Titel: | Ernst von Paschwitz's Militär-Distanzmesser. |
Autor: | Henry Darapsky |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. CV., S. 438 |
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CV.
Ernst von Paschwitz's Militär-Distanzmesser.
Mit Abbildungen auf Tab.
IX.
v. Paschwitz's Militär-Distanzmesser.
Dem Wunsche des Hrn. v. Paschwitz (in Bodenwöhr dei
Regensburg) entsprechend, mache ich mit Vergnügen auf den von demselben in sehr
sinnreicher Weise construirten Distanzmesser für militärische Zwecke aufmerksam.
Dieser Distanzmesser läßt vom Messen einer Standlinie (beziehungsweise einer
Senkrechten etc. zu derselben) ganz absehen und dabei vermittelst höchst einfacher
Anwendung der Dioptrik in der optischen Achse des Instrumentes selbst die Basis des
vorzunehmenden Entfernungsmessens in der Art finden, daß als Differenzen zwischen
den durch Messung mit diesem Instrument bestimmten und dann durch einen
Aufnahme-Plan rectificirten Entsernungs-Maaßzahlensich für Distanzen
unter 1000 Meter nur circa. 4, und für zwischen 1000,
2000, 3000 und 4000 Meter liegende Entfernungen im Durchschnitt nur beziehungsweise
24, 50 und 80 Meter herausstellen, ein Resultat, welches für Militärzwecke natürlich
als ein höchst günstiges bezeichnet werden muß.
Das Instrument, welches zu absoluten Entfernungsmessungen
construirt ist, beschreibt der Erfinder selbst in Folgendem:
„Die hohe Bedeutung, welche die seit mehreren Jahrhunderten vielfach versuchte
Lösung des Problems: „ein Instrument herzustellen,
das mit genügender Sicherheit die Entfernung eines Gegenstandes von einem
einzigen Beobachtungspunkt aus angibt“, für die neuere
Artillerie erlangt hat, war mir Veranlassung, mich mit der Lösung dieser Aufgabe zu
beschäftigen.
Nachdem von Seite meines ehemaligen Lehrers an der königl. sächs. Bergakademie
Freiberg, des Hrn. Bergrathes und Professors Dr. J. Weisbach, der von mir aufgestellten Theorie zur Construction solcher Instrumente (s. Civilingenieur, Jahrg.
1866, II. Heft, S. 111) ein sehr günstiges Gutachten
gestellt worden war und dieselbe auch das Interesse mehrerer Kriegsministerien
erregt hatte, schritt ich zur praktischen Ausführung
meiner Theorie und ließ mir ein Instrument fertigen, dessen Gestalt nach mancherlei
Um- und Abänderungen die nach einer Photographie ausgeführte Fig. 7 in 1/20 der wahren
Größe zeigt.
Bei der Construction desselben hatte ich besonders drei Punkte im Auge, nämlich:
1) Einfachheit,
2) Unempfindlichkeit gegen Störungen und
3) Genauigkeit im Winkelmessen.
Was den ersten dieser Punkte anlangt, so kann das, aus einem einzigen geraden Rohre,
an dem sämmtliche Theile angebracht sind, bestehende Instrument wohl nimmer
einfacher gedacht werden; da ferner außer den Glaslinsen auch sämmtliche Glasprismen
unbeweglich festgeschraubt sind, diese Theile untereinander also ein starres Ganzes
bilden, so ist auch dem zweiten Punkt nach Möglichkeit Genüge geleistet, und da, wie
in oben erwähntem Aufsatze nachgewiesen, die Genauigkeit, welche die angewandte
Winkelmeßmethode bietet, größer ist als die Zielfähigkeit der besten aplanatischen
Fernrohre, so ist auch in Beziehung auf den dritten Punkt das denkbar Höchste
erreicht. Gestützt auf die Erfüllung dieser drei Grundbedingungen glaube ich die
Behauptung aussprechen zu können: daß ich vorstehende Aufgabe
soweit gelöst habe, als die Naturgesetze die Lösung derselben überhaupt
gestatten.
Vorliegendem Instrumente liegt der planimetrische Satz zu Grunde, daß ein Dreieck bekannt ist, wenn gegeben ist:
„eine Seite — die Basis — und
die beiden anliegenden Winkel.“. Die Basis ist im
Instrumente selbst enthalten, sie ist die optische Achse desselben; der eine der
anliegenden Winkel ist constant und = 90° (¼ Kreis), der andere
natürlicher Weise variabel. Die Messung dieses Variabeln Winkels erfolgt jedoch
nicht direct, sondern indirect durch Messung des Drehungswinkels eines auf der
optischen Achse des Instrumentes angebrachten Planparallelglases.
