Titel: | Zur Chemie des Hohofens; von J. Lowthian Bell. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XCVIII., S. 479 |
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XCVIII.
Zur Chemie des Hohofens; von J. Lowthian Bell.Aus Engineering vom 12. November 1869 (S. 317) vom
Verfasser zur Aufnahme mitgetheilt.
Bell, über die Chemie des Hohofens.
Herr C. Schinz hat einen Artikel gegen meine die Chemie
des Hohofens betreffenden Untersuchungen veröffentlicht.In diesem Bande des polytechn. Journals S. 111 (zweites Octoberheft
1869). Bei einem Gegenstande, dessen Erforschung mit so vielen praktischen
Schwierigkeiten verbunden ist wie dieser, dürfen wir kaum hoffen, die genaue
Wahrheit sogleich zu finden, und ich glaube daß ich die Ansichten, welche ich meinen
Collegen in der Londoner chemischen Gesellschaft in dem Aufsatze mitgetheilt habe,
von welchem der vorhin gedachte Artikel eine Kritik gibt, nunmehr in einem kleinen
Umfange zu berichtigen im Stande bin, was auch in einer neueren Abhandlung bereits
von mir geschehen ist. Es wird mich stets freuen, wenn meine Ansichten frei
besprochen werden; in dem vorliegenden Falle hat aber Hr. Schinz die weniger bedeutungsvollen Theile meiner Untersuchungen, in denen
ich wahrscheinlich geirrt habe, in's Auge gefaßt und er greift mich in einer Weise
an, welche etwas schärfer ist, als es bei einem Gegenstande wo – wie ich
nachzuweisen hoffe – der Irrthum ganz auf seiner Seite ist, wirklich
nothwendig war.
In meinem oben erwähnten, in der Chemical Society
gehaltenen Vortrage bemerkte ich, daß ich der Ansicht, nach welcher ein Hohofen in
mehrere Zonen von scharf begrenzten Dimensionen getheilt wird, nicht zustimme, und
gab meine Gründe dafür an; als einen solchen bezeichnete ich die Ungleichförmigkeit
in der Größe der Stücke, welche die Beschickung des Ofens bilden. Hr. Schinz sagt nun, daß dieser Fehler beim Beschicken des
Hohofens in England oft begangen werde. Ich behauptete nicht das Gegentheil; ich
habe mit der Wirkung, und nicht mit der Ursache zu thun und überlasse es dem
praktischen Schmelzer zu untersuchen, ob die mittelst eines anderen Verfahrens
ermöglichte Brennmaterial-Ersparniß die Kosten der Anwendung desselben decken würde. Ich habe
an einem anderen Orte (in einem Vortrage über unsere ausländischen Concurrenten in
der Eisenfabrication) bemerkt, daß da, wo der kostspielige Hohofenbetrieb mit
Holzkohlen üblich ist, auf diesen Punkt allerdings größere Sorgfalt verwendet wird,
als bei uns; meine in fast sämmtlichen eisenerzeugenden Ländern Europa's gemachten
Beobachtungen berechtigen mich aber Hrn. Schinz
aufzufordern, mir eine Hütte namhaft zu machen, auf welcher die Annäherung an
Gleichförmigkeit der Dimensionen bei den die Beschickung bildenden Materialien so
gewöhnlich ist wie er annimmt.
Bezüglich meiner Messungen der Temperaturen der aus den Hohöfen entweichenden Gase
nimmt Hr. Schinz an, daß dieselben „auf einer
Täuschung“ beruhen, weil Stücke von Metall, wie ich sie anwendete,
auf den Boden der Gasleitungsröhre gelegt, wegen ihrer größeren Leitungsfähigkeit
nicht zum Schmelzen kommen können, in Folge ihrer Berührung mit der kalten Röhre,
während die dem heißen Gasstrome ausgesetzten Erzstücke in Folge ihrer geringeren
Leitungsfähigkeit eine höhere Temperatur annehmen werden, als die durch das
Nichtschmelzen der Metalle angezeigte. Nun enthält aber mein Aufsatz nicht ein Wort,
welches eine solche Folgerung bezüglich des von mir bei der Bestimmung der
Temperatur der Gase befolgten Verfahrens rechtfertigen könnte; denn die bei diesen
Versuchen benutzten Erzstücke waren mittelst eines dünnen Stabes auf einer Platte in
zwei bis drei Fuß Entfernung von der Seitenwandung des Gasleitungsrohres aufgestellt
und die zur Angabe der Temperaturen bestimmten Metallstücke lagen auf derselben
Platte (von 6 Zoll im Quadrat), so daß nothwendigerweise beiderlei Materialien
gleich stark erhitzt werden mußten. Ueberdieß hätte mir Hr. Schinz wohl mehr Sorgfalt bei meinem Verfahren zur Erlangung meiner
Anhaltspunkte zutrauen können, da ich doch erwähnte, daß ich drei verschiedene Arten
von Pyrometern angewendet habe, von denen bei einem so nachlässigen und fehlerhaften
Experimentiren, wie er es mir Schuld gibt, nicht ein einziges ohne große
Schwierigkeit hätte benutzt werden können.
