Titel: | Ueber die Bestandtheile des Rheinwassers bei Cöln und seine Verwendbarkeit zu technischen und Haushaltungs-Zwecken; von Dr. H. Vohl in Cöln. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LXXXIII., S. 311 |
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LXXXIII.
Ueber die Bestandtheile des Rheinwassers bei Cöln
und seine Verwendbarkeit zu technischen und Haushaltungs-Zwecken; von Dr.
H. Vohl in
Cöln.
Vohl, über die Bestandtheile des Rheinwassers bei Cöln und seine
Verwendbarkeit zu technischen und Haushaltungs-Zwecken.
Das Wasser der Flüsse und Ströme ist in der Regel „weich,“ d.h. es enthält dem „harten“ Brunnenwasser gegenüber
verhältnißmäßig nur geringe Mengen Mineralsubstanzen gelöst, namentlich enthält es
wenig Kalk- und Magnesiaverbindungen und selbst auch dann, wenn die Quellen sehr reich an diesen Verbindungen
waren.
Je mehr sich nämlich das Wasser von der Quelle entfernt, um so mehr entweicht die
Kohlensäure, welche einen Theil der Mineralsubstanzen und namentlich Kalk und
Magnesia in Lösung brachte, und es fallen alsdann selbstverständlich der Kalk und
die Magnesia in Form neutraler kohlensaurer Salze nieder, so daß in einer großen
Entfernung von der Quelle das Flußwasser, wenn es auch ursprünglich hart war, weich geworden
ist.
Es erhellt daraus, daß das Wasser eines Flusses an verschiedenen Stellen geschöpft,
deßhalb eine ganz verschiedene Verwendbarkeit finden kann. (Abgesehen von den
verunreinigenden Zuflüssen gewerblicher Anlagen oder putrider Flüssigkeiten.)
Es findet hier dasselbe statt was man beim Kochen von hartem, also kalk- und magnesiahaltigem Wasser beobachtet. Die
ausgeschiedenen Kalk- und Magnesiaverbindungen bilden in letzterem Falle den
sogenannten Kesselstein und das Wasser büßt einen großen Theil seiner Härte ein.
Das reinste Wasser enthält der kleine schwedische Fluß Loka. Das Wasser desselben
enthält in 100000 Theilen 0,434 Th. Mineralsubstanz. Dagegen enthält die Themse bei
London in derselben Wassermenge zwischen 69 bis 70, die Seine bei Paris 23 bis 24
und der Jordan 130 bis 131 Theile Mineralsubstanzen.
Für manche Zwecke ist es demnach von der größten Wichtigkeit, die Menge und die
Qualität der im Flußwasser enthaltenen fremden Bestandtheile zu kennen, und
besonders ist dieß der Fall wenn das Wasser als Trinkwasser oder zur Bereitung der
Speisen und Nahrungsmittel benutzt werden soll. Da man nun den Vorschlag gemacht
hat, das Rheinwasser zur Speisung der Wasserwerke Cöln's
zu verwenden, so ist es
von großem Interesse die Bestandtheile des Rheinwassers bei Cöln zu kennen, um seine
Verwendbarkeit zu diesem Zwecke darzuthun.
Um in dieser Hinsicht ein richtiges Urtheil fällen zu
können, reicht eine einzige Untersuchung nicht aus. Es
müssen vielmehr mehrere Analysen ausgeführt werden, und
zwar muß das dazu benöthigte Wasser bei verschiedenen
Pegelständen und an verschiedenen Stellen geschöpft werden. Nur derartige
vergleichende Versuche ermöglichen es, ein annähernd
richtiges Urtheil bezüglich der Brauchbarkeit desselben zu genanntem Zwecke
zu fällen. Nur derartig angestellte Versuche können aber auch einen Aufschluß über
die Art und Weise der vorzunehmenden vorherigen Reinigung des Rheinwassers geben,
die deßwegen zu machenden Anlagen und Einrichtungen vorschreiben, und vor einem
enormen Zeit- und Geldverlust schützen.
Ein eclatantes Beispiel für die Richtigkeit dieser Bemerkungen und besonders
bezüglich der vorherigen Reinigung haben die verschiedenen Wasserwerke London's
geliefert.
