Titel: | Die Bunsen'sche Wasserluftpumpe und ihre technische Verwendung; von Dr. Clemens Winkler. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. XI., S. 34 |
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XI.
Die Bunsen'sche Wasserluftpumpe und ihre technische
Verwendung; von Dr. Clemens
Winkler.
Aus der deutschen Industriezeitung 1869, Nr.
47.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Winkler, über die Bunsen'sche
Wasserluftpumpe und deren technische Verwendung.
Bunsen's schöne Erfindung der Wasserluftpumpe, deren
Wirksamkeit bekanntlich in der continuirlichen Herstellung und Erhaltung der Toricelli'schen Leere eines Wasserbarometers besteht, ist
von der wissenschaftlichen Welt mit Recht voller Freude begrüßt worden. Vereinigt
doch dieser Apparat, trotz aller Einfachheit, die Vorzüge einer billigen
Herstellung, sowie einer mühe- und kostenlosen Handhabung in sich, bei einem
Effect, der für die meisten Fälle seiner Anwendung vollständig ausreicht. Namentlich findet
dieß statt bei den Operationen des Filtrirens, Auswaschens, Trocknens und
Abdampfens, für welche die Wasserluftpumpe ja auch vom Erfinder ganz besonders
bestimmt worden ist.
Die Vortheile, welche die Anwendung der Bunsen'schen
Wasserluftpumpe bei den Arbeiten im chemischen Laboratorium gewährt, lassen sich
auch für die Industrie verwerthen und zwar bietet sich an allen Orten, wo Wasser und
Gefälle in hinreichendem Maaße vorhanden sind, Gelegenheit zur kostenfreien
Herstellung eines Vacuums. Statt des Wassers kann man mit gleichem Erfolg andere
Flüssigkeiten, z.B. Salzlaugen, Säuren etc. verwenden, wenn man solche zur Verfügung
hat, wie dieß ja häufig genug in Fabriken der Fall ist, wo der Abfluß derartiger
Flüssigkeiten von höheren nach tiefer gelegenen Punkten tagtäglich stattfindet.
Für technische Zwecke bedient man sich nicht des gläsernen Apparates, wie ihn Desaga in Heidelberg nach Bunsen's Angabe liefert; dauerhafter, billiger und dabei nicht minder
einfach kann man ihn sich selbst aus mehreren Stücken Bleirohr von verschiedener
Weite herstellen, so wie es die beigegebene Skizze zeigt.
Fig. 7 gibt
ein Bild dieser Bleirohrstücke in ihrer vorläufigen Zusammenstellung. Die Verbindung
derselben erfolgt nach der in Fig. 8 abgebildeten Weise.
a ist das Luftsaugrohr,
welches am unteren Ende durch Zusammenklopfen, Zulöthen und Aufbohren mit einer
verjüngten Oeffnung versehen wird; das weitere Rohr b,
welches an beiden Enden bis zur Stärke von a
zusammengezogen ist, bildet den Wassermantel; sein oberes
Ende wird mit dem Rohre a, nachdem man dieses
entsprechend weit eingeführt hat, dicht verlöthet, an das untere Ende dagegen wird
der Stutzen c, ebenfalls durch Löthung, befestigt. An
c setzt man, nach Aufstellung der Luftpumpe,
mittelst Loth oder auch Kautschukrohr, ein womöglich 40' langes verticales Wasserfallrohr aus Blei an, welches am unteren Ende durch
Flüssigkeit gesperrt oder barometerartig aufgebogen ist. Der Rohrstutzen e, welcher rechtwinkelig in den oberen Theil des
Wassermantels eingelöthet ist, steht durch einen Hahn mit der Wasserleitung in Verbindung; d endlich
communicirt einerseits mit dem Luftsaugrohre a, während
das andere Ende durch ein Stück Kautschukrohr mit einer in Quecksilber tauchenden
Manometerröhre verbunden ist. Sämmtliche Löthungen
müssen völlig dicht seyn und am zweckmäßigsten und haltbarsten bewerkstelligt man
dieselben mit reinem Blei unter Zuhülfenahme einer durch Luft angeblasenen
Wasserstoffflamme.
Die Handhabung dieser bleiernen Apparate ist selbstverständlich ganz dieselbe wie die der gläsernen
Bunsen'schen. Man setzt den Raum, welcher luftleer
gepumpt werden soll, mit dem oberen Ende des Rohres a in
dichte Verbindung und öffnet hierauf den an e
angebrachten Wasserhahn. Das im Füllrohr c
niederstürzende Wasser reißt sodann die vorhandene Luft durch die in a befindliche Oeffnung mit sich und sofort beginnt das
Quecksilber des Manometers zu steigen und erhebt sich bei genügendem Gefälle bis auf
wenige Millimeter unter dem Barometerstande.
