Titel: | Der praktische Werth des continuirlichen Diffusionsapparates für Rübenschnitte; von Dr. Ottokar Čech, Docent am Polytechnicum in Prag. |
Autor: | Carl Otokar Cech [GND] |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CXIII., S. 445 |
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CXIII.
Der praktische Werth des continuirlichen
Diffusionsapparates für Rübenschnitte; von Dr. Ottokar Čech, Docent am Polytechnicum in Prag.
Cech, über den Werth des continuirlichen
Diffusionsapparates.
Kaum hatte die erste zwölfcylinderige Diffusions-Batterie ihre Arbeit
begonnen, so fing man bereits darüber nachzudenken an, ob sich durch eine
Vereinfachung des Apparates und der Manipulation Raum, Zeit, Arbeitskraft und
Anlagecapital ersparen ließe.
Man versuchte zehn- , neun- und sechsgliederige Batterien, bis man
endlich zu der Ueberzeugung kam, daß man sogar in einem einzigen Gefäße diffundiren
kann.
Meines Wissens wurden die ersten derartigen Versuche von Hrn. Robert in Selovic (Mähren) durchgeführt, während wir es der lobenswerthen
Initiative des Hrn. Clemens von Bachofen und der
unermüdlichen Energie des Directors der Zuckerfabrik von Libeznic bei Prag Hrn. Fischer verdanken, am Schlusse der heurigen Campagne
einen continuirlichen Diffusionsapparat gesehen zu haben.
Gewiegte Fachmänner unserer Maschinen-Industrie sprachen sich sogleich gegen
die Einführung dieses neuen Systemes aus, da sich die mit dem continuirlichen
Diffusionsapparat untrennbar verbundenen Schwierigkeiten der Manipulation leicht
voraussehen liehen.
Nichts desto weniger löste die Maschinenfabrik Müller und
Näbe in Prag das schwierige Problem mit viel
Geschick, und obgleich es mir nicht möglich ist eine Zeichnung des Apparates zu
liefern, will ich es dennoch versuchen ein Bild desselben zu skizziren und eine
Würdigung der erzielbaren Erfolge hier mitzutheilen.
Die Libeznicer Zuckerfabrik konnte erst im Monate März d. J. mit dem Apparate die
Arbeit beginnen, da die Aufstellung und Richtigstellung desselben mit vielen
Schwierigkeiten verbunden war.
Hauptsächlich war es das im Diffusionskörper angebrachte Schraubensystem
(Patentgeheimniß der HHrn. Müller und Näbe), von dessen genauer Wirksamkeit der Erfolg der
ganzen Maschine abhängt.
Aus diesen wenigen Worten ist bereits zur Genüge ersichtlich, daß der continuirliche
Diffusionsapparat nicht mehr auf dem Principe der bloßen Auslaugung der
Rübenschnitte beruht, welche durch den Wasserdruck
befördert nur dieses Motors bedarf, um die Auslaugung und Aussüßung, das
Ablassen des Auslaugsaftes in die Pfannen und das Ablassen des Diffusionssaftes in
die Saturateure zu bewirken.
Der continuirliche Diffusionsapparat ist nicht mehr eine einfache bewegungslose
Gefäß-Batterie, sondern eine selbstthätige, complicirte Maschine, welche
mittelst eines eigenthümlichen Schrauben- und Schaufelsystemes, mit Hülfe
einer Pumpe, eines Rührwerkes und einer Dampfmaschine Diffusions-Rübensaft
und diffundirte Rübenschnitte zu liefern vermag.
Der Apparat besteht aus einem oben offenen, unten geschlossenen 15 Fuß 6 Zoll hohen
Cylinder von 8 Fuß Durchmesser, und einem Siebboden. Im Centrum des Cylinders
befindet sich die senkrechte, mit eisernen Schaufeln versehene Achse, welche von
einem eisernen, sich um sie bewegenden kleineren Cylinder umgeben ist, dessen Mantel
mit einem Schaufelsystem bekleidet ist, welches ein Rührwerk repräsentirt.
Die Rübenschnitte fallen direct aus der Schneidmaschine in den über dem inneren
Cylinder angebrachten Trichter und werden von den an der Achse angebrachten
Schaufeln im Cylinder nach unten befördert.
Die Schaufeln der Verticalachse haben nahe an der Basis des Gefäßes eine solche
Gestaltung, daß sie die Schnitte durch den Zwischenraum (des inneren Cylinders und
des Gefäßes) in den Aussüßungsraum des eigentlichen Gefäßes befördern, wo sie von
den großen Schaufeln ergriffen successive und langsam nach oben gelangen, dann aber
von einem horizontal an der Achse rotirenden Rechen ergriffen aus dem Gefäße
entfernt werden. Die Achse bewegt sich etwa 20mal schneller als das Rühr- und
Schaufelwerk im Aussüßungsraume.
In der untersten Drittelzone des Apparates münden an vier Punkten der Radien in einer
und derselben Ebene 2 Fuß in das Gefäß reichende, mit einem Sieb versehene Röhren.
Durch dieselben fließt der Aussüßungssaft in ein Reservoir, wird von hier in höher
gelegene Pfannen gepumpt, auf 76° R. erhitzt und zum Auslaugen der Schnitte
in den Apparat geleitet.
Am untersten Punkte des massiven Bodens befindet sich ein Rohr, durch welches der
Auslaugsaft in die Saturateure fließt.
Das Aussüßen wird durch fortwährenden Zufluß kalten Wassers bewirkt, welches durch
die Oeffnungen eines über dem Aussüßungsraum hängenden Röhrenkranzes in das
Diffusionsgefäß strömt.
