Titel: | Die Repetirgewehre von Spencer und von Henry, sowie die Verbesserung des letzteren durch Martini. |
Autor: | Darapsky |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. CXXIII., S. 452 |
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CXXIII.
Die Repetirgewehre von Spencer und von Henry, sowie die Verbesserung des
letzteren durch Martini.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Ueber die Repetirgewehre von Spencer und Henry.
Die gemeinschaftliche Eigenthümlichkeit der Spencer- und Henry-Repetirgewehre,
welche in der nordamerikanischen Armee so viele Anerkennung gefunden und auch
bereits mannichfache Vergleichsversuche hervorgerufen haben, besteht bekanntlich in
einem röhrenförmig gestalteten Patronenmagazine, das bei
ersterer Waffe im Schaftkolben und bei letzterer an Stelle der früheren Ladstocksnuth unter dem Rohre
liegend, von Spencer zur Aufnahme von sieben, von Henry zu der von
fünfzehn Kupferhülsen-Patronen bestimmt ist, welche letztere das Zündpräparat in sich selbst enthalten, ein besonderes
Zündhütchen-Aufsetzen also unnöthig machen und durch Spiralfeder-Wirkung nach dem Verschluß-Mechanismus des
betreffenden Gewehres hingetrieben werden.
Vom Spencer-Gewehr sind durch Vermittelung der
HHrn. Greenwood und Batley in Leeds, für Europa
bestellte Agenten zum Vertriebe dieser Waffe, im Mechanics'
Magazine vom 22. Juni 1866 die in Fig. 11, 12 und 13 dargestellten
Zeichnungen geliefert worden, von denen Fig. 11 eine
Seitenansicht des eben abgeschossenen Gewehres, Fig. 12 eine solche des
im Einführen einer neuen Patrone in den Verschlußmechanismus begriffenen Gewehres
und Fig. 13
einen verticalen Längendurchschnitt des hinteren Theiles dieser Waffe darstellen, in
welcher letzteren Figur: 1 das Rohr, 2 den dieses Rohr und auch das Patronenmagazin
durch Schraubenverbindung in sich aufnehmenden Verschlußrahmen, 3 den
Patronen-Bringer, 4 das Verschlußstück, 5 den Abzugsbügel, 6 das vom
Percussionshammer des Schlosses beim Abfeuern des Gewehres gegen die Zündmasse der
Patrone vorzutreibende, in dem Verschlußstück 4 hin- und hergleitende
Schlagstück, 7 den Percussionshammer, 8 das Abzugsblech, 9 den Abzug, 10 die
Kolbenkappe, 11 den Schaftkolben, 12 das Bügellaub, 13 den Magazins-Verschluß, 14 die
Magazinsverschluß-Feder, 15 den Magazinsverschluß-Halter, 16 die
äußere Magazins-Röhre, 17 die innere Magazins-Röhre, 18 die
Magazins-Feder, 19 die Magazins-Schraubenmutter, 20 den
Magazinsverschluß-Federstift, 21 den Patronen-Folger, 22 den
Patronen-Führer, 23 den Patronenkapsel-Auszieher, 24 den
Patronen-Anhalter (cartridge stop), 25 die
Patronenführer-Feder und 26 die Verschlußstück-Feder bezeichnen.
