Titel: | Ueber die bisher angewendeten Essigproben und einen Essig-Gehaltsprüfungsapparat nach Prof. Fleck's Methode; von W. A. Herb, Apotheker in Pulsnitz (Sachsen). |
Autor: | W. A. Herb |
Fundstelle: | Band 186, Jahrgang 1867, Nr. XXXV., S. 149 |
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XXXV.
Ueber die bisher angewendeten Essigproben und
einen Essig-Gehaltsprüfungsapparat nach Prof. Fleck's Methode; von W. A. Herb, Apotheker in Pulsnitz (Sachsen).
Herb, über einen Gehaltsprüfungsapparat für Essig.
Der Essig ist der Hauptsache nach eine Mischung von Wasser und Essigsäure, deren
Mengenverhältniß sich mit der Senkwaage aus mehrfachen Gründen nicht bestimmen läßt,
daher man zur Gehaltsprüfung auf die Sättigung des Essigs mit einem Alkali oder
Metalloxyd angewiesen ist.
Das älteste Verfahren, nach welchem man zu diesem Zwecke arbeitete, bestand darin,
daß man 4 Loth Essig abwog und dann die Menge von chemisch reiner Potasche dem
Gewichte nach bestimmte, welche man nöthig hatte, um den abgewogenen Essig zu
neutralisiren und essigsaures Kali zu erzeugen. Das Gewicht bestimmte man nach
Granen (wovon 240 auf ein altes Loth gehen) und sprach dann von 66granigem,
99granigem Essig, je nachdem man 66 oder 99 Gran Potasche zur Essigprüfung gebraucht
hatte. Später verwandelte der Sprachgebrauch das Wort Gran in Grad, und ein
99grädiger Essig war dann z.B. ein solcher, von welchem 4 Loth durch 99 Gran
Potasche entsäuert worden waren. Diese älteste Methode der Essigprüfung setzte aber
den Besitz einer guten Apothekerwaage und die Beschaffung ganz reiner und vollkommen
trockener Potasche voraus. Da letztere an der Luft jedoch sehr schnell feucht wird,
und überhaupt nur selten ganz rein zu bekommen ist, so liegt es auf der Hand, daß
zwischen Fabrikanten und Käufern des Essigs die Streitigkeiten kein Ende nahmen,
weil bei der beiderseitigen Prüfung des Essigs die Potasche, welche der Eine
verwendete, nicht so rein oder nicht so trocken wie die des Anderen gewesen seyn
mochte.
Man hat daher später statt der Potasche die Soda als Prüfungsmittel des Essigs
empfohlen, von welcher man, sofern sie völlig wasserfrei und rein ist, 67 1/2 Gran
zu 4 Loth Essig in dem Falle brauchen würde, in welchem man 100 Gran Potasche
angewendet hätte. (Krystallisirte Soda kann man nicht benutzen, denn diese
verwittert zu schnell und liefert dann bei der Essigprobe ungleiche Resultate.)
Diese Methode hat jedoch wenig Eingang gefunden.
Prof. Dr.
Otto in Braunschweig empfahl in der neuesten Zeit den
Salmiakgeist als Prüfungsmittel des Essigs und ersann einen sehr einfachen Apparat
zu diesem Zweck; eine Maaßröhre wird nämlich zum Theil mit dem zu prüfenden Essig
gefüllt, und zu diesem wird dann von dem Salmiakgeiste bis zur völligen
Neutralisation gegossen und das verbrauchte Quantum des letzteren und somit die
Stärke des Essigs an der Röhre abgelesen. Diese Methode wäre die beste und
schnellste, wenn sie nicht die Anwendung einer Probeflüssigkeit voraussetzte, deren
Darstellung eine sehr genaue Waage und die Hand eines geübten Chemikers erfordert,
so daß der Essigfabrikant, welcher nicht Chemiker von Fach ist, sich die
Probeflüssigkeit nicht selbst herzustellen vermag; letzterer ist daher auf fremde
Hülfe angewiesen und kann die Richtigkeit seiner Untersuchung nicht controliren.
