmesser,
mit einer gewöhnlichen kleinen Dampfmaschine, die zwei Schiffsschrauben trieb,
ausgerüstet und mit einem vierblätterigen Steuer versehen. Der cigarrenförmige
Ballon von feiner geölter Seide, wurde innerlich durch zwölf Stangen von 3/8 Zoll
(10 Millimet.) Durchmesser, die von Spitze zu Spitze liefen, in Façon
gehalten.
In der großen Halle der Börse zu Washington stellte Porter
vor einem zahlreichen Publicum seine Versuche mit diesem Modell an, welche
vollkommen gelangen. Das Luftschiff flog über den Häuptern der Zuschauer im Kreise
herum und gehorchte jedem Druck des Steuers. Alle Journale berichteten hierüber in
begeisterten Ausdrücken. Der Newyork
true Sun schrieb: „Das Modell des Luftdampfers wurde gestern
Nachmittag wieder mit brillantem Erfolg in der Börse probirt. Elfmal hinter
einander durchflog es den Kreis der Rotunde, seinem Steuer gehorchend, gleich
einem mit Leben begabten Wesen. Mit begeistertem Hochruf auf den Erbauer endete
die Schaustellung.“
Hierdurch ermuthigt, baute Porter einen Ballon in größerem
Maaßstab, 160 Fuß (48,8 Met.) lang, 16 Fuß (4,88 Met.) Durchmesser von gefirnißtem
Leinen, im Inneren ebenfalls durch zwölf Stäbe abgesteift. Die Gondel bildete einen
Salon von 60 Fuß (18,28 Met.) Länge, 8 Fuß (2,44 Met.) Breite und Höhe, versehen mit
einer zweicylindrigen Dampfmaschine von 4 Pfrdst., welche ein Paar sechsflügelige
Schraubenräder von 10 Fuß (3,05 Met.) Durchmesser trieb. Alles war zum Füllen
fertig, die mit Zink und Säure gefüllten Fässer standen bereit, als es sich
herausstellte, daß der angewendete Firniß das Leinen derart zerstört hatte, daß es
dem inneren Druck nicht hätte Widerstand leisten können.
Mittlerweile hat Porter einen neuen Firniß erfunden,
welcher die Leinenfaser nicht angreift, und gedenkt sein Project in noch größerem
Maaßstabe auszuführen, worüber die Berichte noch abzuwarten sind.
Ferner berichtet dasselbe Blatt über ein derartiges Luftschiff, Avitor genannt, das
von einem gewissen Frederick Mariott zu Shell Mount Lake
in der Nähe von San Francisco in Californien erbaut wurde. Es war 37 Fuß (11,28
Met.) lang, hatte 11 Fuß (3,35 Met.) Durchmesser, und etwas unterhalb der Mitte,
langseits, rund um den Ballon laufend, ein leichtes Rahmenwerk von Draht, Holz und
Rohr, worüber, etwas hinter der Mitte beginnend, ein Segeltuch gespannt war, welches
auf diese Weise seitliche Flügel bildete. Der Ballon war ebenfalls mit einer kleinen
Dampfmaschine und Schraube versehen; er ist in Fig. 19 abgebildet. Bei
Windstille arbeitete der Apparat ganz gut, machte jedoch gänzlich Fiasco bei dem
Versuch, gegen den Wind und überhaupt bei windigem Wetter zu fahren. Am 2. Juli
1869, einem völlig windstillen Morgen, bestand der Apparat in Gegenwart
verschiedener Actionäre der von Mariott gebildeten
„Dampf-Luftschifffahrts-Gesellschaft“ seine
erste Probe. Dem Steuer wurde eine kleine Neigung gegeben und dann das Ventil
geöffnet. Mit der ersten Drehung begann der Apparat langsam sich zu erheben, und
allmählich wuchs seine Geschwindigkeit bis zu der von 5 engl. Meilen (8 Kilometer)
in der Stunde. Die Neigung des Steuers ließ ihn einen weiten Kreis beschreiben, den
er zweimal zurücklegte. Am Vorder- und Hinterende hatte man Stricke
befestigt, von zwei Mann gehalten, welche in kurzem Trabe der Bewegung des Schiffes
folgten. Ein Ruck an einem dieser Stricke nach Vollendung des zweiten Kreislaufes verursachte,
daß das Steuer sich gerade stellte, in Folge dessen der Apparat nun in gerader Linie
noch etwa 1/4 Meile (0,4 Kilomet.) weiterflog.
Die Compagnie wollte binnen wenigen Wochen ein derartiges Luftschiff herstellen, das
groß genug wäre, um vier Personen tragen zu können. Bis jetzt hat jedoch weder über
die Porter'schen, noch die Mariott'schen Versuche im Großen irgend etwas verlautet.
Eine, von den bisher besprochenen ganz verschiedene, doch an und für sich durchaus
originelle Art der Fortbewegung in der Luft ist die von Dr. S. Andrews aus Perth Amboy.
