Titel: | Der Kühlofen mit geschlossenen Wagen, für Tafelglas, von Dillinger, Director der Glashütte zu Landquart im Canton Graubündten (Schweiz); Bericht von J. Armengaud jun. |
Fundstelle: | Band 182, Jahrgang 1866, Nr. XII., S. 19 |
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XII.
Der Kühlofen mit geschlossenen Wagen, für
Tafelglas, von Dillinger,
Director der Glashütte zu Landquart im Canton Graubündten (Schweiz); Bericht von
J. Armengaud
jun.
Aus Armengaud's Génie industriel, Juli 1866, S.
1.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Dillinger's Kühlofen für Tafelglas.
In der Fabrication des zu Fensterscheiben, Spiegeln, Platten etc. bestimmten
Tafelglases sind seit mehreren Jahren wichtige Abänderungen eingeführt worden.
Dieselben betreffen hauptsächlich das Strecken und Kühlen des Glases und die zu diesen Processen
erforderlichen Oefen und Apparate. So ist z.B. der stehende Ofen durch den Canalofen
ersetzt worden, in welchem die zu kühlenden Tafeln auf die hohe Kante gestellt sind
und durch schmiedeeiserne Querstangen gehalten werden.
Ungeachtet der entschiedenen Vorzüge dieses Canalofens und des mit ihm verbundenen
Systems offener Wagen zur Aufnahme der auf die hohe Kante
gestellten Glastafeln, ist aber weder der erstere noch das letztere in allgemeine
Anwendung gekommen. Der Grund ist mehreren Ursachen zuzuschreiben, unter anderen dem
zu großen Raume, welchen der Canalofen zu seiner Anlage erfordert, dem sehr
nachtheiligen Einflusse der Temperaturschwankungen und der Verschiedenartigkeit des
Brennmaterials, endlich dem nie ganz zu vermeidenden Zutritt der äußeren Luft.
Hr. Dillinger, welcher in der seit mehreren Jahren unter
seiner Leitung stehenden Glashütte zu Landquart die beste Gelegenheit hatte, die bei
dem Kühlen des Tafelglases in's Spiel kommenden günstigen und ungünstigen Umstände
kennen zu lernen, hat ein neues Verfahren erfunden, welches als ein großer
Fortschritt in dem in Rede stehenden Proceß zu betrachten ist und eine beträchtliche
Ersparniß gewährt.
Dillinger's Verfahren besteht im Wesentlichen in der mit
einem Kühlofen von besonderer Einrichtung verbundenen Anwendung geschlossener Wagen zur Aufnahme der zu kühlenden
Glastafeln.
Dieser Ofen ist in Fig. 7 im Querschnitte nach der Linie 1–2 und in Figur 8 im
Längendurchschnitte nach der gebrochenen Linie 3–4–5–6 des
Grundrisses Fig.
9 dargestellt.
Die wichtigste Rolle bei dem Dillinger'schen Verfahren
spielt der in diesen drei Figuren mit b bezeichnete
Wagen. Die Bestimmung desselben ist, im Kühlofen die Glastafeln aufzunehmen, welche eben
gestreckt worden, aber noch zu heiß sind, um dort gekühlt werden zu können, sondern
zu diesem Zwecke nach und nach aus dem Ofen herausgebracht werden.
In Fig. 10 und
11 ist
dieser Wagen im Detail dargestellt. Fig. 10 zeigt den
Wagenkasten im Grundrisse, mit weggenommenem Deckel; Fig. 11 ist ein
Querschnitt des geschlossenen Wagens.
Dieser aus Gußeisen bestehende sogen. Kühlwagen kann, der
Ausdehnung des Betriebes der Glashütte entsprechend, sehr verschiedene Dimensionen
haben. Sein Kasten ist auf dem Boden mit hervorstehenden Rippen versehen, auf welche
die Glastafeln zu liegen kommen und die gleichzeitig zur Verstärkung des Wagens
dienen. Seine senkrechten Wandungen haben vom Boden bis zum Deckel eine Höhe von
beiläufig 14 Centimeter. Die beiden Seitenwände und die hintere Wand bilden zur
Hälfte theils mit dem Boden, theils mit dem Deckel ein Ganzes. Die vordere Wand
hängt in ihrer ganzen Höhe mit dem Deckel zusammen, denn ein hervorstehender Rand an
dieser Stelle des Wagens würde beim Einführen der Glastafeln hinderlich seyn.
Der Deckel ist mit dem Wagenkasten durch zwei Scharniere e verbunden und läßt sich mittelst Haken f
aufheben. Am oberen Rande des Kastens ist ringsum ein vorspringender simsartiger
Rand angebracht, welcher einen dichten Schluß sichert und das Eindringen von kalter
Luft in den inneren Wagenraum möglichst verhindert. Auch der Deckel ist durch Rippen
verstärkt. Der Wagen, welcher mittelst des Hakens g
fortgezogen wird, rollt auf den vier niedrigen Rädern i.
Wir gehen nun zur Beschreibung des Ofens über. Die Hauptpunkte, welche denselben
charakterisiren, sind: die Vereinigung der zu den verschiedenen Stadien des
Kühlprocesses nothwendigen Oefen oder Ofenabtheilungen in demselben Gebäude; die Art
der Vertheilung dieser einzelnen Oefen; endlich die eigenthümlichen Anordnungen,
welche das beliebige Oeffnen und Schließen der Communicationen zwischen den
einzelnen Oefen, sowie die Herstellung einer ununterbrochenen Circulation der
Kühlwagen gestatten.
Die einzelnen Theile des Ofens sind folgende:
A Streckofen für zwei übereinander stehende Wagen a, a'.
