Titel: | Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu Waldenburg. |
Autor: | E. Richters |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. LXXXVI., S. 315 |
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LXXXVI.
Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen
beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu
Waldenburg.
Richters, über die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern
an der Luft erleiden.
I. Der chemische Proceß der Oxydation
der Steinkohlen.
Die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern an der Luft erleiden, sind
mehrfach Gegenstand technisch-chemischer Untersuchungen gewesen. Diese sind,
was Inhalt und Methode betrifft, dadurch charakterisirt, daß sie die chemischen Vorgänge welche jene Veränderungen hervorbringen, mehr
oder weniger unberücksichtigt ließen, vielmehr theils auf
chemisch-analytischem Wege die substantiellen Veränderungen der Kohle selbst, theils auf praktisch empirischem Wege
deren Einfluß auf die wichtigsten technischen Eigenschaften als Heizkraft,
Gas- und Kohkswerth etc. zu ermitteln suchten.
Es ist bekannt, daß die längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesene Kohle reicher an
Sauerstoff, ärmer an Wasserstoff und Kohlenstoff ist, als die frisch geförderte,
aber man blieb darüber im Unklaren, ob die respective Zu- oder Abnahme der
genannten Grundstoffe relative oder absolute seyen. – Fleck
Die Steinkohlen Deutschlands etc., Bd. II S. 221 u. f. wies durch die vergleichende Untersuchung frischer und neun Jahre alter
sächsischer Steinkohlen die angedeuteten Veränderungen in der chemischen
Zusammensetzung nach; da aber nicht zugleich festgestellt worden war, ob das Gewicht
der Kohle während des Lagerns zu- oder abgenommen hatte, so war auch nicht
wohl mit Sicherheit zu entscheiden, ob die Abnahme an Kohlenstoff und Wasserstoff
die Folge einer Sauerstoffaufnahme, also einer Gewichtsvermehrung, oder ob umgekehrt
die Sauerstoffzunahme als die Folge eines absoluten Verlustes an Kohlenstoff und
Wasserstoff, d.h. einer Gewichtsverminderung anzusehen sey.
Zahlreiche und dankenswerthe Untersuchungen über die sogenannte Verwitterung der
Steinkohlen wurden vor mehreren Jahren von Grundmann
Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen
Staate, Bd. X u. f. veröffentlicht. Betreffs der Veränderungen welche in der chemischen
Zusammensetzung der verbrennlichen Substanz der Steinkohlen eintreten, stimmen die
von ihm erhaltenen Resultate mit den Beobachtungen
Fleck's vollkommen überein. Da Grundmann aber aus dem verschiedenen Aschengehalt der Steinkohlen vor und
nach der Verwitterung. auf ganz außerordentliche während des Lagerns eingetretene
Gewichts- resp. Substanzverluste schloß, so blieb man aus einem dem
angeführten ähnlichen Grunde, über die eigentlichen Vorgänge welche die
Veränderungen in der Zusammensetzung der Substanz der Kohlen hervorgebracht hatten,
wieder mehr oder weniger im Dunklen. – Die den Ermittelungen Grundmann's widersprechenden Beobachtungen Reder's,Zeitung des Vereines deutscher Eisenbahnverwaltungen, 1866. daß den verschiedensten Revieren entnommene Kohlen während eines
zwölfmonatlichen Lagerns nicht bemerkenswerth an Gewicht, wohl aber an Brennwerth
etc. einbüßten, sind, obwohl sie die chemische Zusammensetzung der Steinkohlen
unberücksichtigt ließen, für die Kenntniß des Verwitterungsprocesses selbst dennoch
von großem Interesse. Die Mittheilungen Thompson's über
die Verwitterung englischer Kohlen waren mir leider nur durch den in diesem Journal
(Bd. CLXXVIII S. 161) enthaltenen Auszug der betreffenden, im London Journal of arts erschienenen Abhandlung zugänglich.
Indem ich mir die Mittheilung eigener Beobachtungen speciell über die sogen.
Verwitterung der Steinkohlen und eine kritische Beleuchtung der verschiedenen, unter
einander häufig abweichenden Angaben der einzelnen Forscher für eine demnächst zu
veröffentlichende Abhandlung vorbehalte, wende ich mich in der vorliegenden Arbeit
hauptsächlich der physikalisch-chemischen Seite des Vorganges zu, welcher die
früher von mir nachgewiesene, bei gewöhnlicher Temperatur erfolgende
Sauerstoffabsorption durch die Steinkohlen zu Grunde liegt.
Zur Fortsetzung der bereits vor mehr als einem Jahre begonnenen und zum Theil in
diesem Journal veröffentlichten Untersuchungen bestimmte mich die Ueberzeugung, daß
es nur auf dem angedeuteten Wege möglich seyn werde, die vielen streitigen Meinungen
und widersprechenden Angaben über die sogenannte Verwitterung der Kohlen der
Entscheidung näher zu bringen.
Wir wissen, daß die Steinkohlen beim Erhitzen rasch, bei gewöhnlicher Temperatur
langsam und allmählich Sauerstoff aufnehmen. Die chemischen und sonstigen
Veränderungen, welche in dem ersten Falle die verbrennliche Substanz der Steinkohlen
erleidet, sind bereits früher von mir festgestellt worden. Dagegen ist die bei
gewöhnlicher Temperatur erfolgende Sauerstoffabsorption vorläufig eine bloße
Thatsache, welche als solche keineswegs eine Erklärung der mit ihr verbundenen
chemischen Vorgänge
einschließt. Ob und wie weit der Kohlenstoff oder Wasserstoff der oxydirenden
Einwirkung des Sauerstoffes unterliegt, ob letzterer nicht etwa gar wesentlich zur
Bildung von Kohlensäure dient, welche von der Kohle absorbirt wird, ob ferner die
Absorption ein rein chemischer oder mehr oder weniger physikalischer Act sey, das
alles sind Fragen welche für die Beurtheilung der sogenannten Verwitterung der
Steinkohlen von wesentlichstem Interesse sind, deren Beantwortung sich aber nur aus
einer eingehenden und vorurtheilsfreien Betrachtung der sämmtlichen zur Einwirkung
des Sauerstoffes auf die Steinkohlen überhaupt in Beziehung stehenden Erscheinungen
ergeben kann. Ich werde zunächst, an früher bereits mitgetheilte
Untersuchungen,Ueber die Veränderung der Steinkohle beim Erhitzen in Bd. CXC S. 393;
Verhalten der Kohle zum Sauerstoff in Bd. CXCIII S. 51 und 264. auf welche ich hiermit verweise, anknüpfend, einige Beobachtungen mittheilen
welche mir besonders geeignet erschienen die erste der oben aufgestellten Fragen der
Entscheidung näher zu bringen.
