Titel: | Ueber Beseitigung des schädlichen Einflusses der Quecksilberdämpfe in den Spiegelbelegereien. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. CI., S. 494 |
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CI.
Ueber Beseitigung des schädlichen Einflusses der
Quecksilberdämpfe in den Spiegelbelegereien.
Ueber Beseitigung des schädlichen Einflusses der
Quecksilberdämpfe.
Herr Dr.
Pappenheim, Regierungs- und Medicinal-Rath
in Arnsberg (Westphalen), hat in den Verhandlungen des Vereines zur Beförderung des
Gewerbfleißes in Preußen, Jahrgang 1869 S. 33 und 106 eine sehr lehrreiche
Abhandlung „über den Gesundheitsschutz in den
Spiegelbelegereien“ veröffentlicht, worin er als Hauptschutzmittel
gegen das Einathmen von Quecksilberdämpfen die Anwendung von Schwefel empfiehlt.
Wie auch Kußmaul
Kußmaul, Untersuchungen über den
constitutionellen Mercurialismus. Würzburg 1861. bestätigt, genügen die zur thunlichsten Beseitigung der Mercurialkrankheiten
in Fabriken gewöhnlich angewandten Mittel ihrem Zwecke nicht. Als solche sind zu
bezeichnen: Offenhalten der Fenster, überhaupt gute Ventilation, Nichtheizen der Zimmer und Vermeidung des
Genusses von Nahrung in denselben, öfteres Ausspülen des Mundes und Reinigung des
Zahnfleisches mit Kohlenpulver, Benutzung von Warmwasser-, Dampf- und
Schwefelbädern, öftere Vertauschung der Arbeiter und zeitweilige Beschäftigung
derselben mit anderen Arbeiten, Anlegung einer in der Fabrik bleibenden
Arbeitskleidung über die eigenen Kleider u. dgl. m.
Es war deßhalb von größtem Interesse, eine von Boussingault
Boussingaultsur l'action délétère que la
vapeur émanant du mercure exerce sur les plantes (Comptes rendus, t. LXIV p. 924 et 983). gebrachte Mittheilung im Interesse der Quecksilberarbeiter zu prüfen, daß
nämlich das Auftreten der Mercurialkrankheiten durch Schwefeldampf, respective Schwefel zu verhüten
sey, nachdem die Erfahrung gemacht worden, daß dieses Mittel gegen die Zerstörung
von Pflanzen durch Quecksilberdämpfe schützt.
Nach den Untersuchungen älterer holländischer Forscher, nach Boussingault und Pappenheim, sterben die
Laubblätter von Pflanzen, welche sich bei gewöhnlicher Temperatur in einer sonst
genügenden, aber abgeschlossenen Atmosphäre neben metallischem Quecksilber befinden,
nach meist kurzer Zeit ab, in Folge des von dem Metalle auch bei gewöhnlicher
Temperatur ausströmenden Dampfes. Bei den höheren Graden der gewöhnlichen Temperatur
erhalten grüne Blätter in Folge der beginnenden Chlorophyllveränderung schon nach
einigen Stunden graugrüne Flecke, werden hier trocken und das Blatt stirbt ab, indem
sich die Flecke ausbreiten oder zahlreicher werden.
Diese große Empfindlichkeit des lebenden Chlorophylls gegen Quecksilberdampf läßt
sich gut als Reagens zur Constatirung von Quecksilberdampf in gewerblichen
Betriebsstätten verwenden, wobei aber Täuschungen nicht unterlaufen dürfen, indem
veränderte Temperatur, verändertes Licht etc. auch ohne Anwesenheit von Quecksilber
die Blätter zum Absterben bringen können. Man muß deßhalb immer eine größere Anzahl
von Pflanzen an verschiedene helle Stellen etc. placiren.
Dieses Erkennungsmittel des Quecksilbers durch junge grüne Pflanzen ist
empfindlicher, als eine Grau- oder Braunfärbung von Schwefel durch
Quecksilberdampf und weit empfindlicher, als Gold und blankes Kupfer, da schon eine
sehr wägbare Menge Quecksilber dazu gehört, jene Metalle weiß zu färben.
