Titel: | Neues Thermometer für Temperaturen oberhalb des Siedepunktes des Quecksilbers, von Berthelot. |
Fundstelle: | Band 188, Jahrgang 1868, Nr. LXVII., S. 257 |
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LXVII.
Neues Thermometer für Temperaturen oberhalb des
Siedepunktes des Quecksilbers, von Berthelot.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, 4. série, t.
XIII p. 144; Februar 1868.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Berthelot's Thermometer für Temperaturen uber dem Siedepunkte des
Quecksilbers.
Mit Recht bemerkt der Verfasser, daß es für chemische, sowie für Physikalische Zwecke
als sehr erwünscht erscheinen dürfte, ein empfindliches, wenig voluminöses und
bequemes Thermometer zu besitzen, das ohne weitere Umstände direct zum Messen hoher
Temperaturen geeignet wäre. In dieser Beziehung bieten die physikalischen
Hülfsmittel noch bedeutende Lücken dar, da es bekanntlich an solchen Thermometern
fehlt, welche in sicherer und bequemer Weise direct die Beobachtung und Messung sehr
niederer und ebenso auch an sicheren Präcisions-Instrumenten, welche auf
directem Wege ohne Anwendung umfassender Reductionen das Messen sehr hoher
Temperaturen gestatten. Die letztgenannte Lücke ist namentlich in der organischen
Chemie und bei fractionirten Destillationen, für welche sich beständig Gelegenheit
darbietet, besonders fühlbar. Bis gegen 330 oder 350 Grad Cels. entspricht im
Allgemeinen das Quecksilber-Thermometer den Bedürfnissen, obgleich für so
hohe Temperaturgrade — von allen anderen Umständen abgesehen — die
Angaben des Quecksilber-Thermometers Correctionen von 15 bis 20 Grad C.
erfordern dürften, wenn man auf den Theil der Säule Rücksicht nehmen will, die
außerhalb des Destillirapparates sich befindet. Ein Ersatzmittel für derlei Zwecke,
welches das Quecksilber-Thermometer verdrängen könnte, besitzen wir jedoch
nicht. Man kann zwar in gewissen Fällen mit großer Präcision hohe Temperaturen
messen; namentlich ist es das Luft-Thermometer, welches nach den wesentlichen
Modificationen von RegnaultPolytechn. Journal Bd. CLXII S. 361; Jahrgang
1861. für diese Zwecke ganz besonders sich eignet. Die Instrumente
dieser Art müssen aber in sehr voluminöser Weise ausgestattet werden, sie nehmen einen Raum von 300 bis
400 Kubikcentimeter ein: ein Umstand, welcher ihre Anwendung auf das Messen der
Temperatur eines ausgedehnten Raumes beschränkt, und der ihrer Empfindlichkeit nicht
günstig ist. Außerdem wissen wir, daß ein derartiges Luft-Thermometer als
Präcisions-Instrument nicht direct die Temperaturangaben liefert, da jede
Messung eine Reihe von exacten physikalischen Versuchen erfordert, aus welchen
mittelst der Angaben der Instrumente unter Anwendung aller hierbei erforderlichen
Correctionen die zu messende Temperatur durch Rechnung abgeleitet werden kann. Es
ist daher wünschenswerth, ein empfindliches Thermometer von geringem Volumen zu
construiren, welches bei der Ausführung der erwähnten Operationen in Retorten oder
Kolben von kleinen Dimensionen eingesetzt werden kann, und mit welchem man direct
und ohne Anbringung von Correctionen noch Temperaturen zu messen im Stande ist,
welche 350 Grad C. und mehr übersteigen. Ob nun die thermo-elektrische Säule,
welche als Mittel zum Messen bedeutender Temperaturänderungen für physikalische und
technische Zwecke eine besondere Beachtung verdienen dürfteMan sehe: Schinz, über thermo-elektrische
Pyrometrie, im polytechn. Journal Bd. CLXXVII S. 85 und Bd. CLXXIX S.
436., nicht auch für die in Rede stehenden Zwecke
geeignet angeordnet werden könnte, kann bei dieser Gelegenheit nicht näher erwogen
werden. Das vom Verfasser vorgeschlagene Thermometer gestattet bei seiner ersten
Einrichtung, wie wir sie nun betrachten wollen, noch Temperaturangaben bis zu 500
Grad C. zu liefern und seine Benutzung könne vielleicht noch bis zu einem solchen
Hitzegrade gehen, bei welchem das Glas der Retorte weich zu werden beginnt. Das
Instrument soll auch anwendbar seyn, um noch die niedersten Temperaturen unterhalb
des Gefrierpunktes des Quecksilbers beobachten zu können. Endlich soll es —
dem Principe nach — noch zum Messen von Temperaturen bis gegen 1200 oder 1500
Grad C. sich eignen, wenn man das Thermometergefäß anstatt von Glas aus Porzellan
macht. Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich auf ein Thermometer mit Glasgefäß,
das zur Angabe von Temperaturen bis zu 500 Grad Cels. sich noch eignen soll.
