Titel: | Versuche über die Wirkungen der Scheidung und der Saturation des Runkelrübensaftes; von E. Feltz, Director der Zuckerfabrik in Arlovetz (Rußland). |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. CVII., S. 511 |
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CVII.
Versuche über die Wirkungen der Scheidung und der
Saturation des Runkelrübensaftes; von E. Feltz, Director der Zuckerfabrik in Arlovetz (Rußland).
Aus Les
Mondes, t. XX p. 674, t. XXI p. 21, 80; August und September 1869. –
Im Journal des Fabricants de
sucre Jahrg. X, Nr. 19 und 20.
Feltz, über die Wirkungen der Scheidung und der Saturation des
Runkelrübensaftes.
Aus der sehr ausgedehnten Abhandlung des Verfassers entnehmen wir hier, unter
Weglassung des Bekannteren oder Nebensächlichen nur die interessanteren
Beobachtungen.
Nach einer ausführlichen Betrachtung der Vorgänge bei der alten Scheidung und bei der
Saturationsscheidung bemerkt der Verfasser etwa Folgendes:
Bei beiden Vorgängen ist ein Ueberschuß von ungelöstem Kalk nothwendig, doch bewirkt
die Saturationsscheidung die Fällung mit einem schließlich verbleibenden viel geringeren Kalküberschuß
und zwar beträgt die Alkalität des Saftes wenig mehr als die Hälfte derjenigen bei
der alten Scheidung. Es fällt in der That die Saturation solche Kalkverbindungen,
welche in den Zuckerflüssigkeiten vollkommen löslich sind. Wenn man z.B. durch eine
Lösung von Zucker, Kalk und 2/1000 Citronensäure Kohlensäure leitet, so wird
citronensaurer Kalk in bemerklicher Menge gefällt. Bei längere Zeit fortgesetzter
Behandlung mit Kohlensäure löst sich der größte Theil des Niederschlages wieder
auf.
Die Weinsäure verhält sich ähnlich, nur löst sich der gefällte weinsaure Kalk bei
fortgesetzter Saturation nicht wieder auf. Direct einer Lösung von Zuckerkalk
zugesetzt, fällt die Weinsäure weinsauren Kalk, im Ueberschuß löslich.
Alle diese Niederschläge enthalten einen Ueberschuß von
Kalk.
Folgendes sind die genauen Ergebnisse zweier solcher Versuche; die Aehnlichkeit
zwischen dem Verhalten der Kohlensäure und der Weinsäure erhellt klar daraus und man
kann darnach auf das Verhalten auch der übrigen Pflanzensäuren Schlüsse ziehen.Kalkgrade nennt der Verf. diejenige Menge Kalk,
welche in einem Kubikcentimeter klaren Kalkwassers enthalten ist. Wenn also
ein Saft 200° Kalk hat, so heißt dieß, daß 100 Kubikcentimeter des
Saftes 200 Kubikcentimeter derjenigen Säure neutralisiren, welche ihr
gleiches Volumen Kalkwasser sättigt. Ebenso wird der Gehalt des angewandten
Gases an reiner Kohlensäure durch die dadurch zu neutralisirenden
„Grade“ Kalk ausgedrückt.
1) Verhalten der Weinsäure zu einer Lösung
von Zucker und Kalk.
Säuremengeim Liter derZuckerlösung.
Grade Kalkim Liter derLösung.
VerschwundeneGrade Kalk.
ZugesetzteWeinsäure, in GradenKalk
ausgedrückt.
Ueberschuß desgefällten Kalkes.
Kub. Cent.
0)
0
11940
0
0
0
1) 50
5500
6440
2700
3740
2) 100
1100
10940
5400
5540
3) 200
190
11750
10800
950
4) 221
0
11940
11940
0
2) Wirkung der Kohlensäure auf gekalkten
Rübesaft.
Menge derKohlensäurepro LiterSaft.
Grade Kalkpro
LiterSaft.
VerschwundeneGrade.
ZugesetzteKohlensäure,ausgedrücktin
GradenKalk.
GefällterüberschüssigerKalk.
BewirkteReinigung.Die Reinheit der Säfte ist bestimmt durch die Menge Blei, welche
durch einen Deciliter Saft (aus Bleiessig) niedergeschlagen wird,
und die auf maaßanalytischem Wege ermittelt ist. Eine directe
Untersuchung irgend eines Saftes oder Niederschlages ist nirgends
angeführt. Die Wirkungen sind vielmehr vielfach nach dem Augenschein
abgeschätzt.
Farbe desSaftes.
0) 0
8580
–
–
–
–
braunschwarz
1) 500
6620
1960
850
1110
3,7 Proc.
ebenso
2) 1000
4000
3980
1700
2280
23,1 „
rothbraun
3) 1500
2390
5190
2550
2640
29,5 „
hellgelb
4) 2000
1650
6730
3400
3330
36,9 „
ebenso
5) 3000
980
7600
5100
2470
44,2 „
ebenso
6) 3833
270
8310
6460
1850
35,4 „
dunkelgelb
7) 4833
210
8370
210
60
16,8 „
schwärzlichbraun
Man sieht, daß der Niederschlag außer kohlensaurem Kalk viel freien Kalk enthalten
muß, und daß der Saft um so reiner ist, je mehr Kalk der Niederschlag enthält, daß
aber durch fortgesetzte Saturation Verunreinigung bewirkt wird; man sieht ferner,
daß die Weinsäure und die Kohlensäure ganz ähnliche Erscheinungen darbieten; reine
Lösungen von Kalk und Zucker verhalten sich aber gegen die Kohlensäure ebenso wie
gekalkter Saft.