Von den acht großen Gesellschaften London's wurden Millionen geopfert, ehe sie im
Stande waren der Stadt ein einigermaßen gereinigtes
Themsewasser continuirlich zu liefern. Die Gesellschaft von Chelsea erreichte zuerst dieses Ziel.
Im Jahre 1848 untersuchte Sainte-Claire Deville das
Rheinwasser bei Straßburg (Annales de chimie et de
physique, 3me
série, t. XXIII p.
32) und 1853 J. W. Gunning dasselbe bei Arnheim (
„über die Zusammensetzung niederländischer Wässer“ im
Journal für praktische Chemie, Bd. LXI S. 139).
Das Rheinwasser bei Cöln wurde im Jahre 1853 und 1855 von Hrn. Prof. M. Freytag mit Angabe des
Schöpfortes und von Hrn. W. L.
Richter, Verwalter der Armenapotheke in Cöln, ohne Angabe des Schöpfortes und der Zeit (wahrscheinlich 1861 oder 1862)
untersucht und die Resultate in einer kleinen Brochüre, betitelt: „Die künstliche Wasserleitung in Cöln – ihr Wesen,
ihr Wirken und ihr Segen“ (Druck und Verlag von J. J. Bock in Cöln) veröffentlicht.
Nach den obgenannten Analytikern enthielten 10,000 Theile Rheinwasser bei:
Straßburg
Arnheim
Cöln
1848
1853
1853
1855
1861 (?)
Sainte-ClaireDeville
J. W.Gunning
M. Freytag(Geschöpft amBayenthurm)
W. L. Richter(Schöpfort nichtangegeben, trüb)
Aufgelöste
Mineralsubstanzen
in Summa
2,317
1,593
1,769
1,886
2,480
Diese Mineralsubstanzen bestanden aus:
Kieselsäure
Thonerde
Eisenoxyd
0,4880,0250,058
0,0190,014
0,0390,0100,058
0,022Spur0,039
0,388
kohlensaurem Kalk
1,356
0,875
1,323
1,341
0,836
kohlensaurer Magnesia
0,050
0,029
0,113
0,172
0,334
schwefelsaurem Kalk
0,147
0,199
–
–
0,348
Chlornatrium
0,020
0,183
0,022
0,069
0,084
schwefelsaurem Natron
0,135
–
0,125
0,243
–
salpetersaurem Kali
0,038
–
–
–
–
schwefelsaurer Magnesia
–
0,064
–
–
–
kieselsaurem Kali
–
0,080
–
–
–
kohlensaurem Kali
–
0,029
–
–
–
kohlensaurem Natron
–
–
0,079
–
–
Magnesia
–
0,065
–
–
–
Natron
–
0,036
–
–
–
Chlormagnesium (?)
–
–
–
–
0,120(?)
Außer den
organischen Stoffen
–
–
–
–
0,354(?)
suspendirten Stoffen
–
–
0,743
0,557
–
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
2,317
1,593
2,503
2,443
2,464(?)
Aus den Resultaten von Deville und Gunning ersteht man sofort, daß das Wasser des Rheines bei Arnheim 0,724
Gewichtstheile (31,242 Proc. der festen Bestandtheile) weniger wie bei Straßburg
enthält. Hauptsächlich sind es, wie auch schon a priori
anzunehmen war, die kesselsteinerzeugenden Substanzen welche in Folge des
Kohlensäureverlustes ausgeschieden wurden.
Die Analysen von Freytag stimmen sehr gut zu den beiden
vorhergehenden; sie sind um so werthvoller, weil auch die im Rheinwasser
aufgeschwemmten (suspendirten) Stoffe bestimmt sind. Freytag gibt ferner noch speciell an, daß diese suspendirten Substanzen
auch zum Theil organischer Natur sind und zwar:
1853
1855
Suspendirte Stoffe:
a) organische
0,287
0,165
b) unorganische
0,456
0,392
–––––
–––––
0,743
0,557
Was die Richter'sche Rheinwasser-Analyse
anbetrifft, so muß es auffallend erscheinen daß er weder Zeit
noch Ort des Schöpfens angibt; daß er ferner das untersuchte Wasser als
„nicht vollkommen klar“
bezeichnet, nichtsdestoweniger aber die suspendirten
Stoffe weder bestimmt, noch anführt
ob dieselben vorher beseitigt wurden und die Analyse sich auf filtrirtes klares
Wasser bezieht. Die Angabe von Eisenoxyd, Thonerde und Kieselsäure in cumulo ist gewiß zu tadeln, da es bei der Benutzung für
manche Zwecke z.B. Färberei, Wäscherei und Gerberei auf den Eisengehalt besonders
ankommt. Die Angabe von Chlormagnesium ist unrichtig,
weil beim Abdampfen sich bekanntlich das Chlormagnesium zerlegt und demnach im
Rückstande keine Spur mehr enthalten seyn kann. Dagegen sind mehrere Bestandtheile
vollständig übersehen worden. Die Richter'sche Analyse
ist demnach mangelhaft und unrichtig. (Bezüglich der Richter'schen Wasser-Analysen überhaupt sehe man das Archiv der
Pharmacie, Decemberheft 1870, S. 277).