Er setzt seinen Ballon aus drei cylindrischen, vorn zugespitzten Säcken von je 100
Fuß (30,5 Met.) Länge und 20 Fuß (6,09 Met.) Durchmesser zusammen, welche er
horizontal seitlich neben einander unter sich verbindet, und auf diese Weise eine
Art Floß von circa 80,000 Kubikfuß (2265 Kubikmet.)
Inhalt und circa 5700 Pfd. Tragfähigkeit bildet. Dieses
Floß ist mit einem Steuerruder von 17 Quadratfuß (1,58 Quadratmeter) Fläche
versehen, und etwa 30 Fuß (9,14 Met.) tiefer hängt an demselben eine offene Gondel
aus Flechtwerk von 16 Fuß (4,88 Met.) Länge. Auf dem Boden dieser Gondel befindet
sich ein, deren Länge nach laufendes Schienengeleise, auf welchem ein Ballastwagen
hin und her geschoben werden kann.
Wird dieser Ballastwagen ganz an das Ende der Gondel gebracht, so stellt er den
ganzen Apparat in einen Winkel von 10 bis 20° gegen den Horizont. Wird nun
eine geringe Menge Ballast ausgeworfen, so wird der Ballon steigen und zugleich
vorwärts streben, da er der Luft eine geneigte Ebene von circa 6000 Quadratfuß (557 Quadratmeter) darbietet. Auf einer gewissen
Höhe angekommen, wird der Ballastwagen auf die andere Seite geschoben, man läßt
etwas Gas entweichen, und der Apparat wird dann vorwärts nach unten schießen, in
ähnlicher Weise wie der Habicht mit ausgespannten Flügeln, ohne Flügelschlag, in
schiefer Richtung auf sein Opfer herunterschießt.
Laut einem Bericht des Engineer machte Andrews seine erste Probefahrt am 4. September 1863. Der
Apparat folgte jedem Druck des Steuers. In spiralförmigen Windungen nahm er seinen
Aufflug mit einer Geschwindigkeit von etwa 120 engl. Meilen (192 Kilomet.) in der
Stunde, wobei er in der Luft Kreise von mehr als 1 1/2 Meilen (2,4 Kilomet.) Umfang
beschrieb; zwanzig solcher Windungen machte er, ehe er in die obere Wolkenschicht,
die ihn dem Blick der Untenstehenden entzog, eintrat.
Aus dem Mitgetheilten läßt sich folgendes Resumé zusammenfassen: Das Problem der Luftschifffahrt
ist bis jetzt noch nicht auf einem Standpunkt angelangt, der eine größere praktische
Anwendung desselben zuließe, doch sind folgende Fortschritte zu constatiren und
bilden eine solide Basis zur weiteren Entwickelung:
1) Lenkbare Ballons, die einem Steuer gehorchen, können hergestellt werden.
2) Es genügt ein Motor von geringer Kraftentwickelung, um dem Ballon die behufs
seiner Steuerung erforderliche eigene Geschwindigkeit zu ertheilen.
3) Es gibt Mittel, durch welche man ohne Gas- und Ballastverlust das Steigen
und Sinken eines Ballons bewirken kann.
Legen wir uns nun nach allem diesem die Frage vor, ob eine Lösung dieses Problemes
möglich erschiene, die von irgend welcher praktischen, tief eingreifenden Bedeutung
für unser Verkehrsleben zu werden verspräche, so muß dieselbe vorläufig noch
entschieden verneint werden.
Es läßt sich höchstens in Aussicht stellen, daß durch ein Weiterbauen auf der bis
dahin erlangten Grundlage aus der Luftschifffahrt ein für gewisse Ausnahmefälle sehr
werthvolles Beförderungsmittel geschaffen werden könnte. Werthvoll namentlich in
Kriegs- und Belagerungsfällen, in denen sie ja schon in ihrer jetzigen
unvollkommenen Gestalt so große Dienste leistete, dann etwa noch zur raschen
Post- und Passagierbeförderung über hohe Gebirge oder unwegsame Sandwüsten
und Sümpfe hinweg.
Franklin, der berühmte Amerikaner, befand sich zufällig
zur Zeit der ersten Charles'schen Versuche in Paris. Auf
die Frage, was er von der Bedeutung der mit so großem Enthusiasmus begrüßten neuen
Erfindung halte, gab er zur Antwort: „Dieselbe liegt noch in ihrer
Kindheit, und würde es voreilig seyn, darüber ein Urtheil zu fällen.“
Auch bis auf den heutigen Tag hat sie die Kinderschuhe noch nicht ausgezogen, während
ihre Altersgenossen, die Gasbeleuchtung und die Dampfkraft, sich zu stattlicher
mächtiger Blüthe entfalteten, und wer könnte wissen, ob nicht vielleicht auch die
Luftschifffahrt dereinst zu bis jetzt nicht geahnter Entwickelung gelangt.