Um nun die Quecksilberdämpfe unschädlich zu machen, hat Boussingault empfohlen, in der Nähe der Pflanzen eine genügend große mit
Schwefelblüthe
überzogene Fläche herzustellen oder die Blätter damit zu bepudern. Es bildet sich
dann sowohl auf der Fläche des Schwefels, als auch in der Atmosphäre des
abgeschlossenen Raumes, durch Verdunstung von Schwefel auch bei gewöhnlicher
Temperatur, eine Verbindung von Quecksilber und Schwefel, welche vielleicht ein
Subsulphuret ist. Dieselbe schadet den Pflanzen nicht, auch leiden die Fabricate,
z.B. Spiegel, in der Nähe des Schwefels bei gewöhnlicher Temperatur nicht, indem
dieser sie nicht färbt.
Die Bildung von Quecksilberdämpfen in Spiegelfabriken wird dadurch befördert, daß das
Metall beim Aufgießen auf das Zinn häufig über den Belegtisch hinausspritzt,
namentlich aber auch bei der weiteren Behandlung der Lappen und Zeugstücke, welche
zum Reinigen des mit einer Oxydhaut versehenen Quecksilbers dienen, sey es, daß
dieses durch Durchpressen durch den Zeug oder durch Abziehen der Haut mit Lappen
etc. geschieht. Gewöhnlich werden diese Quecksilber und Amalgam aufnehmenden Lappen
etc. zur Wiedergewinnung des ersteren mit Stöcken ausgeklopft und zwar im
Arbeitsraume, weil sie im Freien leicht feucht werden und dann zur Entstehung
fleckiger Spiegel Veranlassung geben.
Hinsichtlich der Frage, in welcher Weise in Spiegelbelegereien sich die Arbeiter und
Aufseher mit Quecksilber vergiften, meint Dr.
Pappenheim, daß das Metall auf zweierlei Weise in den
Körper kommen könne, einmal durch Einathmen oder sonstige Einführung des zu Zeiten
immer in der Luft der Locale schwebenden quecksilberhaltigen Staubes, dann durch
Einathmen von Quecksilberdampf, welcher auf die verschiedenste Art sich bilden kann.
Die Vergiftungen sind theils chronische, theils acute und zwar die ersteren durch
lange Einwirkung des Quecksilberdampfes, die anderen durch plötzliche Einwirkung
größerer Mengen desselben herbeigeführt.
Als Mittel zur Vergesünderung der Spiegelbelegereien empfiehlt Dr.
Pappenheim schließlich:
1) Umwandlung der flachen Auffanggefäße unter dem Belegtische in
eine geschlossene Büchse mit durchbohrtem Deckel, dessen Oeffnung nur eben den
Schlauch durchläßt.
2) Auffangen des von halbfertigen Spiegeln abtropfenden Metalles
in tiefen, nicht flachen Gefäßen; wo dieß nicht geht, auf muldenförmig
ausgehöhlten befestigten Bretern, von welchen es nicht sofort ablaufen
kann.
3) Schutz des Ofens vor Anspritzen, öftere nasse Reinigung
desselben und der Ofenröhren von abgelagertem Staube, Beseitigung langer
horizontaler Ofenröhren.
4) Lange dichte und bis an den Hals hinaufreichende
Arbeitsschürze für die Arbeiter, bei Frauen eine solche Blouse oder auch
wenigstens eine solche Schürze, hochschäftige Stiefel für die Arbeiter und wenn
möglich auch für die Frauen.
5) Einfacher Respirator und wenn möglich staubdichte Kleidung für
den Ausfeger; häufiges Fegen der Locale.
6) Bedeckung des Kehrichtkastens und der Abtropfgefäße mit einem
Schwefeldeckel.
7) Schwefelstreuen im Belegraume und in den Magazinen.
8) Schwefelanstrich an den Wänden und unter den
Belegtischen.
9) Reinigung aller Kleider und der inneren Fläche des Schuhwerkes
von Quecksilber in Tropfen oder Staub und Einstreuen oder Einreiben von
Schwefelblüthe.
10) Schwefelrespirator und dampfdichte Kleidung für den
Destillateur, eventuell statt dieser letzteren Schwefeleinreiben in die
Kleider.
11) Ventilation des Locales, Waschen der Arbeiter und Aufseher am
Schluß der Arbeit, Verbot des Essens und Trinkens in den Localen.
12) Reinigungsverfahren für das Quecksilber nach den von ihm
angegebenen (unten ausführlich mitgetheilten) Methoden.
13) Gründliches Ausspülen des Mundes.
Als Indicator für das Vorhandenseyn von Quecksilberdampf
im Local empfiehlt es sich, an verschiedenen Stellen desselben für die Dauer Topfpflanzen aufzustellen.
Dr.Pappenheim's Methoden zum Reinigen des Quecksilbers in den
Spiegelbelegereien.
