Titel: | Ueber Tessié du Mothay's verbessertes Verfahren zur Extraction des Silbers und Goldes aus geschwefelten und arsenschwefligen Blei- und Kupfererzen etc.; von C. Widemann. |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. CI., S. 395 |
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CI.
Ueber Tessié du Mothay's verbessertes
Verfahren zur Extraction des Silbers und Goldes aus geschwefelten und arsenschwefligen
Blei- und Kupfererzen etc.; von C. Widemann.
Aus dem Journal of applied Chemistry durch das Engineering and Mining Journal, Januar 1871,
S. 2.
Widemann, über Tessié's Verf. zur Extraction des Silbers und
Goldes aus Erzen.
Das sehr interessante und ganz neue Verfahren des Chemikers Tessié du Mothay, welches auf den Hüttenwerken von Coumnies in
Frankreich bereits im großen Maaßstabe ausgeführt ist, dient zur Extraction des Goldes und Silbers
aus den einfachen und den zusammengesetzteren Sulfureten und den Arsensulfureten von
Blei, Antimon, Kupfer und Eisen, sowie aus silber- und goldhaltigen Lechen,
Steinen und Rohkupfern. Der Hauptvortheil desselben ist eine bedeutende Ersparniß an
Zeit und Arbeit.
Das Verfahren besteht in einer Reihe von metallurgischen Processen.
1. Der erste dieser Processe ist das Rösten der silber- oder goldhaltigen
Sulfurete, Sulfantimonide und Sulfarsenide zusammen mit Kieselsäure (goldhaltigem
Quarz etc.) und Metallsilicaten; zur Beseitigung des gesammten Schwefelgehaltes wird
entweder Blei, welches sich bald zu Bleioxyd oder Glätte umwandelt, oder aber es
werden Oxyde anderer Metalle zugeschlagen, welche sich in Berührung mit Luft oder
mit einer oxydirenden Flamme höher oxydiren (Oxydsilicate bilden).
2. Auf diese Weise werden die Oxyde der entschwefelten Metalle in sehr leichtflüssige
basische Silicate verwandelt.
3. Diese Silicate werden auf metallisches Blei abgestochen, nachdem letzteres durch
Einschmelzen ebenfalls in flüssigen Zustand versetzt worden ist; darauf wird das
Ganze mittest Krücken etc. (von Hand oder durch mechanische Vorrichtungen), oder
aber durch eingepreßte Gase in kräftige Bewegung versetzt, bis die vorhandenen
Edelmetalle in dem flüssigen Blei sich vollständig gelöst haben.
4. Die durch das Blei entsilberte, beziehungsweise entgoldete Armschlacke wird
abgezogen; dann wird dieselbe Bleimasse auf gleiche Weise mit einer neuen Charge
Reichschlacke behandelt und auf diese Weise angereichert.
5. Diese Anreicherungsarbeit (Saigerung, liquation) wird
nun wiederholt, bis das Blei mit den zu extrahirenden Edelmetallen gesättigt ist und
von denselben nichts mehr aufzunehmen vermag.
6. Hierauf wird das Blei auf den Treibherd gebracht und nach den gewöhnlichen
Methoden behandelt, um auf diese Weise die Edelmetalle zu gewinnen.
7. Die Armschlacke wird auf das in den meisten Fällen vorhandene Blei, Antimon und
Kupfer verarbeitet; zu diesem Zwecke wird sie mit Holzkohle, oder mit metallischem
Eisen, oder mit beiden Zuschlägen zusammen, einem reducirenden Schmelzen
unterworfen.
8. Darnach werden Kupfer und Antimon mittelst der unten speciell angegebenen Methoden
von dem mit ihnen verbundenen Blei getrennt.
9. Das auf diese Weise raffinirte Blei wird wiederum, ganz oder zum Theil, zur
Oxydirung und Silicirung (Verschlackung) neuer Erzmengen verwendet.
10. Die oben erwähnten basischen Silicate werden in Flammöfen, oder in Schachtöfen,
oder in beliebigen anderen Schmelzapparaten unter Zuschlag von Holzkohle oder
metallischem Eisen reducirt, wenn jene Silicate Producte der Verhüttung von Erzen
sind, welche viel Kupferkies enthielten.
Das bei Anwendung dieses Verfahrens ausgebrachte metallische Product ist eine
schwefelfreie Legirung von Kupfer, Blei, Silber und Gold, welche in Gegenden wo es
nicht an Brennmaterial mangelt, auf trockenem, in Gegenden aber wo Mineralsäuren
billig zu haben sind, auf nassem Wege weiter verarbeitet wird.
Nach dieser Skizze des Tessié'schen Verfahrens
gehen wir auf die neuen Operationen und Reactionen über, durch welche es sich von
allen übrigen zu dem gleichen Zwecke bisher angewendeten Verhüttungsmethoden
wesentlich unterscheidet.