Das neue Thermometer, Fig. 34, besteht aus
einem Luftreservoir B, welches in der Art, wie die
Abbildung dieß zeigt, in eine Capillarröhre tt, hh, ll, mn ausgeht, während an dem offenen Ende der letzteren
das Quecksilbergefäß Q angebracht ist. Der horizontale
Theil der Capillarröhre ist durch die an der verticalen Metallsäule T, T angebrachte Hülse C, C unterstützt, der
verticale Theil l, l aber an
einer hölzernen
Rückwand R. mittelst der Plättchen p, p unmittelbar an der
geradlinigen Scale befestigt, welche durch den Ansatz A,
A gehalten wird und an diesem zum Zwecke des
Adjustirens noch beliebig verschoben und eingeklemmt werden kann. Die verticale
Säule mit dem Untersatze P, auf welchem sie ruht, muß
schwer genug seyn, um dem ganzen Instrumente die gehörige Stabilität darzubieten und
die Rückwand mit dem Maaßstabe in unverrückbarer Lage zu erhalten, wenn letzterer
adjustirt ist.
Das Luftreservoir B ist cylindrisch, 40 Millimeter lang
und hat einen inneren Durchmesser von 12 Millimeter; die Wanddicke ist gering.
Dieses geringe Volumen des Gefäßes von etwas mehr als 4 Kubikcentimeter wurde in dem
vorliegenden Falle gewählt, um das Instrument noch bequem in eine tubulirte Retorte
von 125 Kubikcentimeter Inhalt einsetzen zu können; je nach Erforderniß kann man
auch viel größere Dimensionen für das Gefäß wählen. Die Länge der ganzen
Capillarröhre beträgt nahezu 1200 Millimeter und ihr innerer Durchmesser etwa 1/5
Millimeter. Wenn man ein Luftreservoir von sehr großem Kubikinhalte wählt, so kann
man auch die an dasselbe anzuschmelzende Capillarröhre weiter nehmen, und es kann
dann der Durchmesser der letzteren noch bis zu ½ Millimeter und darüber
gehen. Unter allen Umständen aber soll die Capillarröhre im Inneren vollkommen
cylindrisch und überall von gleichem Durchmesser feyn, weßhalb bei der Auswahl
solcher Röhren mittelst einer kleinen Quecksilbersäule, ähnlich wie beim Kalibriren,
sorgfältig untersucht werden muß, ob diese Bedingung in strenger Weise erfüllt
werde; erst wenn diese Untersuchung vorgenommen worden ist, wird die Capillarröhre
an das Gefäß B angeschmolzen etc. Bei der vorliegenden
Anordnung (Fig.
34) ist der verticale Theil etwa 730 Millimeter lang; die an seinem
unteren umgebogenen Ende angeschmolzene Kugel Q soll aus
dickem Glase seyn und in einen cylindrischen Hals ausgehen. Da plötzliche
Aenderungen in-der Capillarität der Röhre t, h, l l für den vorliegenden
Zweck sehr nachtheilige Folgen haben würden, so erscheint es als wesentlich, daß die
ganze Capillarröhre aus einem einzigen Stücke ihrer
ganzen Länge nach bestehe.
Als zweckmäßig erscheint es, die Vorsicht zu benutzen, die Capillarröhre und das
Luftgefäß B vor der Anfertigung des Instrumentes gehörig
auszutrocknen. Zu diesem Zwecke kann man den Moment benutzen, wo gerade an das obere
Ende von B die Capillarröhre angeschmolzen wird, während
das untere Ende von B noch in eine kleine offene Spitze
ausgeht. Letztere bringt man mit einem Aspirator in Verbindung, und saugt mittelst
desselben, während gleichzeitig das Gefäß Q, sowie die
Capillarröhre auf einer langen Strecke erhitzt wird, die Luft ein, welche bei S einströmt. Während des Erhitzens und nachdem das
Austrocknen in gehöriger Weise stattgefunden hat, schließt man die offene Spitze von
B und läßt das ganze Instrument abkühlen. (Es dürfte
vielleicht dabei zweckmäßig seyn, die Luft vor ihrem Eintritte in die Mündung S durch ein Chlorcalcium-Rohr oder dergl.
streichen zu lassen.)
