Titel: | Die künstlichen Krappfarbstoffe. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. LXXII., S. 350 |
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LXXII.
Die künstlichen Krappfarbstoffe.
Ueber die künstlichen Krappfarbstoffe.
Während die Erfinder der künstlichen Darstellung eines der Hauptstarbstoffe des
Krapps, des Alizarins, die HHrn. Gräbe u. Liebermann, mit der Mannheimer Actien-Fabrik zur
Ausführung ihres VerfahrensMitgetheilt im polytechn. Journal Bd.
CXCIII S. 321 (zweites Augustheft 1869). schritten, wurde es bekannt, daß die Firma Meister,
Lucius
und Comp. in Höchst bei Frankfurt a. M. ein Product liefert,
welches die Einführung des Gräbe-Liebermann'schen
Productes in hohem Maaße beeinträchtigen, wenn nicht ganz verhindern muß.
Das Präparat der HHrn. Meister, Lucius und Comp., dessen Darstellung dieselben nicht patentiren
ließen, um das Verfahren geheim zu halten, unterscheidet sich sehr wesentlich von
dem Alizarin, sowie einer Mischung von Alizarin und Purpurin; was aber die
Hauptsache ist: es liefert Farben, welche an Schönheit und Feuer die sonst
hergestellten Krappfarben weit hinter sich lassen. Camille Köchlin bezeichnet das Präparat als den „Krapp der
Zukunft.“ Es sey bemerkt, daß das Product in Teigform in größeren
Mengen schon seit einiger Zeit in der Höchster Farbenfabrik dargestellt wird und daß
es seinen Ursprung aus dem Steinkohlentheer, wahrscheinlich unter Mitwirkung des
Asphaltes, nimmt. So viel ist sicher, daß das neue Präparat, für welches der Name
Alizapurin vorgeschlagen ist, dem Alizarin Gräbe-Liebermann an Brauchbarkeit weit voransteht
und schon den Vortheil der Verbreitung für sich hat. Nebenbei gesagt, weiß man über
die eigentliche Zusammensetzung des Alizapurins Meister-Lucius noch nichts.
Während die Herren Meister, Lucius und Comp. ihr Verfahren nicht haben patentiren lassen, ist
von den HHrn. Brönner und Gutzkow ein französisches Patent genommen worden auf die künstliche
Herstellung „zweier neuer
Farbstoffe,“ wie es in der Patent-Specification heißt,
mit Hülfe des Anthracens. Wahrscheinlich sind die beiden
Farbstoffe, welche gemengt erhalten werden, Alizarin und Purpurin. Das Verfahren ist
dem Gräbe-Liebermann'schen in vieler Beziehung
ähnlich, indessen bei weitem einfacher.
Um das Anthracen oder überhaupt den Grundstoff der
Farbstoffe zu erhalten, wird der Asphalt, wie er zu den
Trottoirs verwendet wird, mit dem dünnen Antheil des Steinkohlentheeres mit
überhitztem Wasserdampf destillirt. Dieß geschieht in einer Gasretorte, aus welcher
eine sanft aufsteigende Röhre die Dämpfe in ein Reservoir führt, aus welchem das
Anthracen herausgenommen werden kann, während die hier nicht condensirten
permanenten Gase fortgeführt und weiter passend verwendet werden.
Das Anthracen, welches dabei gewonnen wird, wird rectificirt und mit Hülfe irgend
welcher geeigneten Mittel oxydirt. Dieß geschieht vorzugsweise mit Hülfe von
Salpetersäure von 1,5 bis 1,3 specifischem Gewicht. Man wendet die doppelte
Gewichtsmenge Salpetersäure auf eine bestimmte Quantität des Anthracens an und führt
die Behandlung bei gewöhnlicher oder wenig erhöhter Temperatur aus.
Das Product der Einwirkung der Salpetersäure auf das Anthracen wird mit Wasser
gewaschen, gereinigt und dann unter Erwärmen in einer beliebigen Quantität
Schwefelsäure aufgelöst. Darauf setzt man der Lösung bei gewöhnlicher Temperatur
oder unter Erwärmen die passende Menge salpetersaures Quecksilberoxyd oder Oxydul
hinzu.
Nachdem die Farbstoffe sich gebildet haben, löst man sie in kaltem oder kochendem
Wasser, Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff, Thonerdelösungen, alkalischen Laugen
etc. auf. Vor dem Auflösen der Farbstoffe behandelt man dieselben indessen mit einem
Alkali, um eine reichlichere Farbenbildung zu bewirken. Darauf schlägt man sie durch
Säuren nieder und kann dann durch Umkrystallisiren oder Sublimiren reinigen. Das so
erhaltene Product sieht gelb, in Lösung roth aus.
Das angegebene Verfahren ist dem Gräbe-Liebermann'schen gegenüber sehr einfach. Die Schwierigkeit der
Beschaffung des Anthracens, eine Hauptklippe des Gräbe-Liebermann'schen Processes, fällt ganz fort, und das
erhaltene Product ist nicht Alizarin allein, welches nur eine beschränkte Anwendung
haben könnte, sondern ein Gemenge von Farbstoffen, welche alle mit den
Krapppräparaten bisher erzeugten Farben zu erhalten gestatten.
Es ist das dritte Verfahren, nach welchem sich Krappfarbstoffe aus dem
Steinkohlentheer erzeugen lassen.
Die schon namhafte Production des Meister-Lucius'schen Alizapurins, von dem wir oben sprachen, wird die
Zeit bald erreichen lassen, in welcher die Kattundruckereien sich völlig vom Krapp
emancipiren, und viele tausend Morgen Landes, welche jetzt zur Production des Krapps
dienen, werden bald, der Erzeugung von Nahrungsstoffen zurückgegeben seyn. Dr. M. Reimann.
(Musterzeitung für Färberei etc., 1869, Nr. 20.)