Diese Operationen und Reactionen bestehen zunächst im Rösten, im Oxydiren und im Verschlacken der Sulfurete, Sulfantimonide und
Sulfarsenide in Gegenwart von Kieselsäure und Bleioxyd oder anderen
Schwermetalloxyden, welche durch eine oxydirende Flamme auf eine höhere
Oxydationsstufe gebracht (in Oxydsilicate umgewandelt) werden können. Diese Processe
haben folgende Zwecke:
1) Die Entstehung von Blei-, Antimon- und Kupferoxysulfureten, also von
Verbindungen zu verhüten, welche auf das im Blei enthaltene Silber und Gold
auflösend einwirken, später bei der Treibarbeit einen merklichen Verlust an
Edelmetall veranlassen und die erzeugte Bleiglätte, beziehungsweise das aus
derselben dargestellte Blei, für technische Zwecke untauglich machen würden.
2) Die vollständige Auflösung des in den schwefelfreien basischen Silicaten
enthaltenen Silbers und Goldes im Blei zu verhindern, ohne daß das aus einem
Sulfurete zu einem Silicate umgewandelte Antimon oder Kupfer in das Blei übergehen
und dasselbe verunreinigen kann.
3) Durch wiederholtes Anreichern (Aussaigern) als Endproduct ein treibwürdiges Blei
von hohem Edelmetallgehalt zu erzeugen.
4) Die Vermeidung einer oftmaligen Wiederholung der Treibarbeit behufs Gewinnung
einer reinen Glätte (die ein reines Blei liefert), somit also eine bedeutende
Verminderung der durch die Silber- und Goldextraction verursachten
Nettokosten.
Die oben erwähnten Operationen und Reactionen bestehen zweitens in der Reduction der entsilberten und entgoldeten Schlacke zu
reinem Blei oder zu einer Blei-Antimon-Kupfer-Legirung. Dadurch
soll Nachstehendes erreicht werden:
a) Das ausgebrachte Blei, wenn es rein ist, durch Rösten
zum Oxydiren neuer Chargen der in Rede stehenden Erzgattungen verwenden zu
können.
b) Das erhaltene Blei, wenn es mit Antimon, oder mit
Kupfer, oder mit beiden verbunden ist, von diesen Metallen zu befreien, um es dann
zum Oxydiren neuer Erzmengen verwenden zu können.
Die zur Scheidung des Bleies vom Antimon, bezüglich vom Antimon und gleichzeitig vom
Kupfer angewendete Methode bildet den neuesten und wohl auch einen der
wesentlichsten Theile von Tessié's Erfindung. Antimonhaltiges Blei
(Blei-Antimon-Legirung) wird nämlich nach dem Einschmelzen in einem
Flamm- oder Schachtofen (Kupolofen) der Einwirkung von nascirendem
Wasserdampfe unterworfen, den man durch Löthrohre erzeugt, welche mit einem nach
bestimmten Verhältnissen zusammengesetzten Gemisch von atmosphärischer Luft (oder
reinem Sauerstoff) und reinem Wasserstoff (oder Kohlenwasserstoff) gespeist sind.
Die durch diese Löthrohre erzeugte Flamme muß von jeder Spur überschüssigen
Sauerstoffes möglichst frei seyn; zur Verhütung jeder Oxydation des Bleies ist es
sogar vortheilhaft, wenn in der Flamme etwas überschüssiger Wasserstoff oder freier
Kohlenstoff zugegen ist. Dieser nascirende Wasserdampf kann mit gewöhnlichem, bei
100° C. erzeugtem Wasserdampfe gemischt werden. Das Antimon, welches
bekanntlich bei hoher Temperatur das Wasser zersetzt, oxydirt sich in Folge davon zu
antimonsaurem Antimonoxyd, welches sich zum Theil verflüchtigt, zum Theil an den
inneren Ofenwandungen ansetzt und somit fast gänzlich entfernt wird; das Blei
hingegen, welches nicht zersetzend auf Wasser wirkt, wird nur wenig oder gar nicht
in Oxyd verwandelt, hält aber hartnäckig Spuren von Antimon zurück. Zur
vollständigen Reinigung des Bleies von diesem Metalle wendet Tessié das schwefelsaure Bleioxyd an. Dieses Salz wird nämlich
durch Antimon zersetzt und zerfällt zu Bleioxyd, freiem Sauerstoff und
Schwefligsäure; das Antimon nimmt den Sauerstoff auf, wird durch denselben oxydirt
und verbindet sich mit dem Bleioxyde des zersetzten Sulfats. Dadurch wird das
erzeugte Blei vollständig gereinigt und ist nun für alle technischen Zwecke
geeignet.
