Titel: | Ueber die Anthraflavinsäure, einen dem künstlichen Alizarin beigemengten gelben Farbstoff; von Dr. Ed. Schunck. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. XXXIX., S. 169 |
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XXXIX.
Ueber die Anthraflavinsäure, einen dem
künstlichen Alizarin beigemengten gelben Farbstoff; von Dr. Ed. Schunck.
Schunck, über die Anthraflavinsäure
In der Literary and Philospohical Society zu Manchester
las Dr. Schunck vor Kurzem
einen Aufsatz über den von ihm entdeckten gelben Farbstoff, welcher stets dem
künstlichen Alizarin beigemengt gefunden wird, und dem er den Namen Anthraflavinsäure gibt.Chemical News, vol. XXIII p. 157; April 1871. Um diesen Farbstoff abzuscheiden, verfuhr er folgendermaßen:
Das im Handel vorkommende künstliche Alizarin wurde mit verdünntem Aetznatron
behandelt, wodurch der größte Theil sich löste; es blieb eine kleine Menge eines
gelben Pulvers zurück, welches nach dem Waschen und Trocknen beim Erhitzen
Anthrachinon-Krystalle gab. Zur Natronlösung ward Säure im Ueberschusse
gesetzt, wodurch ein voluminöser braungelber Niederschlag erzeugt wurde. Der
Niederschlag ward filtrirt und in kochendem Alkohol gelöst, aus dem beim Erkalten
nahezu reines Alizarin in glimmerähnlichen Schuppen sich abschied. Die Mutterlauge
enthielt natürlich noch Alizarin, welches durch essigsaures Blei gefällt wurde. Die
vom Bleiniederschlage getrennte Flüssigkeit wurde verdampft, und so ein gelbbrauner
Rückstand erhalten, der zum größten Theile die neue Säure enthielt. Um sie von den
verschiedenen Begleitern abzusondern, löste man den Rückstand nach dem Waschen mit
Wasser und mit Alkohol in Aetznatron, kochte die Lösung und setzte derselben
Chlorbarium zu. Die filtrirte Lösung schied beim Erkalten das krystallinische
Barytsalz der Säure ab. Dieses Salz ward durch Umkrystallisiren aus kochendem Wasser
gereinigt und durch Salzsäure zersetzt, wodurch die Anthraflavinsäure in
citronengelben Flocken ausgeschieden wurde. Die Flocken wurden nach dem Waschen in
kochendem Alkohol gelöst, aus welcher Lösung die Säure in gelben, seidenfeinen
Nadeln krystallisirte.
Die Anthraflavinsäure ist löslich in Alkohol und Aether, weniger in kochendem Wasser
und gar nicht in kaltem Wasser, in Benzol und in Schwefelkohlenstoff. Sie bildet mit
den Alkalien, den alkalischen Erden und einigen schweren Metallen entschieden
charakterisirte Salze; doch ist sie im Ganzen eine schwache Säure, da die meisten
ihrer Verbindungen sich leicht zersetzen. Diejenigen Verbindungen welche in Wasser
löslich sind, geben gelbe Lösungen, niemals rothe. Es ist die Gegenwart dieser Säure
in Roh-Alizarin, welche die Farbe der alkalischen Lösungen desselben
beeinflußt, nämlich das den Lösungen des reinen Alizarins eigenthümliche Violett in
Roth umwandelt. Aus demselben Grunde zeigt auch das Spectrum einer Lösung von rohem
Alizarin die Absorptionslinien minder deutlich, als eine Lösung des reinen
Alizarins. Alkalische und alkoholische Lösungen der Anthraflavinsäure haben übrigens
keine Absorptionsbänder, sondern schneiden nur das blaue Ende des Spectrums ab; aber
eine Lösung der Säure in concentrirter Schwefelsäure zeigt ein breites, scharf
begrenztes Band zwischen Blau und Grün. Obgleich die Verbindungen der
Anthraflavinsäure intensiv gelb gefärbt sind, besitzt doch keine derselben färbende
Eigenschaften. Die Säure ist zweibasisch, und ihre Formel, wie solche aus der
Untersuchung des Silber- und des Bariumsalzes sich ergibt, ist
C¹⁵H¹⁰O⁴.
Schunck betrachtet die Säure als ein Alizarin, in welchem
ein Wasserstoff durch
ein Methyl ersetzt ist. Daß die beiden Körper nicht nur scheinbar, ihren Formeln
nach, sondern auch in nahen Beziehungen zu einander stehen, ist dadurch bewiesen,
daß die Anthraflavinsäure durch Behandlung mit Aetzkali Alizarin liefert. In welcher
Weise die Säure mit ihren 15 Atomen Kohlenstoff aus Anthracen mit bloß 14 Atomen
Kohlenstoff sich bildet, ist freilich schwer zu begreifen. Schunck dachte anfangs, daß das von ihm benutzte Alizarin von einem
Anthracen herstammen möchte, dem vielleicht ein höherer Kohlenwasserstoff, etwa
Methylanthracen, C¹⁵H¹², beigemengt gewesen wäre; aber
Hr. Perkin, aus dessen Fabrik das Alizarin stammte,
versichert, daß es aus absolut reinem Anthrachinon bereitet worden ist. Um nun den,
der Anthraflavinsäure zugehörigen Kohlenwasserstoff näher kennen zu lernen, hat Schunck dieselbe mit etwa dem 50fachen Gewichte
gepulverten Zinkes erhitzt; er erhielt ein krystallinisches Sublimat, das in den
meisten seiner Eigenschaften dem Anthracen gleich kam; doch da wegen Mangels an
hinreichendem Material keine Analyse des reducirten Körpers vorgenommen werden
konnte, zögert Schunck, denselben für identisch mit
Anthracen zu erklären. Sollte diese Vermuthung sich als Thatsache erweisen, so würde
dieß der Behauptung von Graebe und Liebermann entgegen seyn, der zufolge ein Kohlenwasserstoff, erhalten
durch Einwirkung von Zink auf einen organischen Körper, eben so viele Atome
Kohlenstoff enthält, als die ursprüngliche Substanz. (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1871, Nr. 6.)