Titel: | Ueber Zweck und Nützlichkeit des Bandagirens der Riemenscheiben. |
Autor: | Rob. Schmidt |
Fundstelle: | Band 192, Jahrgang 1869, Nr. CXIV., S. 435 |
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CXIV.
Ueber Zweck und Nützlichkeit des Bandagirens der
Riemenscheiben.
Schmidt, über das Bandagiren der Riemenscheiben.
Ein großer Theil der Leser dieser Zeitschrift möchte schon durch anderweitige
Mittheilungen darauf aufmerksam gemacht seyn, daß man in neuerer Zeit empfiehlt, die
eisernen Betriebsriemenscheiben, behufs ihrer vortheilhafteren Wirkung, mit Leder zu
bandagiren. Nachdem wir uns speciellere Einsicht in dieser Sache verschafft und
dadurch unser Mißtrauen gegen dieselbe beseitigt haben (solches dürften wohl auch
viele Andere getheilt haben), wollen wir uns nun im Nachfolgenden über den Zweck und
die Nützlichkeit dieser Neuerung näher aussprechen. Es geschieht dieß zu Gunsten der
in Rede stehenden Neuerung, und wir werden sie deßhalb von mehreren Seiten
beleuchten.
Textabbildung Bd. 192, S. 436
Theoretisches. — Es sey in jeder der vorstehendeu
Figuren A eine treibende Riemenscheibe, von welcher
angenommen werden mag, daß sie sich mit constanter Geschwindigkeit und mit solcher
Umdrehungskraft bewege, daß die Größe der letzteren an der Peripherie beim normalen
Gange P sey; Es sey ebenso in jeder der Figuren B eine Riemenscheibe, welche durch die Scheibe A in Umdrehung gesetzt werden soll, und Es finde an der
Peripherie derselben ein Widerstand statt, welcher bei normalem Gange die Größe P hat. Der Riemen, welcher in beiden Fällen die Bewegung
der Scheibe A an die B zu
vermitteln hat, muß eine bestimmte Spannung S haben, und
diese drückt sich nach bekannten statischen Gesetzen aus, durch:
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worin e die Basis der natürlichen Logarithmen, µ den
Reibungscoefficient des Riemens auf dem Umfang der Scheiben und α das
Bogenmaaß des umschlungenen Bogens für die kleinere der
Scheiben bezeichnet. Aus dem Ausdruck für S läßt sich
auch leicht die größte Spannung, die Spannung des ziehenden Endes, Textabbildung Bd. 192, S. 436 ermitteln, und aus dieser die Querschnittsdimension (bei einfachen Riemen die Breite, bei
mehrfachen Riemen die Breite und Dicke) des Riemens ermitteln. Bei Berechnung der
Querschnittsdimensionen eines Riemens pflegt man der Sicherheit wegen für P zu setzen 1,1 P und für
den Tragmodel des Riemenleders 360 Pfund. Die angeführten Formeln gelten zunächst
für den offenen Riemen, finden aber auch Anwendung für den gekreuzten Riemen, wenn
man unter α das Bogenmaaß eines der umschlungenen Bögen versteht, da in
diesem Falle die Umschlingungsbögen von zwei zusammenarbeitenden Scheiben einander
gleich sind.
Aus der Form des Ausdruckes für S, von dessen Größe die
Reibung des Riemens auf den Scheiben abhängig ist, erkennt man leicht, daß er für
einen bestimmten Widerstand P abnimmt, wenn der zu e gehörige Exponent πα zunimmt, woraus weiter folgt: daß einerseits, beim
offenen Riemen, die Reibung auf der kleineren Scheibe immer kleiner als die auf der
größeren seyn wird, und daß andererseits für jede Art des Riemenbetriebes der
Reibungscoefficient möglichst groß zu machen ist, wenn man die Spannung S möglichst klein haben will. Dieß ist aber für jeden
Riemenbetrieb insofern wünschenswerth, als mit der Spannung die Widerstandsarbeit in
den Zapfen der Riemenscheiben wächst.