Selbstverständlich vermag man mittelst des schwefelsauren Bleioxydes an und für sich
allein, ohne vorläufige Anwendung von Wasserdampf (im Entstehungszustande), den
gesammten Antimongehalt einer Blei-Antimonlegirung abzuscheiden; diese
Methode würde aber in vielen Fällen zu kostspielig seyn. Anstatt des nascirenden
oder des gewöhnlichen Wasserdampfes kann man auch die Hydrate der alkalischen Erden,
z.B. Kalkhydrat oder Barythydrat, mit bestem Erfolge zur Oxydation des mit Blei verbundenen
Antimons und zur Trennung beider Metalle anwenden; der Erfinder gibt jedoch dem auf
oben angegebene Weise mittelst des Knallgas-Löthrohres erzeugten Wasserdampfe
den Vorzug, welcher gleichzeitig die zum Schmelzen der Legirungen erforderliche
Hitze und das zur theilweisen oder gänzlichen Entfernung des Antimons aus dem Blei
dienende Reagens liefert.
Enthält das Blei Kupfer und ist es dabei frei von Antimon,
so wird es mit einer Quantität Schwefelblei zusammengeschmolzen, welche dem
vorhandenen Kupfer etwas mehr als äquivalent ist; letzteres wird dadurch in
Schwefelkupfer verwandelt. Dieses Schmelzen wird in einer reducirenden Atmosphäre,
geschützt vor jeder oxydirenden Einwirkung ausgeführt. Der Schwefel des
Schwefelbleies tritt an das Kupfer; das Blei reducirt sich, und das entstandene
Schwefelkupfer verschlackt sich. Das auf diesem Wege vom Kupfer befreite Blei ist
rein und kann daher zum Oxydiren von neuen Erzportionen oder zu beliebigen anderen
technischen Zwecken verwendet werden. (Anstatt des Schwefelbleies kann man auch
Bisulfurete und Polysulfurete der Alkalien und Erdmetalle, sowie Sesquisulfurete und
Bisulfurete mancher Schwermetalle zur Entkupferung des Bleies benutzen, da das
Kupfer durch diese Zuschläge zu Sulfuret umgewandelt wird.) Das erhaltene
Schwefelkupfer kann nach dem Rösten mittelst des jetzt allgemein üblicheil
Verfahrens reducirt werden.
Silberhaltiges Blei, welches nach dem jetzt üblichen Verfahren aus antimonschwefligen
Erzen reducirt worden ist, behandelt Tessié auf
dieselbe Weise mit dem besprochenen Knallgas-Löthrohre; nachdem das
vorhandene Antimon durch Oxydation aus dem Blei, in welchem alles Silber
zurückbleibt, entfernt worden ist, wird dieses Blei der Treibarbeit unterworfen und
dadurch das Silber gewonnen; die erhaltene Glätte wird als solche in den Handel
gebracht oder wieder zu Blei reducirt.
Das Neue dieser Erfindung besteht also hauptsächlich:
1) in dem Verfahren zum Rösten und Siliciren (Verschlacken) der silber- oder
goldhaltigen einfachen und complexen Sulfurete, Sulfarsenide und Sulfantimonide;
2) in der mehrfach wiederholten Behandlung der silber- und goldhaltigen
Silicate mit einem Bade von flüssigem Blei, wodurch die Silicate vollständig
entsilbert, bezüglich entgoldet werden, während das Blei mit den Edelmetallen
vollständig angereichert wird; auf diese Weise wird durch ein einziges Abtreiben
derselbe Zweck erreicht, welcher nach den besten der jetzt gebräuchlichen Methoden
mehrere Treiben erfordert;
3) in dem Verfahren, mittelst dessen, nachdem die in den entsilberten und entgoldeten
Silicaten enthaltenen Blei-, Antimon- und Kupferoxyde zu Metall reducirt worden, das
Blei von dem mit ihm verbundenen Kupfer durch Zuschlagen einer äquivalenten Menge
Schwefelkupfer, vom Antimon aber mittelst des Knallgas-Löthrohres, bei
gleichzeitiger Anwendung einer geringen Menge Schwefelblei, befreit wird;
4) in der Anwendung dieser verschiedenen Methoden zur vollständigen oder theilweisen
Behandlung von Kupfersteinen und silber- und goldhaltigem Rohkupfer, von
antimonischen Bleierzen und silber- und bleihaltigen Antimonerzen.
Wir zweifeln nicht, daß dieses Verfahren allgemein eingeführt werden wird, da es die
bisher erforderlich gewesenen Manipulationen bedeutend vereinfacht und der
Sauerstoff schon jetzt (in Amerika) im Großen zu verhältnißmäßig billigem Preise
dargestellt wird, was auch bezüglich des Wasserstoffes sehr bald der Fall seyn wird.
Die Verwendung dieser beiden Gase mittelst eines Löthrohres wird allen Bedürfnissen
derjenigen Metallurgen, welche mit dem Schmelzen und Feinen des Goldes und Silbers
zu thun haben, genügen.