Titel: | Untersuchungen über die Metalllegirungen; von Alfred Riche. |
Fundstelle: | Band 194, Jahrgang 1869, Nr. XXXVI., S. 126 |
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XXXVI.
Untersuchungen über die Metalllegirungen; von
Alfred
Riche.
Aus den Comptes rendus, t. LXVII p. 1138 und t. LXIX p.
343; December 1868 und August 1869.
Riche, Untersuchungen über die Legirungen.
Erste Mittheilung.
In dieser Mittheilung beschränke ich mich auf die Legirungen
von Kupfer und Zinn, und zwar hinsichtlich der Dichtigkeit (des specifischen Gewichtes), des Aussaigerns und der Schmelzbarkeit
derselben.
Specifisches Gewicht. – Zur Bestimmung desselben
wurden anfänglich Zaine von 50 bis 60 Grammen Gewicht verwendet; den auf diese Weise
erhaltenen Resultaten darf man jedoch wegen der bedeutenden Schwankungen in der
Textur, welche diese verschiedenen Legirungen zeigen, keine große Bedeutung
beilegen, und aus diesem Grunde wiederholte ich die Dichtigkeitsbestimmungen mit den
in Pulverform gebrachten Substanzen. Aus der nachstehenden Tabelle ergibt sich, daß
von den sehr zinnreichen Legirungen an bis zu der Legirung SnCu² die Zusammenziehung in einer
ziemlich regelmäßigen Weise zunimmt, und von der
letzteren Legirung an
plötzlich stärker wird, bis sie in der Legirung SnCu³ ihr Maximum erreicht, worauf sie wieder schwächer wird und dann
ziemlich regelmäßig wächst. Jedoch bleibt die Dichtigkeit der kupferreichsten
Legirungen geringer als die der Legirung SnCu³,
welche nur 62 Proc. Kupfer enthält. Diese letztere unterscheidet sich auch
hinsichtlich ihrer Eigenschaften von allen anderen Kupfer-Zinnlegirungen sehr
deutlich; sie ist so spröde, daß sie sich in einem Mörser zerstoßen läßt, und bildet
ein bläulich gefärbtes, krystallinisches Metall.
Tabelle über das specifische Gewicht der
Kupfer-Zinnlegirungen.
Textabbildung Bd. 194, S. 127
Chemische Formel der Legirung;
Procentische Zusammensetzung; Specif. Gewicht in Zainform; Specifisches Gewicht
in Pulverform; Berechnetes specif. Gewicht; Differenz
Aussaigern. – Das Aussaigern, d.h. das Bestreben
der Legirungen, sich im Augenblicke des Erstarrens in andere, abweichend
zusammengesetzte Legirungen zu verwandeln, tritt bei den
Kupfer-Zinnlegirungen weniger stark hervor als bei den
Silber-Kupferlegirungen. Um diese Erscheinung deutlich beobachten zu können,
muß man die Metallmasse im Augenblicke des Erstarrens umrühren, damit sich die
bereits gebildeten Krystalltröpfchen ausscheiden. Mit dem letzten Product, welches
in einer 1000 bis 1200 Gramme wiegenden Masse flüssig geblieben war, wurden folgende
Resultate erhalten:
Textabbildung Bd. 194, S. 128
Formel der Legirung; Berechnete
Gefundene; Gewichtsmenge; Zinn
Demnach findet bei den sämmtlichen Legirungen ein Aussaigern statt, ausgenommen bei
SnCu³ und SnCu⁴.
Schmelzbarkeit. – Zur Bestimmung der
Schmelzbarkeit der Kupfer-Zinnlegirungen bediente ich mich des Becquerel'schen thermoelektrischen Pyrometers mit
Platin-Palladiumkette. Dieser von Ruhmkorff
construirte Apparat kann dem Chemiker große Dienste leisten und wird in der
Metallgießerei und in der Keramotechnik bereits mit großem Vortheil angewendet; nur
benutzte ich anstatt eines gewöhnlichen Galvanometers die weit empfindlichere Weber'sche Boussole.