Praktisches. — In der Praxis werden die
Riemenscheiben meist aus Gußeisen, zuweilen die kleinen aus Holz hergestellt, und
als Treibriemen bedient man sich der Lederriemen (in neuerer Zeit auch der
sogenannten Gummiriemen, für welche aber das hier zu Sagende ebenfalls Anwendung
findet), welche für stärkere Kraftübertragungen 2 bis 3fach gemacht werden. —
Obgleich man nun in der Praxis den Riemen Anfangs eine viel größere Spannung als die
theoretisch nothwendige gibt, so nimmt diese doch sehr bald, wegen der Reckbarkeit
der Riemen ab, wird zur Ueberwindung des normalen Widerstandes zu klein, und hat zur
Folge, daß der Riemen auf der kleineren Scheibe rutscht,
somit die Bewegung der Kraftscheibe auf die Lastscheibe nicht mehr continuirlich
überträgt. Ein Gleiches wird eintreten, wenn der Arbeitswiderstand nicht constant
bleibt, wenn vielmehr derselbe öfter zunimmt, und wird hier das Rutschen im
Allgemeinen immer auf der getriebenen Scheibe
stattfinden. Das Rutschen des Riemens ist gleichbedeutend mit dem Hinübergleiten des
Riemens über eine der Scheiben, und hat zur Folge: daß einerseits die Bewegung der
getriebenen Welle unregelmäßig und mit verminderter Geschwindigkeit erfolgt,
andererseits ein Theil der Kraft für die Riemenreibung nutzlos verwendet wird, und
endlich noch Betriebsverluste dadurch entstehen, daß mit dem Rutschen des Riemens
oft auch ein
Herabfallen desselben (bei horizontalen Scheiben immer) verbunden ist Die
verlorengehende Reibungsarbeit wächst natürlich mit der Geschwindigkeit der Scheiben
und dem Widerstände in der getriebenen, und die unregelmäßige Bewegung der
getriebenen Scheibe kommt um so mehr in Betracht, je mehr die Arbeit gleichförmige
und bestimmte Geschwindigkeit erfordert.
Der Reibungscoefficient des Leders auf Leder (für die rauhen Seiten) ist nun etwa
5mal so groß als der des Leders auf Gußeisen, und man hat deßhalb in neuerer Zeit
damit begonnen, die Riemenscheiben mit Leder, dessen rauhe Seite nach außen gekehrt
ist, zu bandagiren, wodurch man nach dem Vorstehenden erreichen wird:
1) Daß bei einer Spannung des Riemens, welche etwa gleich der bisherigen ist, jede Kraftvergeudung durch nutzlose Reibungsarbeit vermieden
wird, und die Uebertragung der Bewegung an die treibende Welle
continuirlich geschieht.
2) Daß bei einer Spannung des Riemens, welche kleiner als die bisherige ist, und wo
ein Rutschen auf die Arbeit einen schädlichen Einfluß nicht übt, die Ausgabe für
Beschaffung der Riemen vermindert werden kann. Dieß ist besonders wichtig in den
Fällen, wo große Kräfte zu übertragen sind und mehrfache Riemen zur Verwendung
kommen müssen.
Die Hauptfrage bezüglich der Realisirung des Bandagirens der Riemenscheiben, welche
jedem Techniker zunächst auftreten dürfte, wird die seyn: kann
mit jeder Riemenscheibe eine Lederbandage so verbunden werden, daß sie dauernd
ein zusammenhängen des Ganze mit der Scheibe bildet? Wir wollen diese Frage
durch Darlegung des Verfahrens beantworten, dessen sich die Firma Simon Freund
jun. in Berlin zum Bandagiren
der Riemenscheiben bedient und welches sich, als Resultat zahlreicher Versuche, nach
vielen Erfahrungen vollkommen bewährt hat. Zunächst sey erwähnt, daß nicht der
Klebstoff, sondern die Spannung der Bandage dieselbe auf der Scheibe erhält, und daß
diese nach dem Widerstände zu bemessen ist, welcher in der getriebenen Scheibe
stattfindet; daß also auch die Stärke des Bandagenleders mit diesem Widerstände
wächst. Das Bandagenleder ist in eigenthümlicher Weise zubereitet, so zwar, daß Es
durch lauwarmes Wasser gezogen ein sehr nachgiebiger Körper wird, und diese
Eigenschaft beim Trocknen wieder verliert. Als Klebstoff dient eine besondere
Composition, welche Honigconsistenz und die Eigenschaft hat, nach dem Trocknen einen
sehr harten Körper zu bilden. Das Aufspannen geschieht in folgender Weise: der
Klebstoff wird in dünner Lage auf die Riemenscheibe und darauf die durch Wasser erweichte
Bandage gebracht; dieselbe erhält jedoch 1/12 bis 1/10 weniger Länge als die
Peripherie der Riemenscheibe, und das Fehlende wird durch Spannen derselben
hervorgebracht; hierzu dienen sehr einfache, mit Riemen und Schnallen versehene
Riemenspanner, mittelst deren man die Bandagen mehr und mehr zusammenziehen kann;
die Enden der Riemen werden endlich durch sogenannte Nähriemen zusammengenäht, und
die Nahtstelle durch ein schwaches Leder gedeckt. Zum Trocknen der Bandagen und zum
Erhärten des Klebstoffes sind in trockenen, warmen Räumen etwa 12 – 18
Stunden erforderlich, in feuchten Räumen aber mehr Zeit, und empfiehlt Es sich im
letzteren Falle, um Betriebsstörungen zu vermeiden, den Riemenscheiben in anderer
Weise Wärme zuzuführen. — An dieser Stelle sey übrigens noch bemerkt, daß das
Bandagiren der Riemenscheiben in den meisten Fällen nur Sinn und Wirkung hat, wenn
jede von zwei
zusammenarbeitenden Riemenscheiben bandagirt wird, wie das oben theoretisch Gegebene
dieß auch leicht erkennen läßt.
