Titel: | Ueber den Gehalt der Pflanzensamen an löslichen Phosphaten; von Prof. Fr. Crace Calvert in Manchester. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXXIX., S. 149 |
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XXXIX.
Ueber den Gehalt der Pflanzensamen an löslichen
Phosphaten; von Prof. Fr. Crace
Calvert in Manchester.
Vorgetragen in der Versammlung der British Association zu Exeter. – Aus
Chemical News,
vol. XX p. 121; September 1869.
Calvert, über das Vorkommen löslicher Phosphate in den
Samen.
Lösliche Phosphate in den Samenkapseln
der Baumwolle.
Die von mir über die Gegenwart neutraler phosphorsaurer Magnesia in der Baumwollfaser
erhaltenen Resultate, welche ich der Londoner chemischen Gesellschaft vorgelegt
habe,Polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXVI S. 424. veranlaßten mich zur weiteren Verfolgung dieser Untersuchungen, um zu
ermitteln ob dasselbe Phosphat in den anderen Theilen der Baumwollsamenkapsel,
nämlich in der Schale derselben und im Samen selbst vorhanden ist, und, wenn dieß
nicht der Fall ist, ob die in denselben enthaltene Phosphorsäure mit anderen Basen
verbunden ist. Ich hatte bekanntlich gefunden, daß der mittlere Gehalt von zehn aus
verschiedenen Gegenden der Erde eingeführten Baumwollsorten an neutraler
phosphorsaurer Magnesia (2 MgO, HO, PO⁵) 0,05 Phosphorsäure, oder 0,084
Procent des eben genannten Salzes beträgt.
Bevor ich indessen zur näheren Ermittelung der Zusammensetzung und der Menge der in
den Schalen und Samen der Baumwollkapsel enthaltenen Phosphate schritt, hielt ich es
für gerathen, meine früheren Untersuchungen zu wiederholen und die Ergebnisse
derselben durch Trennung der Baumwollfaser von den Kapseln, deren Schalen und Samen
ich zu analysiren gedachte, zu controliren; die Resultate, welche ich erhielt,
bestätigen vollkommen die früheren, indem ich fand, daß 100 Theile Baumwollfaser
nach wiederholtem Auswaschen mit destillirtem Wasser 0,084 Proc. neutraler
phosphorsaurer Magnesia, entsprechend 0,050 Proc. Phosphorsäure lieferten und daß,
ebenso wie bei meinen früheren Untersuchungen, nur Spuren von Kali und Kalk in der Lösung nachgewiesen
werden konnten, während andere Magnesiasalze nicht aufzufinden waren.
a) Schalen der Baumwollsamenkapseln.
Um zu ermitteln ob die Menge und Natur der in den Schalen der Samenkapseln der
Baumwollstaude enthaltenen Phosphate die gleiche sey wie in der Baumwollfaser
selbst, macerirte ich 14,45 Grm. der in feines Pulver verwandelten Schalen zwölf
Stunden lang mit 250 Grm. destillirten Wassers. Diese Operation wurde viermal
mit demselben Material wiederholt; die abfiltrirten vereinigten Flüssigkeiten
wurden zur Trockne verdampft und der Rückstand wurde geglüht. Die Analyse der
Asche führte zu folgenden Ergebnissen: von Magnesia und Kalk waren nur geringe
Mengen vorhanden; fast der ganze Phosphorsäuregehalt war an Kali und Eisenoxyd
gebunden.
Hundert Gewichtstheile der Schalen enthielten nämlich:
phosphorsaures Kali
0,531 = 0,178
Phosphorsäure, an Kali gebunden;
phosphorsaures Eisenoxyd
0,227 = 0,106
Phosphorsäure, an Eisenoxyd gebunden;
phosphorsauren Kalk
0,030 = 0,016
Phosphorsäure, an Kalk gebunden;
nebst einer Spur von Magnesia.