Erhitzt man Steinkohlenpulver bis auf 180–200° C., so nimmt das Gewicht
desselben bekanntlich anfangs fortwährend zu; Kohlensäure und Wasser werden
ausgeschieden und Sauerstoff wird in größerer Menge aufgenommen als Kohlenstoff und
Wasserstoff oxydirt werden, nach einiger Zeit hört die Sauerstoffaufnahme und
hiermit die Gewichtsvermehrung auf. Fährt man nun fort zu erhitzen, so bemerkt man
wohl anfangs eine geringe Gewichtsabnahme, nach einiger Zeit bleiben aber sowohl
Gewicht wie chemische Zusammensetzung der Kohle constant, oder die in beiden
Beziehungen fernerhin eintretenden Veränderungen sind doch so gering, daß sie, um
auf einen bestimmten Versuch zurückzugehen, trotz 6 Tage lang fortgesetzten
Erhitzens mit einer guten chemischen Waage nicht mehr nachgewiesen werden konnten.
Betrachtet man ferner die Zusammensetzung der bis zum Maximum der Sauerstoffaufnahme
erhitzten Kohle, so fällt eine eigenthümliche Beziehung zwischen der
Wasserstoff- und Sauerstoffmenge sofort in die Augen: die beiden genannten
Elemente stehen nämlich in annähernd demselben Gewichtsverhältnisse wie im
Wasser.
Dieses interessante Verhalten der Steinkohle macht uns auf zwei eigenthümliche
Erscheinungen aufmerksam. Es beweist, daß erstens dem Kohlenstoff der Steinkohlen
eine sehr verschiedene Oxydabilität eigen ist, und macht es zweitens wahrscheinlich,
daß eine ganz bestimmte Relation zwischen der Sauerstoffaufnahme überhaupt, und dem
Gehalt der Steinkohle an sogen. disponiblem Wasserstoff besteht, da mit dem
Verschwinden des letzteren die weitere Sauerstoffaufnahme ihr Ende erreicht.
Die erste Thatsache schließt sich der wohl von den meisten Chemikern getheilten
Ansicht an, daß der Kohlenstoff in den Steinkohlen in zwei chemisch verschiedenen
Formen vorhanden sey, daß die Steinkohle, wenn man so will, ein Gemenge aus reinem
Kohlenstoff mit noch nicht näher gekannten organischen, aus C, H, O und N
bestehenden Verbindungen sey, die man gewöhnlich unter dem Namen Bitumen
zusammenfaßt. Die anfänglich beim Erhitzen reichlich auftretende Kohlensäurebildung
würde sich sonach durch die Oxydation des Kohlenstoffes der sogen. bituminösen
Bestandtheile, das spätere relative Aufhören durch die viel schwierigere
Oxydirbarkeit des übrigen Kohlenstoffes erklären.
Was die muthmaßliche Beziehung der Sauerstoffaufnahme durch die Steinkohle zu deren
Gehalt an disponiblem Wasserstoff betrifft, so wird diese fast zur Gewißheit
erhoben, wenn wir das Verhalten desjenigen Materiales, aus welchem sich die
Steinkohlen bildeten, des Holzes und seiner verschiedenen Verwesungsproducte zum
atmosphärischen Sauerstoff in Betracht ziehen.
SaussureMan vergleiche: Bischof, chemische Geologie, 2te
Auflage, Bd. I S. 770. bemerkte, daß trockenes Eichenholz den Sauerstoff ohne
Aenderung des Volumens desselben vollständig in Kohlensäure verwandelte.
Liebig
Ebendaselbst; die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie,
6te Auflage, S. 477 ff. zeigte, daß Späne von Holz vom Baume genommen das Volumen des Sauerstoffes
anfangs verminderten, während das einige Zeit der Luft ausgesetzt gewesene,
befeuchtete Holz den umgebenden Sauerstoff in Kohlensäure ohne
Aenderung des Volumens umwandelte. Bringt man feuchte Braunkohle, frisch
geförderte oder solche welche bereits längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesen ist,
mit Sauerstoffgas, resp. atmosphärischer Luft zusammen, so wird Kohlensäure
gebildet, gleichzeitig aber auch Sauerstoff aufgenommen.
Die von mir zu den betreffenden Versuchen angewandte Braunkohle war theils ein
faseriger Lignit mit vorzüglich erhaltener Holzstructur, theils eine sogen mulmige,
erdige Braunkohle, beide frei von Schwefelkies.
I Lignit.
II Erdige
Braunkohle.
55,97 Proc. C
53,64 Proc. C
5,65 „ H
5,32 „
H
36,02 „ O
+ N
32,84 „
O + N
2,36 „ Asche.
8,20 „
Asche.
I enthält sonach 1,12 Proc., II 1,22 Proc. disponiblen Wasserstoff. Angefeuchtet und
mit atmosphärischer Luft über Quecksilber abgesperrt, absorbirten 10 Grm. Lignit in 6
Tagen 4,3 Kubikcentimeter Sauerstoff, gleichzeitig bildeten sich 3,6 K. C.
Kohlensäure; die erdige Braunkohle absorbirte in derselben Zeit 4 K. C. Sauerstoff,
während gleichzeitig 3,1 K. C. Kohlensäure gebildet wurden.
Diese Beobachtungen entsprechen durchaus der oben ausgesprochenen Voraussetzung.
Das Holz, in welchem Wasserstoff und Sauerstoff annähernd in dem Verhältnisse wie im
Wasser enthalten sind, welches also disponiblen Wasserstoff nicht, oder nur in sehr
geringer Menge enthält, bildet in Berührung mit Luft Kohlensäure ohne Sauerstoff aufzunehmen; die freien Wasserstoff
enthaltende Braunkohle absorbirt ihn dagegen ohne äquivalente Kohlensäurebildung
ebenso, wenn auch weniger reichlich, wie die Steinkohle.
