Titel: | Selbstthätige Ventile für pneumatische Briefleitungen. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. IX., S. 29 |
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IX.
Selbstthätige Ventile für pneumatische
Briefleitungen.
Nach Engineering, October 1869, S.
287.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Sabine's selbstthätige Ventile für pneumatische
Briefleitungen.
Der Länge einer pneumatischen Depeschen- oder Briefleitung wird durch die
allmähliche Zunahme der Reibung der bewegten Luftsäulen, der hierdurch bedingten
Verminderung der Geschwindigkeit des Depeschenkolbens eine gewisse Grenze
gesetzt.
Die längsten der bekannten pneumatischen Communicationen sind jene in Paris von 1200
Yards (circa 1100 Meter), in Belgien von 1300 Yards (circa 1190 Meter) und in London von 1400 Yards (circa 1280 Meter) Länge.
Die Geschwindigkeit des Depeschenkolbens in einer Pariser LeitungPneumatische Depeschenbeförderung in Paris, beschrieben im polytechn. Journal
Bd. CXCIII S. 97 (zweites
Juliheft 1869). von 1000 Yards Länge beträgt 40 engl. Meilen pro
Stunde; man berechnet, daß bei einer 4000, resp. 9000 Yards langen Leitung –
sonst gleiche Verhältnisse vorausgesetzt – die Geschwindigkeit auf die
Hälfte, resp. ein Drittel, d. i. umgekehrt proportional der Quadratwurzel aus der
Länge abnehmen würde.
Sollten somit längere als die bisher bekannten Leitungen angelegt werden, so wird es
erwünscht, den größeren Geschwindigkeiten in kürzeren Leitungen durch geeignete
Vorrichtungen möglichst nahe zu kommen und zwar dadurch, daß man in gewissen
Abständen die längere Leitung mit Ventilen versieht, welche sich nach Bedarf öffnen
oder schließen, die Communication mit der äußeren Luft herstellen oder
unterbrechen.
Wurde beispielsweise eine Leitung von 3 engl. Meilen Länge mit zwei Ventilen auf je
eine Meile Abstand versehen, so könnte der Depeschenkolben im ersten Drittel mit der
Geschwindigkeit entsprechend einer kurzen Leitung von 1 Meile sich fortbewegen, wenn
das erste Ventil sich öffnet; in der zweiten Strecke mit einer Geschwindigkeit
entsprechend einer 2 Meilen langen Leitung, wobei das erste Ventil geschlossen, das
zweite aber geöffnet ist; endlich in der dritten Strecke mit der geringsten, einer 3
Meilen langen Leitung entsprechenden Geschwindigkeit.
Um dieß durch Zahlen übersichtlicher darzustellen, wurde nachstehende Tabelle
angelegt, in welcher eine Leitung in mehrere Sectionen durch die angedeuteten Ventile abgetheilt
und die Geschwindigkeit des Briefkolbens in der ersten Strecke gleich 1 angenommen
ist.
Zahl derSectionen.
Zeit für denDurchgang.
Durchgangszeit für die
ganzeLeitung
Zeitverlustohne
Ventile,
mit Ventilen.
ohne Ventile.
in Procenten.
1
1,00
1,00
1,00
2
1,41
2,41
2,82
17,0
3
1,73
4,14
5,19
25,4
4
2,00
6,14
8,00
30,3
5
2,24
8,38
11,20
33,7
6
2,45
10,83
14,70
35,7
7
2,65
13,48
18,55
37,6
8
2,83
16,31
22,64
38,8
9
3,00
19,31
27,00
39,8
10
3,16
22,47
31,60
40,6
Die Einschaltung eines Ventiles im halben Weg einer Leitung würde also eine
Zeitersparniß von 17 Procent gegenüber jenem Aufwand bewirken, welchen der in der
ununterbrochenen Linie sich bewegende Kolben beansprucht. Im Falle der Eintheilung
der Linie in 10 Sectionen würde die Zeitdauer nur 22,47 gegenüber 31,60
Zeiteinheiten betragen, welche letztere für die ununterbrochene Leitung nöthig
wären, was eben 40,6 Procent Zeitersparniß repräsentirt. Dieser Umstand wurde schon
im Jahre 1857 vom Ingenieur Latimer Clark hervorgehoben
und folgende Bedingungen für die Ventilanordnung aufgestellt:
1) Stimmt der Druck der Luft in der Leitung mit jenem der Atmosphäre überein, so
befindet sich das Ventil in einer Art Ruhelage, bei welcher sowohl der
Depeschenkolben durch verdichtete Luft vorwärtsgeschoben als auch mit Hülfe von
verdünnter Luft angesaugt werden kann.
2) Wird in Folge des Einlassens von comprimirter Luft der Depeschenkolben vorwärts
bewegt, so muß sich das zunächst folgende Ventil automatisch öffnen, und zwar so
lange, bis der Kolben im Vorbeischießen den Abschluß des Ventiles verursacht,
welcher nun so lange statthaben muß, bis der Kolben die Empfangsstation erreicht
hat.
3) Wird dagegen der Depeschenkolben angesaugt, also vor demselben die Luft in dem
Leitungsrohr verdünnt, so müssen alle dazwischen (d. i. zwischen dem Kolben und der
Ansaugstation) befindlichen Ventile sich selbstthätig schließen. Der Kolben öffnet
im Vorbeigehen das Ventil, welches sich in die Ruhelage zurückbegibt, sobald er die Endstation erreicht (oder
auch das nächstfolgende Ventil geöffnet) hat.