Um sich von der Grädigkeit des Saftes überzeugen zu können, sind an verschiedenen
Stellen und Zonen des Gefäßes Hahnen angebracht, aus welchen man stets Rübensaft zu
Proben herausnehmen kann.
Da in den Auslaugungsraum heißer Rübensaft (von 76° R.) und in den Aussüßungsraum kaltes
Wasser fließt, so nimmt die Temperatur von unten nach oben ab (was man auf den
angebrachten Thermometern sehr genau wahrnehmen kann), bis die Schnitte den
Auslaugungsraum kalt verlassen. Zur vollständigen Auslaugung und Aussüßung der
Schnittlinge sind 4 bis 6 Stunden nothwendig.
Die verarbeiteten Rüben hatten 15° Sacchar., 12° Polarisation und die
ausgelaugten Schnitte zeigten 0,2 Proc. Der Auslaugsaft hatte 5,6 bis 10,8°
Sacchar.; der Aussüßungssaft zeigte hingegen 4,98° Sacchar. Die Füllmasse war
etwas schmierig, von schön gelber Farbe und zeigte im Durchschnitt 92,66°
Sacchar. und 77,08° Polarisation.
Bei eingehender Beobachtung des Apparates und der Manipulation wird es uns leicht,
die Mängel derselben übersichtlich zusammenzustellen:
1) Da die ursprüngliche Robert'sche zwölfgliederige
Diffusionsbatterie ein einfacher selbstthätiger Apparat ist, als dessen einziger
Motor die Druckhöhe des Wassers angesehen werden muß, so ist leicht ersichtlich daß
eine mit Dampfkraft betriebene, so complicirte und subtile Maschine wie es der
continuirliche Diffusionsapparat in seiner jetzigen
Gestaltung ist, nur sehr relative Vorzüge aufweisen kann.
2) Der durch den continuirlichen Apparat ersparte Raum reducirt sich auf ein Minimum;
auch sind die Anlagekosten eines continuirlichen Apparates sammt Dampfmaschine und
Pumpe, den Betrieb und die Wartung der Maschine mit eingerechnet, kaum kleiner als
die Anlagekosten einer aus 12 Gefäßen bestehenden Diffusionsbatterie.
3) Was die Zeitersparniß anbelangt, welche man von einem ununterbrochen
selbstthätigen Apparat erwarten sollte, so ist dieselbe als vollständig illusorisch
zu bezeichnen. Bis jetzt ist die Leistungsfähigkeit des Diffusionsapparates noch
nicht festgestellt worden, dieselbe dürfte jedoch in ihrem jetzigen Stadium zwischen
400–800 Centner Rübe binnen 24 Stunden betragen. Hierbei ist jedoch wohl zu
bemerken, daß eine Fabrik welche bloß mit dem Apparate (gewöhnlich Einspänner
genannt) arbeiten würde, bei etwaigen Unterbrechungen und Stockungen, welche sehr
häufig sind, auch sehr schlecht fahren würde. Bricht z.B. nur eine einzige Schaufel
der beiden Rührwerke, so muß der Apparat außer Arbeit gesetzt werden, während das
vollständige Ausleeren der Rübenschnitte aus dem Diffusionsgefäße langsam und
schwierig durchzuführen ist. Um also den Betrieb nicht vollständig einstellen zu
müssen, wird man einen Reserve-Diffusionsapparat haben müssen; dieß ist
jedoch eine doppelte Auslage an Raum und Anlagecapital; der Gedanke, einen dritten
und vierten Apparat zu besitzen, liegt sehr nahe und so gelangt man abermals dahin,
von wo man ausgegangen ist, zu einer Diffusionsbatterie mehrerer Gefäße; da sich jedoch
diese einfacher, billiger und praktischer ohne Dampfmaschine, Pumpe und Rührwerk
herstellen läßt, so wird man bald überzeugt, daß es am vortheilhaftesten ist nur
eine Diffusionsbatterie zu besitzen.
4) Da die beiden Rührwerke wenigstens 4 Stunden mit den Rübenschnitten beschäftigt
sind, ehe sie dieselben „ausgelaugt“ aus dem Apparate
entfernen, so erhält man begreiflicherweise statt ausgelaugter Rübenschnitte eine
Art von Rübenbrei, in welchem größere und kleinere Trümmer der Rübenlamellen sich
befinden, und daß der Rübensaft selbst voll von solchen Rübentrümmern ist, davon
zeugt das ununterbrochene Verstopfen der Saftröhren, welche immerfort mit Dampf
flott gemacht werden müssen – woraus eine Verdünnung des Saftes und großer
Dampfverlust resultiren. Wie vortheilhaft es endlich für den Saft ist, wenn er im
offenen Diffusionsgefäß 4–6 Stunden mit der Luft in Berührung ist, ohne
geläutert oder saturirt werden zu können, ist einleuchtend.
5) Durch das vielfache Brechen und Zermalmen der Rübenschnitte treten viel mehr Salze
in den Saft, während der Nährungswerth der ausgelaugten Rübenschnitte sinkt;
abermals ein doppelter Nachtheil.
Da also die Diffusionsbatterie von zwei Arbeitern bedient selbst arbeitet, und ein
bedeutend größeres Quantum Rübe verarbeiten kann als der Diffusionsapparat, ohne pro Gefäß 10–15 Pferdekräfte Triebkraft zu
bedürfen, so ist in Erwägung der aufgezählten Nachtheile die Diffusionsbatterie als
der bis jetzt rationellste Saftgewinnungsapparat zu bezeichnen.
Prag, im Juli 1870.