Handelt es sich darum, das Quecksilber des Handels oder solches, das vom Belegtische
oder von der staubigen Auffangschale etc. her nur eben staubhaltig ist, zu reinigen, so ist dazu das Durchseihen oder Pressen
nicht erforderlich. Solches Quecksilber bekommt man völlig spiegelblank, wenn man
nach dem Princip des Scheidetrichters verfährt.
„Ich habe Quecksilber, sagt Dr.
Pappenheim, mit Staub, Sand, Asche innig
zusammengerührt und doch ganz blankes erhalten, als ich die Mischung in eine
Holzbüchse goß, die unten seitlich mit einem hörnernen Hahne versehen war, stark
umrührte und dann nur bis zum Sand etc. tragenden Niveau abfließen ließ. Den
Rest gab ich in ein enges Rohr, das unten durch einen Quetschhahn geschlossen
war, schüttelte und ließ es aus diesem wieder abfließen; so bekam ich fast ohne
Verlust das Metall blanker, als es vor der Einstaubung gewesen war.“ So weit die
Belegerei nur den hier besprochenen Zweck verfolgen will, kann sie ganz ebenso
verfahren. Sie kann eine gedeckelte hölzerne etc. Büchse, die unten seitlich ganz
nahe am Boden einen festsitzenden Hahn hat, unter den Belegtisch stellen, den
Schlauch durch ein nicht zu weites Loch im Deckel in die Büchse führen, das
Quecksilber in dieser stark umrühren und dann direct auf den Belegtisch fließen
lassen, den staubtragenden Rest aber in einem engen Rohre, wie oben angegeben,
reinigen.
Handelt es sich aber um Quecksilber, welches ohne oder mit Staub und Sand schon
merklich zinnhaltig ist, weil es schon mehrfach in
längerer Berührung mit dem angequickten Zinnblatte oder mit diesem selbst gewesen,
so genügt das beschriebene Verfahren nicht. Solches Metall kann man aber, ohne zu
dem unvollkommenen Mittel des bloßen Wegschiebens oder Abnehmens der
„Oxydhaut“ durch Leisten oder Läppchen zu greifen (bei
welchen Methoden immer auch die quecksilberhaltigen Lappen resultirten, die zu
vermeiden sind), durch Abnahme der Haut mittelst Drahtgewebespatel blank herstellen, allerdings nicht durchweg mit einem
Male, aber doch immer in so kurzer Zeit, daß das Verfahren nicht unpraktisch
scheint. Dr.
Pappenheim gießt das Quecksilber in die Aufgießschale,
rührt stark um und führt dann einen nach der Rundung der ersteren abgerundeten, gut
mit Oelfarbe angestrichenen Spatel oder Löffel von
Eisendrahtgewebe tief unter die Oberfläche des Quecksilbers und hebt ihn wieder auf;
auf dem Spatel bleibt die „Oxydhaut“ sitzen; diese wird in ein
nebenstehendes Gefäß durch Anklopfen der Kante des Spatels auf dieses abgeschüttet;
sie fällt von der glatten Oelfarbe sehr leicht und rein ab. Dieses Verfahren wird
mehrmals wiederholt. Geht die „Oxydhaut“ an den Rand der
Schale, so wird sie da mit dem, der Rundung jener ja entsprechenden Spatel
aufgenommen. Das Drahtgewebe, womit völlig genügende Erfolge erzielt wurden, hatte 9
Fäden auf 1 Centimeter Länge und ebenso viel in der Breite.
Dieses Verfahren dürfte brauchbares Metall in ebenso kurzer Zeit liefern wie das
Auspressen aus dem gebeutelten Zeugstücke, bei welchem ja auch so leicht unreines
Metall oben überläuft. Das zähe Amalgam vom Spatel sammelt man in der mit einem
Deckel zu versehenden Holzbüchse; es lohnt sich nicht, es noch zum Abtropfen zu
stellen, da es, gut abgenommen, nicht merklich flüssiges Quecksilber enthält. Es
kommt zuletzt zur Destillation. Wischlappen für den Spatel sind nicht erforderlich,
wenn die Oelfarbe glatt ist. Drahtgewebe von zu diesem Zweck völlig brauchbarer Art
sind mit blauer und grüner Oelfarbe tadellos angestrichen sehr billig im Handel zu
haben. Das Abklopfen des Amalgames vom Spatel in die Sammelbüchse macht nicht eine Spur von Staub.
Ueber diese beiden Substitute des Durchseihens und Pressens in den Spiegelbelegereien
wird sich nun die Praxis auszusprechen haben.