Auf Grund der angeführten Beobachtungen kommen wir zu folgenden, für die Kenntniß des
Verhaltens der Kohle zum Sauerstoff allgemein wichtigen Schlüssen:
I.
„Die Eigenschaft der Steinkohle, beim schwachen Erhitzen (190°
C.) Sauerstoff aufzunehmen, ist wesentlich bedingt durch ihren Gehalt an
disponiblem Wasserstoff; dieser zunächst nebst einem gewissen Antheil
Kohlenstoff wird oxydirt, indem einestheils Wasser gebildet wird,
anderntheils Sauerstoff direct in die Zusammensetzung der Kohle
eintritt.“
II.
„Der Kohlenstoff der Steinkohlen besitzt bei einer Temperatur von circa 190° C. eine verschieden große
Verwandtschaft zum Sauerstoff; während sich der kleinere Theil (5–6
Proc. der Gesammtmenge) mit demselben zu Kohlensäure verbindet, zeigt der
übrige bei der angegebenen Temperatur zum Sauerstoff keine oder nur eine
sehr geringe Verwandtschaft.“
Die beiden angeführten Sätze sind nun allerdings zunächst nur für die bei höherer
Temperatur verlaufende Oxydation der Kohle aufgestellt. Wenn wir aber die bei gewöhnlicher Temperatur sich zeigenden Erscheinungen in's
Auge fassen und sie mit denjenigen vergleichen, welche wir beim Erhitzen der
Steinkohle beobachten, so kann es kaum noch zweifelhaft seyn, daß die beiden Sätze
auch für die ersteren ihre volle Gültigkeit haben.
Beim Erhitzen der Kohle, wie bei gewöhnlicher Temperatur, wird Sauerstoff absorbirt.
Daß im letzteren Falle die Absorption in derselben Beziehung zum disponiblen
Wasserstoffe steht, wie im ersteren, ergibt sich aus dem beschriebenen Verhalten des
Holzes und seiner Verwesungsproducte zum Sauerstoff, außerdem aber auch aus der Thatsache, daß
nicht nur der Gehalt an disponiblem Wasserstoff, sondern
auch der an Wasserstoff überhaupt beim Lagern der Kohlen an der Luft in ähnlicher
Weise abnimmt wie beim Erhitzen. Aehnlich wie beim Erhitzen entbinden die Kohlen
auch bei gewöhnlicher Temperatur Kohlensäure; es läßt sich aber mit Sicherheit
annehmen, daß auch in letzterem Falle mit der vollendeten Oxydation des leichter
oxydablen (bituminösen) Kohlenstoffes die Kohlensäurebildung ihr Ende erreichen oder
doch auf ein Minimum zurückgehen wird. Die Annahme, daß der schwieriger oxydable
Kohlenstoff der Kohle bei gewöhnlicher Temperatur eine größere Verwandtschaft zum
Sauerstoff haben sollte, als bei einem bis auf 190–200° gesteigerten
Hitzegrade, würde allen Erfahrungen widersprechen.
Daß die bei gewöhnlicher Temperatur erfolgende Sauerstoffabsorption lediglich ein physikalischer Proceß sey, ist nicht
anzunehmen; dennoch aber fragt es sich, ob die Flächenanziehung der Kohle ohne allen
Einfluß auf die Absorption ist. Wir müssen hier unterscheiden zwischen der Fähigkeit
der Steinkohle überhaupt Sauerstoff aufzunehmen, und der Intensität mit welcher,
wenigstens anfänglich, diese Sauerstoffaufnahme erfolgt. In letzter Beziehung ist
nun, wie sich zeigt, die Flächenanziehung der Kohlen von entscheidendem Einflusse
und es ist mehr wie wahrscheinlich, daß in ihren ersten
Stadien die Absorption selbst ein rein mechanischer Vorgang ist, daß also
einer chemischen Verbindung des Sauerstoffes mit der Substanz der Kohle eine
Verdichtung desselben vorhergeht.
Wenn wir die Menge des hygroskopischen Wassers bestimmen, welche die verschiedenen
Steinkohlen unter gleichen Verhältnissen aufzunehmen vermögen, so zeigt sich, daß
dieselbe innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt. Bei mehr als 100 verschiedenen
Steinkohlensorten, welche ich in dieser Richtung untersuchte, ergab sich, daß die
Feuchtigkeitsmenge, welche die verschiedenen bei 100° C. bis zum
Constantbleiben des Gewichtes getrockneten Kohlen aus einer mit Wasserdunst
vollkommen gesättigten Atmosphäre bei 15° C. auf ihrer Oberfläche zu
verdichten vermochten, sich zwischen 2 und 7,5 Proc. bewegt. Diese Fähigkeit Wasser
aufzunehmen steht, wie man sehr häufig annimmt, in gar keinem bestimmten
Verhältnisse zu der sogen. Structur der Kohle. Feste,
stückreiche Glanzkohlen nehmen nicht selten eine dreimal größere Menge Wasser auf,
als sehr lockere, milde und leicht zerreibliche Schieferkohlen von fast lamellarer
Structur, denen man dieser letzteren zufolge eine ganz bedeutende Hygroskopicität
zutrauen möchte. Dagegen bleibt sich die Fähigkeit Wasser zu condensiren bei den
Kohlen ein und desselben Flötzes auf sehr Weite Erstreckungen gleich, oder ist doch nur sehr
geringen Schwankungen unterworfen.
Da das hygroskopische Wasser durch Flächenanziehung der Kohle verdichtet ist, so
gewährt uns die Menge desselben einen directen Ausdruck für die Größe der
Flächenanziehung der Kohle selbst.
Bestimmt man nun, wie ich sogleich angeben werde, die Menge des Sauerstoffes, welche
die verschiedenen Kohlen unter denselben Verhältnissen und in gleichen Zeiträumen
aus der Atmosphäre aufnehmen, so ergibt sich auf das Bestimmteste, daß dieselbe
wächst mit der Größe der Flächenanziehung. Um sich hiervon zu überzeugen und zur
Vergleichung geeignete Resultate zu erhalten, ist es erforderlich die Versuche mit
ganz frisch geförderter Kohle auszuführen, welche mitten aus dem im Abbau
begriffenen Pfeiler genommen und sonach mit der atmosphärischen Luft noch nicht in
längerer Berührung gewesen ist.