Wenn aber, fährt der genannte Chemiker fort, meine
Temperatur-Beobachtungen auch richtig wären, so sey der von mir gezogene
Schluß doch nur scheinbar richtig, weil die Reduction durch die verhältnißmäßige
Menge der Gase, durch deren Gehalt an Kohlenoxyd und durch ihre Temperatur
beschleunigt werde.“ Bevor Hr. Schinz es
unternahm, meine Angaben zu corrigiren, hatte ich einen Bericht über Versuche
veröffentlicht,In einem im September d. J. in der Versammlung des Iron and Steel Institute in Middlesborough gehaltenen
Vortrage. die von mir abgeführt worden waren um nachzuweisen, in wie weit diese drei Bedingungen
die Schnelligkeit und die Intensität der Reduction beeinflussen; bei der
vorliegenden Discussion kommt aber keine dieser Erscheinungen in Frage. Frühere
Forscher haben die Resultate ihrer Beobachtungen angegeben bezüglich der Temperatur
bei welcher die Reduction in einem Hohofen beginnt, und
ich gab die Gründe an, welche mich bestimmen, bei aller Hochachtung gegen so
ausgezeichnete Männer wie Tunner, Ebelmen und Scheerer, von deren Ansichten abzuweichen.
Hr. Schinz spricht dann seine Ansicht bezüglich Tunner's Analyse der Gase des Wrbna-Hohofens aus;
er bezeichnet diese Analyse als „offenbar falsch“ und bemerkt
dann, daß die angeführte Analyse des Gases von einem der Clarence-Hohöfen
„ebenso falsch“ sey.
Nun kann ich aber bei dem Rufe meines Freundes Tunner als
eines sorgfältigen Beobachters von der ersteren Behauptung wohl absehen und
beschränke mich darauf, Hrn. Schinz nachzuweisen, was
seine etwas willkürliche Behauptung bezüglich der Analyse der Gase aus dem
Clarence-Ofen wirklich involvirt. Ich führe die erhaltenen Resultate hier so
auf, wie dieselben in meinem Aufsatze angegeben worden sind:
Vol. in 100 Vol.
Kohlensäure.
Kohlenoxyd.
Stickstoff aus derDifferenz
berechnet.
Zeit der Probenahme
1.Versuch.
2.Versuch.
1.Versuch.
2.Versuch.
1.Versuch.
2.Versuch.
1 Uhr 0 Min. Nachm. 1
„
55 „
„ 2 „
15 „
„ 3
„ –
„
„ 3 „
15 „
„ 3 „
55 „
„ 4 „
20 „
„
6,25 6,24 6,94 5,30 4,75
5,91 5,82
6,70 – 6,73 5,75 5,12
– 6,00
26,30 34,70 34,40 35,80 31,00
31,12 29,72
– – 35,40 35,64
30,25 – 28,90
67,45 59,06 58,66 58,90 64,25
62,97 64,46
– – 57,87 58,61
64,68 – 65,10
Im Durchschnitte:
5,88
–
31,86
–
62,26
–
Wenn die vorstehenden Ziffern von einem incompetenten Experimentator erhalten worden
wären, so hätte man erwarten müssen, bei Wiederholung der Analysen abweichende
Resultate zu erhalten; da nun aber hierfür nicht der mindeste Beweis vorliegt, so
hat das von Hrn. Schinz gebrauchte Wort
„falsch“ für mich einen etwas unangenehmen Klang.
Mit diesem Worte muß ich aber die Behauptung des Hrn. Schinz bezeichnen, daß eine Zusammensetzung von Hohofengasen, wie die
angegebene „kaum möglich“ ist; er zeigt nämlich nun, –
indem er den Stickstoff zur Basis seiner Berechnung nimmt – daß die
Sauerstoff- und somit die Kohlenstoffmenge mit dem Verhältnisse, in welchem der Sauerstoff und
Stickstoff in der atmosphärischen Luft vorhanden sind, unverträglich ist, natürlich
mit Berücksichtigung des Sauerstoffes in dem Erze. Bei der Berechnung, welche die
Unrichtigkeit meiner Angaben beweisen soll, nimmt Hr. Schinz an, daß die einzigen Quellen des Sauerstoffes die Gebläseluft und
das Erz seyen, gedenkt aber durchaus nicht des Zuschlagskalksteines. Dieß ist aber am wenigsten zu entschuldigen, da auf
der nächsten Seite meines Aufsatzes die theoretische Zusammensetzung der Hohofengase
mit der durch die Analyse gefundenen verglichen wird und die Quellen eines jeden
ihrer Bestandtheile angegeben werden; unter denselben ist der Kalkstein ausdrücklich
erwähnt worden. Ich werde hier nicht auf alle Ziffern des Hrn. Schinz eingehen, sondern mich begnügen eine Nachweisung zu geben, aus
welcher ersichtlich ist, wie nahe die Analyse mit dem übereinstimmt, was der Ofen in
dem Zeitpunkte verbrauchte, wo die Gase für die von Hrn. Schinz als so incorrect bezeichnete Untersuchung aufgefangen wurden.
