Titel: | Rudberg's Methoden zum Entzünden der zum Laden der Sprenglöcher angewendeten explosiven Substanzen, und Verfahren zur Fabrication des Nitroglycerins (Sprengöls). |
Fundstelle: | Band 187, Jahrgang 1868, Nr. XLV., S. 204 |
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XLV.
Rudberg's Methoden zum Entzünden der zum Laden der Sprenglöcher
angewendeten explosiven Substanzen, und Verfahren zur Fabrication des Nitroglycerins
(Sprengöls).
Aus Armengaud's Génie industriel, October 1867, S.
207.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Rudberg's Methode zum Entzünden der mit Nitroglycerin besetzten
Sprenglöcher und Verfahren zur Fabrication des Nitroglycerins.
A. E. Rudberg, Architekt in Stockholm, hat mehrere Mittel
zum Sprengen von Felsen etc. ohne Anwendung von Pulver, mittelst Nitroglycerin oder
anderer explosiver Substanzen erfunden, welche wir wegen der trefflichen Resultate,
die sie der Angabe unserer Quelle zufolge liefern, im Nachstehenden beschreiben
wollen.
Nachdem der Erfinder das Bohrloch mit Nitroglycerin oder einem anderen Sprengmittel,
entweder in ihrem ursprünglichen Zustande oder in Form einer mit einem passenden
Ueberzuge versehenen Patrone besetzt hat, schreitet er zum Anstecken der Besetzung
und benutzt zu diesem Zwecke (anstatt des patentirten Nobel'schen Verfahrens, welches darin besteht, die Detonation der
explosiven Substanz mittelst eines im Inneren der Masse
hervorgerufenen Stoßes zu bewirken), die bereits seit einigen Jahren bekannte
Thatsache, daß das Nitroglycerin, ohne durch unmittelbare Berührung mit brennenden
Körpern entzündet zu werden, durch einen von außen bewirkten genügenden Stoß oder
Schlag entzündet wird, indem das Präparat in Folge der durch diese Percussion
entwickelten Compression und Temperaturerhöhung augenblicklich zersetzt und zum Detoniren gebracht wird.
Die Einzelheiten dieses Verfahrens sind die nachstehenden.
Nachdem das Bohrloch mit der Ladung auf die angedeutete oder auf andere
zweckentsprechende, sogleich näher zu erörternde Weise besetzt worden ist, läßt man
auf die Ladung gegen die der Oeffnung des Loches zugekehrte Fläche einen Stoß
wirken, welcher die ganze explosive Masse nicht allein direct durchdringt und sie
stark comprimirt, sondern gleichzeitig auch jedem ihrer Theilchen mittelst der
Bewegung des durch ihre Masse hindurchgetriebenen Körpers eine solche Erschütterung
mittheilt, daß sie in Folge derselben eine vollständige Zersetzung erleidet. Dieses
Resultat kann auf verschiedene Weise erreicht werden, z.B. auf die folgende:
Man verschließt die Sprenglochsmündung mit einem aus Holz oder aus einer anderen zu
diesem Zwecke geeigneten Substanz angefertigten Pfropfen oder Piston, setzt auf
diesen einen zweiten, welcher aus dem Loche genügend weit hervorsteht, und theilt
letzterem mittelst eines zweckdienlichen Mechanismus – z.B. mittelst eines
fallenartig aufgestellten Balkens oder Steines, dessen Stützpunkt mittelst einer
Schnur etc. leicht aus seiner Lage gebracht werden kann – einen hinlänglich
kräftigen Stoß oder Schlag mit.
Fig. 46 und
47
erläutern zweierlei Arten dieses Verfahrens zum Entzünden der Sprengladung.
In Fig. 46 ist
der Lauf (das Rohr) C derart mit Werg umwickelt, daß er
das Sprengloch vollständig ausfüllt und nur mit seinem oberen oder hinteren Theile
aus demselben hervorsteht. Dieser Lauf wird mit Pulver oder einer anderen explosiven
Substanz geladen und die Ladung mittelst eines Schwefelfadens, einer Stoppine etc.
durch das im Rohre angebrachte Zündloch l hindurch,
entzündet.