Der Praktiker verlangt von einer brauchbaren Prüfungsmethode: Einfachheit im Verfahren, Schnelligkeit in der Ausführung
und Sicherheit in den Resultaten. Diese drei Eigenschaften habe ich aber
unter allen bisher in Vorschlag gebrachten Methoden zur Essigprüfung nur einer
abgewinnen können, welche schon im Jahre 1855 von Prof. Dr.
Fleck in Dresden empfohlen, aber deßhalb nicht allgemein
eingeführt wurde, weil der Apparat, mit dessen Hülfe man arbeitete, zur schnellen
Erreichung sicherer Resultate nicht genügte.
Ich habe daher, nachdem ich mich von der Vorzüglichkeit der Fleck'schen Methode überzeugt hatte, den Apparat in der Art abgeändert,
daß er nun von Jedermann leicht und sicher gehandhabt werden kann.
Als Probeflüssigkeit empfiehlt Prof. Fleck das Kalkwasser, welches man leicht
darstellen kann, indem man in eine Glasflasche von 3 1/2 Quart Inhalt, ungefähr 4
Loth gelöschten Kalk schüttet, darauf die Flasche mit Wasser füllt, das Ganze
gehörig umschüttelt, so daß die Flüssigkeit milchweiß wird, und sie dann zum
Absetzen des nicht gelösten überschüssigen Kalkes ruhig stehen läßt. Die klare Flüssigkeit über dem abgesetzten Kalke ist nun die
Probeflüssigkeit (das Kalkwasser), welche nur in ganz klarem Zustande zur
Essigprobe verwendet werden darf. Um dieß zu ermöglichen und damit sich der
Kalkbodensatz beim Entleeren des Gefäßes nicht aufrüttelt, ist in dem Kork der
Flasche ein Heberrohr von Gummi befestigt, dessen kürzeres Ende von Glas in die
Flüssigkeit bis nahe an den Kalkbodensatz reichen kann, und durch Oeffnen und
Einblasen in das mit einer Messingfeder geschlossene, zweite kürzere Rohr im
Flaschenkorke gefülltwerden kann. Das Heberrohr hört auf zu laufen, so oft man die
Feder schließt. Aus demselben füllt man die meinem Apparate beigegebene größere
Maaßröhre (Bürette) bis zum letzten Theilstrich und gießt den Inhalt davon langsam
in ein Becherglas, in welches man vorher den in dem kleinen Maaßröhrchen
abgemessenen Essig eingegossen, das letztere selbst mit Wasser nachgespült, den
Essig aber in dem Becherglase durch zugesetzte Lackmustinctur hellweinroth gefärbt hat. Das Zugießen des Kalkwassers aus der Bürette hat
nun so lange zu erfolgen, bis die Flüssigkeit im Becherglase rein blau gefärbt
ist.
Dem Apparate ist eine Gebrauchsanweisung beigegeben, wornach Jedermann die Prüfung
leicht und sicher ausführen kann; man erhält in einem polirten verschließbaren
Holzkasten eingefügt: 1 Flasche mit Heberrohr, 1 große Maaßröhre (Bürette) für das
Kalkwasser, 1 kleine Maaßröhre für den zu prüfenden Essig, 1 Fläschchen
Lackmustinctur, 1 Becherglas, 1 Glasstab zum Umrühren der Flüssigkeit.
Die Stärke des Essigs erkennt man unter Benutzung folgender, der Gebrauchsanweisung
beigegebenen Tabelle:
Kalkwasser-Grade.
Potaschein
Granen.
Essigsäurein
Procenten.
5
5 1/2
1/2
10
11
1
20
22
2
30
33
3
40
44
4
50
55
5
60
66
6
70
77
7
80
88
8
90
99
9
100
110
10
Hat man z.B. 60 Grade Kalkwasser gebraucht, so hat man einen 66granigen (oder wie
fälschlich der Sprachgebrauch 66grädigen) oder 6procentigen Mg; wären 65 Grade
Kalkwasser verwendet worden, so hätte man 66 + 5 1/2 = 71 1/2 gränigen oder 6 1/2
procentigen Essig untersucht.
Zur Abgabe derartiger Essigprüfungsapparate erklärt sich der Verfasser jederzeit
bereit.