Titel: | Untersuchungen über die Zuckerrübe; von Méhay. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. CVI., S. 508 |
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CVI.
Untersuchungen über die Zuckerrübe; von Méhay.Man sehe über eine frühere Arbeit desselben Verfassers (Comptes rendus t. LXVI, März 1868) den Jahresbericht für
Zuckerfabrication, Jahrg. VIII S. 64.
Aus den Comptes rendus, t. LXIX p. 754; October
1869.
Méhay, Untersuchungen über die Zuckerrübe.
Die zahlreichen Zuckerrüben-Analysen, welche man bisher anstellte, betrafen
hauptsächlich die Wurzel. Wenn man aber bedenkt, daß der größte Theil des die
organischen Stoffe bildenden Kohlenstoffes in Form von Kohlensäure, durch die
Blätter, eintritt, so sieht man daß vom theoretischen Standpunkte die Blattorgane
der Pflanze nicht minder interessant sind als die Wurzel. Nach Allem was wir von der
chemischen Synthese wissen, können wir nämlich nur annehmen, daß die Kohlensäure,
welche eine der einfachsten Verbindungen ist, sich nicht in Zucker und Zellenstoff
umwandelt, ohne durch eine Reihe von Zwischenproducten hindurchzugehen. Wenn sich
demnach das Endproduct, der Zucker, in größter Menge in der Wurzel findet, so müssen wir dagegen in den
Blättern hauptsächlich die Producte der früheren Umwandlungen und in den
Blattstielen die Mittelglieder dieses Processes finden.
Ich habe bis jetzt erst die Menge derjenigen drei löslichen Stoffe bestimmt, welche
mir die wichtigste Rolle zu spielen schienen, nämlich den krystallisirbaren, sowie
den unkrystallisirbaren Zucker und die Kleesäure. Sie wurden zum Vergleiche im Safte
der Wurzel, im Safte der Blattstiele, und im Safte der Blätter einer jeden der
untersuchten Rübepflanzen bestimmt.
Ich fand stets, daß der krystallisirbare Zucker in der Wurzel vorherrscht, in den
Blättern fast gar nicht, in den Blattstielen aber in sehr geringer, jedoch in der
Regel in bestimmbarer Menge vorkommt. Die Kleesäure dagegen findet sich in den
Blättern in der größten, in den Wurzeln in der geringsten Menge. Der
unkrystallisirbare Zucker endlich kommt in den Blättern und in den Wurzeln nur in
geringer, aber in den Blattstielen in größerer Menge vor; in den letzteren scheint
auch der Sitz seiner Bildung zu seyn.
Den krystallisirbaren Zucker bestimmte ich mittelst der Gährung, nach Zerstörung des
unkrystallisirbaren Zuckers durch Alkalien (Dubrunfaut's
Methode). Man kocht den Saft einige Minuten lang mit Kalk, fällt den Ueberschuß des
Kalkes durch Kohlensäure und läßt das Filtrat mittelst Hefe gähren.
Den unkrystallisirbaren Zucker, dessen Gegenwart in der Rübe schon längst von Payen dargethan, dann aber von Anderen bestritten worden
ist, habe ich, um jeden Zweifel auszuschließen, nach folgenden drei Methoden
bestimmt:
1) Nach der Dubrunfaut'schen Methode, welche die Summe des
krystallisirbaren und des unkrystallisirbaren Zuckers liefert und dann, da ersterer
bekannt ist, letzteren durch Differenz ergibt.
2) Unter Anwendung von Natron (Verfahren desselben Chemikers): man kocht ein
gegebenes Volumen Flüssigkeit mit einem Ueberschuß von caustischem Natron von
bekanntem Gehalt; 2 Aequivalente unkrystallisirbaren Zuckers liefern dabei 3
Aequivalente Glucinsäure, welche mit dem Natron verbunden bleiben, nach der
Gleichung:
2 C¹²H¹²O¹² + 3 NaO
=
C²⁴H¹⁵Na³O¹⁸ + 9 HO.
unkrystallisirbarer Zucker
glucinsaures Natron
Durch Titrirung des Natrons nach vollendeter Reaction findet man also die Menge des
vorhanden gewesenen unkrystallisirbaren Zuckers.