Eine solche Kohle gibt, nachdem sie zerstoßen und gesiebt worden, ein zwar lufttrockenes aber mit Feuchtigkeit gesättigtes Pulver.
Von demselben trägt man eine bestimmte Menge, etwa 20 Grm, in das circa 80 Kubikcentimeter fassende Absorptionsrohr und
bringt über das zur Absperrung dienende Quecksilber eine kleine Menge Wasser, um die
Luft mit Feuchtigkeit gesättigt zu halten. Für die Ausführung vergleichender
Versuche sind außerdem folgende Momente zu beachten: 1) die Absorptionsröhren müssen
annähernd dieselbe Capacität und den gleichen Durchmesser haben; 2) die Körnung der
angewandten Kohlen muß eine möglichst gleiche seyn; ich wandte zu den Versuchen ein
griesartiges Pulver an, welches durch wiederholtes Sieben auf Mohnkorngröße gebracht
und von allem Staub befreit worden war; 3) die Versuche müssen wo möglich
gleichzeitig beginnen und bei derselben Temperatur, am besten in demselben Raume
ausgeführt werden.
Die Absorption des Sauerstoffgases durch die frisch geförderte Kohle beginnt sehr
bald und schreitet verhältnißmäßig rasch fort. Die Volumina des absorbirten Gases
sind zwar nicht proportional der Flächenanziehung, wohl
aber sind sie bei großer Flächenanziehung, beziehungs-Hygroskopicität der
Kohle viel bedeutender als bei geringer. Da ich Veranlassung habe in der nächst
folgenden Abhandlung auf den Gegenstand näher einzugehen, so beschränke ich mich
hier auf die Mittheilung, daß die von 20 Grm. der verschiedenen Kohlen in den ersten
24 Stunden absorbirten Sauerstoffmengen zwischen 2 und 9 Kubikcentimeter schwankten.
Ich werde übrigens im Verlaufe der vorliegenden Abhandlung noch auf verschiedene
andere Eigenschaften der Kohle aufmerksam machen, welche die Absorption in ihren ersten
Stadien als einen rein mechanischen, von der Flächenanziehung der Kohle abhängigen
Vorgang charakterisiren.
Entsprechend der Beobachtung, daß die Veränderungen welche die Steinkohlen in
Berührung mit der Luft erleiden, während der ersten Perioden des Lagerns am größten
sind, nachher aber an Intensität abnehmen, erfolgt auch die Sauerstoffaufnahme durch
frisch geförderte Kohlen weit lebhafter und rascher, als durch solche welche bereits
längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesen sind. Das Absorptionsvermögen wird mit der
Zeit ein immer trägeres, ohne indessen jemals ganz zu erlöschen. Auch dieses
Verhalten der Kohle würde sogleich darauf hinweisen, daß die Absorption des
Sauerstoffes in ihren ersten Phasen ein rein physikalischer Vorgang sey, wenn nicht
zuvor noch eine andere Möglichkeit als Erklärungsgrund in Betracht zu ziehen wäre.
Varrentrapp
Polytechn. Journal Bd. CLXXVIII S.
379. hat bekanntlich gezeigt, daß sich aus den Steinkohlen auch bei gewöhnlicher
Temperatur Kohlensäure entwickelt, wenn ein Strom atmosphärischer Luft über
dieselben geleitet wird. Es wäre nun nicht unmöglich, daß ein Theil der überhaupt
gebildeten Kohlensäure auf der Oberfläche der Kohle verdichtet bliebe und diese so
für einen weiteren Zutritt des Sauerstoffes unzugänglich macht. Eine Entscheidung
dieser Frage ist in mehr wie einer Beziehung für die Kenntniß des sogen.
Verwitterungsprocesses von Bedeutung, weßhalb ich dieselbe zum Gegenstand specieller
Untersuchungen machte, deren Ergebnisse ich hier in Kürze mittheile. Sie beweisen,
daß die Ursache des allmählichen Abnehmens der Sauerstoffabsorption nicht in einer
Verdichtung von Kohlensäure auf der Oberfläche der Kohle gesucht werden darf.
Zwar absorbirt die Steinkohle Kohlensäure mit großer Lebhaftigkeit; das Volumen
derselben, welches in einer bestimmten Zeit aufgenommen wird, übersteigt dasjenige
des unter gleichen Verhältnissen absorbirten Sauerstoffes um mehr als das Dreifache.
Auch diejenige Kohle, deren Absorption für Sauerstoff schon so bedeutend abgenommen
hat, daß 20 Grm. täglich kaum noch 1 K. C. aufnehmen, absorbirt in wenigen Stunden
ein ihrem eigenen gleiches Volumen Kohlensäure. Bringt man nun eine mit Kohlensäure
vollständig gesättigte Kohle mit atmosphärischer Luft zusammen, so findet zunächst
eine Vergrößerung des Volumens statt, es wird also Kohlensäure ausgeschieden;
allmählich aber nimmt das Volumen wieder ab. Führt man gleichzeitig eine Kalikugel
in das Rohr ein, oder überzieht man den unteren Theil der Wände desselben mit einer
ganz concentrirten Lösung von Aetznatron, so erfolgt die Absorption des Sauerstoffes ziemlich rasch und
unter reichlicher Abscheidung von Kohlensäure, welche sich in letzterem Falle durch
eine beträchtliche Bildung von kohlensaurem Natron, das in Krystallen den unteren
leeren Theil des Rohres überzieht, sehr augenscheinlich macht.