Der Distanzmesser besteht im Wesentlichen aus einem Rohre, an dessen beiden Enden
Glasprimen A und B
angebracht sind, deren unter 45° zur optischen Achse geneigte
Hypotenusenflächen die von dem anvisirten Objecte kommenden Lichtstrahlen nach dem
Rohr-Inneren spiegeln. Diese letzteren fallen zunächst auf die dahinter
liegenden Objective R und weiters auf zwei nahe dem
Brennpunkte derselben befindliche, übereinander liegende kleinere Prismen O, welche die Strahlen nach dem in der Mitte des Rohres
nach rückwärts liegenden Oculare S reflectiren. Erwähnte
kleinere Prismen berühren sich in der Mitte des Gesichtsfeldes, und weil das eine
sein Licht von dem rechts, das andere von dem links gelegenen großen Prisma erhält,
so gewahrt man beim Sehen durch's Instrument zwei halbkreisförmige Gesichtsfelder,
deren Bilder bei unendlicher Entfernung des Gegenstandes — wenn also die vom
Objecte kommenden Lichtstrahlen CA und EB parallel auf die großen Prismen auffallen —
genau übereinander stehen: jedoch um so seitlicher von einander verschoben sind, je
näher das Object liegt, wie die Fig 3–6 ersichtlich
machen, worin der Einfallswinkel EBC′ = x eines vom Objecte C′ kommenden Lichtstrahles C′ B
gleich ist dem Reflexionswinkel DBO = x, wenn ich mich der Kürze halber für genannte Winkel
dieser Ausdrucksweise bedienen darf. Je näher also das Object ist, desto größer ist
dieser Winkel und mithin der gegenseitige Abstand der Bilder. Es ist also die Größe der seitlichen Verschiebung OD der Bilder eines Objectes eine Function seiner Distanz.
Die Lichtstrahlen treffen auf ihrem Wege noch zwei Parallelgläser P1 und P2, deren Zweck ist, mittelst Strahlenbrechung jene um den benöthigten Grad zu
ihrer früheren Richtung parallel zu verschieben. Diese Parallelgläser sind
mit verticalen Drehungsachsen verbunden, welche letztere wieder mit eingetheilten
Kreissectoren in Verbindung stehen, die den jeweiligen Winkel dieser Gläser mit der
optischen Achse des Instrumentes angeben.
Der rechts gelegene Kreissector ist der Hauptsector; auf
ihm befindet sich der Haupt- und Justirungskreisbogen, der mittelst des
Nonius in 1/10° getheilt ist.
Der links gelegene Kreissector ist der Hülfssector, der
ebenfalls mittelst des Nonius 1/10° angibt. Derselbe ist beim eigentlichen
Distanzmessen nicht im Gebrauch, sondern dient nur dazu, die durch Transport u. s.
w. etwa alterirte Entfernungsscala schnell wieder in Ordnung zu bringen, zu
rectificiren.
Durch entsprechendes Drehen des rechts gelegenen Parallelglases P1 werden beide
anfänglich seitlich von einander verschobene Bilder genau über einander gebracht,
indem die durch dasselbe gehenden Lichtstrahlen — proportional dem Einfallswinkel, der Stärke des Parallelglases und dem
Brechungsexponenten der verwendeten Glassorte — parallel zu ihrer
früheren Richtung verschoben werden. Es ist in diesem Falle der Neigungswinkel
des Parallelglases zur optischen Achse eine Function der seitlichen
Verschiebung
O D
der Bilder, und folglich — nach oben Gesagtem
— auch eine Function der Distanz; diese also auf
vorgetragene Weise bestimmbar. Eine weitere mathematische Behandlung dieser Behauptung
findet sich in dem Eingangs erwähnten Aufsatze.
Der Distanzmesser wird vom gabelförmigen Lager des Stativs getragen, welches letztere
mit Horizontal- und Vertical-Drehungsvorrichtungen versehen ist.
Will man die Distanz eines Gegenstandes messen, so richtet
man das Instrument nach demselben (Fig. 4) und stellt sodann
durch Drehen an der horizontalen Mikrometerschraube am Stativ den Verticalfaden im
einen Gesichtsfelde (Fig. 5) und hernach durch Drehen des Zeigers am Hauptkreise auch im
anderen (Fig.
6) auf das Object ein. Sind auf diese Weise beide Bilder genau über
einander gebracht, so wird der treffende Winkel abgelesen und aus der dem
Instrumente beigegebenen Distanztabelle, welche die den Winkeln entsprechenden
Entfernungen von 300 bis 5000 Meter enthält, die treffende Entfernung ersehen, die
unmittelbar abgelesen wird. Zu dieser Arbeit braucht man 1 bis 2 Minuten Zeit, je
nachdem man das Object einmal oder mehrmals anvisirt.
Das Rectificiren des Instrumentes erfolgt in derselben Weise wie das eigentliche
Distanzmessen, nur bedient man sich hierbei, nachdem der Zeiger des Hauptkreises auf
∞ festgestellt ist, des Hülfssectors und als Objects einer in circa 60 bis 100 (ungemessenen) Schritten ausgesteckten
horizontalen Latte, auf der die Basis des Instrumentes markirt ist.“
Stade, im April 1868.
Darapsky,Major der Artillerie.