Titel: | Ueber die Prüfung des Petroleumspiritus auf seine Entflammbarkeit; von Prof. Fr. Crace Calvert. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XLIX., S. 165 |
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XLIX.
Ueber die Prüfung des Petroleumspiritus auf seine
Entflammbarkeit; von Prof. Fr. Crace
Calvert.
Aus der Chemical News, vol. XXI p. 85; Februar
1870.
Calvert, über Prüfung des Petroleumspiritus auf seine
Entflammbarkeit.
Kürzlich las ich mit großem Interesse mehrere Aufsätze über die (brittische)
Petroleum Acte von 1868, und über die Unsicherheit der Erzielung brauchbarer
Resultate bezüglich des Entflammungspunktes des Petroleumspiritus; so namentlich die
Mittheilungen von Paul in der Chemical News und eine Brochüre von Norman Tate
in Liverpool.
Diese Lectüre veranlaßte mich, eine Reihe von Untersuchungen in der Hoffnung
anzustellen, diesen Gegenstand einigermaßen aufzuklären, um so mehr als die
Mangelhaftigkeit der Acte von 1868 vor Allem darin liegt, daß in derselben nicht
angegeben ist, in welcher Zeitdauer der Petroleumspiritus von der gewöhnlichen
Temperatur bis zu seinem Entflammungspunkte erhitzt werden soll. So sagt die
Acte:
„Das äußere Gefäß soll mit kaltem oder beinahe kaltem Wasser gefüllt und
sein Boden mittelst einer kleinen Flamme erwärmt werden; das Thermometer soll in
das Oel in der Weise eingesenkt werden, daß seine Kugel sich ungefähr anderthalb
Zoll unter der Oberfläche der Flüssigkeit befindet.“
Was ist nun unter einer „kleinen
Flamme“ zu verstehen? Etwa eine Flamme von solcher Stärke, daß
fünfzehn, zwanzig oder dreißig Minuten erforderlich sind, um den Petroleumspiritus
von der gewöhnlichen Temperatur bis zu seinem Entflammungspunkte (also auf etwa 98° bis
105° F. oder 36° bis 41° C.) zu erwärmen? Dieß wird in der Acte
nicht angegeben.
Die nachstehenden Versuche, welche mit sechs von dem Magistrat von Manchester mir
übergebenen Proben von Petroleumspiritus angestellt wurden, zeigen von welcher
Wichtigkeit für das Probiren des Petroleumspiritus obige Frage und wie absolut
nothwendig sowohl für die Sicherheit des Publicums, als für das Interesse der mit
diesem Artikel handelnden Geschäftsleute es ist, daß durch die Acte die beim
Probiren von Petroleumspiritus anzuwendende Zeitdauer genau bestimmt werde.
Petroleumspiritus-
Zeitdauer des Erwärmens der Probe
Probe, von 52°F.
15 Minuten
20 Minuten
30 Minuten
Nr 1
96° F.
98° F.
102° F.
„ 2
92° „
99° „
101° „
„ 3
90° „
98° „
101° „
„ 4
94° „
96° „
104° „
„ 5
96° „
98° „
110° „
„ 6
95° „
99° „
108° „
Diese Resultate zeigen klar den Einfluß der Zeit beim Erwärmen der sechs
Petroleumproben von 52°F. auf ihren Entflammungspunkt. So könnten, wenn
fünfzehn bis zwanzig Minuten angewendet werden um diesen Punkt zu erreichen, die
sämmtlichen geprüften sechs Proben nach den Bestimmungen des Gesetzes von 1868 nicht
als „Petroleum“ bezeichnet werden, und der Verkäufer würde zur
Zahlung einer Strafe und zum Verluste des Oeles verurtheilt werden; wogegen, wenn
zum Erhitzen der Flüssigkeit die Zeit von einer halben Stunde verwendet wird,
sämmtliche Sorten als Petroleum zu betrachten seyn würden, da ihr Entflammungspunkt
über 100°F. (38° C.) liegt.
Es kann daher kein Zweifel darüber obwalten, daß die Resultate nach der zum Erwärmen
angewendeten Zeit verschieden ausfallen; je mehr Zeit auf die Ausführung der Probe
verwendet wird, desto höher steigt der Entflammungspunkt des Spiritus. Diese
Erscheinung rührt wahrscheinlich davon her, daß die flüchtigsten Antheile der
Flüssigkeit allmählich in die Atmosphäre entweichen, und niemals in genügender Menge
vorhanden sind, um die Entstehung einer Flamme hierbei zu veranlassen, wenn man, wie
die Acte vorschreibt, mit einer Kerze in einem Viertelzoll Entfernung von der
Oberfläche der Flüssigkeit über dieselbe hinwegfährt. Ich bin demnach der Ansicht,
daß, da doch das Gesetz zum Schutze des Publicums gegen Feuersgefahr oder gegen
Explosionen, welche durch zu leicht entzündliche Kohlenwasserstoffe herbeigeführt
werden können, erlassen worden ist, der mit dem Probiren von Flüssigkeiten dieser Classe
beauftragte Chemiker die Temperatur der zu prüfenden Flüssigkeiten so schnell als
möglich erhöhen sollte (selbstverständlich unter Anwendung des in der Acte
beschriebenen Apparates), widrigenfalls der Verkäufer und Fabrikant auf Kosten der
Consumenten bevorzugt werden würden.
