Titel: | Ueber die Zerkleinerung der Kohlen mittelst der Carr'schen Schleudermühle; von P. Hanrez. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XCIX., S. 387 |
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XCIX.
Ueber die Zerkleinerung der Kohlen mittelst der
Carr'schen
Schleudermühle; von P.
Hanrez.
Aus der Revue universelle des mines c., 1870, t. XXVII p.
623; hier aus den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des Gewerbfleißes in
Preußen, 1871 S. 169.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Hanrez, über Zerkleinerung der Kohlen mittelst der Carr'schen
Schleudermühle.
Die allgemein angewendeten Zerkleinerungsapparate lassen sich in vier wohl
unterschiedene Classen eintheilen, nämlich: 1) Stampfwerke; 2) Mahlgänge mit
horizontalen oder schwach geneigten Achsen (Kollergänge); 3) conische Mühlen
(Kaffeemühlen, Conoidmühlen); 4) Quetschwalzwerke.
Bei den Stampfwerken wird das Material durch den Stoß
eines Hammers zerkleinert. Diese Zerkleinerungsapparate werden für gewisse harte
Substanzen immer noch beibehalten; sie leisten sehr wenig und sind einer
continuirlichen Wirkung unfähig, wodurch ihre Anwendung zur Verarbeitung großer
Massen unmöglich wird.
Die Mahlgänge (Kollergänge) werden immer noch da
angewendet, wo es sich um eine regelmäßige Zerkleinerung und namentlich um
vollkommene Pulverifirung handelt. Sie leisten zwar auch wenig, aber immer noch mehr
als die Stampfen; bei Einführung besonderer Constructionen, wie die der Fauconnier'schen Mühle, gestatten sie eine continuirliche
Arbeit. In diesen Maschinen unterliegt das zu zerkleinernde Material zwei
aufeinander folgenden Operationen; zunächst wird es beim Durchgang durch die Mühle
in kleine Stücke zertheilt und schließlich in Folge der ungleichen Geschwindigkeit
des Steinumfanges zwischen dem Stein und dem Boden, auf dem er rollt, gewissermaßen
zerrieben; diese letztere Wirkung erzeugt die eigentliche Pulverisirung.
Die conischen Mühlen (Conoidmühlen, Kaffeemühlen) sind
wenig gebräuchlich. Sie haben den Nachtheil, daß gewisse Substanzen und namentlich
Kohlen sich in ihnen erhitzen und in Folge dessen Veränderungen erleiden; überdieß
erfordern diese Apparate große Unterhaltungskosten.
Die Quetschwalzen sind mehr verbreitet; ihre Wirkung
besteht darin, daß sie das Material mehr walzen als mahlen. Sie arbeiten
continuirlich und sind einer großen Leistung fähig; die Zerkleinerung ist jedoch unvollkommen und
sehr unregelmäßig. Trotz ihrer unbestreitbaren Vortheile über die Mahlgänge
rücksichtlich der Kosten sind die Quetschwalzen in den bedeutendsten Fabriken wieder
aufgegeben und durch Kollergänge ersetzt worden.
Außer dem Carr'schen Zerkleinerer sind in letzterer Zeit
mehrere neue Systeme angegeben worden, die sich aber alle den oben charakterisirten
vier Systemen anreihen. Die Zerkleinerungsapparate von Motte und Delnest haben dieselbe
Eigenthümlichkeit wie die Kollergänge; der Zerkleinerungsapparat von Dejardin mit horizontalen Mühlsteinen ist ein gemischtes
System zwischen den Kollergängen und den Conoidmühlen; die Zerkleinerungsapparate
von Jaques und Graffin sind
nur Abänderungen der Quetschwalzwerke.
Der Carr'sche Zerkleinerer ist von den oben genannten
Apparaten wesentlich verschieden. Zur Definition desselben kann man sagen, daß er
die im Raum sich frei überlassenen Materialien einer Reihe von Stößen unterwirft,
welche viel eher eine vollkommene Aufhebung des Zusammenhanges der Theile als ein
eigentliches Mahlen bewirken. Deßhalb nennt der Erfinder auch seinen Apparat
„Desintegrator.“
Diese Maschine ist englischen UrsprungesIhre frühere Construction wurde in Deutschland in weiteren Kreisen erst durch
die Mittheilung von Dr. Lunge im polytechn. Journal, 1867, Bd CLXXXV S. 137 bekannt.A. d. Red. und hat folgende
Vortheile:
1) continuirliche Wirkung;
2) große Leistungsfähigkeit;
3) geringe Aufstellungskosten;
4) vollkommene und sehr regelmäßige Zerkleinerung;
5) Beseitigung der Veränderung des Mahlgutes;
6) innige Mischung verschiedener, dem Apparat gleichzeitig aufgegebener Materialien,
und
7) geringe Unterhaltungskosten.
