Titel: | Steuerschieber mit beweglichen Sitzen, von J. R. Napier und W. J. Macquorne Rankine. |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. LXII., S. 279 |
Download: | XML |
LXII.
Steuerschieber mit beweglichen Sitzen, von
J. R. Napier und
W. J. Macquorne
Rankine.
Nach dem Engineer, October 1867, S. 336; aus dem
polytechnischen Centralblatt, 1867 S. 1462.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Napier und Rankine's Dampfschieber.
So zweckmäßig der Schieber in Verbindung mit der Coulisse ist, um den Expansionsgrad
an Dampfmaschinen zu verändern, so führt doch die Anwendung dieser Mechanismen den
Uebelstand mit sich, daß die Grenzpunkte der Einströmung, der Expansion, des
Ausblasens und der Compression in einer solchen Beziehung zu einander stehen, daß
beim Entwurf einer Schieberbewegung die Annahme von drei jener Punkte für eine
gegebene Lage der Coulisse auch den vierten Punkt bestimmt. Nimmt man z.B. an, es
seyen für eine bestimmte Lage der Coulisse die Lagen der Excentrics und die Deckung
an der Einströmungskante des Cylinderdampfweges für einen gewissen Expansionsgrad
festgestellt, so ist das einzige Element, welches noch einer Regulirung fähig ist,
die Deckung an der Ausströmungskante des Dampfweges, und ist dieses Element
festgestellt, so ist damit auch das Ausblasen und die Compression bestimmt. Häufig
kommt es aber vor, daß die günstigsten Lagen für den Beginn des Ausblasens und der
Compression nicht zusammen zu erreichen sind, und dann ist man gezwungen, von beiden
abzuweichen. Durch Anwendung von zwei Schiebern kann man diesem Uebelstand
ausweichen; alle Doppelschieberbewegungen sind aber complicirt in Construction und
Betrieb, und bedürfen überdieß eines zweiten Steuerhebels zur Regulirung des
Expansionsgrades. Die Verfasser suchen auf einfachere Weise zum Ziele zu kommen,
indem sie den Schiebersitzen an den Einströmungskanten der Cylinderdampfwege eine
geringe hin – und hergehende Bewegung geben, durch welche die Dampfwege bei
jedem Hub des Kolbens abwechselnd verengt und erweitert werden. Der einzige
Mechanismus, um welchen der gewöhnliche Schieberbetrieb vermehrt wird, besteht in
den beweglichen Schiebersitzen mit einer Stange und einem dritten Excentric zur
Bewegung derselben. Der Expansionsgrad wird nach Bedürfniß durch Verschiebung der
Coulisse mittelst des gewöhnlichen Steuerhebels verändert, aber die Wirkung in
Beziehung auf Einströmung und Ausblasen ist dieselbe wie bei dem
Doppelschiebersystem. Daraus folgt, daß man beim Entwurf der Schieberbewegung die
Grenzpunkte für das Ausblasen und die Compression in die günstigsten Lagen verlegen
kann, ohne daß man dadurch zugleich auf die Einströmung und die Expansion einwirkt.
Zur Verminderung der Reibung empfehlen die Verf., in Verbindung mit den beweglichen
Sitzen einen Entlastungsschieber anzuwenden.
Die beweglichen Theile des Schiebersitzes können so miteinander verbunden seyn, daß
sie eine gemeinschaftliche Bewegung haben, oder auch sich unabhängig von einander
bewegen. Zur gemeinschaftlichen Bewegung, die vorzuziehen seyn dürfte, genügt ein
Excentric auf einer rotirenden Welle. Wenn einer der beweglichen Theile des
Schiebersitzes so bewegt wird, daß der entsprechende Cylinderdampfweg sich verengt,
so tritt die Absperrung des Dampfes an einer früheren Stelle des Kolbenhubes ein,
ohne daß das Ausblasen und die Compression davon beeinflußt wird.