Die Richter'sche Rheinwasser-Analyse kann uns somit
keinen Aufschluß über die Verwendbarkeit desselben zur Speisung der Wasserwerke
Cöln's geben.
Das zu den nachfolgenden Analysen benutzte Wasser wurde zu drei verschiedenen Zeiten
und zwar bei einem sehr niedrigen, mittleren und hohen
Pegelstand an drei verschiedenen Orten, nämlich oberhalb, in der Mitte und unterhalb der Stadt Cöln dem Rheine entnommen
(der Nullpunkt des Cölner Pegels liegt 114 Fuß 2 Zoll über dem Amsterdamer
Pegel).
I. Untersuchung.
Zuerst wurde am 21. October 1870 bei einem sehr niedrigen
Pegelstande = 4 Fuß 9 Zoll des Cölner Pegels, an drei verschiedenen Stellen 1)
oberhalb der Stadt d.h. oberhalb dem Bayenthurm, 2) in
der Mitte der Stadt zwischen den beiden Brücken, und 3)
unterhalb der Stadt unterhalb dem Thürmchen das Wasser
geschöpft. Das Wasser war im Steigen begriffen, das Wetter regnerisch und stürmisch,
und in Folge dessen das Wasser trüb.
Da das Wasser trübe war, so wurde es durch abgewogene, bei 100°C. getrocknete
Filter filtrirt und die aufgelösten Substanzen im Filtrat
bestimmt.
10,000 Kubikcentimeter = 10 Liter
ergaben an:
Suspendirten Stoffen
Oberhalb
dem
Bayenthurm
Zwischen
den
Brücken
Unterhalb
dem
Thürmchen
in Summa bei 100°C.
getrocknetdieselben verloren
beimGlühenGlührückstand,
resp. Mineralsubstanzen
0,4222
Grm.0,1254 „–––––––––––––––––
0,2968 Grm.
0,3154
Grm.0,1294
„–––––––––––––
0,1860 Grm.
0,3829
Grm.0,1670 „–––––––––––––––
0,2159 Grm.
Aufgelösten Stoffenin Summa bei 100°C. getrocknetDiese bestanden
aus:a) organischen, resp.
beim Glühen flüchtigen
Substanzen (stickstoffhaltig)b) unorganischen, nicht
flüchtigen Mineralsubstanzenc) Wasser (Krystallwasser) und Verlust
2,5000
Grm.–––––––––––––––––
0,5198
Grm.1,9106 „0,0696 „–––––––––––––––––
2,5000 Grm.
2,4500
Grm.–––––––––––––
0,2929 Grm.2,0895
„0,0676
„–––––––––––––
2,4500 Grm.
2,3000
Grm.–––––––––––––––
0,0055
Grm.2,2127 „0,0818 „–––––––––––––––
2,3000 Grm.
Die im Wasser
aufgelösten Substanzen bestanden aus:
ChlorSchwefelsäureKalkMagnesiaNatriumKaliumEisenoxydThonerdeKieselsäurePhosphorsäureSalpetersäureKohlensäureWasserorganische
Substanzen (stickstoffhaltig)
0,0247
Grm.0,1957 „0,7494 „0,2054 „0,0160 „Spuren0,0012 „0,0010 „0,0040 „0,0061 „Spuren0,7071 „0,0696 „0,5198 „–––––––––––––––––
2,5000 Grm.
0,0875
Grm.0,1902
„0,7815
„0,2141
„0,0560
„0,0012
„0,0014
„0,0010
„0,0038
„0,0079
„Spuren0,7439
„0,0676
„0,2929
„–––––––––––––
2,4500 Grm.