4) Ist der Durchgang vollendet, so stellt sich der Luftzustand außen und innen gleich
und das Ventil kehrt in die Ruhelage zurück.
Die vom Ingenieur Robert Sabine in London construirte und
in Figur 1 bis
4 dargestellte Ventilanordnung entspricht nach dem vorliegenden Berichte den
aufgestellten Bedingungen.
Figur 1 ist
der Grundriß; Fig.
2, 3
und 4 sind
Schnitte nach den Linien AB, CD und EF der
Figur
1.
Das pneumatische Leitungsrohr R ist an der
Verbindungsstelle mit dem seitlich angebrachten selbstthätigen Ventile durchlöchert,
wie in Fig. 3
und 4 zu
ersehen ist, und an dieser Stelle von einem geschlossenen Mantel g umgeben; der dadurch entstehende ringförmige Raum
communicirt durch den Stutzen k (Fig. 1 u. 3) mit dem Untertheil der
Ventilkammer, während der Obertheil durch das Rohr 1 mit der Atmosphäre in
Verbindung gebracht ist.
Das Ventil f ist aus vulcanisirtem Kautschuk hergestellt
und zur Geradführung mit einem Schieberrohre r in
Verbindung gebracht. Die Ventilstange h ist durch das
gabelförmige Stück c mit dem Balancier b verbunden, und zwar mit Hülfe eines Bolzens o, den die Blattfeder n
stets in der Verbindungslage zu erhalten strebt.
Am anderen Ende des genannten Balancier b hängt das
Kautschukdiaphragma d; dieses bewegt sich zwischen
entgegengesetzt ausgebauchten und durchlöcherten Metallscheiben in einem
cylindrischen Gehäuse, dessen Deckel ebenfalls durchlöchert, den Zutritt der
atmosphärischen Luft zuläßt. Der untere Theil dagegen communicirt durch eine bei m anzusetzende Röhre in geeignetem Abstand (50 Fuß) mit
dem pneumatischen Leitungsrohr R. Der die Verbindung der
Ventilstange h mit dem Bügel c vermittelnde Bolzen ist mit einer Kette verbunden, deren anderes Ende so
oft angezogen wird, als ein Depeschenkolben die verzahnte Scheibe i (Fig. 4) passirt. Letztere
ist einseitig belastet, kehrt also nach einer Drehung immer wieder in die
ursprüngliche Lage zurück, wodurch die angespannte Kette nachgelassen, die Feder n wirksam gemacht wird, den Bolzen o zurückzuführen, wenn das bezügliche Loch der
Ventilstange h in entsprechender Höhe sich befindet.
Nehmen wir nun an, daß die Luft im Hauptrohr R durch
einen vorwärtsgepreßten Kolben etwas verdichtet wird, so
bewegt die geringste Druckvermehrung das Diaphragma d
nach aufwärts, da es eine größere Fläche als das Ventil besitzt, welches durch den
Aufgang der linken, resp. den Niedergang der rechten Hebelseite b
geöffnet wird, somit die durch den vorwärtsgeschobenen Kolben verdrängte
Luft durch k und das offene Ventil freien Abzug in die Atmosphäre erhält, so lange eben der Ueberdruck im
Inneren der Leitung anhält.
Geht der Depeschenkolben K vorbei (Fig. 4), so dreht er die
vorgenannte verzahnte Scheibe i, der Bolzen o wird zurückgezogen, also außer Verbindung mit dem
Diaphragma gebracht, das Ventil f steigt gegen seinen
Sitz, zufolge der unter demselben angebrachten Spiralfeder s, schließt demnach den weiteren Zutritt der Luft ab und hindert natürlich
auch den Austritt der hinter dem weitergetriebenen Kolben nachrückenden comprimirten
Luft.
Hört der Druck in der Leitung in Folge des Anlangens des Briefkolbens an der
Endstation auf, so bleibt das Ventil f in der
angenommenen Stellung (wegen der Spiralfeder s), aber
das Diaphragma d wird durch die Wirkung der Spiralfeder
s niedergezogen, das rechte Balancierende gehoben,
der Bolzen o durch die Feder n veranlaßt in das Loch der Ventilstange h
einzuschnappen, und so in Allem die Verbindung für die Ruhelage hergestellt, wie sie
in den Zeichnungen auch angenommen ist.
Wird der Depeschenkolben entgegengesetzt angesaugt, die
Luft im Leitungsrohr R. verdünnt, so wird das Diaphragma
durch den äußeren Druck kräftiger niedergehalten als das Ventil, welches dennoch
geschlossen bleibt. Der vorbeipassirende Kolben K jedoch
löst die Verbindung mit dem Balancier (durch die Scheibe i) aus und das Ventil wird geöffnet, indem die atmosphärische Luft dem
angesaugten Depeschenkolben nachdrängt.
Ist der Weg des letzteren beendet, so hört das Nachsaugen der Luft auf, das Ventil
bewegt sich aufwärts (durch Wirkung der Spiralfeder s),
der Verbindungsbolzen o schnappt neuerdings ein und die
normale Lage der Ventilanordnung ist hergestellt.
J. Z.