Demnach ist in den Schalen die Phosphorsäure nicht an Magnesia gebunden, wie in
dem Faserstoff, sondern an Kali und Eisenoxyd, und der gesammte
Phosphorsäuregehalt dieses Theiles der Baumwollpflanze beträgt 0,300 Procent,
ist also sechsmal so groß als der Phosphorsäuregehalt der Baumwollfaser, welcher
nur 0,050 Proc. beträgt.
b) Baumwollsamen.
Ich schritt nun zur Bestimmung der Zusammensetzung und der Menge der im
Baumwollsamen enthaltenen Phosphorsäuresalze und erhielt folgende Resultate:
phosphorsaures Kali
0,650
=
0,217 Phosphorsäure,
phosphorsaure Magnesia
0,117
=
0,069
„
phosphorsaures
Eisenoxyd
0,025
=
0,011
„
Diese Ergebnisse – wie in den vorhergehenden Fällen das
Durchschnittsresultat von zwei Analysen – zeigen daß der Same eine weit
größere Phosphorsäuremenge enthält, als die übrigen Theile der Samenkapseln;
dieselbe ist nämlich beinahe sechzehnmal so groß als der Phosphorsäuregehalt der
Faser und viermal so groß als derjenige der Schalen.
Demnach ist der Gehalt an Phosphorsäure und Phosphorsäuresalzen auf die
verschiedenen Theile der Samenkapsel der Baumwollpflanze in folgender Weise
vertheilt:
Schale
0,300 Phosphorsäure;
Faser
0,050
„
Same
1,092
„
Aus diesen Resultaten ergeben sich zwei wichtige Thatsachen: nämlich daß in dem
Samen phosphorsaures Kali, phosphorsaure Magnesia und phosphorsaures Eisenoxyd,
nicht aber, wie bisher allgemein angenommen wurde, phosphorsaurer Kalk
vorherrschen; ferner daß die Natur und die Menge der Phosphate in jedem der drei
Theile der Baumwollkapsel verschieden sind.
Auch haben wir gesehen, daß in der Schale phosphorsaures Eisen und phosphorsaures
Kali, in der Faser dagegen phosphorsaure Magnesia und im Samen phosphorsaures
Kali und phosphorsaure Magnesia vorherrschen. Interessant ist dabei noch, daß
beinahe die gesammte Menge der in den Baumwollsamenkapseln enthaltenen Basen mit
Phosphorsäure verbunden ist.
Lösliche und unlösliche Phosphate in den
Weizenkörnern.
a) Weißer oder weicher englischer Weizen.
220,8 Grm. sehr sorgfältig ausgesuchten und gereinigten weißen Weizens wurden bei
110° C. getrocknet, mit destillirtem Wasser wiederholt ausgezogen, die
Flüssigkeiten zur Trockne verdampft und der erhaltene Rückstand geglüht. Die
Menge der erhaltenen Asche betrug nur 0,010 Proc.; daraus folgt, daß Wasser
unter diesen Umständen nur eine schwache oder gar keine Wirkung hatte.
Ich entschloß mich daher, den Weizen vor der Behandlung mit Wasser zu quetschen,
damit das Wasser in die Masse eindringen und alle löslichen Salze extrahiren
könne; bevor ich aber dazu schritt, hielt ich es für rathsam, den Gesammtbetrag
der in dem zur Analyse verwendeten Weizen enthaltenen Phosphorsäure zu
bestimmen. Bei einer ersten Analyse erhielt ich 0,633, bei einer zweiten 0,677
Procent Phosphorsäure oder in 100 Theilen Asche 55,5 Theile PO⁵.
Diese Resultate bestätigen die schon früher von Fresenius gemachte Beobachtung, daß die bei der Verbrennung von
Weizenkörnern zurückbleibende Asche fast gänzlich aus Phosphorsäuresalzen
besteht.