0,0868
Grm.0,2300
„0,8523
„0,2054
„0,0560
„0,0003
„Spuren–0,0041
„0,0088
„Spuren0,7690
„0,0818
„0,0055
„–––––––––––––––
2,3000 Grm.
Der Analyse zu Folge kann man annehmen, daß die einzelnen Stoffe infolgender Weise in dem
Wasser enthalten sind:
Oberhalb
dem
Bayenthurm
Zwischen
den
Brücken
Unterhalb
dem
Thürmchen
ChlornatriumChlorkaliumschwefelsaurer
Kalk (wasserfreigedacht)kohlensaurer Kalkkohlensaure MagnesiaEisenoxydThonerde
KieselsäurePhosphorsäure (an Eisen geb.)Salpetersäure
Wahrscheinlich an Thonerde gebunden.organische SubstanzenWasser und Verlust
0,0407
Grm.Spur0,3326 „1,0937 „0,4313 „0,0012 „0,0010 „0,0040 „0,0061 „Spuren0,5198 „0,0696 „–––––––––––––––––
2,5000 Grm.
0,1425
Grm.0,0022 „0,3233 „1,1578 „0,4486 „0,0014 „0,0010 „0,0038 „0,0079 „Spuren0,2929 „0,0676 „–––––––––––––––2,4500
Grm.
0,1425
Grm.0,0006 „0,3910 „1,2344 „0,4313 „Spuren–0,0041 „0,0088 „Spuren0,0055 „0,0818 „–––––––––––––––
2,3000 Grm.
II. Untersuchung.
Das zur zweiten Analyse benutzte Wasser wurde am 8. November 1870 bei einem hohen
Wasserstande = 20 Fuß 11 Zoll des Cölner Pegels an den schon früher bezeichneten
Orten geschöpft. Es regnete und das Wasser war noch im Steigen begriffen. Das Wasser
war sehr stark getrübt, namentlich dasjenige welches zwischen den beiden Brücken
genommen wurde. Wie bei der ersten Untersuchung wurde auch hier eine Filtration
vorgenommen, die suspendirten Stoffe bestimmt und im Filtrat die aufgelösten
Substanzen nachgewiesen.
10,000 Kubikcentimeter = 10 Liter
ergaben an:
Suspendirten Stoffen
Oberhalb
dem
Bayerthurm
Zwischen
den
Brücken
Unterhalb
dem
Thürmchen
in Summa bei 100°C.
getrocknetdieselben verloren
beim GlühenGlührückstand,
resp. Mineralsubstanzen
1,4974
Grm.0,0851 „––––––––––––––––
1,4123 Grm.
2,0546
Grm.0,2873 „–––––––––––––
1,7673 Grm.
1,1666
Grm.0,0239 „–––––––––––––––
1,1427 Grm.
Aufgelösten Stoffenin
Summa bei 100°C. getrocknetDiese
bestanden aus:a) organischen, resp. beim Glühen flüchtigen stickstoffhaltigen Substanzenb) unorganischen, nicht
flüchtigen Mineralsubstanzenc) Wasser (Krystallwasser) und Verlust
1,6000
Grm.––––––––––––––––
0,6399
Grm.0,9388 „0,0213 „––––––––––––––––1,6000
Grm.
1,8900
Grm.–––––––––––––
0,0422
Grm.1,7783 „0,0695 „–––––––––––––1,8900
Grm.
2,6592 Grm.–––––––––––––––
0,5180
Grm.2,0592 „0,0820 „–––––––––––––––2,6592
Grm.
Die im Wasser
aufgelösten Substanzen bestanden aus:
Chlor
Schwefelsäure
Kalk
Magnesia
Natrium
Kalium
Eisenoxyd
Thonerde
Kieselsäure
Phosphorsäure
Salpetersäure
Kohlensäure
Wasser
organischen
Substanzen
0,0988
Grm.0,0927 „0,3582 „0,0432 „0,0640 „Spuren0,0012 „0,0008 „0,0020 „SpurenSpuren0,2779 „0,0213 „0,6399 „––––––––––––––––
1,6000 Grm.