Läßt man die mit Kohlensäure gesättigte Kohle 36 Stunden unter der Luftpumpe stehen
(ich evacuirte bis auf 2 Zoll Quecksilberdruck), so wird der Kohle der größte Theil,
aber nicht alle absorbirte Kohlensäure entzogen. Wird die so behandelte Kohle darauf
mit Feuchtigkeit gesättigt und wieder in das Rohr gebracht, so findet die
Sauerstoffabsorption wieder mit derselben Lebhaftigkeit statt, wie durch die frisch
geförderte Kohle, wobei es sich vollkommen gleich bleibt, ob eine Kohlensäure
absorbirende Substanz, z.B. Aetznatron, in das Rohr gebracht wird oder nicht; ist
ersteres aber der Fall, so gibt sich sehr bald ein Freiwerden von Kohlensäure zu
erkennen, ein Beweis, daß die Sauerstoffaufnahme anfänglich von einer Ausscheidung
von Kohlensäure begleitet war, die dann bald, wenn es an einer anderen Kohlensäure
absorbirenden Substanz fehlt, von der Kohle selbst wieder aufgenommen wird. Kocht
man die mit Kohlensäure gesättigte Kohle 1/2 Stunde lang mit Wasser und trocknet sie
dann, bis sie zwar lufttrocken aber noch mit Feuchtigkeit gesättigt ist, so hat sie
durch diese Behandlung ihr früheres Absorptionsvermögen vollständig wieder
erhalten.
Ein von dem beschriebenen vollständig abweichendes Verhalten zeigt nun aber die
Kohle, welche durch längeres Lagern an der Luft ihr Absorptionsvermögen für
Sauerstoff verloren hat. Durch Behandlung unter der Luftpumpe läßt sich dieses wohl
etwas erhöhen, aber keineswegs in der alten Lebhaftigkeit wieder herstellen; etwas
besser gelingt dieß durch längeres Auskochen mit Wasser (man vergl. weiter unten
über den Einfluß der Wärme); Kohlensäure wird von solcher Kohle nicht oder nur
vorübergehend in geringer Menge ausgeschieden.
Diese Beobachtungen beweisen, daß das geringere Absorptionsvermögen der längere Zeit
der Luft ausgesetzt gewesenen Kohlen nicht in einer Verdichtung von Kohlensäure
seinen Grund hat; sie sind aber auch in weiterer Beziehung von Interesse: der
Umstand, daß einestheils Kohle deren Absorption für Sauerstoff schon bedeutend
nachgelassen hat, noch reichliche Mengen Kohlensäure absorbirt, und anderntheils,
daß wenn die Kohle Kohlensäure absorbirt enthält, die Aufnahme des Sauerstoffes zwar
erfolgt, aber mit einer anfänglichen Ausscheidung von Kohlensäure verbunden ist,
welche unter Umständen nachträglich wieder absorbirt wird, macht es erklärlich, daß
wenn die betreffenden Versuche in geschlossenen Röhren ausgeführt werden, eine
Kohlensäurebildung nicht oder nur vorübergehend bemerkt wird, während sie bei
dem Versuche wie ihn Varrentrapp ausführte und unter
allen ähnlichen Verhältnissen zu beobachten ist.Der Umstand, daß ich zu den früher mitgetheilten Versuchen (Bd. CXCIII S. 54
dieses Journals) längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesene Kohlen verwandte,
die das gegen Ende des Versuches bereits sehr verdünnte Sauerstoffgas nur
außerordentlich langsam absorbiren, während die Absorption rascher erfolgt,
wenn dieselben Kohlen unter dem Exsiccator vorher getrocknet worden (man
vergl. weiter unten), führte mich damals zu der jetzt als irrig erkannten
Ansicht, daß durch die Feuchtigkeit eine reichlichere Kohlensäure ausscheidung bedingt werde. Bei meinen
zahlreichen späteren Versuchen bemerkte ich eine solche nur einmal und zwar
an einer Kohle aus einem alten Baue, welche etwa 6 Zoll tief unter der
Oberfläche des anstehenden Kohlenpfeilers entnommen war. Ich erkläre mir
diese Erscheinung dadurch, daß sich die betreffende Kohle zunächst sehr
allmählich mit Sauerstoff sättigte, aus welchem sich zum Theil CO²
bildete, die erst dann ausgeschieden wurde als ich die Kohle mit einem
Ueberschuß von atmosphärischer Luft in Berührung brachte. Bei Kohlen, die
ähnlichen Verhältnissen ausgesetzt gewesen sind, mag sich eine
Kohlensäureausscheidung ziemlich regelmäßig zeigen. Ferner weist das letzterwähnte Verhalten der Kohle, wie überhaupt die
allmählich abnehmende Absorption wieder auf die physikalische Seite des
Absorptionsvorganges hin.
Einfluß der Wärme auf den
Oxydationsproceß.
Ich habe bereits früher gezeigt, daß die Wärme das mächtigste Beförderungsmittel des
Oxydationsprocesses ist. Es bedarf hierzu übrigens keineswegs einer Temperatur,
welche weit über 100° C. liegt; jede Temperatursteigerung wirkt vielmehr
beschleunigend auf den Proceß der Oxydation. Ich erwärmte Steinkohlen 14 Tage lang
im Wasserbade bis auf circa 70–80° C.
Die Kohle 1) nahm dabei 1,01 Proc., 2) 0,2 Proc. und 3) 0,35 Proc. an Gewicht zu.
Unter 1, 2 und 3 ist die Zusammensetzung der drei zu den Versuchen angewandten
Kohlen vor, unter 1', 2', 3' die Zusammensetzung
derselben Kohlen nach 14tägigem Erwärmen mitgetheilt. Bei
allen beobachten wir eine Abnahme an Kohlenstoff und Wasserstoff, eine Zunahme an
Sauerstoff, genau wie bei der Verwitterung. Die Backfähigkeit der Kohle 1 war dabei
von 1,4 auf 1,1; die der Kohle 2 von 2 auf 1,6 gesunken; 3 war eine sogen.
Sandkohle, welche keine Kohks gab. Die Kohksmenge hatte sich nicht bemerkbar
verändert, ebenfalls nicht das specifische Gewicht. Der Brennwert!) ist bei 1 um
2,62 Proc., bei 2 um 3,61 Proc., bei 3 um 3,0 Proc. gesunken.
1
2
Aschenhaltige – aschenfreie
Substanz.
Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
78,17 Proc. 82,90 Proc.
C
81,99 Proc. 84,44 Proc.
C
4,95 „ 5,25 „ H
4,92 „ 5,07
„ H
11,18 „ 11,85 „ O
+ N
10,19 „ 10,49
„ O + N
5,70 „ Asche.
2,90 „ Asche.
Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff45,48 disponibler
und 17,85 gebundener= 63,33 Wasserstoff.
Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff44,52 disponibler
und 15,49 gebundener= 60,01 Wasserstoff.
Heizeffect der aschenfreien Substanz= 7922 Calorien
pro Pfund.
Heizeffect der aschenfreien Substanz= 8084
Calorien.
1'
2'
Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
77,54 Proc. 81,94 Proc.
C.
81,07 Proc. 83,49 Proc.
C
4,79 „ 5,06 „ H
4,71 „ 4,85
„ H
12,30 „ 13,00 „ O
+ N
11,32 „ 11,66
„ O + N
5,37 „ Asche.
2,90 „ Asche.
Aus 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff41,92 disponibler
und 19,83 gebundener= 61,75 Wasserstoff.
Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff40,37 disponibler
und 17,73 gebundener= 58,10 Wasserstoff.
Heizeffect wie oben berechnet = 7741Calorien.
Heizeffect wie oben berechnet = 7842Calorien.
Zunahme an
Gewicht 1,01 Proc.
Zunahme an
Gewicht 0,25 Proc.
„
an Sauerstoff 1,28
„
„
an Sauerstoff 1,20
„
Verlust an
Hohlenstoff 0,13
„
Verlust an Kohlenstoff
0,74 „
„
an
Wasserstoff 0,14
„
„
an
Wasserstoff 0,21
„
3
Aschenhaltige – aschenfreie
Substanz.
81,77 Proc. 90,73 Proc. O
3,83 „ 4,25 „ H
4,53 „ 5,02 „ O
9,87 „
Asche.
Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff39,92
disponibler und 6,92 gebundener= 46,84 Wasserstoff.
Heizeffect der aschenfreien Substanz=
8508 Calorien. .
3'
Aschenhaltige – aschenfreie
Substanz.
80,54 Proc. 88,80 Proc. C
3,69 „ 4,07 „ H
6,46 „ 7,13 „ O
+ N
9,31 „ Asche.
Auf 1000 Gewichtstheile Kohlenstoff35,82
disponibler und 10,02 gebundener= 45,84 Wasserstoff.
Heizeffect wie oben berechnet =
8201Calorien.
Zunahme an
Gewicht 0,2 Proc.
„ an
Sauerstoff 2,12 „
Verlust an
Kohlenstoff 1,76 „
„ an
Wasserstoff 0,16 „
Die zu den Versuchen verwandten Kohlen hatten bereits längere Zeit in einem lose
verschlossenen Gefäße gestanden, so daß die Sauerstoffabsorption bei gewöhnlicher
Temperatur nur noch sehr langsam erfolgte. Zur Kontrolle wurden indessen auch die
nicht erhitzten Kohlen nach Ablauf der 14 Tage wieder analysirt. Da während dieser
Zeit die Zusammensetzung derselben sich nicht bemerkbar verändert hatte, so ist also
die aus der obigen Tabelle ersichtliche Zunahme an Sauerstoff, und Abnahme an
Kohlenstoff und Wasserstoff wesentlich der höheren Temperatur, welcher die Kohlen
ausgesetzt worden waren, zuzuschreiben.
Ein scheinbarer Widerspruch liegt in der Wahrnehmung, daß die Oxydation bei höherer
Temperatur rascher fortschreitet, und der Annahme einer vorhergehenden Verdichtung
des Sauerstoffgases durch Flächenanziehung; ich bin indessen der Meinung, daß der
Widerspruch leicht verschwindet, sobald man die eigentliche Oxydation von der bloßen Absorption
unterscheidet. Die erstere erfolgt rascher bei höherer Temperatur, die letztere bei
niederer. Hat sich die Kohle bei gewöhnlicher Temperatur mit Sauerstoffgas
gesättigt, so verbindet sich das verdichtete Gas nur allmählich mit der Substanz der
Kohle, und nur in dem Maaße wie der letztere Proceß fortschreitet, werden neue
Gasmengen aufgenommen. Wird aber die mit Sauerstoff gesättigte Kohle erwärmt, so wird, möglicherweise unter Freiwerden eines
Theiles des verdichteten Gases, der größte Theil chemisch gebunden, und nach
Maaßgabe der Höhe der Temperatur schreitet jetzt der Oxydationsproceß, ohne daß die
Flächenwirkung überhaupt, oder in dem Grade wie bei gewöhnlicher Temperatur zur
Geltung kommt, fort.
Einfluß der Feuchtigkeit auf die
Absorption, resp. Oxydation der Kohle.
Die Mehrzahl der Techniker ist der Ansicht, daß die Feuchtigkeit einen wesentlich
begünstigenden Einfluß auf die sogen. „Zersetzung“ der Steinkohlen äußere.
Thompson unterscheidet Trockenfäule und Naßfäule, je
nachdem sich der Proceß in der trockenen oder feuchten Kohle vollzieht; nach ihm
verhält sich die nachtheilige Wirkung der ersteren zu der der zweiten wie 10 : 13.
Daß die Feuchtigkeit unter Umständen die Oxydation der Kohle begünstigen kann, soll
nicht bestritten werden, aber einestheils ist der Einfluß der Feuchtigkeit ein
ziemlich complicirter und von sehr verschiedenen Umständen bedingter, und
andererseits keineswegs ein so allgemein nachtheiliger, daß sich die von Thompson angewandten Bezeichnungen in ihrer generellen Bedeutung
rechtfertigen ließen. Zunächst werde ich hier einige im Kleinen ausgeführte Versuche
mittheilen.
Bringt man frisch geförderte, lufttrockene und feuchte Steinkohle in zwei
Versuchsröhren, so absorbirt die erstere das Sauerstoffgas bedeutend lebhafter als
die zweite. Schaltet man zwischen die lufttrockenen Kohlen kleine mit geschmolzenem
Chlorcalcium gefüllte Hülsen ein, so daß die Kohle im Rohre selbst austrocknet, so
wird die Lebhaftigkeit der Absorption noch bedeutend gesteigert. Dasselbe ist der
Fall, wenn die Kohle einige Tage lang über Schwefelsäure gestanden hat, obwohl gewiß
auch während dieser Zeit eine beträchtliche Menge Sauerstoff aufgenommen wurde.