Vor die Pulverladung setzt man, wie gewöhnlich, entweder den Ladepfropfen 1 allein
oder mit einer Kugel, einem Cylinder etc. auf, welcher durch das entzündete Pulver
aus dem Rohre auf die im Loche bei a befindliche Ladung
aufgetrieben wird.
Die Stärke der Pulverladung wird durch die Stärke der Sprenglochsladung bedingt, so
daß ein hinlänglich kräftiger Stoß auf die explosive Masse ausgeübt wird.
Fig. 47
erläutert ein anderes Verfahren, welches zwar etwas complicirter ist, bei dem aber
das Rohr besser befestigt und gleichzeitig das Sprengloch vollständig verschlossen
wird. Zunächst wird das Loch mit einer Kapsel c besetzt,
in welche das Rohr C genau hineinpaßt; dann wird letzteres, nachdem es
geladen worden, unter drehender Bewegung in diese Kapsel hineingeschoben.
Selbstverständlich kann die Form des Rohres, sowie die Art dasselbe zu befestigen,
verschiedentlich abgeändert werden, da die Erfahrung bald zu der billigsten und für
die praktische Anwendung geeignetsten Fabricationsmethode führen wird.
Der Erfinder verfertigt auch Kapseln aus Weißblech oder aus anderem passendem
Material, füllt sie unmittelbar in der Fabrik mit der explosiven Substanz und
verschließt sie dann hermetisch mittelst eines Pfropfes. Um diese Kapseln gefahrlos
in verticale Sprenglöcher einsenken zu können, sind sie oben mit einem Ringe
versehen, durch den eine Schnur hindurchgeht, die man herauszieht, sobald die Kapsel
an ihrem Platze ist. Der zur Entzündung der Ladung selbst dienende Apparat wird ganz
in der bereits angegebenen Weise und stets in einer gewissen Entfernung von der
Kapsel angebracht.
Dieses Verfahren bietet mehrfache Vortheile dar. Erstens ist, da die Kapseln in der
Fabrik selbst gefüllt und erst an Ort und Stelle von dem dazu beauftragten Arbeiter
mit dem Sprengöle in Berührung gebracht werden, der Transport derselben weniger
gefährlich, denn sie sind mit keiner zur freiwilligen Entzündung oder Entladung
geeigneten Vorrichtung versehen; zweitens werden die mit dem Gefrieren des
Nitroglycerins verbundenen Uebelstände vermieden, wenn man es in hermetisch
verschlossene und für Sprenglöcher von verschiedenen Dimensionen passende Kapseln
füllt.
Drittens lassen sich bei Anwendung dieser Sprengmethode mit den kleinsten
Sprenglöchern dieselben Erfolge erzielen, wie mit den größten, da die explosive
Substanz keinen fremdartigen Körper beigemengt enthält, da ferner die Oeffnung des
Loches verschlossen bleibt und da schließlich die Percussion in der Richtung von
außen nach innen erfolgt, so daß kein Theil des Besatzes aus dem Loche
herausgeworfen werden kann, ohne seine Wirkung ausgeübt zu haben.
Viertens läßt sich die Ladung des Besatzrohres oder der Kapsel mit Anwendung kürzerer
Stoppinen oder Zündschnüre etc. entzünden, als bisher; auch ist es, da die
Zündschnur sich fast ganz außerhalb des Loches befindet, aus der Ferne leichter zu
unterscheiden, wenn sie abgebrannt ist, so daß man sich, wenn der Schuß versagt,
ungefährdet dem Loche nähern kann.
Fünftens wird, da eine weit vollständigere Zersetzung der Sprengladung stattfindet,
die Bildung des aus unzersetzten Theilen bestehenden Rückstandes, sowie die
Entstehung der aus denselben sich entwickelnden schädlichen Gase vermieden.