Der Apparat besteht seiner ursprünglichen Construction nach aus vier cylindrischen
und concentrischen Körben aus Eisen- oder Stahlstangen, welche auf
gußeisernen Platten befestigt sind.
Je zwei dieser Körbe sind fest ineinander gefügt; sie sind auf zwei mit großer
Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung rotirenden Wellen befestigt.
Werden die zu zerkleinernden Stücke in das Innere des kleinsten Korbes geworfen, so
treffen sie zunächst an dem Aufhalter auf einen festen Widerstand, in Folge
dessen die größten Stücke gebrochen werden. Darauf werden sie von den Stangen des
inneren Korbes erfaßt und mit Gewalt fortgeschleudert; hierbei begegnen sie aber
sogleich den Stangen des zweiten Korbes, die sich in entgegengesetzter Richtung
bewegen und eine neue Zertheilung herbeiführen. Die Stücke gehen so durch den ganzen
Apparat und empfangen allmählich die Stöße des dritten und vierten Stangenkranzes.
Bei hinreichend hoher Geschwindigkeit können diese aufeinander folgenden Stöße das
Material in ein fast unfühlbares Pulver verwandeln.
Augenscheinlich ist die Anzahl der Körbe veränderlich; dieselbe könnte eben so gut
vermindert als vermehrt werden, jedoch reichen vier Körbe hin um die besten
Resultate zu erzielen.
Die Beschickung des Apparates kann von der Hand oder mittelst einer Eimerkette
erfolgen. Die Beschickung ist somit continuirlich, und dasselbe gilt von der
Abführung des Mahlgutes.
Die Leistung ist außerordentlich und übersteigt die aller anderen
Zerkleinerungsapparate. Drei den äußeren Durchmessern der Körbe von 0,90 Meter, 1,20
Meter und 1,90 Meter entsprechende Dimensionen sind die üblichen. Die mittlere Form,
welche am meisten verbreitet ist, liefert zu Anzin täglich 400 Tonnen Kohlen zur
Kohksfabrication. Diese Kohks sind merklich besser, als die mittelst Quetschwalzen
erhaltenen. Die Einfachheit der Construction ist unbestreitbar. Man könnte sie noch
erhöhen, wenn man die Anzahl der Körbe verminderte, indem man nur zwei Cylinder
rotiren ließe und die drei äußeren Körbe gänzlich beseitigte. Diese Vereinfachungen
würden jedoch nur auf Kosten des gewünschten Resultates erfolgen können. Bei einem
der Apparate der Briquette-Fabrik von Couillet
habe ich eine Welle festgestellt und die Zerkleinerung war immer noch vollkommener
als die der Quetschwalzen. Indessen halte ich diese Vereinfachungen nicht für
rathsam; es ist besser, der Zerkleinerung jene Vollkommenheit zu bewahren, die so
groß ist, daß ich glaube, man wird diesen neuen Apparat mit der Zeit an Stelle der
Getreidemahlgänge anwenden. Die härtesten Mineralien, Cement, Glas, Kalk, Kohle,
Pech, mit einem Worte die verschiedensten Materialien sind seiner Behandlung
unterworfen worden; die Schnelligkeit seiner Wirkung ist der Art, daß selbst etwas
weiche Materialien, welche sich unter anderen Apparaten bloß deformiren statt sich
zu zertheilen, vollkommen zerkleinert worden sind. Dieser Schnelligkeit der Wirkung
und dem Ausschluß der Reibung der einzelnen Theile gegen einander ist es auch
zuzuschreiben, daß das Mahlgut keiner Veränderung unterliegt.
Die Mischung verschiedenartiger Substanzen läßt sich mit großem Vortheil verwerthen. Als
Beispiele führe ich nur an die Mischungen von Theer und Kohle zur
Briquette-Fabrication, von Kalk, Asche und Sand zur Mörtelbereitung, von
Kohle verschiedener Art zur Kohksfabrication.