Der Verbrauch betrug zu jener Zeit per Tonne Eisen:
an Kohks
29,5 Centner
an theilweise gebranntem und ungefähr 22
Proc. Kohlensäure
enthaltendem Kalkstein
15,5 „
an Eisenstein
49,5 „
Die Kohks enthielten:
Kohlenstoff
27,14
Aschenbestandtheile,
Feuchtigkeit etc.
2,36
––––––
29,50
Der Kohlenstoff, welcher verflüchtigt werden konnte, war:
Kohlenstoffgeholt der Kohks
27,14
„
des theilweise gebrannten Kalksteines
0,93
–––––
28,07
davon geht der mit dem Eisen sich verbindende ab
0,74
–––––
es würden also bleiben
27,33
Die Gase, gegen deren volumetrische Analyse Hr. Schinz
seine Einwürfe richtet, hatten nachstehende Zusammensetzung:
dem Volum nach:
dem Gewichte
nach:
Kohlensäure
5,88
8,94
= 15,65 Kohlenstoff
Kohlenoxyd
31,86
30,82
= 24,11 Sauerstoff
Stickstoff
62,26
60,24
= 60,24 Stickstoff
––––––
––––––
–––––––
100,00
100,00
100,00
Diesen Verhältnissen entsprechend werden die Gase per
Tonne Eisen – dem Gewichte nach – bestehen aus:
Centner.
Kohlenstoff.
Sauerstoff.
Stickstoff
105,20
Kohlenoxyd
53,83
= 23,07
30,76
Kohlensäure
15,61
= 4,26
11,35
––––––
–––––––
––––––
174,64
= 27,33
42,11
Somit sind 42,11 Centner Sauerstoff mit den 27,33 Centn. Kohlenstoff verbunden,
welche wir als verflüchtigt angenommen haben.
Für diesen Sauerstoff haben wir:
Sauerstoff, welcher den in den Gasen gefundenen
Stickstoffbegleiten würde, 105,20 × 23/77
31,42 Ctr.
Das Eisen in 20 Ctr. Roheisen beträgt 19 Ctr.,
welche, als Oxyd, an Sauerstoff repräsentiren
8,14 „
Die Menge des in der Kohlensäure des Kalksteines
mit 0,93 Kohlenstoff verbundenen Sauerstoffes
beträgt
2,48 „
––––––––
42,04 Ctr.
anstatt 42,11, was wohl als der Wahrheit näher kommend
angesehen werden wird, als die Worte „kaum möglich“ erwarten
ließen.
Die von Hrn. Schinz für falsch erklärten Zahlen waren 6
CO², 32 CO und 62 N; dieß war aber thatsächlich nur die volumetrische
Zusammensetzung eines Gasgemisches, welches von mir zu dem Zwecke bereitet worden
war, um seine Wirkungen bezüglich der Reduction des Eisens mit denen eines zweiten,
den Gasen des Wrbna-Hohofens möglichst annähernd zusammengesetzten
Gasgemisches vergleichen zu können. Diese Zahlen kommen, wie man sieht, den
Resultaten der so eben besprochenen Analyse sehr nahe.
Die Vernachlässigung des Kalksteines als eines zu der Zusammensetzung der Hohofengase
beitragenden Factors wiederholt sich in Hrn. Schinz's
Aufsatze bei seiner Untersuchung meiner Vergleichung der in Wales beim Betriebe mit
heißer und mit kalter Luft erzeugten Hohofengase, von denen, wie ich ausdrücklich
bemerkte, keine Analyse ausgeführt, sondern bezüglich deren – bloß zu dem
Zwecke, die Menge der durch sie dem Ofen entzogenen Wärmemenge schätzungsweise zu
bestimmen – angenommen wurde, daß sie in ihrer Zusammensetzung den Gasen des
Clarence-Ofens ähnlich seyen.