0,1482
Grm.0,1957 „0,5229 „0,2414 „0,0960 „Spuren0,0015 „0,0010 „0,0029 „SpurenSpuren0,5687 „0,0695 „0,0422 „–––––––––––––
1,8900 Grm.
0,0865
Grm.0,2305 „0,7699 „0,2066 „0,0560 „Spuren0,0012 „0,0010 „0,0021 „SpurenSpuren0,7054 „0,0820 „0,5180 „–––––––––––––––
2,6592 Grm.
Der Analyse zu Folge kann man annehmen, daß die einzelnen Körper infolgender Weise in dem Wasser enthalten
sind:
ChlornatriumChlorkaliumschwefelsaurer Kalk (wasserfrei)kohlensaurer Kalkkohlensaure
MagnesiaEisenoxydThonerdeKieselsäurePhosphorsäureSalpetersäureorganische SubstanzenWasser und
Verlust
0,1628
Grm.Spuren0,1576 „0,5237 „0,0907 „0,0012 „0,0008 „0,0020 „SpurenSpuren0,6399 „0,0213 „––––––––––––––––
1,6000 Grm.
0,2442
Grm.Spuren0,3326 „0,6892 „0,5069 „0,0015 „0,0010 „0,0029 „SpurenSpuren0,0422 „0,0695 „–––––––––––––
1,8900 Grm.
0,1425
Grm.Spuren0,3918 „1,0868 „0,4338 „0,0012 „0,0010 „0,0021 „SpurenSpuren0,5180 „0,0820 „–––––––––––––––
2,6592 Grm.
III. Untersuchung.
Das Wasser zu dieser Analyse wurde am 6. Januar 1871 bei einem Pegelstande von 7 Fuß
und nach 17 tägigem harten Frostwetter zwischen den beiden Brücken geschöpft.
Da durch den anhaltenden Frost die meisten Zuflüsse gewerblicher Anlagen und putrider
Herkunft (Straßenrinnen der Stadt etc.) gehemmt waren, so wurde nur an dieser
einzigen Stelle das Wasser genommen.
Das Wasser war schwach opalisirend getrübt. Bei der Untersuchung wurde dieselbe
Methode, wie früher angegeben, in Anwendung gebracht.
10,000 Kubikcentimeter = 10 Liter
ergaben an:
Suspendirten Stoffen
Zwischen den
Brücken
in Summa bei 100°C. getrocknet
0,1053
Grm.
dieselben verloren beim
Glühen
0,0017
„
–––––––––––––––
Glührückstand, resp.
Mineralsubstanzen
0,1036
Grm.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Aufgelösten Stoffenin
Summa bei 100°C. getrocknet
2,4500
Grm.
a) organischen, resp. beim
Glühen flüchtigen Substanzen (stickstoffhaltig)
0,0364
„
b) unorganischen, nicht
flüchtigen Mineralsubstanzen
2,3072
„
c) Wasser (Krystallwasser) und
Verlust
0,1064
„
–––––––––––––––
2,4500
Grm.
Die im
Wasser aufgelösten Substanzen bestanden aus:
Chlor
0,0371
Grm.
Schwefelsäure
0,2987
„
Kalk
0,8935
„
Magnesia
0,2431
„
Natrium
0,0240
„
Kalium
0,0007
„
Eisenoxyd
0,0022
„
Manganoxydul
Spuren
Thonerde
0,0010
„
Kieselsäure
0,0009
„
Phosphorsäure
0,0014
„
Salpetersäure
Spuren
Kohlensäure
0,8045
„
Wasser
0,1064
„
organischen Substanzen
0,0364
„
–––––––––––––––
2,4500
Grm.
Es werden demnach in diesem Wasser folgende Verbindungen
vorkommen:
Chlornatrium
0,6811
Grm.
Kali (als kieselsaures
Salz)
0,0008
„
schwefelsaurer Kalk
0,5086
„
kohlensaurer Kalk
1,2207
„
kohlensaure Magnesia
0,5105
„
Eisenoxyd
0,0022
„
Manganoxydul
Spuren
Thonerde
0,0010
„
Kieselsäure
0,0009
„
Phosphorsäure
0,0014
„
Salpetersäure
Spuren
organische Substanzen
0,0364
„
Wasser und Verlust
0,1064
„
–––––––––––––––
2,4500
Grm.