Fig. 13 zeigt
einen Durchschnitt des Schiebers mit Sitzen, Fig. 14 die Vorderansicht
des Schiebersitzes und Fig. 15 ein Diagramm zur
Bestimmung der geeigneten Dimensionen für die verschiedenen Theile des
Schiebersitzes und des Schieberbetriebes. Der Schieber selbst ist ein
Adams'scher Entlastungsschieber, statt dessen aber auch
irgend eine andere Schieberconstruction gewählt werden kann. In Fig. 13 und 14 bezeichnet
A die Mitte des Austrittsdampfweges, B, B den Austrittsdampfweg, B,
C die festen Stege des Schiebersitzes, C, D die
Cylinderdampfwege, C deren Ausblasekanten, D die Einströmungskanten; D,
E die beweglichen Theile des Schiebersitzes auf der Außenfläche einer
hin- und hergehenden Schieberplatte, F, H die
Innenfläche dieser Schieberplatte, G, J den Sitz für die
bewegliche Schiebersitzplatte, K, L die Deckfläche des
Vertheilungsschiebers. Der Schieber und sein beweglicher Sitz sind in der Zeichnung
in ihrer mittleren Lage dargestellt, obschon sie beim Betrieb der Maschine niemals
gleichzeitig in der mittleren Lage sich befinden, wenn nicht die Coulisse auf die
Mitte eingestellt ist; für den Entwurf ist es aber am zweckmäßigsten, bei beiden
Betriebstheilen von dieser Lage auszugehen. Die hin- und hergehende Bewegung
des beweglichen Sitzes bewirkt, daß die Breite eines jeden Cylinderdampfweges
zwischen CD, vermehrt um den halben Hub des Sitzes
und CD, vermindert um den halben Hub des Sitzes,
sich verändert. Diese Bewegung wird durch ein besonderes Excentric
hervorgebracht.
Gegeben seyen die vier Stellungen der Kurbel für den Beginn und das Ende der
Dampfeinströmung und für den Beginn und das Ende des Ausblasens, wenn der
Gleitbacken eine bestimmte Stellung gegen die Coulisse einnimmt, die Länge der
Excentricstangen und der Abstand zwischen Vor- und Rückwärtsexcentrics, für
welche übrigens gleiche Größe und gleiche Lage vorausgesetzt wird.
Man ziehe eine gerade Linie 1 – 2 (Fig. 15), welche die Lage
der Cylinder- und Wellenachse darstellt. An irgend einem Punkte 3 auf der
Linie 1 – 2 ziehe man 4 – 3 – 5 rechtwinkelig gegen 1 –
2 und mache 3 – 4 = 3 – 5 = dem halben Abstand zwischen den
Mittelpunkten des Vor- und Rückwärtsexcentrics. Die Abschnitte 3 – 6
und 3 – 7 des Perpendikels bestimme man nach dem Verhältniß 3 – 4 : 3
– 5 = 3 – 6 : 3 – 7, indem man sich unter 3 – 4 = 3
– 5 die halbe Länge der Coulisse und unter 3 – 6 = 3 – 7 den
Abstand des Gleitbackens von der Mitte der Coulisse vorstellt. Durch 6 und 7 ziehe
man die geraden Linien 6 – 8 und 7 – 9 parallel zu 1 – 2.
Nun verfährt man mit Hülfe des Zeuner'schen
Schieberdiagrammes folgendermaßen: Durch irgend einen geeigneten Punkt 10 in 1
– 2 ziehe man vier gerade Linien, welche die vier gegebenen Kurbelstellungen
repräsentiren, 10 – 11 für den Beginn der Dampfeinströmung, 10 – 12
für das Ende der Dampfeinströmung und den Beginn der Expansion, 10 – 13 für
den Beginn des Ausblasens, 10 – 14 für das Ende des Ausblasens und den Beginn der
Compression. Zieht man nun 10 – 15 so, daß der Winkel 11 – 10 –
12 halbirt wird, und verlegt den Punkt 15 in 6 – 8, halbirt ferner den Winkel
13 – 10 – 14 durch 10 – 16 und legt 16 in 7 – 9 und
macht ferner 16 – 17 parallel und gleich 10 – 15, wodurch 17 in 1
– 2 zu liegen kommt, so gibt 10 – 17 den halben Hub oder die
Excentricität des beweglichen Sitzes an, 10 – 16 den halben Hub oder die
Excentricität des Vertheilungsschiebers und 10 – 15 die Hälfte des größten
Abstandes zwischen Schieber und Schiebersitz.