Behandelt man, wie zuletzt angegeben, zwei Kohlen mit verschiedener
Flächenanziehung, deren Absorptionsvermögen durch längeres Stehen an der Luft auf
dasselbe Maaß gesunken ist, so hat bei beiden das Absorptionsvermögen, aber in
verschiedenem Grade zugenommen und zwar bei der Kohle mit größerer Flächenanziehung
mehr als bei der anderen.
Trocknet man die Steinkohle bei 100° C. und bringt sie dann, nachdem sie unter
dem Exsiccator erkaltet ist, in das Absorptionsrohr, so absorbirt sie Gas mit
außerordentlicher Lebhaftigkeit; dasselbe besteht übrigens zum Theil (12–21
Proc. der Gesammtmenge im Mittel mehrerer Versuche) aus Stickstoff; auch die bei
gewöhnlicher Temperatur getrocknete Kohle nimmt
letzteren, wenn auch nur zu einigen Procenten, gleichzeitig mit dem Sauerstoff auf.
Alle diese Versuche beweisen vorläufig nur eine relative Steigerung des
Absorptionsvermögens durch die Entfernung der Feuchtigkeit, und rechtfertigen
insofern immerhin die in der vorliegenden Arbeit mehrfach geäußerte Ansicht über den
Einfluß der Flächenanziehung; sie zeigen aber auch, daß eine trockene Kohle zum
mindesten ein größeres Gasvolumen aufnimmt, als eine bloß lufttrockene, bevor das
Absorptionsvermögen beider auf dasselbe Niveau sinkt.
Dagegen lassen die Versuche die Frage unerledigt, wie weit die Feuchtigkeit zur
Herbeiführung einer chemischen Verbindung des Sauerstoffes mit der Substanz der
Kohle vortheilhaft oder gar nöthig ist. Ich habe mich bemüht, diese Frage definitiv
zu entscheiden, ohne aber dabei zu einem positiven Urtheile gekommen zu seyn.
Trocknet man frisch geförderte oder auch längere Zeit der Luft ausgesetzt gewesene
Kohle im Exsiccator über Schwefelsäure bis sie keine Feuchtigkeit mehr abgibt und
sperrt sie dann über Quecksilber ab, so absorbirt sie Sauerstoff, wie wir gesehen
haben, reichlicher als die nicht vorher getrocknete Kohle. Läßt man die Kohle nun so
lange mit der Luft in Berührung, bis die in 24 Stunden durch 20 Grm. Kohle
stattfindende Absorption noch höchstens 0,5 K. C. beträgt, befeuchtet sie dann stark mit Wasser
und sperrt sie wieder über Quecksilber ab, so findet keine Vergrößerung des
Luftvolumens statt, welche insofern möglich wäre, als das Wasser einen Theil des
mechanisch von der Kohle aufgenommenen Gases wieder austreiben könnte; es wird im
Gegentheil immer noch ein wenig Sauerstoff absorbirt. Bringt man nun, nachdem das
Wasser längere Zeit mit der Kohle in Berührung gewesen ist, die bereits erwähnten,
mit Chlorcalcium gefüllten Hülsen in das Rohr, so daß die Kohle austrocknen kann, so
tritt die Absorption mit erneuerter Lebhaftigkeit wieder ein. Diese Beobachtung
spricht zwar entschieden für die Annahme, daß das Wasser den Oxydationsproceß
begünstige, ich darf aber nicht verschweigen, daß wenn man in der angegebenen Weise
fortfährt, die Kohle abwechselnd mit Wasser und Chlorcalcium zu behandeln, endlich
doch keine wahrnehmbare Steigerung des Absorptionsvermögens mehr zu beobachten
ist.
Sehen wir daher vorläufig von der oben aufgestellten Frage ab, und suchen die Wirkung
des Wassers nicht als eine directe, sondern mittelbare aufzufassen, so werden wir
finden, daß sich in letzterer Beziehung genügende Anhaltspunkte bieten, um den
bedingterweise günstigen Einfluß des Wassers auf die sogen.
„Zersetzung“ der Steinkohlen zu erklären. Sämmtliche
Steinkohlen enthalten Schwefelkiese, deren Oxydation nur
unter Mitwirkung der Feuchtigkeit erfolgt. Unzweifelhaft ist dieser Proceß ein
wichtiges, wenn auch nur indirect wirksames Beförderungsmittel der Oxydation der
Steinkohlen selbst. Denn erstens ist derselbe stets von einer Wärmeentwickelung und
also auch Temperaturerhöhung begleitet, welche, wie ich gezeigt habe, die
Sauerstoffaufnahme durch die Kohlen so außerordentlich wirksam erhöht; ferner wird
in Folge der mit der Umwandlung des Schwefelkieses zu schwefelsaurem Eisenoxydul
verbundenen Volumvergrößerung die Kohle zersprengt und zerkleinert, die größeren
Stücke zerfallen und bieten in dieser vermehrten Zertheilung der Luft eine größere
Berührungsfläche dar, möglicherweise tritt endlich zu diesen beiden noch ein drittes
die Oxydation begünstigendes Moment. Es ist bekannt, daß sich das schwefelsaure
Eisenoxydul an der Luft rasch in Oxyd verwandelt, welches von der Kohle wieder
desoxydirt wird; es ist nun jedenfalls denkbar, daß das Eisenoxyd gewissermaßen als
Träger des Sauerstoffes fungirt und diesen in die Kohle überführt. Ist bei der
relativ kleinen Menge des Eisenoxydes seine Wirkung auch nicht sehr hoch
anzuschlagen, so kann es doch nicht verfehlen, auf die Beschleunigung der Oxydation
der Steinkohle selbst einen günstigen Einfluß zu äußern. Bringt man zwei Kohlen, von
denen die eine reich, die andere ärmer an Schwefelkies ist, nachdem sie längere Zeit
der Luft ausgesetzt
gewesen sind, angefeuchtet über Quecksilber, so beginnt bei der ersteren alsbald
wieder eine ziemlich lebhafte und andauernde Absorption, die ich kaum auf Rechnung
des Schwefelkieses allein setzen möchte, während das Absorptionsvermögen der anderen
nicht im Geringsten zu-, sondern im Gegentheil abnimmt. Eine Kohle welche als
Pulver 8 Monate lang der Luft ausgesetzt gewesen war und 3,04 Proc. S enthielt, absorbirte lufttrocken in 9 Tagen 3,9 K. C.
