Titel: | Ueber die Verwerthung diffundirter Rübenschnittlinge als Nahrungsmittel; mitgetheilt von Dr. Carl Ottacar Cech, Docent am Polytechnicum zu Prag. |
Autor: | Carl Otokar Cech [GND] |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. LXVIII., S. 278 |
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LXVIII.
Ueber die Verwerthung diffundirter
Rübenschnittlinge als Nahrungsmittel; mitgetheilt von Dr. Carl Ottacar Cech, Docent am Polytechnicum zu
Prag.
Cech, über Verwerthung diffundirter Rübenschnittlinge als
Nahrungsmittel.
Seit der Einführung des Robert'schen
Saftgewinnungsverfahrens in Selovic (Zidlichovic, Mähren) erfreut sich diese
epochemachende Erfindung einer in stetem Wachsen begriffenen Verbreitung in den bereits bestehenden, sowie
neu entstehenden Zuckerfabriken Böhmens, Mährens, Ungarns u.s.w.
Der einzige Umstand, warum man diesem Verfahren noch hie und da die Thüre
verschließt, beruht wohl weniger in der auf 2000 fl. für neue Fabriken festgesetzten, pflichtgemäßen Prämie, als in der
unbegründeten Furcht, die durch Diffusion angehäuften, äußerst wasserhaltigen
Rübenschnittlinge nicht schnell genug an Mann bringen zu können.
Es läßt sich nicht läugnen, daß die ungeheuren Massen sehr voluminöser Schnittlinge
dem Zuckerfabrikanten einige Schwierigkeiten bereiten müssen; diesem kann man jedoch
durch Anwendung der Seele'schen Nachpressen
(Braunschweig), sowie durch regelrechtes Eintretenlassen in drainirte oder mit
natürlichem Sandgrunde versehene Gräben leicht abhelfen.
Aus einer bezüglichen Debatte des Vereines ostböhmischer Zuckerfabrikanten entnehme
ich, daß die mit Diffusion arbeitenden Fabrikanten diese und ähnliche
„sogenannte“ Uebelstände des Verfahrens leicht paralysiren,
um so mehr, da es erwiesen ist, wie vortreffliche Resultate alle bisherigen
Mastversuche mit Diffusions-Rübenschnittlingen ergaben. So finden wir denn
auch, daß in dem durch Mißernten oft hart mitgenommenen Königreiche Böhmen,
rationelle Viehzüchter in den Diffusionsrückständen ein ergiebiges Mästungsmittel
erblicken und dasselbe oft meilenweit zu diesem Zwecke verfrachten.
Die Diffusions-Rübenschnittlinge dürften jedoch binnen Kurzem selbst als Nahrungsmittel dürftiger Volksclassen mit Erfolg
angewendet werden und es sind in der heurigen Campagne bereits in größerem Maaßstabe
derartige Versuche in böhmischen Zuckerfabriken angestellt worden.
Indem ich mich auf die äußerst schätzbaren Erfahrungen stütze, welche Hr. Dr. J. B. Lambl, Professor
der Landwirthschaft am Polytechnicum zu Prag, bereits vor neun Jahren an der
Liebwerder Ackerbauakademie versuchsweise erzielte, glaube ich das Interesse der
Fachmänner für einen Gegenstand in Anspruch nehmen zu dürfen, welchem sicherlich
lucrative Verwerthung nicht abgesprochen werden kann.
Werden die Rübenschnittlinge nach beendeter Diffusion und nach 2 bis 3 wöchentlicher
Gährung einer Untersuchung unterzogen, so nehmen wir wahr, daß die nach der
Diffusion übriggebliebenen Pectinsubstanzen, die Cellulose u.s.w. der
Rübenschnittlinge ein angenehm säuerlich riechendes, wohlschmeckendes Kraut
repräsentiren, welches mit einem Zusatz von Kümmel zu einem billigen vegetabilischen
Nahrungsmittel umgewandelt würde. Hierbei ist wohl zu merken, daß die aus den
Diffuseuren entleerten Schnittlinge zuvörderst einer Waschung mit Wasser unterworfen
werden müssen, um die denselben anhaftenden Sand- und Erdetheilchen zu
entfernen. Daß sich saure Rübenschnittlinge selbst zwei Jahre unverändert als Kraut aufbewahren lassen, kann ich aus eigener Erfahrung
bestätigen.
Erwägt man ferner, daß unter den vegetabilischen Nahrungsstoffen die Hülsenfrüchte am
ausgiebigsten sind, und daß diese stickstoffhaltige Stoffe (Casein) in solchem
Verhältnisse enthalten, daß dieselben am besten mit Fettzusatz, Essig u.s.w.
genossen werden, so liegt es nahe, wie sehr die an Eiweiß ärmeren Rübenschnittlinge,
mit Erbsen, Linsen, Bohnen etc. gemischt, als nahrhafte Speise dienen können.
Dadurch erzielen wir ein vortheilhaftes, gegenseitiges Ergänzen des in den
Hülsenfrüchten enthaltenen Caseins und der in den Rübenschnittlingen vorkommenden
Kohlenstoffhydrate.
Läßt man Erbsen und Linsen zerkochen und mischt dieselben mit einer gleich großen
Menge Rübenkraut resp. eingesäuerten Rübenschnittlingen, so erhält man ein
schmackhaftes, sättigendes und leicht verdauliches
Gericht.
Noch bessere Resultate werden erzielt, wenn man die harten, schwer kochbaren Erbsensorten in Mehlform zur Anfertigung eines sogen.
Erbsen-Purée's verwendet und dieses dann mit dem Rübenkraut
vermischt.
Versuche, welche in dieser Richtung Hr. Miroslav Napravil Director der Velimer Zuckerfabrik angestellt hat,
haben mich darüber belehrt, daß es nun wirklich an der Zeit ist, ein so billiges,
nahrhaftes und gutes Nahrungsmittel, wie es die Diffusions-Rübenschnittlinge
in Hülle und Fülle bieten, auf rationelle Weise zu einem gewinnbringenden
Nebenerwerb der nach dem Diffusionsverfahren arbeitenden Zuckerfabriken machen zu
können.
Prag, im Januar 1870.