Um zu ermitteln, welcher Betrag dieser Phosphate in Wasser löslich ist, übergoß
ich 50 Grm. von gequetschtem weißem weichen Weizen, welcher bei 110° C.
getrocknet war, in einem Glasgefäße mit 150 Grm. destillirten Wassers, dem ich
zur Verhinderung von Gährung und Säurebildung eine geringe Menge Carbolsäure
zugesetzt hatte. Nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden wurde das wässerige
Extract abgegossen, wieder frisches Wasser zugesetzt und dieses Auswaschen so lange wiederholt,
bis alle mineralischen Substanzen in Lösung gegangen waren. Die sämmtlichen
Flüssigkeiten wurden zusammen gegossen und zur Trockne verdampft; der Rückstand
ward geglüht. Die Menge der Phosphorsäure wurde = 0,394 gefunden; demnach sind
beinahe zwei Drittel der im Weizen enthaltenen Phosphorsäure oder
Phosphorsäuresalze in Wasser löslich.
b) Rother oder harter englischer Weizen.
Wie in dem weichen oder weißen Weizen bestimmte ich auch in dem harten oder
rothen Weizen zunächst seinen Gesammtgehalt an Phosphaten und an löslichen
Phosphorsäuresalzen. Ich fand, daß 100 Th. von rothem hartem Weizen, bei
110° C. getrocknet, 0,749 Phosphorsäure lieferten und daß 100 Th.
desselben Weizens, bei 110° C. getrocknet, dann gequetscht und mit Wasser
behandelt, 0,376 löslicher Phosphorsäuresalze gaben.
Ich bedauere, daß es mir nicht vergönnt war, diese Untersuchungen mit weißem und
mit rothem, aus verschiedenen Gegenden stammendem und auf verschiedenen
Bodenarten, nämlich auf Sand-, Kalk-, oder Thonboden gebautem
Weizen zu wiederholen, da der rothe Weizen mehr Phosphate enthält als der weiße,
und da die im rothen Weizen enthaltenen Phosphate zur Hälfte, die im weißen
Weizen enthaltenen aber zu zwei Dritteln in löslichen Phosphorsäuresalzen
bestehen. Unter diesen Umständen muß ich annehmen, daß die Differenzen im
Phosphatgehalte von der Art des Weizens selbst, und nicht von der Beschaffenheit
des Bodens bedingt werden.
Diese Resultate veranlaßten mich zu untersuchen, ob die verschiedenen Theile, in
welche das Weizenkorn durch die successiven Operationen des Mahlens getrennt
wird, denselben Betrag und dieselbe Art von Phosphaten enthalten.
Die Resultate meiner Versuche entsprachen meinen Erwartungen vollständig. Die in
den verschiedenen Theilen des Weizenkornes enthaltenen Phosphate sind nicht so
sehr hinsichtlich ihrer chemischen Natur als bezüglich ihrer Menge verschieden,
welche von den peripherischen Theilen nach den centralen zu stufenweise abnimmt.
So enthält, während im Mehle nur Spuren von Phosphaten, namentlich von
löslichen, zugegen sind, die Kleie eine große Menge dieser Salze.
Der Gesammtbetrag an Phosphorsäure wurde gefunden in:
Kleie
1,682
Mehl
0,971
Der Gehalt an löslichen Phosphaten betrug in:
Kleie
1,264
Mehl
0,080
Ein bedeutender Müller in der Nähe von Manchester ließ für mich einige Säcke
Weizen mahlen und beuteln, so daß ich die verschiedenen Schichten, aus denen das
Weizenkorn besteht, in isolirtem Zustande erhielt, so weit es auf diesem Wege
möglich ist, nämlich:
Nr. 1. Grobe Kleie.
Nr. 2. Grobe Kleie.
Nr. 3. Grober Gries.
Nr. 4. Feiner Gries.
Nr. 5. Mehl.
Gehalt der verschiedenen Theile des
Weizenkornes an Phosphorsäure und Phosphorsäuresalzen.
Korn undKleie.
Nr. II.
Nr. III.
Nr. IV.
Mehl.