Ich komme nun zu den Unterhaltungskosten. Die Stangen sind sehr widerstandsfähig; die
zufällige Einführung eines fremden Körpers, eines Eisen- oder selbst
Stahlstückes erzeugt keine Brüche. Nur der feststehende Aufhalter kann verbogen
werden, oder wenn der Widerstand zu groß wird, kann der Riemen herunterfallen. Bei
den Apparaten der ursprünglichen Construction läßt die Abnutzung und der
Oelverbrauch viel zu wünschen übrig. Die beiden Korbwellen, welche eine innerhalb
der anderen mit einer relativ doppelt so großen Geschwindigkeit als der Apparat
rotiren, erwärmen sich trotz außerordentlicher Oelzuführung sehr stark und nutzen
sich sehr bald ab.
Um diesen Fehler zu vermeiden, hat der Erfinder seinen Apparat mehrfach abgeändert.
Die hohlen Wellen, welche die Stangen zusammenhalten, rotiren um eine feste Achse,
welche von zwei Lagern getragen wird. Die Schmierung findet aus dem Inneren dieser
Achse mittelst zweier Schmierbüchsen statt, welche am Ende derselben angebracht
sind. Trotz dieser Abänderung erforderte der Apparat immer noch viel Schmiermaterial
und die reibenden Theile mußten häufig erneuert werden.
Hanrez und Comp.,
Maschinenbauer zu Monceau-sur-Sambre haben den beregten Uebelstand
durch die in Figur
7 – 9 dargestellte Construction beseitigt. Die Platten P, P′ sind auf zwei von einander völlig unabhängige Wellen A, A′ befestigt, deren Zapfen von zwei
Schmierlagern S S′, S″ S′″ getragen werden, welche nach Art der
Schmierbüchsen der Eisenbahnachsen eingerichtet sind. Bei dieser Construction sind
die Kosten für Schmiermaterial unbedeutend und die Unterhaltungskosten fast
verschwindend; die Demontirung ist ebenfalls sehr erleichtert.
Auf einige Nebentheile des Apparates, welche von besonderer Wichtigkeit sind, will
ich näher eingehen.
Der Mantel der Körbe besteht aus Gußeisen oder Blech; er ist gewöhnlich cylindrisch
und an seinem unteren Theile zur Abführung des Mahlgutes mit einer Oeffnung
versehen. Für gewisse Materialien, wie z. B. Kohle, welche vorher gewaschen und beim
Aufgeben in die Maschine noch naß ist, muß man aber besondere Einrichtungen treffen.
Der mit Gewalt gegen den Mantel geschleuderte nasse Kohlenstaub setzt sich daran
fest und erhärtet; in diesem Falle muß man den Apparat leicht nachsehen und reinigen
können. Zu diesem Zweck kann man in dem cylindrischen Mantel Thüren anbringen und
die obere Hälfte jenes Mantels um ein Scharnier zurückschlagen. Bequemer ist es jedoch,
die in Figur 7
– 9
dargestellte, von Hanrez und Comp. eingeführte Form anzuwenden; ein Blick auf die Zeichnung genügt, den
Nutzen der dort angegebenen Thüren erkennen zu lassen. Der Hauptvortheil besteht
darin, daß man die Austrittswege während des Ganges der Maschine reinigen kann.
Der feststehende Aufhalter X muß in genügender Stärke und
Sicherheit ausgeführt werden; er ist unerläßlich. Wäre er nicht vorhanden, so würde
der Zwischenraum zwischen den Stäben sich sogleich mit zu großen Stücken füllen.
Jener Aufhalter muß den Stäben so nahe als möglich gestellt werden, damit sich nicht
Stücke, welche nur wenig vorspringen und mit Staub vermischt und bedeckt sind, in
die innere Fläche des Korbes setzen und so eine Decke bilden, welche jeden Durchgang
verhindern würde.
Wie bei allen Maschinen mit hoher Geschwindigkeit muß auch hier für eine sichere
Fundamentirung gesorgt werden. Um jede Störung in der Aufstellung zu vermeiden,
haben Hanrez und Comp. alle
Theile auf einer gußeisernen Grundplatte T (Fig. 7 –
9)
angebracht, welche mit dem Mauerwerk fest verbunden ist.
Oben sagte ich, daß der Apparat mit Vortheil zur Mischung verschiedener Substanzen
angewendet werden könne; ich muß indessen bemerken, daß die Materialien nicht zu
abweichender Natur seyn dürfen. Wäre dieß nämlich wirklich der Fall, so würden die
weniger harten Substanzen gewissermaßen als Kissen dienen und den Stoß gegen die
härteren Materialien abschwächen, so daß die letzteren nicht zerkleinert würden.