Um das Instrument nun zu vollenden, ist es nothwendig, die Luft in dem Reservoir B und der Capillarröhre zu verdünnen und von der äußeren
Luft abzuschließen. Zu dem Ende wird nun zunächst die Kugel Q zur Hälfte mit trockenem und vollkommen reinem Quecksilber angefüllt;
hierauf verbindet man dieselbe mit dem Hauptcanal einer Luftpumpe, und verdünnt man
nun die Luft im oberen Theile der Kugel Q, so daß das
Quecksilber-Manometer etwa 20 bis 25 Centimeter oder weniger zeigt, so wird
die Luft aus dem Apparate zum Theil durch das Quecksilber austreten. Ist dieß
geschehen und der gehörige Verdünnungsgrad erreicht, so stellt man bei S wieder die Communication mit der äußeren Luft her; es
wird dann durch den Luftdruck das Quecksilber von Q aus
in der Capillarröhre emporsteigen. Um den dabei nöthigen Verdünnungsgrad zu
erkennen, hat man diese Operation zu wiederholen, und man taucht nach Vollendung
einer jeden derselben das Luftreservoir B abwechselnd in
schmelzendes Eis und in Wasser, das die Temperatur der Umgebung angenommen hat. Man
kann so eine Differenz zwischen dem inneren Drucke der verdünnten Luft und einem
gewissen Gange der Quecksilbersäule in der Capillarröhre herstellen. Die Anzahl der
von der Quecksilbersäule an dem Maaßstabe durchlaufenen Millimeter soll nahezu durch
eine Zahl ausgedrückt werden, welche der Temperatur der umgebenden Luft entspricht,
wenn man ein Thermometer anfertigen will, das noch Temperaturen bis zu 500 Grad C.
angeben soll. In den Fällen, wo die Verdünnung nicht ausreichend wäre, würde
natürlich jene Zahl zu groß seyn, und es wäre dann nothwendig, die Operation von
Neuem zu wiederholen. Sollte aber im Gegentheile die Verdünnung zu stark geworden
seyn, so daß z. B. die Barometerprobe nur noch 10 bis 12 Centimeter angeben würde,
so müßte man zuerst das Quecksilber aus dem Gefäße Q
entfernen, das Instrument ganz vom Quecksilber entleeren und die Operation des
Füllens u. s. w. von Neuem beginnen und ausführen.
Die Kugel Q muß von beträchtlichem Durchmesser genommen
werden, damit selbst bei den größten Aenderungen der Länge der Quecksilbersäule in
der Capillarröhre das Niveau der Quecksilberoberfläche in der Kugel keine
wahrnehmbare Aenderung erfahre. Die Masse des Quecksilbers, welche die Kugel
enthält, bietet außerdem den Vortheil, daß die Bewegungen der Quecksilbersäule in der Capillarröhre
l, l leichter und
rascher vor sich gehen. Vor dem Ablesen des Instrumentes verfährt man wie bei einem
Barometer, indem man, damit das Einstellen der Quecksilbersäule sicher erfolgt, dem
Instrumente einige Impulse beibringt. — Um das Quecksilber in der Kugel Q beständig in reinem Zustande zu erhalten, verschließt
man die Oeffnung S mit einem Pfropfen, der mit einer
capillaren Oeffnung versehen ist, um die Communication des Quecksilbergefäßes mit
der äußeren Luft beständig zu unterhalten.
Um das Instrument zu graduiren, wählt der Verfasser die
nachbenannten fixen Punkte: Schmelzpunkt des Eises 0°; Siedepunkt des Wassers
100° C.; Siedepunkt des Quecksilbers 350° C.Nach Regnault's Untersuchungen (Comptes rendus, 1860, t.