Sechstens kann die Pulverladung des Besatzrohres in einer dem Besatze des Loches mit
explosiver Substanz entsprechenden Weise regulirt werden, und siebentens endlich
wird es durch die neue Methode ermöglicht, einen größeren Vorrath solcher Rohre für
verschieden große Sprenglöcher im Voraus zu fabriciren und mit der Ladung
anzufüllen, so daß sie ohne jeden Aufenthalt in die Löcher eingesetzt werden können,
wodurch ein für die Leistungen der Häuer nachtheiliges Hinderniß beseitigt und
bedeutend an Zeit erspart wird, zumal da man der Zündschnur etc. keine größere Länge
zu geben braucht, als nöthig ist um die zur Entfernung der Arbeiter aus dem Bereiche
des Schusses nöthige Zeit zu gewinnen.
Bezüglich der ununterbrochenen und gefahrlosen Fabrication der
explosiven Substanz (des Nitroglycerins), erhielt Rudberg die besten Resultate mit der im Nachstehenden beschriebenen
Vorrichtung.
Fig. 48
stellt eine Vorderansicht von dem ganzen Apparat, Fig. 49 einen
entsprechenden Längenschnitt desselben dar.
Nach dem Abwägen der Rohmaterialien wird in einer aus Blei bestehenden Kufe, welche
in einem mit kaltem Wasser gefüllten größeren Gefäße steht, das Säuregemisch
bereitet, wobei viel Wärme frei wird. Nach vollständigem Erkalten wird dieses
Gemisch in das Gefäß Nr. 1 abgezapft oder eingefüllt. In das Gefäß Nr. 2 kommt das
zu verarbeitende Glycerin und die Kufe Nr. 3 wird mit kaltem Wasser angefüllt. An
diesen sämmtlichen Gefäßen sind mit Hähnen versehene Abflußröhren angebracht, welche
die Flüssigkeit in einen, treppenartig vertheilte Gefache enthaltenden Canal D leiten. Dieser Canal ist mit Blei ausgefüttert und
liegt in einem Holztroge, an dessen Rändern er so befestigt ist, daß kein Wasser in
ihn eindringen kann.
Die Abflußröhren der Kufen Nr. 1 und 2 münden in einen, mit dem Trichter C versehenen Kasten; dieser Trichter ist über dem oberen
Theile des gedachten Canales pendelähnlich aufgehängt oder ruht auf Rädern auf einem
Schienenwege, so daß ihm, wie aus den punktirten Linien in Fig. 48 ersichtlich ist,
mittelst einer Lenkstange und einer Kurbel eine continuirliche hin- und
hergehende Bewegung mitgetheilt werden kann. In dem Rohre dieses Trichters C ist ein Thermometer T
angebracht.
Das Rohr g des Gefäßes Nr. 3 mündet in den unteren Theil
des den Bleicanal D umschließenden Troges in der Weise,
daß in Folge des Oeffnens des Hahnes m das Wasser in den zwischen dem
Canale und dem Troge befindlichen Raum eintreten und ihn ausfüllen kann.
Die unteren Enden der zu den Kufen Nr. 1 und Nr. 2 gehörenden Abflußröhren A und B sind schwach
gekrümmt, so daß sie an zwei einander gegenüber liegenden Stellen der Kugel des
zwischen ihnen befestigten Thermometers T ausmünden, wie
Fig. 48
zeigt. Auf diese Weise tritt das Säuregemisch mit dem Glycerin gerade unter der
Thermometerkugel zusammen und die durch die stattfindende Reaction erzeugte höhere
Temperatur kann an den beiden Thermometern T und t abgelesen werden.