Hierdurch ist es zu erklären, daß große mit der Kohle in den Apparat gelangende
Steine im Inneren liegen bleiben.
Die Verstopfung des Mantels durch nasse Kohle habe ich bereits besprochen. Diese
Unannehmlichkeit kann fast gänzlich vermieden werden, wenn man seitwärts und am
Umfang der Körbe Stahlblätter anbringt, welche zur Ablösung der Kohle einen
hinreichend freien Raum um die Räder lassen.
Bisher ist der Carr'sche Apparat immer nur horizontal
ausgeführt worden; ich habe daran gedacht, ihn in einen verticalen Apparat zu
verwandeln, und ich glaube, daß diese Construction große Vortheile haben würde.
Trifft das Material nach seinem Eintritt in den Carr'schen Apparat auf die Stangen, so besitzt es in Folge der Wirkung der
Schwere eine geringe Geschwindigkeit, indessen ist klar, daß die durch den Stoß der
Stangen erzeugte Wirkung um so beträchtlicher ist, je größer die Geschwindigkeit
ist, welche der Körper bei seinem Zusammentreffen mit den Stangen besitzt.
Construirt man den Apparat vertical (Fig. 10), so fällt das Material zunächst
auf die Platte P, wo es in Folge der Centrifugalkraft
sofort eine bedeutende Geschwindigkeit annimmt. Begegnet es nun mit dieser
Geschwindigkeit den Stäben des inneren Korbes, so wird die Zerkleinerung schon sehr
vollkommen. Auch läßt sich bei dem horizontalen Apparat viel leichter eines der
Räder abstellen und man kann die äußeren Körbe sogar ganz beseitigen. Alsdann würde
sich der Apparat als eine Trommel mit enger gestellten Stäben darstellen, wie dieß
bei den Fein-Körben des horizontalen Apparates der Fall ist, und er könnte
dann mit Vortheil da angewendet werden, wo es sich nicht um eine sehr feine und
regelmäßige Zerkleinerung handelt.
Der Carr'sche Apparat, namentlich der verticale, eignet
sich vorzüglich zum Trocknen. In der That würde es genügen, dem Apparat heiße Luft
zuzuführen; der Strom würde eine sehr hohe Geschwindigkeit erhalten, und in Folge
der außerordentlich feinen Zertheilung des Materiales würde die Wärme so vollkommen
als möglich ausgenutzt werden. Zu diesem Vorschlage glaube ich jedoch bemerken zu
müssen, daß man Unrecht hat, wenn man den Carr'schen
Apparat lediglich als einen einfachen Trockenapparat ansieht. Rücksichtlich des
Wassergehaltes ist allerdings das Aussehen der gemahlenen Kohle von dem der
ungemahlenen Kohle völlig verschieden; dieß rührt aber bloß davon her, daß das in
der ganzen Masse enthaltene Wasser in Folge der Zertheilung der Stücke auf eine viel
größere Oberfläche vertheilt wird.
Es wäre auch leicht, den Carr'schen Apparat mit der
continuirlichen Trockenmaschine zu verbinden, indem man zum Theil feste, zum Theil
bewegliche Stangen über oder unter der Trommel anbrächte. Auf diese Weise könnte man
die Einrichtungen der Briquette-Fabriken nach Bourriez'schem System sehr vereinfachen.
Die zum Betrieb des Carr'schen Apparates erforderliche
bewegende Kraft ist abhängig von der Größe und Geschwindigkeit des Apparates, von
der Natur und besonders von der Menge des Mahlgutes.
Ein Apparat von 1,20 Meter Durchmesser erfordert bei einer Production von 10 Tonnen
Kohle pro Stunde und einer Geschwindigkeit von
350–400 Umdrehungen pro Minute 10–12
Pferdestärken.
Ich erinnere daran, daß der Erfinder die Anwendbarkeit seines Apparates zur
Verdampfung der Flüssigkeiten wie zur Mischung der Erze, Kohlen und Zuschläge zur
Beschickung der Hohöfen vorausgesehen hat; jene Materialien würden dann den Hohöfen
in der Form von Preßziegeln aufzugeben seyn. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der
Carr'sche Apparat völlig neue Eigenschaften besitzt,
welche bestimmt sind, in dem Betrieb vieler Industrien wesentliche Aenderungen
herbeizuführen.