L p. 1063) beträgt die Spannkraft des Quecksilberdampfes bei
350° C. (nicht 760 Millim. sondern) nur 663,18 Millim.; der von Berthelot angenommene Siedepunkt des Quecksilbers
ist daher nicht richtig. D. Ref.; Siedepunkt des Schwefels
440°. Von diesen vier fixen Punkten bemerkt er, daß sie sämmtlich an einem
und demselben Tage und zwar im Laufe einer Zeit bestimmt werden müssen, während
welcher der Luftdruck sich äußerst wenig und zwar nicht um 1 Millimeter ändere. Man
dürfte daher wohl annehmen, daß der Verfasser bei der Graduirung seiner Instrumente
um so mehr den Umstand nicht übersehen hat, daß der Siedepunkt der gewählten drei
Flüssigkeiten in der richtigen Weise, nämlich mit der Zahl bezeichnet wird, welche
dem herrschenden Luftdrucke entspricht, oder daß der Siedepunkt auf den normalen
Barometerstand von 760 Millimeter reducirt werde. Der Nullpunkt des Thermometers
— Thaupunkt des Eises — wie er an dem Instrumente dem herrschenden
Luftdrucke entspricht, wird bestimmt, indem man das Luftreservoir B und noch einige Centimeter der Capillarröhre t, t in schmelzendes Eis
eintaucht und dabei die Röhre l, l genau vertical anordnet. Nach einigen Minuten versetzt man durch leises
Klopfen unterhalb des Ansatzes A, A die Quecksilbersäule in Schwingungen, und wenn letztere dann aufhören,
notirt man die Anzahl von Millimetern und Theile des Millimeters, denen das Ende der
Quecksilbersäule an der Scale entspricht. — Der Punkt 100°, welcher
dem Siedepunkte des Wassers entspricht, wird bestimmt, indem man das Reservoir B in einen (offenen) Kolben bringt, in welchem
destillirtes Wasser sich befindet und letzteres so weit erhitzt, daß es zum Sieden
kommt. — Der Temperaturgrad 440, welcher dem Siedepunkte des Schwefels
entsprechen soll, wird in ähnlicher Weise ermittelt. Man versetzt dabei das
Luftreservoir B mit einem Theile der Röhre t, ähnlich wie dieß in der Abbildung (Fig. 34) deutlich
angegeben ist, in eine tubulirte Retorte, in welcher geschmolzener Schwefel sich
befindet, und zwar so, — wie dieß bei allen derartigen Operationen in
bekannter Weise geschieht — daß die Capillarröhre t, t durch die achsiale Oeffnung des Pfropfes
geht, mit welchem man den Tubulus zu verschließen hat; letzterer kann hinreichend
abgeschlossen werden, wenn der Pfropf vor dem Einsetzen gehörig vorbereitet und zu
dem Zwecke aus zwei Theilen zusammengesetzt wird. Verbindet man nun das offene Ende
der Retorte mit einem Kolben (um den sich bildenden Dampf hierin anzusammeln, ohne
daß jedoch die Communication mit der äußeren Luft hierdurch abgesperrt wird) und
erhitzt nunmehr dieselbe allmählich mittelst einer Gaslampe, so kommt der Schwefel
zum Sieden, und es nimmt dann das Gasreservoir B, da
dieses zum Theile in dem flüssigen Schwefel, zum Theile aber in dem Schwefeldampfe
sich befindet, die Temperatur des Siedepunktes des Schwefels an. — Erst wenn
diese Operation vollendet und der Punkt 440 Grad bestimmt worden ist, schreitet man
zur Bestimmung des Punktes 350 Grad, indem man Quecksilber zum Sieden bringt. Die
hierbei anzuwendenden Maßregeln und Vorsichten sind dieselben, wie bei der letzten
Operation; man hat nämlich einmal dafür zu sorgen, daß das Luftreservoir B zum Theile in das Quecksilber der Retorte eintaucht,
was man durch passendes Einsetzen der thermoskopischen Röhre t, t in den Tubulus der Retorte leicht
erreichen kann; ferner hat man durch Anwendung bekannter Mittel den ganzen Apparat
so zusammenzustellen, daß beim Sieden des Quecksilbers die Quecksilberdämpfe in der
äußeren Umgebung sich nicht verbreiten können. — Hat man nunmehr die
sämmtlichen fixen Punkte bestimmt, so ist es nothwendig, zu untersuchen, ob in Folge
der starken Erhitzung die Capacität des Luftreservoirs B
irgend eine Aenderung erlitten habe, welche den Stand des Instrumentes verändern
könnte. Zu dem Ende hat man von Neuem die untersten zwei Punkte, nämlich den
Nullpunkt und den mit 100 bezeichneten Grad zu bestimmen; sollte sich hierbei eine
wahrnehmbare Aenderung in dem Volumen des Reservoirs B
herausstellen, so müßte man die sämmtlichen Versuche wiederholen.