– Weiter wird, die Behandlung des Gewehres anbelangend, noch Folgendes
angegeben: „Zum Füllen des Magazins hat man die Waffe zunächst mit ihrer
Rohrmündung nach unten hin zu richten, dann deren innere Magazins-Röhre
17 aus dem Kolben herauszunehmen, dieselbe mit sieben oder weniger Patronen, die
Kugel immer nach vorn hin, zu füllen und diese Röhre hiernach wieder fest in den
Schaftkolben einzuschließen. Nach der so geschehenen Füllung des Magazins tritt
dessen vordere Patrone dann in den Ladungsraum des Gewehrrohres ein, sobald man
den Abzugsbügel der Waffe zuerst bis zu seiner Arretirung niedergebeugt hat,
wodurch er die in Fig. 12 dargestellte
Stellung einnimmt, und denselben unmittelbar darauf auch wieder in seine frühere
Lage zurückbringt. – Der Percussionshammer bleibt während dieses ganzen
Vorganges niedergeschlagen und wird erst dann gespannt, wenn das Gewehr zum
Feuern fertig ist. – Nach geschehenem Abfeuern des Gewehres hat man nur
den Abzugsbügel seine oben beschriebene Bewegung wiederholt ausführen zu lassen
und es wird dadurch der im Laufe gebliebene Patronenhülsen-Rest
beseitigt, sowie eine neue Patrone in dessen Ladungsraum eingeführt, wobei der
Hammer des Schlosses seine Percussionskraft immer nur bei fest geschlossenem
Rohre auf das Zündpräparat der in dasselbe eingesetzten Patrone äußeren, ein dem
Schützen so gefährliches vorzeitiges Losgehen des Gewehres beim Laden desselben
also niemals vorkommen kann.“
Ferner werden an genannter Stelle, neben Mittheilung günstiger Zeugnisse, auch noch
die Gesichertheit der durch ein doppeltes Metallrohr im Schaftkolben verwahrten Patrone, die Solidität der Waffe, durch eine continuirliche Metallverbindung des Rohres mit dem Kolbenbleche bedingt,
und die Geschütztheit des geschlossenen Gewehres vor dem
Eindringen von Staub, Nässe u.s.w. in seinen Schloß- und
Verschlußmechanismus hervorgehoben, während über letzteren selbst etwas Näheres
nicht angegeben ist, was sich jedoch, nach stattgehabter Besprechung mit einem
Herrn, welcher diese Waffe in der Handlung von Hrn. Sackreuter zu Frankfurt a. M. selbst in Händen
gehabt hat, etwa in folgender Weise ergänzen läßt: Der Abzugsbügel 5, Fig. 13, dreht
sich bei seinem
Niedergehen zunächst für sich allein um den in die Seitenwände des Verschlußrahmens
2 eingelassenen Horizontal-Pivotstift a herum und
zieht dabei das Verschlußstück 4 vermittelst der Kuppelstange 4 auf die Fläche c des Patronenbringers 3 nieder, wornach die oberen
Flächen beider Stücke in einem Kreisbogen liegen, welcher die Achse des, ebenwohl in
den Seitenwänden des Verschlußrahmens eingelassenen Horizontal-Pivotstiftes
b zum Mittelpunkte hat, und zu welchem auch die nach
vorn hin liegende, obere Abrundung des Patronenbringers 3 concentrisch ist. –
Wird der Abzugsbügel dann noch weiter niedergedrückt, so bewegt sich derselbe
hierbei, in Gemeinschaft mit dem Patronenbringer 3, dem in ihn eingetretenen
Verschlußstücke 4 und dem an ihn befestigten Patronenauszieher 23, in dem Sinne um
den Horizontal-Pivotstift b, daß dadurch die im
Rohre zurückgebliebene Patronenhülse aus demselben herausgeschleudert und
gleichzeitig auch der hintere Theil des Patronenbringers 3 mit seiner Nase d, und dem Verschlußstücke 4 soweit niedergebeugt wird,
um der Magazinsfeder 18 das Vorschnellen der vordersten Magazins-Patrone
gegen den Patronenführer 22 zu gestatten, welcher letztere dieselbe beim
Wieder-Emporziehen des Abzugsbügels dann in Verbindung mit der vorderen
Stirnfläche f des Verschlußstückes 4 an Ort zu bringen
hat.
