Titel: | Ueber die Anwendung des Kaliumnitroprussids als Reagens auf Alkalien; von L. Filhol. |
Fundstelle: | Band 189, Jahrgang 1868, Nr. CXXII., S. 493 |
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CXXII.
Ueber die Anwendung des Kaliumnitroprussids als
Reagens auf Alkalien; von L.
Filhol.
Aus den Comptes rendus, t. LXVI p. 1155 Juni
1868.
Filhol, über Kaliumnitroprussid als Reagens auf
Alkalien.
Bekanntlich kann das Kaliumnitroprussid zur Unterscheidung einer freien Schwefelwasserstoff enthaltenden Lösung von einer
solchen welche ein Schwefelalkali enthält, benutzt
werden; denn während Flüssigkeiten, in denen Schwefelwasserstoffsäure in freiem
Zustande ist, auf Zusatz einer Lösung von Nitroprussid eine wahrnehmbare Veränderung
nicht erleiden, so färben sich solche Flüssigkeiten welche ein Schwefelalkali in
Lösung enthalten, augenblicklich dunkelblau oder dunkelviolett.
Béchamp hat die Anwendung von Kaliumnitroprussid
empfohlen, um schwefelhaltige Mineralwässer, in welchen der Schwefel im Zustande von
Schwefelwasserstoff vorhanden ist, von solchen zu unterscheiden, welche
Schwefelalkali enthalten. Auch Mialhe und Lefort benutzten dieses Reagens bei ihren Untersuchungen
über die chemische Zusammensetzung der pyrenäischen heißen Mineralquellen (Eaux chaudes) zur Bestimmung des Zustandes, in welchem
der Schwefel in diesen Wässern vorhanden ist und wiesen nach, daß das Wasser von
Barèges sich gegen Nitroprussid ganz anders verhält als die Eaux chaudes.
Die bedeutende Veränderlichkeit des Wassers von Bagnéres-de-Luchon und
von Ax (Ariége-Departement), die Leichtigkeit, mit welcher dasselbe eine
verhältnißmäßig bedeutende Quantität Schwefel in Form von Schwefelwasserstoff in die
Luft entweichen läßt, hatten mich seit mehreren Jahren auf die Vermuthung gebracht,
daß das Wasser dieser beiden Thermen Schwefelcalcium
enthalte, welches sich allem Anscheine nach bedeutend leichter zersetzt als
Schwefelnatrium. Ich dachte für meine Untersuchungen das Kaliumnitroprussid benutzen
zu können, stieß aber auf unvorhergesehene Schwierigkeiten, was mich veranlaßte das
Verhalten gewisser Lösungen gegen das genannte Salz eingehender zu studiren, wobei
ich mich überzeugte, daß man durch Zusatz von Schwefelwasserstoff zu
Kaliumnitroprussid ein sehr empfindliches Reagens zur Erkennung der Alkalität einer
Flüssigkeit erhält.
Ein solches Gemisch von Nitroprussid und Schwefelwasserstoff färbt sich nicht allein
bei Gegenwart von Aetzalkalien, sondern auch von kohlensauren, doppelt-kohlensauren, borsauren und
kieselsauren Alkalien blau. Dieselbe Färbung tritt in
sehr intensivem Grade ein, wenn man dem Gemisch phosphorsaures
Natron oder jedes andere Salz zusetzt, welches mit Lackmustinktur oder
ähnlichen gefärbten Reagentien eine alkalische Reaction gibt. Es ist gewiß sehr
merkwürdig, daß Schwefelwasserstoff auf eine Lösung von phosphorsaurem Natron so
einwirkt, daß Schwefelnatrium entsteht.
Man vermag demnach mittelst des Kaliumnitroprussids die Zersetzungserscheinungen
nachzuweisen, welche zwischen einer Säure und einem Salze in Flüssigkeiten
stattfinden, in denen sämmtliche Producte der Reaction gelöst bleiben können. Die
Kenntniß dieser Erscheinungen ist auch für die Untersuchung sowohl natürlicher, als
künstlicher Schwefelwässer nicht ohne Interesse. Jetzt ist die Annahme nicht mehr
zulässig, daß ein Mineralwasser nur freie Schwefelwasserstoffsäure enthält, sobald
gleichzeitig kohlensaure, borsaure, kieselsaure, phosphorsaure Alkalien zugegen
sind; denn wenn man diese Salze mit Schwefelwasserstoff zusammenbringt, so entsteht eine größere oder
geringere Menge Alkalisulfuret.
Als ich das erwähnte Wasser von Ax mit Kaliumnitroprussid untersuchte, sah ich zu
meinem Erstaunen, daß das Wasser der heißesten Quellen (deren Temperatur 75 bis
76° C. erreicht) sich kaum färbte, als ich es mit einer Lösung dieses Salzes
versetzte, also daß es sich wie eine Lösung von freiem Schwefelwasserstoff verhielt.
Ich war nicht weniger überrascht, als ich die Beobachtung machte, daß dasselbe
Mineralwasser, nachdem es unter Luftabschluß erkaltet war, gegen Kaliumnitroprussid
wie eine Lösung von Schwefelalkali sich verhielt. Sollte schon bei einer Temperatur
von 75° C. eine jener Dissociations- (Zerfallungs-)
Erscheinungen auftreten, welche in den letzten Jahren von verschiedenen Chemikern
bei anderen Körpern und bei weit höheren Temperaturen beobachtet worden sind? Ich
möchte dieß fast glauben.