Es stört durchaus nicht, daß diese Apparate undurchsichtig sind, denn man hat am
Spiel des Manometers, welches man einzig zu beobachten braucht, ein genaues
Erkennungszeichen, wie der Wasserzufluß zu regeln ist, in welchem Maaße die
Evacuirung vorschreitet und ob die Dichtung eine vollständige sey. Das bei der Bunsen'schen Luftpumpe angebrachte kleine
Condensationsgefäß habe ich weggelassen, da es unter Umständen zweckmäßiger
erscheinen kann, es separat aufzustellen und es durch eine besondere Rohrleitung
erst mit der eigentlichen Luftpumpe zu verbinden.
Die eben beschriebenen bleiernen Apparate habe ich bis jetzt in zwei verschiedenen
Größen angefertigt. Die kleinere Sorte, mit welcher man den Effect der bei Desaga in Heidelberg käuflichen Glasluftpumpen erreicht,
besitzt folgende Dimensionen:
Länge:Millimet.
Weite:Millimet.
Wandstärke:Millimet.
a
300
8,5
1,5
b
165
23,0
2,5
c
70
8,5
1,5
d
80
8,5
1,5
e
70
8,5
1,5
Weite der in der Luftsaugröhre a
angebrachten Oeffnung = 1,5 Millimet.
Hingegen wurden bei der Anfertigung von Luftpumpen, mit deren Hülfe es möglich wird,
größere Räume in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu evacuiren, nachstehende Maaße als
zweckmäßig befunden:
Länge:Millimet.
Weite:Millimet.
Wandstärke:Millimet.
a
470
17,0
3,0
b
235
35,0
5,0
c
110
17,0
3,0
d
100
8,5
1,5
e
110
17,0
3,0
Weite der im Luftsaugrohr a angebrachten Oeffnung = 3 bis
3,5 Millimet. Die Weite
des 40' langen Fallrohres wurde stets derjenigen von c
gleich gewählt.
Das Gefäß, dessen ich mich bediente, um mit Hülfe der Bunsen'schen Wasserluftpumpe Filtrationen in größerem Maaßstab
auszuführen, wird durch Fig. 9 veranschaulicht. Es
bestand aus einem viereckigen Kasten von starkem Holz, der innen und außen mit circa 3 Millimet. dickem Bleiblech überzogen und derart
vollkommen dicht in Blei eingelöthet war, daß die Holzeinlage eigentlich nur zur
Herstellung der dem Blei mangelnden Steifheit und Widerstandsfähigkeit diente. In
der halben Höhe des Kastens war ein aus starkem Holz gefertigter durchlöcherter
Zwischenboden d eingeschaltet, der nicht allein in den
Ecken aufruhte, sondern auch in der Mitte gestützt wurde. Versäumt man, diese
Mittelstütze anzubringen, so ist beim nachfolgenden Evacuiren die totale
Zertrümmerung des durchlöcherten Bodens und das Zerreißen der ganzen
Filtrireinrichtung unausbleibliche Folge. Der in der Zeichnung freigelassene Raum
c wurde mit einer Schicht Stroh oder Reisig
ausgefüllt und auf diese der mit Leinwand bespannte Rahmen b fest aufgesetzt. Die zwischen Rahmen und Gefäßwandung verbleibenden
Ritzen verdichtete man sorgfältig mit Werg.
Solchergestalt wird also das ganze Filtrirgefäß in zwei Abtheilungen, a und e, geschieden, deren
erste zur Aufnahme des Niederschlages dient, während sich in der zweiten das Filtrat
sammelt. Um nun den Apparat in Betrieb zu setzen, verschließt man f luftdicht durch einen Hahn oder Kautschukpfropfen und
verbindet den durch ein kleines Dach vor dem Eindringen der niedertropfenden
Flüssigkeit geschützten Rohrstutzen g mit dem Saugrohre
der Luftpumpe. Hierauf füllt man den Raum a mit dem zu
filtrirenden Niederschlage und setzt durch Oeffnen des Wasserhahnes die Luftpumpe in
Thätigkeit. Sofort beginnt innerhalb des Raumes e ein
lebhaftes Träufeln, welches in dem Maaße, als das Quecksilber des Manometers steigt,
zunimmt, während der Inhalt von a sich an Volumen
verringert und durch frisches Aufgießen immer wieder ergänzt werden muß.
Der auf der Oberfläche der Flüssigkeit lastende atmosphärische Druck beschleunigt den
Proceß des Filtrirens in ganz außerordentlicher Weise und namentlich läßt sich das
Auswaschen der Niederschläge in kurzer Zeit und mit geringen Wassermengen auf das
Vollständigste bewerkstelligen, wenn man den frischen Wasseraufguß macht, bevor sich
durch das bald eintretende Rissigwerden des Niederschlages Rinnen und Canäle
gebildet haben, welche die Flüssigkeit durchlassen würden, ohne daß sie zur
gehörigen Wirksamkeit gelangte. Jedenfalls ist es zweckmäßig, solche Risse, wenn sie ja entstanden
seyn sollten, sorgfältig mit dem Spatel zuzustreichen, bevor man einen neuen Aufguß
gibt. Das Zustreichen macht sich auch wiederholt nöthig, wenn man den ausgewaschenen
Niederschlag von der ihm noch anhaftenden Flüssigkeit nach Möglichkeit befreien, ihn
gewissermaßen aussaugen will, wobei übrigens das Sinken des Manometers und das
auftretende Geräusch jede entstandene Undichtheit sofort anzeigen. Nach beendetem
Filtriren und Auswaschen läßt man das Filtrat durch f
abfließen und löst den Niederschlag mit dem Spatel von der Leinwand ab.