Ich stellte meine Beobachtungen vergleichend mit den oben angegebenen Legirungen und
mit Metallen an, deren Schmelzpunkte, beziehungsweise Siedepunkte von verschiedenen
Experimentatoren als Fixpunkte angenommen worden sind. Aus den von mir ausgeführten
zahlreichen Bestimmungen ergibt sich, daß die Erstarrung der Legirungen SnCu³ und SnCu⁴
bei einer Temperatur zwischen dem Schmelzpunkte des Antimons und dem Siedepunkte des
Cadmiums stattfindet.
Beobachtete
Abweichungender Magnetnadel.
Siedendes Wasser bei einem Drucke von 76 Centimet.
24
Erstarrungspunkt des Zinnes
57
„
des Antimons
206
„
der Legirung SnCu³
247
„ „
„ SnCu⁴
265
Siedepunkt des Cadmiums
335
Zweite Mittheilung.
In meiner früheren (vorstehenden) Mittheilung bestimmte ich die Schmelzbarkeit und
das specifische Gewicht der Kupfer-Zinnlegirungen (Bronzen) und wies nach,
daß die Legirung SnCu³, ohne sich in andere
Producte zu spalten, selbst dann ihre Zusammensetzung bewahrt, wenn man sie ziemlich
lange Zeit unter Umrühren in geschmolzenem Zustande erhält. Ich beobachtete die
schon von Calvert und Johnston
Philosophical Magazine vom Monat November
1859. constatirte Thatsache, daß das Kupfer und das Zinn in dieser Legirung ein
Maximum von Contraction erleiden, im Widerspruche mit der Ansicht anderer
Beobachter, welche behaupten daß die Zusammenziehung mit dem Zinngehalte
zunehme.Briche, Handbuch der angewandten Chemie von Dumas (deutsche Uebersetzung), Bd. III S.
460.
Die Irrthümer über diesen Punkt und die Divergenzen zwischen den zahlreichen, von Calvert und Johnston
erhaltenen und den von mir gefundenen Zahlen haben wahrscheinlich darin ihren Grund,
daß ich mit Legirungen operirte, welche unter gleichen Umständen in feines Pulver
verwandelt waren, wogegen die anderen Experimentatoren, und wahrscheinlich die
englischen Chemiker selbst, ihr Untersuchungsmaterial in Zainform anwendeten. Setzen
wir nun voraus, daß beim Gusse jede Blasenbildung vermieden worden sey, so bietet
die Textur der Legirungen solche Unterschiede dar und die Dichtigkeit gewisser
Bronzen schwankt mit dem rascheren oder langsameren Erkalten so sehr, daß das
Material nicht vergleichbar ist, wenn es in Form von Platten oder von Zainen
verwandelt wird.
I. Caron hat bei seinen Untersuchungen über den StahlPolytechn. Journal, 1863. Bd. CLXVIII S. 36. vollkommen nachgewiesen, daß die Dichtigkeit dieses Körpers durch das Härten
vermindert wird. Man hatte angenommen, daß dieß auch bei dem Anlassen der Bronze für
Glocken der Fall sey;Dussaussoy, Handbuch der angewandten Chemie von
Dumas, Bd. III S. 463. – Wertheim, Annales de
Chimie et de Physique, 3. série,
t. XII p. 593. meine in der nachstehenden Tabelle zusammengestellten Versuche beweisen
jedoch das Gegentheil.
Demnach erzeugt das Härten und das Anlassen beim Stahl und bei der Bronze ganz
entgegengesetzte Wirkungen; während das Härten das specifische Gewicht des Stahles
vermindert, vermehrt das Anlassen dasjenige der Bronze. Dieß ist ganz natürlich,
denn das Ablöschen macht den bearbeiteten Stahl härter, die Bronze dagegen weicher.
Durch das Ausglühen wird hingegen das specifische Gewicht des gehärteten Stahles
erhöht, das der angelassenen Bronze aber vermindert.
Hunzman's Gußstahl zur Anfertigung der
Prägstempel in der Pariser Münze.
LaufendeNummer.
Specif. Gewichtder
gegossenenZaine.
Specif. Gewichtnach demAnlassen.
Specif. Gewichtnach demHärten.