Die Raschheit des Feuers anbelangend, so lassen sich, der oben bezeichneten
Mittheilung des Mechanics' Magazine entsprechend, die im
Magazine des Spencer'schen Repetirgewehres
unterzubringenden sieben Patronen von einem gewöhnlichen Schützen in der Zeit von
zwölf Zeitsecunden abfeuern und können dann während des Verlaufes von sechs weiteren
Zeitsecunden wieder durch sieben neue Patronen ersetzt werden, sowie bei
entsprechenden Schußpausen auch ein vorsorglicher Ersatz von weniger als sieben im
Patronen-Magazine des Schaftkolbens noch fehlenden Patronen möglich ist.
Dieses ergibt circa 20 Schuß per Minute, was mit den vom Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen
nach dem „Arbeitgeber“ mitgetheilten Vergleichszahlen
übereinstimmt, wornach dem Vorderladungsgewehr deren 1, dem Zündnadelgewehr
5–10, der Spencer'schen Repetirbüchse 15–20
und der Henry'schen Repetirbüchse 25–30, je nach
der Geschicklichkeit des Schützen per Minute
zukommen.
Ueber das Henry-Gewehr gibt, dem erwähnten
Gewerbeblatt zu Folge, ein Prüfungsbericht des damaligen Capitäns, jetzigen
Contre-Admirals Dahlgreen, folgende Details:
„Die Hauptneuerung dieser Waffe besteht in ihrem Magazin und in der
Art den Lauf zu laden. Das Magazin besteht aus einer Hülse, welche unter dem
Lauf in gleicher Länge sich befindet, da wo sonst der Ladestock. Ein Theil
dieser Hülse ist
oben neben der Mündung des Gewehres mit einer stählernen Spiralfeder ausgefüllt,
welche die Patrone nach und nach auf ein bewegliches Stück an der Kammer
herabdrückt. – Unterhalb können 15 Patronen eingeführt werden, welche,
sobald eine verladen ist, von der Feder herabgedrückt werden. Da die Feder stark
zusammengedrückt wird und sich wieder stark ausdehnen muß, so ist dieser Theil
leicht verbraucht oder lahm; die Feder muß also nicht bloß sehr gut gearbeitet
seyn, sondern man muß auch deren im Vorrath haben, um sie von Zeit zu Zeit zu
erneuern. Außer dem Magazin kann man auch noch eine Patrone in den Lauf laden,
was zusammen 16 Schüsse gibt. Die Patronen werden mit zwei Bewegungen geladen
und zugleich der Hahn gespannt. Eine dritte Bewegung entfernt die leere Kapsel
nach jedem Schuß. – Jeder Schuß erfordert also einschließlich des
Abdrückens nur vier Bewegungen. – Die Patrone ist in einer Metallkapsel
eingeschlossen, welche die Zündmasse enthält. – Der Hahn schlägt auf
einen Theil, welcher die Nadel der Kammer heißt und mit zwei Spitzen ausgerüstet
ist.“ – Ferner wird in der „Zeitschrift für die
schweizerische Artillerie, Nr. 8, August 1866“ von diesem Gewehr,
welches im amerikanischen Kriege sich bewährt hat und von dem die Amerikaner
Wunderdinge erzählen, noch lobend erwähnt, daß dasselbe Repetir- und Hinterladungsgewehr
zugleich ist, indem es, ohne von den 15 Schüssen des
gefüllten Magazins Gebrauch zu machen, auch einfach mit der Hand geladen,
der Magazins-Vorrath von Patronen also für dringende Nothfälle aufgespart
werden kann, ein Problem, welches Henry zuerst gelöst habe.
Als diesem Gewehr noch anhaftende Mängel, welche bei genauer Prüfung desselben sich
herausgestellt haben, theilt dieselbe Zeitschrift aber auch noch Folgendes mit:
1) Der Gebrauch dieser Waffe als einfaches Hinterladungsgewehr erscheint für hitzige
Gefechtsmomente nicht gesichert, da durch einen zu raschen
Druck auf den Bügel des Gewehres sich dasselbe von selbst ladet, und dann
also Gebrauch von den 15 Reserveschüssen seines Magazins gemacht wird.
