Titel: | Das Schwarzfärben der Seide nach Gillet-Pierron; von Dr. P. Bolley. |
Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. CIX., S. 476 |
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CIX.
Das Schwarzfärben der Seide nach Gillet-Pierron; von Dr. P. Bolley.Aus einem Berichte des Verf. über die Classe 45 (Producte der Bleicherei, der
Färberei, des Zeugdruckes und des Appretirens) der allgemeinen
Industrie-Ausstellung zu Paris, mitgetheilt in der schweizerischen
polytechnischen Zeitschrift, 1867, Bd. XII S. 85.
Ueber das Schwarzfärben der Seide.
Hoher Beachtung werth scheint uns die Erscheinung, daß aus der Mitte der Praktiker
sich Reaction erhebt gegen die schlechte Uebung, die Seide
beim Schwarzfärben durch allerlei Kunstgriffe schwer zu machen. Es sind 50
Proc. über das ursprüngliche Seidegewicht etwas gewöhnlich vom Färber Verlangtes und
Schwerungen bis zu 100 Proc. kommen wenigstens vor, so daß der Consument nur die
Hälfte so viel Seide hat, als er zu haben glaubt und berechtigt ist zu
verlangen.
Hr. Gillet-Pierron,
Besitzer zweier Färbereien, in Lyon und in St. Chamond am Gier, worin jährlich
ungefähr 300000 Kilogramme Seide schwarz gefärbt werden, hat einigen Mitgliedern der
Jury eine Brochüre übergeben, seine Untersuchungen über das Verhalten der Seide beim Färben enthaltend.
Es ist Vieles nicht neu, aber einige Fragen sind darin mit Gründlichkeit behandelt,
und es sind einige Hauptresultate darin enthalten, welche für die Praxis von
höchster Wichtigkeit sind.
Die ganz alten Verfahren und die in Asien üblichen unberührt lassend, folgen wir
zuerst kurz einem historischen Ueberblick der neueren Methoden des Schwarzfärbens
von Seide, wie sie die Brochüre gibt.
Während man früher als erste Operation das gerbsaure Bad vornahm und darauf ein Bad
mit Eisensalz gab, hat 1824 Gonin die Sache umgekehrt,
indem er zuerst die Eisenbeize mit etwas Kupfervitriol versetzt gab und darauf in
Campeche- und Gelbholz ausfärbte. Er fügte hierzu eine Schlußoperation: ein
Bad von Campecheholz mit Seife versetzt. Man nannte dieß Schwarz Lyoner Feinschwarz
oder auch zuweilen Englisch-Schwarz.
1833 wurde das Färben in Berlinerblau eingeführt; es gieng dieß dem Schwarzfärben
voraus. Die Nüancen waren gut und die Seide schwerer als nach den alten Methoden. Im
Jahre 1847 wurde anstatt der Galläpfel oder des Kastanienrindenextractes das Catechu
in die Lyoner Schwarzfärberei eingeführt. Man nimmt an, daß diese Neuerung sowohl in
Deutschland als in England früher schon bekannt war.
Man nannte dieses Schwarz: Mineralschwarz. Das ganze Verfahren bestand darin, daß man
zuerst einen Berlinerblaugrund gab, dann eine Eisenbeize, hierauf ein Catechubad und
zuletzt ein Bad aus Campecheholz und Seife. Das Schwarz war von hohem Glanze, die
Seide hatte weichen Griff, behielt ihre natürliche Elasticität und die Gewebe aus
solcher waren sehr dauerhaft. Man hätte nie dieß Verfahren verlassen sollen, sagt
Hr. Gillet.
Im Jahre 1854 hat man die arabische Henné (Lausonie) als gerbsäurehaltige
Substanz anstatt des Catechu eingeführt und bald darauf hat man beide zugleich
angewendet, um das sog. Noir d'Afrique hervorzubringen.
Dieß Schwarz war von besonderem Glanz und bei den Seidefabrikanten sehr
geschätzt.
1859 wurde es von dem gesättigten blauen feineren und tieferen Noir impérial (dessen Herstellung nur sehr unvollkommen angegeben
wird) verdrängt.
Im gleichen Jahre (1859) brachte ein preußischer Seidefärber ein in Crefeld von einem
Seidefärber Backhaus erfundenes und von diesem lange Zeit
geheim gehaltenes Verfahren nach Lyon. Es besteht in Anwendung von Zinnsalz, das man
dem Catechubade zusetzt. Gleichzeitig verbreitete sich dieses Verfahren in England,
Frankreich und der Schweiz, und es ist seither die Grundlage zur Herstellung des
Schwerschwarz geblieben.
Anfangs schwerte man nur auf 20 Proc., später giengen die Färber durch Wiederholung
der Bäder auf 30, 40, 50, ja auf 100 Proc.
Man kann die verschiedenen Schwarz in folgender Weise eintheilen.