Wie man ersieht, ist das Bandagiren keineswegs mit Schwierigkeiten verbunden, und
kann von jedem verständigen Arbeiter leicht ausgeführt werden; deßhalb werden auch
von der genannten Firma Bandagen mit allem nöthigen Zugehör (Klebstoff, Nähriemen,
Riemenspanner und specielle Gebrauchsanweisung) nach auswärts versandt, und Es ist
dazu bei Bestellungen nur anzugeben: der Durchmesser und die Breite der
Riemenscheiben, die ungefähre Kraft, welche sie übertragen sollen, und ob dieselben
in feuchtem oder trockenem Raume arbeiten.
Besichtigte Ausführungen.— Von den vielen
Ausführungen, welche von der Firma Simon Freund
jun. zu Berlin in jüngster Zeit gemacht worden, haben
auch wir zur Kräftigung unseres Urtheiles einige besichtigt und wollen im
Nachfolgenden das Wichtigste unserer Beobachtungen mittheilen.
1) Das Farbemühlen-Etablissement von Dungs und Fomm in Berlin (Engelufer Nr. 15) hat an Arbeitsmaschinen
1 Raspelmaschine, 1 Kollergang, 1 Pulverisirmaschine, 2 kleine Mahlgänge und 1
Schleifstein, zu deren normalem Betriebe 15 Pferdestärken veranschlagt sind, welche
der Besitzer, da er diese Kraftstärke miethweise entnimmt, bezahlen muß. Diese
Kraftstärke wird dem erwähnten Etablissement auf eine horizontale Welle gegeben, welche einen einfachen Riemen von 9 Zoll Breite
und eine Scheibe von 39 Zoll Durchmesser trägt, während diese Scheibe von einer
ebenso großen Riemenscheibe getrieben wird, welche auf der Welle der Kraftmaschine
sitzt. Beide Wellen sollen 100 Umdrehungen per Minute
machen. Der Riemen war offenbar zur Bewältigung aller vorausgesetzten
Widerstände zu schwach, Es konnten damit nie alle Maschinen gleichzeitig getrieben
werden, und auch bei den arbeitenden Maschinen zeigte sich das Leistungsquantum
kleiner als nach den Angaben zu erwarten war. Auch ein öfteres Nachspannen des
Riemens half nichts, da er wahrscheinlich schon bis zur Elasticitätsgrenze
angespannt worden war. Bei jedem Versuch, dem Riemen mehr Leistung abzuzwingen,
wurde er abgeworfen. Am 8. November 1868 wurden die betreffenden Riemenscheiben von
der Firma Freund
jun. bandagirt, und dieß gab als Resultat: daß von
dieser Zeit ab gleichzeitig alle Maschinen getrieben werden konnten, daß die Fabrik
nun mehr als das doppelte Quantum leistet, und daß der Riemen bis jetzt noch niemals
abgeworfen worden ist. Dieser Fall, welcher beweist, daß man mit bandagirten
Scheiben auch noch mit Vortheil einen Riemen benutzen kann, welcher sich ohne dieses
Mittel unbrauchbar zeigt, möchte für alle Fabrikanten von hohem Interesse seyn, die
ihre Kraft miethweise entnehmen.