Die in dem Rheinwasser enthaltenen suspendirten Stoffe bestehen, wie schon angegeben,
zum Theil aus organischen Substanzen. Beim Erhitzen entwickeln diese Schlammtheile
einen ekelhaften urinösen, zuweilen einen brenzlichen Fettgeruch. In beiden Fällen sind die sich
entwickelnden Dämpfe ammoniakhaltig, ein Zeichen daß der
Schlamm stickstoffhaltig ist. Mit Natronkalk gemengt und
geglüht entwickelt er reichlich Ammoniak.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein Theil der suspendirten Stoffe thierischen
Ursprunges ist und somit dem Wasser das Vermögen ertheilt leicht in Fäulniß
überzugehen. Diese stickstoffhaltigen Substanzen sind gleichsam als Fermente, als Fäulnißerreger
anzusehen.
Größere Mengen Rheinwasser vom 21. October und 8. November 1870 (zwischen den Brücken
und unterhalb dem Thürmchen geschöpft) wurden, um die Fäulniß zurückzuhalten, bei
0°C. durch Decantiren geklärt und der abgeschiedene Schlamm einer weiteren
Untersuchung unterworfen.
Durch bloßes vorsichtiges Schlämmen konnte diese Schlammmasse in einen specifisch sehr schweren und specifisch leichten Theil getrennt werden. Ersterer ergab sich als ein Gemenge
verschiedener Mineralsubstanzen. Außer Sand (Quarz) enthielt derselbe einen sehr
eisenschüssigen Thon (Lehm), Glimmerblättchen, kohlensauren Kalk und kohlensaure
Magnesia (vielleicht Dolomit), Gyps und geringe Mengen phosphorsaurer Erden.
Der durch Schlämmen erhaltene leichte Theil der Schlämmmasse bestand zum größten
Theil aus organischen Pflanzen- und Thierüberresten.
Die mikroskopische Untersuchung ergab eine Menge von Pflanzenfasern, die oft in ihrer
Bildung die frappanteste Aehnlichkeit mit den so gefürchteten Pilzsporen etc.
zeigten. Nicht minder deutlich zeigten sich Fragmente von thierischen Substanzen,
nämlich Stückchen Haare (Wolle). Letztere tragen offenbar zur Ammoniakbildung bei,
welche bei der trockenen Destillation des getrockneten Schlammes eintritt.
Ferner wurden durch das Mikroskop eine Menge von Kleienpartikelchen, von Cerealien
herrührend, deutlich erkannt. Besonders häufig fanden sich dieselben in der
Schlammmasse welche aus dem Wasser unterhalb dem
Thürmchen ausgeschieden worden war. Ueber den Ursprung dieser Kleien kann
man nicht lange im Zweifel seyn, wenn man bedenkt daß in Cöln in denjenigen
Stadttheilen, welche dem Strome zunächst liegen, sich eine große Menge Abtritte
befindet, welche ihren Inhalt dem Rheine durch Canäle zuführen und daß hierorts das
sogenannte Schwarzbrod genossen wird, welches sehr kleienreich ist. Diese Kleien
stammen demnach unzweifelhaft von Menschenexcrementen
her.
Später fand ich auch, daß das Wasser oberhalb dem Bayenthurm (im Bayenthal)
geschöpft, in dem suspendirten Schlamme Kleien enthielt.
Wurde der Schlamm bei einer Temperatur von 16 bis 18°C. sich selbst
überlassen, so trat schon den dritten Tag Fäulniß lebhaft ein und zwar unter
Entwickelung höchst übelriechender Exhalationen. Schwefelwasserstoff trat dabei
ziemlich reichlich auf und konnte mit Bleipapier schon den zweiten Tag nachgewiesen
werden; in einem späteren Stadium trat Schwefelammonium auf. Der ursprünglich
gelblichgraue Schlamm schwärzte sich während der Fäulniß durch die Bildung von
Schwefeleisen. Lebende Organismen konnten in dem gefaulten Schlamme nicht
nachgewiesen werden.
Obgleich man schon a priori annehmen kann, daß bei diesem
Fäulnißproceß sich auch Ameisen-, Metaceton-, Essig-,
Butter- und Baldriansäure, überhaupt die Glieder der einbasischen fetten
Säuren der Formel (CnHn) + O⁴ bilden würden, so war ich
jedoch wegen der zu geringen Menge der gefaulten Substanz nicht im Stande diese
Säuren mit Bestimmtheit nachzuweisen. Wurde von dem ursprünglichen Schlamme etwas zu
Zuckerwasser gesetzt, so trat nach 2 bis 3 Tagen bei einer Temperatur von +
18° C. eine vollständige Gährung unter Alkoholbildung ein.