Phosphorsäure, an
Eisenoxyd gebunden
0,042
0,047
0,037
0,015
0,022
Phosphorsäure, an
Magnesia und eine
geringe Menge Kalk
gebunden
1,485
1,259
0,657
0,329
0,191
Phosphorsäure an
Kali gebunden
1,071
1,046
0,459
0,280
0,758
–––––––––––––––––
–––––
––––––
––––––
––––––
Im Ganzen
2,598
2,352
1,153
0,624
0,971
In Wasser
lösliche Phosphorsäuresalze
1,942
1,666
0,918
0,529
0,080
Diese Zahlen sprechen auch dafür, daß der größte Theil der im Weizen enthaltenen
Phosphate nicht mit der organischen Substanz verbunden, sondern in freiem
Zustande zugegen ist.
Ferner zeigen dieselben, daß die vorhandenen Phosphate zum größten Theile löslich
sind, und daß in diesen löslichen Salzen die Phosphorsäure an Kali und Magnesia
gebunden ist, während in den unlöslichen Phosphorsäuresalzen die Basen durch
Kalk, Eisenoxyd und eine geringe Menge Magnesia repräsentirt werden; letztere
ist wahrscheinlich als basisches Magnesiaphosphat, 3 MgO, PO⁵, vorhanden,
während das lösliche Magnesiasalz in 2 MgO, HO, PO³ besteht.
Meine Analysen zeigen klar, daß unsere Gewohnheit, weißem Brode den Vorzug vor
Schwarzbrod, also solchem zu geben, zu dessen Bereitung fast alle Bestandtheile
des Weizenkornes verwendet werden, eine irrthümliche Praxis ist, wenn wir die
nährenden Eigenschaften des Weizens in Betracht ziehen, namentlich als Nahrung für Kinder,
denen die Phosphate für die Knochen- und Blutbildung so nothwendig
sind.
Diese Ansichten erhalten eine weitere Stütze durch die sehr interessanten
Versuche von Mège-Mouriès,Die Untersuchungen von Mège-Mouriès bezüglich des Weizens, des
Weizenmehles und der Brodbereitung mit demselben, sind zusammengestellt
in dem Bericht von Chevreul, welcher im
polytechn. Journal 1857, Bd. CXLIV S. 209 mitgetheilt wurde.A. d. Red. welcher nachwies, daß in den inneren Corticaltheilen des Weizenkornes
ein eigenthümliches Ferment enthalten ist, durch welches das Stärkmehl sehr
rasch in Zucker umgewandelt und somit die Umwandlung des Weizenmehles in Brod
begünstigt wird.
Diese Beobachtungen führten Mège-Mouriès auf ein besonderes Verfahren zum
Mahlen des Weizens und zur Bereitung von Brod aus dem so erhaltenen Mehle.
Während man bei Anwendung des gewöhnlichen Mahlverfahrens aus 100 Pfd. Weizen 70
Pfd. Mehl und 92 Pfd. Brod erhält, gewinnt man nach der neuen Methode aus 100
Pfd. Weizen 82 Pfd. Mehl und 110 Pfd. Brod.
Zum Schlusse bemerke ich, daß wir bereits Analysen des Weizens von Professor Way und Dr. Völcker besitzen, und daß G. B. Lawes und G. H. Gilbert umfassende
Untersuchungen „über die Zusammensetzung der Asche des
Weizens“ und „über den Weizen und die aus demselben in
der Mühle gewonnenen Producte“
Wir verweisen auf die in Liebig's Laboratorium
von O. Dempwolf ausgeführte Untersuchung des
ungarischen Weizens und der auf der Pesther Walzmühle aus demselben
dargestellten Producte, mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CXCII S. 332 (zweites Maiheft
1869).A. d. Red. veröffentlicht haben. Aber die Untersuchungen dieser Chemiker erstrecken
sich nur auf den Totalgehalt dieser Producte an Phosphorsäure und keineswegs auf
die in den verschiedenen Theilen des Weizenkornes enthaltenen respectiven Mengen
von phosphorsaurem Kali, phosphorsaurer Magnesia, phosphorsaurem Kalk und
phosphorsaurem Eisenoxyd, deren Ermittelung ich mir zur Aufgabe gemacht
hatte.