Sind nun jene vier fixen Punkte 0, 100, 350, 440 bestimmt, so können diese dazu
dienen, um Temperaturänderungen, welche innerhalb derselben stattfinden, angeben zu
können. Im ersten Augenblicke könnte es den Anschein haben, als ob sie nur einem
bestimmten Luftdrucke, nämlich jenem entsprächen, bei welchem sie ermittelt worden
sind; denn streng genommen sollte bei gleich bleibender Temperatur das in Rede
stehende Instrument einen ähnlichen Gang zeigen, wie die Quecksilbersäule im Barometer,
wenigstens wird dasselbe mit den Aenderungen des Luftdruckes oscilliren.Vorausgesetzt, daß die capillaren Eigenschaften der Röhre l, l innerhalb des
Raumes, in welchem die Schwankungen stattfinden, überall dieselben
bleiben. Hat man jedoch die Intervalle für jene vier fixen Punkte
bei einem und demselben Luftdrucke bestimmt, so reicht es in jedem anderen Falle
aus, die Stelle anzugeben, welche irgend einer dieser Punkte einnehmen muß, um jene
der übrigen auch sogleich bestimmen zu können, da sich (nach den Voraussetzungen des
Verfassers) das Intervall zwischen 0 und 440 oder zwischen 0 und 350 etc. nicht
ändert, mag der Luftdruck größer oder kleiner seyn, bei welchem die fixen Punkte
bestimmt worden sind. Dieß vorausgesetzt, hat man bloß die vier fixen Punkte auf den
Maaßstab neben der Millimeter-Scale aufzutragen (s. Fig. 34). Will man nun
von dem Instrumente Gebrauch machen, so muß man vorher von Neuem wenigstens einen
der fixen Punkte, etwa 0 Grad, besser noch einen zweiten, nämlich 100 Grad
bestimmen, und hierauf hat man den Maaßstab so weit an der Röhre zu verschieben, bis
das Ende der Quecksilbersäule in der Röhre l, l bei dem neu bestimmten fixen Punkte mit dem
entsprechenden Punkte der Scale selbst genau coincidirt.
Um für das Instrument die Scale zu construiren, kann man die strengste Methode in
Anwendung bringen, indem man auf ein in Netzquadrate eingetheiltes Papierblatt die
vier Temperaturen für die fixen Punkte aufträgt und mittelst derselben in bekannter
Weise eine Curve construirt (nämlich nach bekannten Hülfsmitteln der sogen.
mechanischen Quadratur), welche den Gang der Temperatur wenigstens innerhalb der
angenommenen Grenzen festzustellen vermag. Wenn man diese Temperaturcurve ermittelt
hat, so construirt man dieselbe auf dem Papiernetze, indem man, von einem bestimmten
Ursprunge ausgehend, die Abscissen gleich den Längen macht, wie sie an der
Millimeter-Scale abgelesen werden, die zugehörigen Ordinaten also so lang
nimmt, als dieß durch die den Abscissen entsprechenden Temperaturzahlen angegeben
wird, wobei man für die Abscissen unter sich den Millimeter, für die Ordinaten aber
eine entsprechende Einheit wählen kann. (So würde z. B. nach unserer vorliegenden
Abbildung der Abscisse x = 10 Millimet., die Ordinate
y = 0°; ferner bei x = 20 Millim., y = 100°; dann x = 43 Millim., y =
350°; ebenso für x = 51,4 Millim., y = 440° entsprechen; hieraus kann man also dann
leicht die einem jeden Punkte der Millimeter-Scale entsprechende Temperatur
y ermitteln, wenn die Temperaturcurve mittelst der
durch die Versuche festgestellten fixen Punkte genau genug construirt werden
kann.Es bedarf kaum der Erwähnung, daß bei der Construction des Instrumentes es
zweckmäßig seyn muß, mehr als jene vier fixen Punkte zu wählen; als
Zwischenpunkte dürften wohl die Siedepunkte fetter Oelsorten, Schmelzpunkte
von Legirungen n. dgl. genommen werden.D. Ref. Die aus der Temperaturcurve sich
ergebenden Grade werden (Fig. 34) auf denselben
Maaßstab rechts von der Millimeter-Scale aufgetragen.