In diesen Fällen wurden die Gase betrachtet als dem Gewichte nach bestehend aus 9
CO², 32 CO und 59 N – Zahlen welche von den aus der oben angegebenen Analyse
der Gase des Clarence-Ofens abgeleiteten nur wenig abweichen.
Ich finde, daß ich bei der auf diese Annahme basirten Berechnung zwei Fehler begangen
habe. Die Gewichtsmenge der einzelnen Bestandtheile der aus dem mit kaltem Winde betriebenen Hohofen aufgefangenen Gase
sollte seyn:
Kohlensäure,
Kohlenoxyd,
Stickstoff,
Wasser,
im Ganzen:
18,2
64,7
119,4
3,93
206,23
anstatt, wie früher angegeben:
18,19
64,73
124,6
3,93
211,45
und aus dem mit heißem
Winde betriebenen Ofen:
13,5
48,1
88,6
3,06
153,26
anstatt:
12,94
46,22
92,73
3,06
154,95
Indessen ist die Differenz zwischen diesen beiden Zahlenreihen zu gering, als daß sie
die aus denselben gezogenen Schlüsse wesentlich beeinflussen könnte; Hr. Schinz gelangt aber zu einer ganz entgegensetzten
Ansicht, indem er die oben für den mit kaltem Winde betriebenen Ofen angegebene
Gewichtsmenge des Stickstoffes, nämlich 124,6, in 142,6 verwechselt und durch einen
zweiten Irrthum bei seiner Berechnung des Resultates vom Heißlufthohofen das
Verhältniß der Volume von Kohlenstoffdampf und Sauerstoff per 100 Volume Stickstoff zu 35,82 Kohlenstoff und 41,22 Sauerstoff
anstatt 29,4 und resp. 33,8 setzt.
In Bezug auf meine Bemerkungen über den heißen Gebläsewind erwähnt Hr. Schinz, daß bei kaltem Gebläse durch Vermehrung des
Brennstoffes stets ein an Kohlenstoff und Graphit reicheres Product erzielt werde,
während eine Vermehrung der Temperatur durch heißen Wind diesen Erfolg nie
herbeiführe. Ich kann darauf nur erwiedern, daß eine fünfundzwanzigjährige Erfahrung
mit Hohöfen, und die durch ein ununterbrochenes Studium bei meiner gegenwärtig auf
120,000 Tonnen Eisen sich belaufenden Jahresproduction gewonnene Erfahrung einen
derartigen Eindruck auf mich nicht gemacht haben. Ebenso wenig bin ich geneigt, als
eine „Lösung des Problemes, betreffend die wunderbare Wirkung des heißen
Windes,“ die Erklärung des Hrn. Schinz
anzunehmen, welcher festen Kohlenstoff und nicht Kohlenoxyd als das reducirende
Agens betrachtet.
Wenn meine Experimente „werthlos“ sind, so sind die Schinz'schen Berechnungen nicht sehr genau, denn er
gründet seine Schätzung der einem Hohofen zugeführten Wärmeeinheiten auf die
Annahme, daß 113 Kilogr. Kohlenstoff zur Umwandlung in Kohlenoxyd 3380 Kilogr. Luft
erfordern, während
diese 655 Kil. beträgt; ebenso irrthümlich ist seine Rechnung, welche beweisen soll,
daß bei heißem Winde erblasenes Eisen mehr Brennmaterial erfordert, als das mit
kalter Gebläseluft erschmolzene.
Auch wird mir vorgeworfen, daß ich nicht fähig sey, in Bezug auf die durch Abänderung
der Hohofendimensionen erzielte Brennmaterial Ersparniß, zwischen Höhe und Capacität
des Ofens zu unterscheiden. Meine Ausdrucksweise mag in Hinsicht auf Klarheit
mangelhaft seyn; hinsichtlich meiner Angabe, daß bei den Hohöfen von Lilleshall
durch Vermehrung ihrer Höhe um 21 Fuß eine Kohlenersparniß ermöglicht worden sey,
konnte aber wohl nur eine sehr eigensinnige Kritik auf den Gedanken kommen, daß
diese Veränderung in der Form der Oefen ohne eine entsprechende Vergrößerung ihrer
Capacität ausgeführt worden sey.
Hrn. Schinz's Recension meiner Arbeit enthält nur wenig,
dem ich beizustimmen geneigt bin; indessen will ich den mir in dieser Zeitschrift
bewilligten Raum nicht weiter überschreiten, als dieß bereits in Folge des Wunsches
geschehen ist, den Mitgliedern der Chemical Society,
welche mich mit der Einladung beehrten, einen Vortrag über angewandte Chemie zu
halten, nachzuweisen, daß ich ihrer Aufforderung keineswegs in der nachlässigen
Weise nachgekommen bin, wie Hr. Schinz sie glauben machen
könnte.
Washington, Grafschaft Durham.