2) Bei nicht vollkommen raschem Oeffnen des Bügels kann
die neue Patrone sich einklemmen und explodiren, wodurch der Schütze natürlich sehr
gefährdet erscheint; dieser in der Schweiz wirklich eingetretene Uebelstand hat
seinen Grund in der Möglichkeit, das zweite Lade-Tempo, nämlich das Zudrücken
des Bügels, schon ausführen zu können bevor noch das erste dahingehörige Tempo
vollkommen vollendet worden war.
3) In dem aufgeschlitzten Patronenlaufe tritt zu leicht
ein Rosten und Verstaubtwerden der Spiralfeder ein.
4) Das Zerlegen des Gewehres ist sehr schwierig und dadurch nicht für jeden Soldaten
ausführbar.
5) Der Mann im Anschlage hat nur blankes Metall in der Hand, was bei strenger Kälte
unangenehme Folgen nach sich ziehen kann.
Diese Uebelstände haben denn auch den Hrn. Martini, Fabrikbesitzer in Frauenfeld, zur Construction eines auf
den schweizerischen Stutzen neuer Ordonnanz basirten
Hinterladungs-Repetirgewehres bewogen, welches von denselben vollkommen frei
seyn soll, indem dabei die Ladung in nur einem einzigen
Tempo geschieht, und auch für zeitige Entfernung der
leeren Hülse so sicher gesorgt ist, daß ein Explodiren der Patrone beim Laden nicht vorkommen kann, ferner auch ein einfacher auf die Patronenhülse ausgeübter Druck, oder beziehungsweise Gegendruck, genügt, um das Gewehr mit Leichtigkeit und Sicherheit entweder
als Repetir- oder als gewöhnliches Hinterladungsgewehr gebrauchen zu können, und endlich die Patronenmagazins-Hülse geschlossen, sowie bis auf
1/3 ihrer Länge vom Gewehrschafte gedeckt ist, was die
Feder schützt und dem Schützen beim Anschlage Holz anstatt Metall in die Hand
gibt.
Weitere Aufschlüsse über diese interessanten Gewehre, von denen das letztere, z.B.
wenn der Schütze 3 bis 4 gefüllte Patronenmagazinsrohre mit sich führt, mit einem
Minimum von Zeitaufwand 60 bis 75 Schüsse hintereinander abgeben läßt, stehen von
den Berichten über die Aarau'er Schießversuche zu erwarten, welche im August und
September dieses Jahres, mit den dem schweizerischen Bundesrath vorgelegten
Hinterladungs- und beziehungsweise Repetirgewehr-Modellen, von einer
zu diesem Zwecke eingesetzten Experten-Commission angestellt worden sind, und
wobei nach Zeitungsberichten im Ganzen etwa 60 bis 70 Gewehrmodelle der genannten
Art zur Prüfung kamen, einer Berner Correspondenz der zu Darmstadt erscheinenden
Allgemeinen Militär-Zeitung vom 15. September zufolge aber die Stutzen von
Spencer und Henry, sowie
das Peabody- und das Zündnadelgewehr einer
besonderen Aufmerksamkeit gewürdigt wurden.Nach
einer Berner Correspondenz der Allgemeinen Zeitung ist der Bundesrath
– nach Anhörung der Expertencommission für Berathung der
Hinterladungsgewehrfrage – in seiner Sitzung vom 14. November
bezüglich der Anschaffung eines neuen Gewehres zu dem Resultat gelangt: daß,
entsprechend dem Antrag jener Commission, das
Winchester-Repetirgewehr (verbessertes Henry-Gewehr) für Infanterie und Scharfschützen, Auszug und
Reserve, also für die ganze Bundesarmee angenommen werden soll. Einige
Schwierigkeit bei der Fabrication dieser Winchester-Gewehre bietet
der Umstand, daß die Expertencommission auf dem kleinen Kaliber von
35–35 1/2 Punkten beharrt. A. d. Red.
Cassel, im October 1866.
Darapsky, Major im
Generalstabe.