Wenn die Capillarröhre überall gleiches Kaliber hat, so wird mit zunehmender
Temperatur die Länge eines Grades sich sehr langsam ändern; ändert sich das Kaliber,
so kann die Variation noch geringer ausfallen. Der Zufall kann hierbei eine solche
Compensation herbeiführen, daß die Länge des Thermometergrades an dem Instrumente
unverändert überall dieselbe bleibt. Unter allen Umständen hat man sich aber genau
von den Fehlergrenzen zu überzeugen, und da das Instrument namentlich zur Angabe
hoher Temperaturen zwischen 300 und 500° C. bestimmt ist, so soll man bei der
Anfertigung desselben darüber wachen, daß für dieses Intervall die Fehlergrenzen
zwischen 2 bis 3° C. bleiben. Für diesen besonderen Zweck kann man übrigens
die Graduirung vereinfachen, indem man dieselbe auf das Intervall von 350 bis 440
Grad selbst beschränkt und letzteres in 90 gleiche Theile theilt, so daß jeder
Theilstrich einen Temperaturgrad vorstellt. Aufwärts kann dann die Scale bis zu
300°, abwärts bis zu 500° C. (?) verlängert werden. — Soll das
Instrument auch zur Bestimmung sehr niederer Temperaturen benutzt werden, so kann
man die Temperaturcurve so weit verlängern, daß noch die Ordinaten bis zu —
100° abgenommen werden können. Für diesen Zweck ist es jedoch nothwendig, an
dem Instrumente einen neuen, möglichst tiefliegenden fixen Punkt vorher noch zu
bestimmen: es könne dann ein Thermometer erhalten werden, welches als exacter
erscheine als die gebräuchlichen Weingeist-Thermometer.
Das so construirte Instrument gestattet für Temperaturen über 300° C., wie
gesagt, mindestens eben so genaue Angaben wie das Quecksilber-Thermometer,
namentlich schon deßhalb, weil man für solche Fälle beim letzteren Correctionen bis
zu 20 Grad anbringen müßte, wenn man auf den schon erwähnten Umstand Rücksicht
nehmen wollte. Unter sonst gleichen Umständen erscheinen übrigens die Angaben des
Quecksilber-Thermometers eben so unsicher, wie die des neuen, da die
Aenderungen der Ausdehnung verschiedener Glassorten (nämlich dieser Umstand allein)
nach den Versuchen von Regnault die Temperaturangaben
über 300 Grad um 5 bis
6 Grad zweifelhaft machen können. Als Luft-Thermometer bietet das neue
ohnehin den wesentlichen Vortheil, daß seine Angaben in der Nähe des Siedepunktes
des Quecksilbers richtiger erscheinen müssen, wie jene des
Quecksilber-Thermometers, da letztere bei so hohen Temperaturen von jenen des
Luft-Thermometers sich noch um 10° unterscheiden können. Wenn das neue
Thermometer richtig construirt worden ist, so können seine Angaben selbst bei
Temperaturen welche nahezu bis zu 500° C. gehen, kaum um mehr als 2 bis
3° fehlerhaft werden.
Der Theorie des neuen Thermometers widmet der Verf. ebenso
wie dieß bei der Ausstattung des letzteren geschah, sehr umfassende Betrachtungen;
wir folgen auch diesen hier wenigstens zum Theil, da er alle Umstände, welche die
Angaben seines Instrumentes beeinflussen können, in Erwägung zu ziehen sucht. Die
Genauigkeit des in Rede stehenden Instrumentes beruht auf zwei Hauptbedingungen, und
zwar sind diese: die empirische Construction der Temperaturcurve mittelst der durch
den Versuch erhaltenen fixen Punkte und die relative Kleinheit der in dem capillaren
Theile des Instrumentes enthaltenen Luftmasse im Verhältnisse zur Masse der Luft in
dem Luftreservoir, welches letztere nahezu constanten Inhalt beibehält. Bei einem
solchen Reservoir müssen die Aenderungen des Druckes den Temperaturänderungen
proportional seyn. Bedeutet nämlich V0 das Gasvolumen bei dem anfänglichen Drucke H0 und der Temperatur
0° C., so hat man, wenn die Temperatur jenes Gasvolumens um t° und der Druck um h
sich ändert (natürlich unter der Voraussetzung, daß jenes Gasvolumen eine Aenderung
nicht erleiden könne)Nimmt man auf die Veränderung jenes Gasvolumens bei veränderter Temperatur
und geändertem Drucke Rücksicht, nimmt jedoch von der Aenderung der
Capacität des Gefäßes B so wie von der
Temperaturdifferenz zwischen Luftreservoir und der in dem verticalen Theile
der Capillarröhre enthaltenen Luft etc. auch hier Umgang, so ergibt sich
eigentlich für die Beziehung der genannten Elemente der folgende Ausdruck:
α t = (1 + h/H0).
v/V0 + h/H, worin v die
Zunahme des Volumens der Luftmasse des Reservoires etc. von 0° bis
t, wenn der Druck von H0 in H + h übergeht, bedeutet.D. Ref.:
Textabbildung Bd. 188, S. 265
woraus sich dann ergibt:
1 + h/H0 = 1 + α t und
sohin α t.