Sauerstoff, eine zweite ebenso mit 1,08 Proc. S
absorbirte in derselben Zeit 4,9 K. C. Als beide angefeuchtet wurden, absorbirte 1
in 9 Tagen 6,5 K. C., 2 aber nur 3,8 K. C. Sauerstoff.
Die schwefelärmere Kohle absorbirte also im feuchten Zustande weniger als im
lufttrockenen, und umgekehrt die schwefelreichere weniger im lufttrockenen als im
feuchten.
In Uebereinstimmung mit der Annahme, daß die Feuchtigkeit nur einen bedingten und
mittelbar günstigen Einfluß auf die Oxydation der Kohle äußere, steht auch das
Resultat des folgenden Versuches: ich setzte gleichzeitig mit den erwähnten Proben,
welche trocken 14 Tage lang erwärmt wurden, drei andere denselben Kohlen angehörende
in das Dampfbad, hielt letztere aber während des Tages fortwährend feucht. Die
veränderte Zusammensetzung, Gewichtszunahme etc. zeigt folgende Tabelle:
1'
2'
Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
Aschenhaltige – aschenfreie Substanz.
77,44 Proc. 82,02 Proc.
C
81,46 Proc. 83,81
Proc. C
4,8 „ 5,09
„ H
4,76 „ 4,90
„ H
12,16 „
12,89
„ O + N
10,87 „ 11,29
„ O + N
5,59 „ Asche.
2,91
„ Asche.
Auf 1000 Kohlenstoff 42,42 disponiblerund 19,63
gebundener = 62,05 Wasserstoff.
Auf 1000 Kohlenstoff 41,63 disponiblerund 16,75
gebundener = 58,38 Wasserstoff.
Heizeffect der aschenfreien Substanz= 7762 Calorien.
Verlust = 2,01 Proc.
Heizeffect der aschenfreien Substanz= 7893 Calorien.
Verlust = 2,35 Proc.
Zunahme an
Gewicht 0,98 Proc.
Zunahme an
Gewicht 0,14 Proc.
„ an
Sauerstoff 1,17 „
„ an
Sauerstoff 0,82 „
Verlust an
Kohlenstoff 0,08 „
Verlust an
Kohlenstoff 0,52
„
„ an
Wasserstoff
0,11 „
„ an
Wasserstoff 0,16 „
3'
Aschenhaltige – aschenfreie
Substanz.
80,75 Proc. 89,01 Proc.
C
3,59 „
3,36 „
H
6,38 „
7,03 „
O + N
9,28 „
Asche.
Auf 1000 Kohlenstoff 34,60
disponiblerund 9,89 gebundener = 44,49 Wasserstoff.
Heizeffect der aschenfreien
Substanz= 8183 Calorien. Verlust = 3,81 Proc.
Zunahme an
Gewicht 0,45
Proc.
„ an
Sauerstoff 2,04 „
Verlust an
Kohlenstoff 1,32
„
„ an
Wasserstoff 0,27 „
Nur Kohle 3 hat sich hier unter dem Einflusse der Feuchtigkeit mehr verändert als bei
dem entsprechenden Versuche welcher ohne Zusatz von Wasser ausgeführt wurde, und in
der That zeichnet sich diese Kohle vor 1 und 2, die sich weniger verändert haben, durch einen bedeutenden Gehalt an Schwefelkies
aus. Da indessen hier die Bedingungen, unter denen wir uns den
Schwefelkies wirksam denken, der speciellen Ausführung des Versuches
zufolge zum größten Theil ausgeschlossen waren, so möchte ich auch diesem nicht die
weiter fortgeschrittene Oxydation der Kohle zuschreiben; wohl aber glaube ich, daß
in der Mehrzahl der Fälle der oft behauptete günstige Einfluß der Feuchtigkeit auf
die Zersetzung der Steinkohlen, auf die Oxydation der Schwefelkiese und die hiermit
verbundenen secundären Erscheinungen zurückgeführt werden muß, so daß sich
schwefelkiesarme Kohlen lufttrocken mindestens ebenso rasch und rascher zersetzen,
resp. oxydiren, als im feuchten Zustande. – Hierauf, wie auf eine weitere
rein mechanische Wirkung des Wassers, welche sich besonders dann geltend machen
kann, wenn die Kohle in sehr großen Haufen lagert, werde ich in meiner nächsten
Abhandlung über die Selbstentzündung der Steinkohlen näher eingehen.
Einfluß des Lichtes auf die
Absorptionserscheinungen.
In einer vorhergehenden Abhandlung habe ich die Beobachtung mitgetheilt, daß das
Tageslicht die Absorption des Sauerstoffgases verhindere, resp. verlangsame, ohne
daß ich indessen der vielen Fehlerquellen halber, welche ich zu vermeiden hatte, den
Satz bestimmt auszusprechen wagte. Ich operirte damals ausschließlich mit älteren
Kohlen, welche, wie die betreffenden Versuche zeigen, sehr träge absorbirten. Bei
meinen späteren Versuchen, die in so weit unter günstigeren Umständen ausgeführt
wurden, als der
betreffende Arbeitsraum eine annähernd constante, nur zwischen 3–10°
C. schwankende Temperatur besaß und vor dem Eindringen directer Sonnenstrahlen
geschützt war, habe ich an solchen Kohlen mit stark reducirtem Absorptionsvermögen
dieselbe Beobachtung häufig wiederholen können; dagegen absorbiren frisch geförderte
Kohlen den Sauerstoff mit solcher Intensität daß sich der jedenfalls sehr geringe
Einfluß des Lichtes der Beobachtung entzieht. Ich gehe auch jetzt nicht über das
rein Objective der Erscheinung hinaus und beschränke mich auf die Wiederholung
meiner damaligen Beobachtung, daß bei alten schwach absorbirenden Kohlen, wie die
früher angewandten, die Volumenabnahme der mit denselben abgesperrten Luft im
Tageslichte eine geringere – unter Umständen verschwindende – ist, als
bei Abwesenheit desselben. Auch diese Erscheinung würde sich besser mit der
Voraussetzung einer bloßen Absorption, als eines Oxydationsprocesses in
Uebereinstimmung bringen lassen.