Wenn man der Zuckerlösung, welche zu dem Versuche 1) gedient hat, bloß so viel
Weinsäure zusetzt, bis der entstandene Niederschlag sich nur mehr langsam löst, und
wenn man dann weiterhin Essigsäure zufügt, so erhält man ebenfalls einen
Niederschlag von weinsaurem Kalk; ebenso erhält man einen Niederschlag von
kohlensaurem Kalk, wenn man Salzsäure zu einer Lösung von Zuckerkalk fügt, die schon
so viel Kohlensäure absorbirt hat, daß sie trübe geworden ist. Auch dieser
Niederschlag enthält einen Ueberschuß von Kalk.
Nach allen Versuchen scheinen die Citronen-, Wein- und Kohlensäure aus
den Lösungen in Form basischer Salze auszufallen, deren
nähere Zusammensetzung indessen noch nicht festgestellt werden konnte.
Die Behandlung mit Kohlensäure bringt bei den verschiedenen Säuren eine verschiedene
Wirkung hervor. Die Weinsäure, deren Kalksalz im Zuckerwasser fast unlöslich ist,
bleibt trotz länger fortgesetzter Saturation ungelöst, die Citronensäure (und andere ähnliche) fallen
anfangs als basische Verbindungen aus, lösen sich dann aber wieder auf. Das
Unreinerwerden durch fortgesetzte Saturation rührt also vom Entstehen ähnlicher
Verbindungen her.
Nach weiteren Versuchen des Verfassers kann die Kohlensäure in Zuckerlösungen oder
Säften bei Gegenwart von Kalk eine unlösliche Verbindung von Zucker und Kalk
bewirken, woraus oft fühlbare Zuckerverluste entstehen können, worauf bei dem neuen
Scheidungsverfahren wohl zu achten sey. Auch die Anwendung der Kalkung und
Saturation bei der Raffinerie wird aus diesem Grunde (?) unmöglich.
In folgender Tabelle sind ferner die Resultate der Versuche zusammengestellt, welche
die Absorptionskraft der gekalkten Zuckerlösungen für
Kohlensäure feststellen sollten. Die erste Spalte enthält das Gewicht in
Grammen des Kalkes in einem Deciliter der Lösung, die zweite die Menge des durch
Kohlensäure neutralisirten Kalkes, ohne daß ein Niederschlag entsteht, und die
dritte das Verhältniß beider:
A
B
B/A
Lösungen
von 10 Grammen Zucker im
Deciliter.
1
1,128
0,255
0,226
2
1,575
0,382
0,242
3
1,790
0,510
0,282
Lösungen
von 20 Grammen Zucker im
Deciliter.
4
1,250
0,382
0,305
5
1,740
0,637
0,366
6
2,320
1,020
0,439
7
4,030
2,268
0,562
Lösungen
von 40 Grammen Zucker im
Deciliter.
8
2,296
1,597
0,695
9
4,116
3,060
0,765
Man sieht also, daß die aufnehmbare Menge Kohlensäure mit dem Gehalt der Lösung an
Kalk und an Zucker wächst. Bei gleicher Menge Zucker ist indessen die Menge
löslichen kohlensauren Salzes nicht proportional der Kalkmenge, obwohl sie damit
wächst, ebenso wie sie bei gleichem Kalkgehalt mit der Concentration der
Zuckerlösung zunimmt.
Es erklären sich hieraus manche Beobachtungen bei der Saturation.
Der Verfasser bestreitet aufs Bestimmteste die Theorie von der reinigenden Wirkung
des kohlensauren Kalkes im status nascens, sowie die
Zweckmäßigkeit der Anwendung sehr bedeutender Mengen Kalkes zum Scheiden.
Er ist dann schließlich auf Grund seiner Wahrnehmungen zu folgender Scheidesaturation gelangt, welche ihm die beste zu seyn scheint.
Zunächst wird durch täglich zwei Versuche ermittelt, wie viel Kalk zu einer
gewöhnlichen Scheidung nach alter Art erforderlich ist. Diese zwischen 0,9 und 1
Proc. betragende Menge wird dann bei allen anderen Scheidungen kalt dem Safte
zugesetzt und das Gemisch auf 60–65° C. erhitzt, und bei 60° C.
mit Einführung der Kohlensäure begonnen.
Die Saturation, während welcher man bis 85° C. erhitzt, wird so lange
fortgesetzt, bis der Niederschlag sich gut abgesetzt hat, und dann nach einiger Ruhe
der klare Saft abgezogen, durch Vorfilter gelassen und endlich nochmals vollkommen
saturirt. Der Schlamm geht nach den Filterpressen und der hier erhaltene klare Saft
ebenfalls zur zweiten (klaren) Saturation.
Dem Einwurf, daß dieses Verfahren nur bei guten Rüben anwendbar sey, begegnet der
Verfasser mit dem Bemerken, daß die russischen Rüben seit Jahren ununterbrochen an
Güte abgenommen haben.