Specif. Gewichtnach demAnlassen
undHärten.
Specif. Gewichtnach demHärten
undAnlassen.
1
7,841
7,843
7,758
2
7,841
7,843
7,755
3
7,839
7,845
7,763
4
7,839
7,842
7,705
5
7,839
7,735
7,831
6
7,846
7,749
7,833
7
7,839
7,738
7,828
Bronze mit 20 Procent Zinn (Glockengut).
Textabbildung Bd. 194, S. 130
Laufende Nummer; Spec. Gewicht dem
Gusse; Spec. Gewicht nach dem Anlassen; Spec. Gewicht nach dem Ausglühen; Spec.
Gew. nach dem Anlassen und Ausglühen; Spec. Gewicht nach dem Ausglühen und
Anlassen; Spec. Gew. nach dem Anlassen, Ausglühen u. zweiten Anlassen; Spec.
Gew. nach dem Ausglühen, Anlassen u. zweiten Ausglühen; Spec. Gew. nach
zweifachem Ausglühen u. zweif. Anlassen; Spec. Gew. nach zweifachem Ausglühen,
zweif. Anlassen u. einem dritten Anlassen
II. Nach diesen Resultaten war es von Interesse zu bestimmen, ob diese Differenzen
sich auch dann zeigen, wenn man die beiden Metalle der Einwirkung des Hammers oder
des Prägwerkes unterwirft. Die folgende Tabelle zeigt die Veränderungen des
specifischen Gewichtes, welche der Stahl und die Bronze in Folge der successiven
Einwirkung des Stoßes und der Hitze erleiden.Beide Metalle wurden in Scheiben von 80 bis 150 Grm. Gewicht angewendet. Sie
wurden unter einem von vier Mann bewegten Prägwerke geschlagen. Der Stahl
war angelassen; die Bronze war bei einigen Versuchen angelassen, bei anderen
ausgeglüht. Beide Metalle waren in denselben mit Kohlenstaub umgebenen
Blechkasten gelegt worden.
Textabbildung Bd. 194, S. 131
Stahl; Bronze; Angelassen;
Ausgeglüht; Ursprüngliches specifisches Gewicht; Specif. Gewicht nach dem
Ausglühen, der ersten Prägung, dem zweiten Ausglühen, der zweiten Prägung, dem
dritten Ausglühen, der dritten Prägung, dem vierten Ausglühen, der vierten
Prägung und dem fünften Ausglühen
Demzufolge wirkt der Stoß auf die Bronze in ganz anderer Weise als auf den Stahl; er
vermehrt die Dichtigkeit der Bronze sehr bedeutend, hingegen diejenige des Stahles
kaum merklich, scheint vielmehr dieselbe zu vermindern. Wenn diese letztere Wirkung
unter allen Umständen durch den Stoß auf den Stahl ausgeübt wurde, so ließe sich
daraus schließen, daß der Stoß auf Bronze und Stahl ebenso wirkt wie das Ablöschen
u. Härten. Bezüglich der Bronze ist die Thatsache nicht in Zweifel zu ziehen, und da
bei derselben die Wärme und der Stoß in demselben Sinne wirken, so nimmt die
Dichtigkeit beträchtlich zu; nach fünfmaligem Anlassen ist sie um beinahe ein
Zwanzigstel größer geworden.
Hiernach ist es einerseits begreiflich, wie ein aus einem Stahlblock angefertigter
Prägstempel ein dreißig-, ja selbst ein sechzigmaliges Anlassen aushält, ohne
zu verderben; andererseits läßt es sich erklären, weßhalb alle bei uns gemachten
Versuche zur Fabrication von Tamtams und Cymbeln aus dem Metall der Chinesen und der
Türken erfolglos geblieben sind; denn nach dem Gusse wird das Metall zum Nothglühen
erhitzt, abgelöscht und
dann kalt durch Hämmern bearbeitet:In mehreren Werken über chemische Technologie findet man freilich die Angabe,
daß dieses Verfahren ganz gut gelingt. Unsere besten Fabrikanten, Hr. Lecomte und Hr. Gautrot, haben mir aber versichert daß es noch nicht gelungen ist,
die Tantams und Cymbeln mit dem Metalle der Orientalen zu fabriciren. Operationen, in Folge deren das Metall sich zusammenzieht und bei der
Bearbeitung bricht.