2) In der Appretur und Walke von Marx Perls und Comp. in Berlin (Wallstraße Nr. 70) sind seit längerer
Zeit mehrere Riemenscheibenpaare bandagirt, und wollen wir hier nur von einem
solchen Paare berichten, wo Es zur Herstellung eines vollkommenen Productes
erforderlich ist, daß die getriebene Scheibe continuirlich bewegt wird. Die
getriebene Scheibe sitzt hier auf der Welle der horizontalen Druckwalze eines
sogenannten Circular-Kalanders, welcher zum Appretiren von Tuchstoffen dient,
und je nach dem Druck, welchen man auf die Walze ausübt, 3–5 pferdestärken
beansprucht. Die getriebene Scheibe, welche 16 Umdrehungen per Minute machen soll, hat einen Durchmesser von 20 Zoll und kann einen
Riemen von 2¼ Zoll aufnehmen, wogegen die auf der Transmissionswelle sitzende
treibende Scheibe einen Durchmesser von 5 Zoll hat. Für die hier möglichen
Widerstände sind offenbar die Dimensionen der Riemenscheiben zu klein genommen, und
so kam es, daß früher beim Kalandern fortwährend Betriebsstörungen stattfanden, da
die Kalanderwalze bei dem erforderlichen Druck nicht herumgenommen wurde. Dieß war
um so schädlicher, als sich dadurch auf der Waare sogenannte Glanzstreifen bildeten, welche dieselbe oft unverkäuflich machten. Nach
dem Bandagiren der Scheiben, welches im Februar d. I. stattfand, ist dieser
Uebelstand ganz weggefallen, und Hr. Perls sprach sich
sehr günstig über den gegenwärtigen Zustand seines Kalanders aus.
3) In der Berliner großen Actienbrodfabrik arbeiten 12
Mahlgänge, und je drei dieser werden von einer stehenden Welle getrieben, so daß
also die Uebertragung durch horizontale Riemenscheiben stattfindet, und beim
Anhalten eines Mahlganges auch immer zwei andere zu Stehen gebracht werden
müssen. Da das Rutschen der Riemen auf horizontalen Scheiben fast immer das
Herabfallen derselben zur Folge hat, und dieß in dem erwähnten Etablissement,
namentlich bei neuen Aufschüttungen, sehr häufig stattfand, so ist versuchsweise das
Riemenscheibenpaar eines Mahlganges in jüngster Zeit bandagirt worden; in Folge
dessen ist bis jetzt eine Störung durch Herabfallen des Riemens bei diesem Mahlgange
nicht vorgekommen und die Direction beabsichtigt deßhalb auch alle anderen
derartigen Riemenscheibenpaare bandagiren zu lassen.
Nachtrag. In Bezug auf den anhaltenden Riemenbetrieb mit bandagirten Scheiben gegenüber dem mit
bloßen eisernen Scheiben möchten auch noch andere Vortheile für den ersteren
sprechen, welche auf die Conservirung der Riemen Bezug haben: zunächst nämlich wird
beim Rutschen des Riemens auf der Scheibe nothwendig Wärme erzeugt, welche
namentlich bei großen Widerständen den Riemen verbrennen wird, und ferner werden
sich beim Rutschen der Riemen auf eisernen Scheiben Eisentheilchen ablösen und mit
der im Leder befindlichen Gerb- und Fettsäure sich zu Salzen verbinden, die
das Leder brüchig machen.
Nach der von uns gewonnenen Ansicht wird also das Bandagiren der Riemenscheiben sehr
wohl und besonders in den Fällen zu empfehlen seyn, wo die Arbeit ein
continuirliches Drehen der betreffenden Welle verlangt, wo bei horizontalen Scheiben
das Herabfallen des Riemens vermieden werden soll, wo bei großen Kraftübertragungen
an Kosten für Riemen gespart und zugleich große Reibungswiderstände vermieden werden
sollen, endlich wo vorhandene Riemen, welche bei Anwendung von eisernen Scheiben
sich als unbrauchbar erweisen, auch für die Folge noch benutzt werden sollen.
Natürlich muß das Bandagiren selbst immer mit der gehörigen Sorgfalt bewerkstelligt
werden, und wir möchten die Firma Simon Freund
jun. in Berlin, welche sich auch mit der Fabrication von
Treibriemen beschäftigt, dazu deßhalb empfehlen, weil sie unter Assistenz eines
intelligenten Technikers arbeitet.
Berlin, im Mai 1869.
Dr. Rob. Schmidt.