Die meisten Niederschläge lassen sich auf diese Weise mit bedeutender Beschleunigung
filtriren, von allen aber kann man dieß nicht behaupten.
So wurde diese Methode z.B. mit vollständig negativem Resultat auf einen
außerordentlich voluminösen, schleimigen Niederschlag – ein Gemenge von
hydratischem Schwefeleisen und Schwefelcalcium – angewendet. Diese Substanz
drückte sich in dünner und so überaus dichter Schicht an die Leinwand fest, daß
diese wie zugeleimt erschien und keinen Tropfen Flüssigkeit mehr durchließ. Der
gleiche Fall trat bei Anwendung eines Sandfilters ein. Solche Erscheinungen sind
jedoch nur Ausnahmen und können die Vortheile, welche das Verfahren im Allgemeinen
bietet, nur wenig schmälern.
Das Filtriren unter Zuhülfenahme des natürlichen, atmosphärischen Druckes ist nichts
Neues und hat schon mannichfache Anwendung gefunden; die Bunsen'sche Einrichtung bietet aber den unbestreitbaren Vorzug, daß sie,
ohne Mühe und Kosten zu verursachen, die Aufstellung des Filtrirapparates an jeder
beliebigen Stelle gestattet. Die früheren, mir bekannten Filtrireinrichtungen nach
gleichem Princip mußten in bedeutender Höhe angebracht werden, weil das durch ein
30–40' hohes Fallrohr abfließende Filtrat es war,
welches dem Drucke der atmosphärischen Luft das Gleichgewicht zu halten hatte.
Dieser lästige Umstand ist durch den Bunsen'schen Apparat
vollständig beseitigt. Man braucht das Rohr g des
Filtrirkastens nur mit dem Saugrohre a der Luftpumpe
durch eine entsprechend lange Bleirohrleitung luftdicht zu verbinden und kann dann
das Filter mit völlig gleichem Erfolg hoch oder niedrig, nahe oder beliebig weit von
der Luftpumpe entfernt aufstellen. Es ist ferner möglich, mit einer und derselben
Luftpumpe, die dann natürlich entsprechende Dimensionen haben muß, eine große Anzahl
von Filtrirapparaten, die in den verschiedensten Localitäten eines Fabrikgebäudes
aufgestellt seyn können, gleichzeitig zu evacuiren. Indem man dieselben durch Hähne
mit einer Hauptrohrleitung in Verbindung bringt, die nichts anderes als eine
Verlängerung des Saugrohres der Luftpumpe bildet, kann man, durch einfaches Oeffnen oder
Schließen der Hähne, die Filtration da oder dort beliebig einleiten oder
unterbrechen. Wie man in chemischen Laboratorien schon Gas-, Wasser-
und Windleitungen hat, ebenso möchte sich für dieselben die Einrichtung einer (so zu
sagen) Vacuumleitung empfehlen.
Ob und mit welchem Vortheil der Bunsen'sche Apparat die
zum Abdampfen von Zuckerlösungen, Extracten etc. in Fabriken angewendeten
Kolbenluftpumpen zu ersetzen im Stande ist, vermag ich nicht zu beurtheilen und es
dürfte dieß hauptsächlich von dem zu Gebote stehenden Wasserquantum, somit von
localen Verhältnissen abhängig seyn. Zu empfehlen wäre der Gebrauch der
Wasserluftpumpe beim Destilliren stoßender Flüssigkeiten, vielleicht sogar beim
Destilliren überhaupt, vorausgesetzt daß es gelingt, durch gute
Condensationseinrichtungen allem Verlust an Destillat vorzubeugen. An Orten wo das
Brennmaterial theuer ist, Wasser und Gefälle dagegen im Ueberfluß vorhanden sind,
dürfte es wohl der Mühe werth seyn, hierüber Versuche anzustellen. Im Uebrigen
genüge es, an die Verwendungsfähigkeit der Wasserluftpumpe bei den verschiedensten
Industriezweigen, als beim Färben und Bleichen, beim Conserviren, Extrahiren,
Imprägniren, Trocknen etc., kurz zu erinnern; die Vortheile, die sie bieten kann,
aufzusuchen und auszubeuten, ist Pflicht der Technik, und bald genug wird es sich
zeigen, welches Ersparniß an Zeit, Arbeit und Brennmaterial der einfache,
unscheinbare Apparat zu vermitteln im Stande ist.