Man kann diese Excentricitäten auch dadurch finden, daß man 7 – 18 gleich und
parallel 10 – 16, sowie 7 – 19 gleich und parallel 10 – 15
zieht und die Punkte 18 und 19 in die Linie 1 – 2 verlegt; dann gibt 18
– 19 die Excentricität des Schiebersitzes an. Stellt man sich die Achse der
Welle nach 18 verlegt vor, so bezeichnet 19 die Lage des Schiebersitzexcentrics für
den Beginn des Vorwärtsganges.
Um für die Mittelpunkte der Vor- und Rückwärtsexcentrics die richtigen Lagen
beim Beginn des Vorwärtsganges zu finden, hat man je nach der Construction der
Coulissensteuerung verschiedene Wege einzuschlagen. Bei fester Coulisse geben die
Punkte 4 und 5 diese Lagen an, wenn 18 die Wellenachse darstellt. Für bewegliche
Coulisse ziehe man 22 – 23 und 24 – 25 durch 4 und 5 parallel zu 1
– 2 und schlage mit einem Radius, der nach den aus Lehrbüchern (Zeuner, Schiebersteuerungen) bekannten Regeln zu
bestimmen ist, durch die Punkte 6 und 7 einen Kreisbogen, welcher 22 – 23 und
24 – 25 schneidet. Sind beim Beginn des Vorwärtsganges die Excentricstangen
offen, so ist die concave Seite des Kreisbogens gegen 18 zu legen; derselbe wird
dann durch 22 – 6 – 20 – 7 – 24 bestimmt, und 22 und 24
sind die gesuchten Lagen. Sind die Stangen gekreuzt, so liegt die convexe Seite des
Kreisbogens gegen 18; für diesen Fall gilt der Kreisbogen 23 – 6 – 21
– 7 – 25, und die gesuchten Lagen sind 23 und 25. Wenn die
Construction für den Fall ausgeführt werden soll, daß der Gleitbacken am Ende der
Coulisse sich befindet, so fallen die Punkte 6 und 7 mit den Punkten 4 und 5
zusammen und bezeichnen selbst die gesuchten Lagen, wie auch die Construction der
Coulisse seyn mag.
Die Deckung an der Einströmungskante ist 10 – 29 und wird auf folgende Weise
erhalten: Man halbire 10 – 15 in 26 und schlage mit dem Halbmesser 10
– 26 einen Kreis um 26 als Mittelpunkt; die Abstände der Schnittpunkte 28 mit
10 – 11 oder 29 mit 10 – 12 von 10 geben die gesuchte äußere
Deckung.
Um die innere Deckung zu finden, schlage man um den Halbirungspunkt 27 von 10
– 16 einen Kreis mit dem Halbmesser 10 – 27; die Linien 10 – 30
= 10 – 31, welche durch den Kreisbogen von 10 bis 13 und 14 abgeschnitten
werden, geben die gesuchte innere Deckung. Liegen 10 – 13 und 10 – 14
in einer geraden Linie, so berührt der um 27 geschlagene Kreis diese gerade Linie,
und die innere Deckung wird Null. Wenn aber der Winkel 13 – 10 – 14
größer als zwei Rechte ist, so schneidet der um 27 geschlagene Kreis die Linien 10
– 13 und 10 – 14 jenseits 10; die abgeschnittenen Längen bezeichnen
dann den Betrag, um welchen die Ausblasekante den Dampfweg offen lassen muß, wenn
der Schieber sich in seiner mittleren Stellung befindet.
Die größte Eröffnung für die Einströmung ist 15 – 32, wobei 32 – 10 =
10 – 28 = 10 – 29 ist; in gleicher Weise wird die größte Eröffnung für
das Ausblasen 16 – 33 gefunden, wenn man 33 – 10 = 10 – 30 = 10
– 31 macht. Ist die innere Deckung Null, so wird die größte Eröffnung für das
Ausblasen 10 – 16, und die letztere kann sogar noch größer als 10 – 16
werden, wenn statt der inneren Deckung eine Eröffnung in der mittleren
Schieberstellung gegeben wird.
Bei der Construction des Schiebers und Schiebersitzes mache man GF = 17 – 10, DL = 10 – 32, CK
= 10 – 33. Um die ganze Breite des
Dampfeintrittscanals nutzbar zu machen, mache man KD nicht kleiner als 10 – 15 und BC +
BB nicht kleiner als zweimal 10 – 16.