Behufs des Gelingens müßte man die Arbeitsmethode der Orientalen auf das Genaueste
befolgen; wir kennen dieselbe heutzutage vollständig, in Folge der Bemühungen
mehrerer Reisenden, namentlich des Hrn. Champion,
Präparators am Conservatorium der Künste und Gewerbe zu Paris, welcher in einem
nächstens erscheinenden Werke diesen Industriezweig mit der größten Ausführlichkeit
beschreibt. Diese Methode ist sehr rationell; der ganze Theil der Arbeit, welcher
das Austreiben des gegossenen Metalles zum Zwecke hat, besteht in einem bei hoher
Temperatur ausgeführten raschen Hämmern; die durch die Wärme hervorgebrachte
Ausdehnung des Metalles hält der durch das Hämmern verursachten Zusammenziehung das
Gleichgewicht.
III. Das Kupfer zeigt, wenn es successivem Ablöschen und Ausglühen unterworfen wird,
nichts Aehnliches. Seine Dichtigkeit verändert sich kaum; sie wird höchstens ein
wenig geringer, denn nach siebenmaligem Ablöschen und Ausglühen war das specifische
Gewicht dieses Metalles von 8,921 auf 8,781 vermindert. Ein auffallender Unterschied
zwischen der Wirkung des Ablöschens und des Ausglühens ist nicht zu bemerken. Ebenso
verhalten sich die zinnarmen Bronzen.
Wenn bei der Fabrication kupferner Medaillen das geprägte Metall in noch rothglühendem Zustande in das saure Beizwasser
eingetaucht wird, so geschieht dieß einfach um die bei langsamem Erkalten an der
Luft stattfindende bedeutende Oxydation zu vermeiden.
Ich ließ aus Kupfer Medaillen schlagen und bestimmte nach jedem Schlage und nach
jedesmaligem Erkalten die Dichtigkeit derselben; ich fand dabei, daß nach sechs
derartigen Operationen die Dichtigkeit ziemlich dieselbe ist wie gleich nach dem
Gusse. Diese Eigenschaft des Kupfers, nebst seiner Weichheit, macht es erklärlich,
daß dieses Metall zur Fabrication von Medaillen so gut geeignet ist.
Die Analysen von alten Denkmünzen haben gezeigt, daß die Alten zu diesem Zwecke
zuweilen Kupfer, gewöhnlich aber Bronze benutzten, und daß der Zinngehalt der
letzteren zwischen 1 und 20 Procent beträgt.
Nachdem ich mit Hülfe eines von Magna construirten
sinnreichen Apparates gefunden hatte, daß die 2 bis 4 Proc. Zinn enthaltenden
Bronzen nicht bedeutend härter sind als das Kupfer, ließ ich zur Vergleichung, ohne an dem
Arbeitsverfahren etwas abzuändern, Medaillen aus Kupfer und aus verschiedenen
Legirungen prägen.
Bei den Medaillen von 35 Millimeter Durchmesser und darunter waren die Differenzen
nicht sehr auffallend; bei Schrötlingen von 50 und von 68 Millimet. Durchmesser
traten dieselben hingegen sehr deutlich hervor. Während zur Vollendung von
Kupfermedaillen sieben Schläge (und siebenmaliges Ausglühen) nöthig sind,
erfordert
Bronze
aus
97 Kupfer
und
3 Zinn
an
Schlägen
10,
„
„
96,5 „
„
3,5 „
„
„
12,
„
„
96 „
„
4 „
„
„
13 bis 14,
„
„
95 „
„
5 „
„
„
mindestens 16.
Durch Zusatz von Zink wird das Metall geschmeidiger, denn vierzehn Schläge genügen
zur Vollendung derselben Medaille aus der Legirung für Sousstücke, welche 95 Kupfer,
4 Zinn und 1 Zink enthält, und für die früher angewandte Legirung aus 94 Kupfer, 4
Zinn und 2 Zink sind 16 bis 18 Schläge erforderlich.