Wurde ein Theil des Schlammes mit verdünnter Salzsäure behandelt, so entwickelte sich
ein höchst ekelhafter ranziger resp. thraniger Geruch. Diese Masse wurde nun mit
Aether geschichtet, welcher schwach gelb gefärbt wurde.
Nach dem Verdunsten des Aethers blieben sauer reagirende Oeltröpfchen zurück, welche
bei einer Temperatur von circa + 4° C. Spuren von Krystallisation
zeigten. Unter dem Mikroskop wurden ganz deutlich concentrisch gruppirte
Krystallvegetationen erkannt, welche eine große Aehnlichkeit mit Stearinsäure
zeigten. Diese Oeltröpfchen lösten sich in verdünnter Kalilauge und auch in einer
schwachen Potaschelösung auf und wurden durch Zusatz einer Säure wieder daraus
ausgeschieden.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Gehalt an fettsauren Verbindungen den schon
früher erwähnten brenzlichen Fettgeruch beim Erhitzen des
getrockneten Schlammes bedingt. Ueber den Ursprung kann man sich nicht täuschen,
wenn man bedenkt daß die Abfallwässer der Haushaltungen (resp. Seifenwässer) dem
Rheine zugeführt werden und daß die fetten Säuren mit den Kalk- und
Magnesiaverbindungen des Cloaken- oder Rheinwassers eine unlösliche
Kalk- oder Magnesiaseife bilden, welche nun eine Trübung des Wassers und
Schlammbildung bedingen.
Bei der Reinigung resp. Filtration des Rheinwassers muß demnach auf alle diese
Bestandtheile und Eigenschaften des Schlammes Bedacht genommen und denselben
Rechnung getragen werden.
Was die in dem Rheinwasser gelösten Substanzen anbetrifft,
so gibt die Qualität recht deutlich zu erkennen daß das Wasser mit putriden Stoffen
verunreinigt ist, die man durch eine bloße Filtration nicht davon trennen kann.
Fassen wir den Unterschied des Chlorgehaltes des an verschiedenen Stellen zu gleicher
Zeit geschöpften Wassers näher in's Auge, so sehen wir, daß beim Wasser zwischen den Brücken der Chlorgehalt erheblich zugenommen
und unterhalb dem Thürmchen sich noch mehr gesteigert
hat. Es gibt keine andere Erklärung dafür als die, daß die Zuflüsse welche der Rhein
von der Stadt aus empfängt, chlorhaltig sind. Mit dem
Chlorgehalt geht jedoch auch der Natriumgehalt Hand in Hand, woraus dann sofort
erhellt daß das Chlor dem Strome in Form von Chlornatrium (Kochsalz) zugeführt wird.
Leider stammt dieses Kochsalz wieder aus einer sehr unsauberen Quelle und es
unterliegt keinem Zweifel, daß es in dem Urin welcher dem
Rheine aus den Abtritten und Straßenrinnen resp. Canälen zufließt, ursprünglich
enthalten war.
Wollte man auch nur den geringsten Zweifel bezüglich dieser Ansicht hegen, so wird
derselbe sofort gehoben, wenn man in Betracht zieht daß das Rheinwasser
Phosphorsäure in Lösung enthält, daß der
Phosphorsäuregehalt mit dem Chlorgehalt sich steigert und der Harn der Menschen und
Thiere eine reichliche Quelle von löslicher Phosphorsäure
bietet.
Was im Allgemeinen den Gehalt an aufgelösten Substanzen betrifft, so ist leicht
ersichtlich, daß bei einem hohen Wasserstand die Quantität durch Verdünnung
abnehmen, daß aber bezüglich der suspendirten Stoffe die Menge bedeutend zunehmen
wird.
Bei lang anhaltendem Frost werden zwar viele unsaubere Zuflüsse versiegen, dafür wird
aber bei Thauwetter die Verunreinigung des Stromes um so bedeutender seyn.