Dieser Ausdruck — in welchem α den
Ausdehnungs-Coefficienten der Luft für 1° C. bedeutet — stimmt
also allerdings mit der eben ausgesprochenen Beziehung überein. Wenn man daher die Aenderungen exact
beobachten könnte, so müßte man neben der Scale der Temperaturen eine solche für die
Aenderungen des Druckes unmittelbar angeben können. Die Bedingung nun, welche durch
diese Relation ausgedrückt ist, wird allerdings bei dem neuen Thermometer nicht
exact erfüllt und zwar aus zwei Gründen: Ausdehnung der Gefäßwand und Austritt eines
Theiles der Luft aus dem Reservoir B, wodurch das
Quecksilber in der Capillarröhre zurückgedrückt wird. Trotzdem läßt sich aber
zeigen, daß bei den angenommenen Dimensionen die vorher bezeichnete theoretische
Bedingung nahezu erfüllt werden könne. — Erwägen wir zunächst die Aenderung
der Capacität der Lufthülle. Nimmt man den kubischen Ausdehnungscoefficienten des
Glases zu 1/37000 an, so nimmt also bei einer Temperaturerhöhung von 0° bis
zu 500° der Inhalt des Reservoires um 1/74 seines vorigen Volumens zu.
Hieraus geht hervor, daß die Länge des Grades des Instrumentes sich nach und nach
vermindert zwischen 0° und 500°, so daß sie bei dieser letzten Grenze
etwas geringer ausfällt. Da aber unsere Graduirung eine empirische mittelst fixer
Punkte ist, so kann dieser Umstand in dem vorliegenden Falle keinen Einfluß haben.
— Betrachten wir weiter den Austritt eines Theiles der Luft vom Reservoir in
die Capillarröhre. Wenn man die oben angegebenen Dimensionen in Rücksicht bringt und
die äußerste Grenze in's Auge faßt, bei welcher die im Reservoir enthaltenen 4
Kubikcentimeter Luft von 0° bis 500° erwärmt werden, und wobei der
Luftraum in der Capillarröhre, der bei 0° etwa 500 bis 550 Millimeter lang
ist, bei 500° die Länge von 1000 bis 1100 Millimeter (in der Capillarröhre)
einnimmt, so findet man, daß bei der höchsten Temperaturgrenze etwa 31
Kubikmillimeter Luft, also beiläufig 1/130 des Volumens des Reservoires B aus diesem ausgetreten sind. Die Masse der in dem
Reservoir enthaltenen Luft ist jedoch dabei bedeutender vermindert worden und zwar
1) wegen der Masse Luft, die in der Strecke der Capillarröhre von 500 Millimeter
schon bei 0° enthalten war und die jetzt mit Luft von 500° C. erfüllt
feyn soll; diese Masse beträgt beiläufig 1/100 der Luft, welche in dem Reservoir bei
500° enthalten ist; 2) wegen der Differenz der Luftmasse in dem ersten Theile
der Capillarröhre bei 0° und der darin enthaltenen Masse bei 500°. Der
Druck und in Folge dessen die Zusammenpressung der Luft macht nahezu das Dreifache
dieses Intervalles aus, während die Länge des Raumes der Capillarröhre, welche bei
500° mit der Luft noch ausgefüllt wurde, nahezu gleich dem vorigen Luftraume
der Capillarröhre bei 0° ist; man sieht also, daß die Zunahme der Luftmasse
im ersten Theile der Röhre nahezu ⅔ derjenigen Quantität ausmacht, welche das
Quecksilber aus dem
zweiten Theile verdrängt hat. — Vereinigt man also beide Quantitäten, so
findet man im Ganzen eine Verringerung von 1/60 der Luftmasse des Reservoires,
welche in Folge der durch die Temperaturerhöhung eingetretenen Ausdehnung
stattgefunden hat. Diese Verminderung ändert sich mit der Capillarität der Röhre;
die angegebene bezieht sich auf eine Capillarröhre von 1/5 Millimeter innerem
Durchmesser, während sie in einer Röhre von 1/10 Millimeter Durchmesser nur 1/240,
hingegen in einer Röhre von ½ Millimeter Durchmesser beiläufig 1/10 betragen
könnte. — Untersucht man jetzt die Consequenzen der Veränderung der Luftmasse
des Reservoires, so sieht man zunächst, daß dieser Ursache halber gleichfalls eine
Verminderung der Länge der Grade eintreten muß, die sich zu jener wegen der
Ausdehnung der Gefäßwand hinzufügt. Aus diesem Gesichtspunkte aber können wir einen
theoretischen Fehler deßhalb nicht annehmen, weil die Grade auf empirischem Wege
durch die mittelst der fixen Punkte construirte Curve erhalten worden sind. Die