A. Auf gelbgekochte Seide:
1) Feinschwarz (20 Proc. Verlust), welches besonders in der Sammtfabrication und für
die feinsten Luxusstoffe gebraucht wird. Es wird erhalten durch ein oder mehrere
Farbebäder aus Gelbholz, Wau, Quercitronrinde, welchen gewöhnlich ein schwaches Bad
von essigsaurem mit salpetersaurem Eisen vorangeht. Wird das Eisenbad nicht zuerst
gegeben, so wird der Farbholzbrühe etwas Eisenvitriol und Kupfervitriol zugegeben.
Der Schluß ist stets ein Bad von Campecheholz mit Seife. Die Seide behält bei diesem
Schwarz ihren ganzen Glanz, ihre Weichheit und ihren Griff.
2) Schwarz (100 für 100), auch Noir impérial
genannt. Der Faden ist bei diesem Schwarz viel mehr aufgetrieben als bei 1. Die
Seide wird zuerst berlinerblau gefärbt, dann durch eine Gerbsäureabkochung passirt
und zuletzt in einem Bad von Campecheholz und Seife behandelt. Nebenbei werden aber
noch andere Beizen und Farbstoffe angewendet, die vom Verfasser nicht genannt
werden.
3) Schwerschwarz. Es wird dargestellt indem man eine Eisenbeize gibt, die man durch
ein kochendes Seifenbad befestigt. Diese beiden Operationen werden verschiedene
Male, je nach dem Grade des Schwerens, den man erreichen will, wiederholt. Nun wird
durch gelbes Blutlaugensalz gebläut. Endlich gibt man ein Bad von Catechu mit
Zinnsalz, was ebenfalls wiederholt werden kann. Um einen bläulichen Ton trotz der
wiederholten Catechubäder zu erhalten, bedient man sich eines Bades von
holzessigsaurem Eisen. Es werden so die verschiedenen Abstufungen des Schwerschwarz
von 20–100 Proc. erhalten.
B. Auf Rohseide:
4) Noir souple. Es wird dieses sehr häufig für Einschlag
gebraucht. Im Etablissement von St. Chamond wird zuerst die Eisenbeize gegeben,
ausgewaschen, mit verdünnter Sodalösung fixirt und dieß wiederholt, je nach dem
Gewichte, das die Seide erhalten soll. Jetzt wird ein angesäuertes Bad von gelbem
Blutlaugensalz gegeben, um die Seide blau zu machen. Dieses Blau schlägt sich nur
auf den Bast der Seide nieder, durchdringt sie nicht. Die Seide behält bei diesen
Operationen ganz den Griff der Rohseide. Souplirt wird sie durch die heißen
Gerbsäurebäder, wozu Catechu, Galläpfel, Dividivi etc. dienen. Je nach dem
gewünschten Gewicht und der Nüance gibt man Zinnsalz zu den Catechubädern oder
nicht. Zuletzt gibt man noch ein Seifenbad. In den Etablissements der HHrn.
Gillet werden vom Schwarz
(1 und 2) 35 Proc., gewöhnliches Schwerschwarz 35 Procent, stark überschwertes
Schwarz 10 Proc. und Noir souple 10 Proc. gefärbt.
Hr. Gillet fand, daß die
Zunahme der abgekochten Seide beim Schwerschwarz an Volum ungefähr ebenso groß ist,
als die an Gewicht. Wir haben also bei einer Schwerung von 100 Proc. in einem Gewebe
nur die Hälfte des Raumes mit wirklicher Seide gefüllt, das Uebrige hängt außen an,
die Farbe ist. nur zum geringsten Theil in die Faser eingedrungen.
Bei stark geschwerter Rohseide fand er, daß die einzelnen Theile des Rohseidefadens
namentlich durch die letzten Operationen stark von einander entfernt werden und daß
fast nur der Bast die Farbe aufnimmt, während der Seidekern wenig gefärbt erscheint.
Daß dieses Aufblähen und Trennen des Rohseidefadens in seine einzelnen Coconfäden
die Stärke beeinträchtigen muß, ist nicht zu bestreiten.
Dieses Resultat entspricht den Versuchen, daß Seide, ehe sie schwerschwarz gefärbt
worden, am Serimeter sich als viel stärker zeigte, als nach dem Schweren.
Eine höchst interessante Beobachtung im genauesten Zusammenhang mit dem Berichteten,
ist in der unter Hrn. Prof. Persoz's Leitung stehenden Seideconditioniranstalt in Paris gemacht
worden.
Es wurde schwerschwarz gefärbte Seide zum Conditioniren übergeben. Sie wurde genau
behandelt wie Rohseide. Als man sie aus dem Trockenapparat herausnehmen wollte, war
sie vollständig zerfallen in eine theils schwarze, theils braune (von der
Eisenbeize), fast pulverige Masse. Was hier die Wärme zu Stande brachte, sollte
nicht allmählich dasselbe auch durch den Gebrauch bewirkt werden können? Daß dem so
sey, ist höchst wahrscheinlich. Wir haben also beim Ankauf solcher geschwerter
Seidenstoffe nicht nur viel weniger Seide als wir zu haben meinen, sondern auch noch
Seide, die in ihrer Haupteigenschaft, der Stärke, fast zerstört ist.