Die nächste Versuchsreihe wurde zu dem Zwecke abgeführt, eine Angabe von Norman Tate in Liverpool zu prüfen, daß nämlich, wenn man zwei
Thermometer in den Petroleumspiritus eintaucht, das eine wie in der Acte
vorgeschrieben ist, auf die Tiefe von anderthalb Zoll unter der Oberfläche der
Flüssigkeit, das andere aber nur einen halben Zoll tief, dann in dem Zeitpunkte wo
die Dämpfe sich entzünden, in den Angaben beider Thermometer eine Differenz von
mehreren Graden sich bemerkbar macht. Diese interessante Beobachtung Tate's wird durch die folgenden
Resultate bestätigt.
Das 1 1/2 Zoll tiefeingesenkte
Thermom.zeigte:
Das 1/2 Zoll tiefeingesenkte
Thermom.zeigte:
bei
Nr.
4
94° F
99° F.
„
„
5
94° „
98° „
„
„
6
95° „
99° „
Diese auffallende Thatsache, daß eine Flüssigkeit in der Nähe ihrer Oberfläche eine
viel höhere Temperatur besitzt als einen Zoll darunter (im Centrum), beruht meiner
Ansicht nach darauf, daß das Petroleum keine homogene Flüssigkeit, sondern ein
Gemisch von verschiedenen Kohlenwasserstoffen ist, von denen die flüchtigsten zuerst
ausgetrieben werden, daher die Wärme nach der Oberfläche zu steigt, wodurch die in
Rede stehende Temperaturdifferenz erzeugt wird. In der Absicht diese praktische
Schwierigkeit zu beseitigen, wurde eine Reihe von Versuchen angestellt, bei denen
die Operationen in der gebräuchlichen Weise ausgeführt wurden, mit dem einzigen
Unterschiede, daß die Flüssigkeit beständig (mit Ausnahme des Zeitpunktes wo die
brennende Kerze über die Oberfläche hinweggeführt wird) mit dem Thermometer
umgerührt wurde. Ich erhielt nachstehende Resultate:
Nr. 1
entflammte nicht bei
102°
F.
Nr. 2
entflammte bei
99°
„
Vierzehn Minuten.
Nr. 3
entflammte bei
98°
„
Vierzehn Minuten.
Nr. 4
– – –
–
Nr. 5
entflammte bei
98°
„
Nr. 6
entflammte bei
1040
„
Diese Versuche bestätigen den von mir oben angegebenen Grund der Differenz der
beiden, in die zu prüfende Flüssigkeit verschieden tief eingesenkten Thermometer. Da
nämlich das allmähliche Entweichen der flüchtigsten Antheile des Petroleums durch
das Umrühren erleichtert wurde, so konnte sich das Oel nicht eher entflammen als bis
sich eine genügende Menge der dichteren Dämpfe verflüchtigt und an der Oberfläche
der Flüssigkeit angesammelt hatte.
Da die wahren Entflammungspunkte des Petroleumspiritus gänzlich von der zur Erhöhung
seiner Temperatur angewendeten Zeit abhängen, so möchte ich nachstehendes Verfahren
empfehlen, mittelst dessen Jedermann in jedem Theile des Vereinigten Königreiches
den Entflammungspunkt einer Petroleumsorte mit Zuverlässigkeit zu bestimmen vermag
und dabei überzeugt seyn kann, daß andere Beobachter zu denselben Resultaten
gelangen würden.
Dieses Verfahren besteht darin, in dem vom Gesetze vorgeschriebenen äußeren Gefäße
Wasser um 10°F. über den (vorher annäherungsweise bestimmten)
Entflammungspunkt des zu prüfenden Oeles zu erhitzen, dann die Flamme zu entfernen,
hierauf das innere Gefäß einzusetzen und dasselbe rasch mit dem zu prüfenden
Petroleumspiritus zu füllen. Darnach muß man das Thermometer so in das Petroleum
einsenken, daß seine Kugel einen halben Zoll tief unter die Oberfläche desselben
hinabreicht, worauf man den Entflammungspunkt in der üblichen Weise ermittelt. Auf
diese Weise erhielt ich nachstehende Resultate mit den zu meinen früheren Versuchen
verwendeten sechs Petroleumsorten:
Erster Versuch.
Zweiter Versuch.
Nr.
1
entflammte
sich
bei
98,0° F.
99° F.
„
2
„
„
„
95,0° „
96° „
„
3
„
„
„
96,0° „
97° „
„
4
„
„
„
96,0° „
97° „
„
5
„
„
„
96,5° „
97° „
„
6
„
„
„
–
–
Ich bin auch der Ansicht, daß man, wenn die Probe in einer den Vorschriften der Acte
entsprechenden Weise angestellt wird, eine Gasflamme anstatt einer Spirituslampe
anwenden sollte, weil sich mittelst der Gasflamme die Temperatur mit größerer
Regelmäßigkeit erhöhen läßt. Auch habe ich stets bei meinen Versuchen nach dem
Vorschlag von Norman Tate anstatt einer
Streichholz- oder Kerzenflamme eine kleine Gasflamme zur Bestimmung des
Entflammungspunktes des Petroleumspiritus benutzt.