eigentliche Fehlerquelle ist in den Aenderungen der Lufttemperatur zu suchen, denn
die Luft in der Capillarröhre ist bei den verschiedenen Versuchen nicht derselben
Temperatur ausgesetzt. Ihr Volumen wechselt daher unabhängig von der Temperatur des
Raumes, in welchem das Reservoir sich befindet. Wenn man die Lustmenge in Rücksicht
bringt, welche schon bei 0° in der Capillarröhre enthalten war, so kann man
annehmen, daß die Masse Luft, welche auf das Niveau der Quecksilbersäule bei
500° C. (welcher Temperatur das Luftreservoir ausgesetzt ist) noch einen
veränderlichen Einfluß ausübt, da ihre Temperatur mit jener der Umgebung wechselt,
etwa 1/50 jener Luftmasse ausmacht, welche das Reservoir bei 0° faßt. Nimmt
man nun an, daß das Instrument bei 15° C. graduirt worden sey, und daß die
Temperatur der Umgebung zwischen 0 und 30° C. im Maximum schwanken könne, so
findet man, daß die größte Aenderung der Volumeneinheit unterhalb oder oberhalb
15° C. nur 11,15/3000 betragen kann, also etwa 1/0 des Luftvolumens des capillaren Theiles (den
Ausdehnungscoefficienten der Luft zu 1/3000 angenommen) ausmacht; letzterer beträgt aber, wie erwähnt,
nur 1/50 der Luftmasse des Reservoires bei 0°, und es kann daher jene
Volumenänderung, die von der Temperatur der Umgebung herrührt, im Maximum nur eine
Variation von 1/1000 bewirken. Diese Quantität repräsentirt höchstens ⅓ Grad
des Instrumentes und kann daher vernachlässigt werden. Selbst wenn man eine
Capillarröhre von ½ Millimeter innerem Durchmesser nehmen würde, konnte die
größte Variation, welche von dem Einflusse der Temperatur der Umgebung herrührt, nur
etwa 1/00 des Luftvolumens des
Reservoires betragen, und diese Größe kann daher auf die Angaben des Instrumentes
keinen
beachtenswerthen Einfluß mehr ausüben, da der hierdurch entstehende Fehler gerade
die Fehlergrenzen erreicht.
Ist das Instrument richtig construirt worden, so können seine Angaben bei hohen
Temperaturen kaum um 2 bis 3 Grad fehlerhaft werden, und innerhalb dieser Grenzen
kann es für die Anwendung bedeutende Dienste leisten, namentlich für Temperaturen
zwischen 330 und 500°, wenn man es nicht unterläßt, beim Beginne eines jeden
Versuches die Thermometerscale in der oben angegebenen Weise jedesmal Zu
verificiren. — Ueber solche Verwendungen seines Instrumentes sagt der
Verfasser Folgendes: „Ich wende dieses Thermometer z. B. an, um das
Steinkohlentheer-Oel den fractionirten Destillationen zwischen 330 und
450° zu unterziehen, was mit großer Leichtigkeit geschehen kann. Man
operirt dabei nur mit einer tubulirten Retorte von gewöhnlicher Form und
versetzt die Thermometerröhre in den Tubulus (in bekannter Weise) mittelst eines
aus zwei Stücken zusammengesetzten Pfropfes; man kann hierbei die Feuerung bis
zum Punkte der Erweichung der Retorte erhöhen. Bei der Destillation des
Steinkohlentheeres habe ich gefunden, daß derselbe gegen 450° anfängt
aufzuschäumen oder sich aufzublähen, er gibt dabei langsam Wasserstoffgas ab und
verwandelt sich in eine kohlenartige Materie. Es ist dieß dieselbe Temperatur,
bei welcher die meisten organischen Körper, welche sonst als die stabilsten
angesehen werden, sich zu zerlegen beginnen. Man kann auch auf dieselbe Weise
den Siedepunkt weniger flüchtiger Substanzen bestimmen. Ich habe mich neuerdings
überzeugt, daß der Siedepunkt des Schwefels während der ganzen Dauer der
Destillation constant bleibt. Den Siedepunkt des Retens (C36H18) habe ich bei 390° C.
Gefunden.“
„Das eben beschriebene Thermometer wurde von Alvergniat in Paris (Passage Sorbonne) mit
bekannter Geschicklichkeit construirt; die gedachte Anordnung eignet sich für
Thermometer, welche bei Destillationen benutzt werden. Selbstverständlich kann
man dem cylindrischen Reservoir B, sowie den beiden
ersten Theilen der Capillarröhre jede beliebige Richtung geben, wie sie die
Anwendung erheischt.“