3) Nach dem Verfahren von Trommer, und zwar nach den an
demselben von Barreswil angebrachten Verbesserungen. Bei
gefärbten Lösungen
schien indessen folgende Methode besser zu seyn. Man kocht ein bestimmtes Volumen
der Flüssigkeit mit einem geringen Ueberschuß der Barreswil'schen Lösung, sammelt den Niederschlag (von Kupferoxydul) auf
einem Filter, wäscht denselben aus und verbrennt ihn in einer Platinschale; aus dem
hierbei erhaltenen Kupferoxyd (CuO) wird das Resultat
leicht gefunden, nachdem ein directer Versuch mit einem Gramm veränderten Zuckers
(Invertzucker) den erforderlichen Anhalt geliefert hat.
Da die Gährung die bestimmt charakterisirende Eigenschaft der Zucker ist, so liefert
die erste dieser Methoden die zuverlässigsten Resultate. Im Allgemeinen waren die
nach dem Natron-Verfahren erhaltenen Zahlen erheblich höher, während die nach
der Methode von Trommer und Barreswil erhaltenen meist zwischen jenen beiden standen.
Die Abweichungen zwischen den Ergebnissen der Gährungs- und der
Natron-Methode erklären sich durch die Annahme, daß entweder die Gährung
unvollkommen geblieben ist, oder daß noch andere Stoffe im Rübensafte vorkommen,
welche eine ähnliche Umwandlung wie der unkrystallisirbare Zucker durch das Natron
erleiden; jedenfalls muß aber die wirkliche Menge des unkrystallisirbaren Zuckers
zwischen beiden Extremen liegen.
Die Kleesäure findet sich in den verschiedenen Gewebstheilen der Runkelrüben zum
Theil in Form ihres Kalksalzes und es reicht folglich eine bloße Bestimmung im Safte
nicht aus; es wurde daher der zu untersuchende Pflanzentheil einige Stunden mit
verdünnter Salzsäure digerirt, dann mit Wasser ausgezogen und in der Lösung die
Kleesäure durch Ammoniak und Chlorcalcium gefällt.
Folgendes sind die gefundenen Zahlen, nach den verschiedenen Methoden, in Procenten
der untersuchten Pflanzentheile:
Wurzeln.
Blattstiele.
Blätter.
Krystallisirbarer Zucker
12,00
0,25
0,00
UnkrystallisirbarerZuckerbestimmt durch
GährungNatronFehling'sche Lösung
0,50 0,70 0,54
2,723,623,25
1,231,641,45
Kleesäure
0,22
0,43
1,86
Dichtigkeit des Saftes
1,0600
1,0233
1,0253
Drehung am Apparat von Soleil
74,00
3,6
0,5
Diese Zahlen, und zwar namentlich die Gährungsversuche mit dem Saft der Blattstiele,
lassen keinen Zweifel mehr an dem Vorkommen bemerklicher Mengen unkrystallisirbaren
Zuckers in diesem Pflanzentheil. Dennoch ist die Drehung am Soleil'schen Apparat nur eine geringe. Es folgt hieraus, daß der in Rede
stehende Zucker kein einfacher, sondern ein aus zweien zusammengesetzter ist, welche
entgegengesetztes Drehungsvermögen besitzen und die Dubrunfaut im veränderten Zucker nachgewiesen hat; nur hat hier, anders
als sonst, der rechtsdrehende das Uebergewicht. Bis jetzt ist die Trennung beider
Zuckerarten mir nicht gelungen.
Betrachtet man nun obige Zahlen näher, so ergibt sich, daß die Menge der Kleesäure in
den Blattstielen doppelt so groß und in den Blättern etwa achtmal so groß wie in den
Wurzeln ist. Durch alkalimetrische Prüfung der Aschen fand ich, daß auch die Summe
der organischen Säuren der Rübepflanze ihr Minimum in der Wurzel hat. Die Säuren
entstehen im Allgemeinen sehr leicht, und die Kleesäure ist unter denselben eine der
einfachsten, daher es nicht auffallen kann, daß man sie in größter Menge in den
Blättern antrifft, wo sie wohl eines der ersten Umwandlungsproducte der Kohlensäure
darstellt.
Obige Versuche scheinen also anzudeuten, daß der Bildung des krystallisirbaren
Zuckers die des unkrystallisirbaren vorhergeht, welchen man reichlicher in den
Blattstielen findet als jenen. Indessen bleibt dieß bei dem Stande der Wissenschaft
doch nur Hypothese.