Der Gang der Operation ist nunmehr leicht zu begreifen. Zunächst öffnet man den Hahn
m des Rohres g, damit
der Boden und die Wände des Bleicanales D von einem
ununterbrochenen Strahle kalten Wassers bespült werden, dessen Zulauf aus der Kufe
Nr. 3 in der Weise zu reguliren ist, daß der Raum zwischen dem Canale und dem ihn
umgebenden Holztroge beständig frisch gefüllt erhalten wird, indem das Wasser aus
diesem Raume durch das Rohr n abläuft. Dann öffnet man
den Hahn a des Rohres A
damit das Säuregemisch aus dem Gefäße Nr. 1 in den Trichter C treten kann, wobei es über die Kugel des Thermometers T hinwegläuft. Hierauf wird der Trichter in oscillirende
Bewegung gesetzt, so daß sein Rohr o sich abwechselnd
über den verschiedenen Gefachen oder Abtheilungen des Canales befindet. Sobald die
Säure aus allen diesen Abtheilungen gleichzeitig herauszurinnen beginnt, öffnet man
den Hahn b des Rohres B, so
daß das Glycerin zufließen und mit der Säure sich vermischen kann.
Sobald dieses Gemisch der Säuren mit dem Glycerin den Bleicanal durchlaufen hat, ist
die Reaction vollständig vor sich gegangen und das Ganze läuft in den großen
Behälter Nr. 4, in welchem das Nitroglycerin sich in Form einer auf dem
Säuregemische schwimmenden Oelschicht abscheidet. Hierauf wird es decantirt und mit
Wasser und einer Sodalösung gewaschen. In diesem Falle kann man dieselbe Säure nach
einer mit geringen Kosten verbundenen Concentration wieder gebrauchen.
Soll hingegen die Säure nur ein einziges Mal benutzt werden, so füllt man den
Behälter Nr. 4 vor Beginn einer neuen Operation mit Wasser, worauf sich das
Nitroglycerin auf dem Boden des Behälters absetzt und man das auf diese Weise mehr
oder weniger stark verdünnte Säuregemisch weglaufen läßt. Dann braucht das
Nitroglycerin nur mit einer Alkalilösung gewaschen zu werden.
Zur Vermeidung jeder Belästigung der Arbeiter durch die sich möglicherweise
entwickelnden Salpetrigsäuredämpfe kann man den Canal D,
mit einem aus Glas
bestehenden Deckel und einer zur Ableitung aller gasförmigen Nebenproducte nach
außen dienenden, vertical gestellten Esse versehen.
Der im Vorstehenden beschriebene Apparat besitzt hauptsächlich den Vorzug, daß eine
große Quantität von Nitroglycerin auf einmal und ohne Unterbrechung dargestellt
werden kann; die Temperatur läßt sich constant unter + 30° C. erhalten; auch
läßt sich der Zufluß des Glycerins genau reguliren, so daß ein Ueberschuß an dieser
Substanz, welcher zu neuen Verbindungen anderer Art Anlaß geben würde, leicht zu
vermeiden ist.
Es steht fest, daß das bisher in den Handel gebrachte Sprengöl bei einer Temperatur
von 6° C. unter Null gefriert, eine Eigenschaft, welche bereits schwere
Unglücksfälle nach sich gezogen hat, namentlich wenn die Manipulation dieser
Substanz Leuten anvertraut wurde, denen diese Thatsache unbekannt war.
Zur Vermeidung dieses Uebelstandes hat Nudberg ein
Fabricationsverfahren ersonnen, mittelst dessen ein bei selbst sehr niedriger
Temperatur nicht gefrierendes Sprengöl dargestellt werden kann. Dieses Verfahren
besteht in einem Zusatze von Benzol, Nitrobenzol oder einer anderen, im
Nitroglycerin leicht löslichen Substanz zu dem letzteren.
In Folge einer derartigen Behandlung bietet das Sprengöl beim Transporte etc. weit
weniger Gefahr dar, und detonirt doch ebenso leicht und mit derselben
Kraftentwickelung, als das auf gewöhnliche Weise dargestellte Präparat.