Aus diesen Gründen ist es selbstverständlich, daß das durch Filtration gereinigte
Rheinwasser in dem Gehalt an aufgelösten Substanzen sehr variiren wird und von einem
constanten Gehalt an fremden Bestandtheilen vernünftiger Weise nicht die Rede seyn
kann.
Ich habe viele Brunnenwässer aus der Umgegend von Cöln untersucht, wobei nachgewiesen
war daß die Brunnen, denen man das Wasser entnommen hatte, mit dem Rheine
zusammenhängen, insofern sie ihr Niveau mit dem Steigen und Fallen des Rheinwassers
veränderten. Das Wasser dieser Brunnen zeigt niemals einen constanten Gehalt an
gelösten Mineralsubstanzen, obgleich hier eine Filtration des Rheinwassers in bester Form durch eine enorme Sand- und Kiesschicht
stattfindet, wie man sie künstlich zu bieten nicht im Stande ist.
Auch viele Brunnen in Cöln selbst enthalten gutes Trinkwasser. In den meisten Fällen
wo die Brunnen Cöln's schlechtes Wasser liefern, hat man die Schuld selbst; die
Brunnen liegen alsdann in zu großer Nähe der Schling- oder Abtrittsgruben,
deren Flüssigkeiten durch die Erde sickern und so das Wasser der Brunnen verderben.
Es liegt der Bau- und Sanitäts- sowie der Medicinalpolizei ob, diese
Uebelstände zu beseitigen.
Die Ströme und Flüsse dienen bei ihrem Durchgange durch die Städte und Dörfer stets
zur Aufnahme des gesammten Unrathes. Es sind besonders die unreinlichen Gewerbe,
welche sich zunächst den Flüssen und Strömen etablirt finden und auch an manchen
Orten gesetzlich gezwungen sind unmittelbar an den Flüssen angelegt zu werden, um
eben den bei denselben abfallenden Unrath leicht los werden zu können.
Ferner werden den Flüssen die Abfallwässer anderer gewerblichen Anlagen zugeführt,
welche nicht nur unreine oder putride Stoffe, sondern oft höchst giftige Substanzen, z.B. Arsenik, Kupfer, Blei, Zink etc.
enthalten. Namentlich sind es die an den Strömen angelegten großen Färbereien,
Anilin- überhaupt chemischen Fabriken welche durch das Zuführen ihrer
Abfallwasser das Wasser der Flüsse und Ströme auf weite Strecken hin vergiften und
zu vielen Gewerben unbrauchbar machen. Einen schlagenden Beweis für die Wahrheit
dieser Angabe liefert das Wasser der Wupper und der Sieg. Mit dem Aufblühen der chemischen Industrie verschlechtert sich das
Wasser unserer Flüsse.
Die Flüsse und Ströme bilden in dieser Hinsicht die natürlichen Cloaken, und es kann
uns gerade nicht wundern daß das Wasser derselben sehr häufig recht unappetitlich
aussieht und uns der Gebrauch desselben als Genußwasser versagt wird.
Schon die Völker des Alterthums haben die Verunreinigung ihrer Flüsse und Ströme
erkannt und oft aus weit entfernten Gegenden reiche Quellen zur Beschaffung des
Genußwassers vermittelst kostspieliger Anlagen nach ihren Städten hingeleitet. Wenn
man schon damals einsah daß die großen Flüsse und Ströme nicht vermögend waren ein
gutes gesundes Genußwasser zu liefern, um wie viel mehr muß man heute mit desto
größerem Recht die Benutzung des Rheinwassers zu diesem Zwecke verwerfen, weil mit
dem Fortschritt der Cultur und der Gewerbe die unreinen Zuflüsse zu dem Strome sich
vermehrt haben und eine Entfernung dieser Verunreinigungen durch eine künstliche
Filtration niemals in der Weise zu ermöglichen ist, daß man ein constant
zusammengesetztes Wasser erhält.
Brunnen, in einer gewissen Entfernung vom Rheine angelegt und bis auf solche Tiefe
abgeteuft, daß ein Versiegen des Wassers nie eintreten kann, werden, wenn durch
einen cementirten Brunnenschacht die seitlichen Zuflüsse abgehalten sind, ein gutes
Trinkwasser liefern, wie es eine künstliche Filtration niemals aus dem Rheinwasser
zu beschaffen im Stande seyn wird.
Cöln, im Januar 1871.