B, B' eigentlicher Kühlofen mit zwei Abtheilungen oder
Kammern, von denen die eine für die Streckwagen bestimmt
ist, während die andere für die zur Aufnahme der Glastafeln bereit stehenden Kühlwagen dient.
C verschließbarer Kühlraum (Kühlkammer), welcher nicht
erhitzt wird.
D Wärm- oder Anwärmofen für die Kühlwagen.
E Eisenbahn, auf welcher die gefüllten Kühlwagen
herausgezogen werden.
E' Eisenbahn, auf welcher die entleerten Kühlwagen wieder
eingeschoben werden.
F Heizcanal, durch welchen die Hitze in den Wärm-
und in den Kühlofen geleitet wird.
a, a' Streckwagen, auf denen die Glascylinder gestreckt
werden.
b Kühlwagen; in Fig. 7 ist derselbe
geöffnet und zur Aufnahme der zu kühlenden Glastafeln bereit.
c Kühlwagen, im Wärmofen stehend; derselbe ist
geschlossen und soll in diesem Zustande angewärmt werden.
d, d' geschleifte Züge, welche aus dem Heizcanal F abgehen.
e transversale Schienenbahn, auf welcher die gefüllten
Wagen in die Kühlkammern geschoben werden;
e' Wagen auf dieser Bahn;
e² transversaler Schienenweg zum Einführen der
leeren Wagen in den Wärmofen D.
f, f' Schieber, durch welche die Verbindungen zwischen
den einzelnen Kammern nach Erforderniß abgesperrt werden können.
g kleine Oeffnung, durch welche die zum Oeffnen der
Wagendeckel dienende Zugkette geht.
h Kette zum Oeffnen und Schließen des Deckels vom Wagen
b.
i', i' Roste des Streckofens.
k Oeffnung zum Einführen der Glascylinder in den
Streckofen.
l Oeffnung zum Einführen der gestreckten Glastafeln in
den geöffneten Wagen b.
m Arbeitsöffnung zum Strecken der Glascylinder.
n Oeffnung zum Herausziehen des Streckwagens oder der
Lagerplatte (des Strecksteins).
Wir wollen nun die verschiedenen Stadien des Kühlens besprechen und erklären, wie zu
diesem Zwecke das System des Ofens und der beschriebenen Wagen functionirt.
Zunächst wird der fertig geblasene Glascylinder auf dem im Streckofen stehenden
Streckwagen gestreckt. In dem Grundriß des Ofens, Fig. 9, ist dieser Wagen
unter der Streckplatte oder dem Lager befindlich; Fig. 8 zeigt ihn im
Längen- und Fig. 7 im Querdurchschnitte.
Die fertig gestreckte Glastafel wird in den Kühlofen B
gebracht, und zwar auf dem Wagen a, welcher in den unter
dem Wagen a' befindlichen freien Raum zu stehen kommt.
Dieser obere Wagen a' wird dann in den Ofen A geschoben, und nimmt hier einen neuen zu streckenden
Cylinder auf, wie dieß übrigens schon länger gebräuchlich ist; denn nicht der
Streckofen, sondern der Kühlofen ist bei dem Dillinger'schen Systeme abgeändert und hat eine ganz neue Einrichtung.
Sobald die auf dem Wagen a liegende Glastafel an der am
wenigsten heißen Stelle des Ofens B ihre Weichheit
verloren hat und erstarrt ist, wird sie mittelst einer Gabel durch die Oeffnung l herausgezogen und in den Kühlwagen b gebracht, welcher in diesem Momente geöffnet ist und
im Ofen B' steht. Die gestreckten Glastafeln werden in
dieser Weise successive in dem Kühlwagen auf einander gelegt, und wenn er deren 12
bis 14 Stück enthält, so wird sein Deckel niedergelassen und der verschlossene Wagen
in die Kühlkammern C, C auf dem transversalen Wagen e' geschoben. Nachdem der geschlossene Wagen die
Schienenbahn E passirt hat, kehrt der transversale Wagen
e' in Folge der Neigung der Bahn von selbst an
seinen früheren Platz im Ofen B' zurück.
Hierauf wird der Kühlwagen, welcher während dieser ganzen Zeit in dem Wärmofen D erhitzt worden ist, wieder auf den, in den Ofen B' zurückgelangten transversalen Wagen geschoben, dann
gleich dem vorhergehenden Wagen mit Glastafeln gefüllt und in die Kühlräume C, C gebracht. Bevor jedoch Letzteres geschieht, wird
der in diesen Kühlräumen C, C auf der Schienenbahn E stehende Wagen b nach
Oeffnung der Thür f' auf die Verlängerung der Schienen
gezogen, damit er an der äußeren Luft vollständig abkühlen kann. Ist dieß erfolgt,
so wird er mittelst eines anderen transversalen Wagens auf die Schienenbahn e², dann auf die Schienenbahn E' gebracht, und vor dem Entleeren in den Wärmofen D geschoben.
Die Schienen der Bahn e² steigen von E nach E' an, wie bei dem im
Ofen befindlichen Schienenwege, damit der transversale Wagen auch hier, nachdem er
entleert worden, von selbst an seinen früheren Platz zurückkehren kann. Zur größeren
Bequemlichkeit bei diesen Bewegungen können vorn an den transversalen Wagen Rollen
angebracht werden, damit man sie mit Hülfe von Ketten in derselben Weise ziehen
kann, wie der Deckel des Kühlwagens gehoben wird.
Das Füllen eines Kühlwagens nimmt etwa eine Stunde in Anspruch, und da das Kühlen
nach diesem Verfahren etwa fünf Stunden dauert, so müssen sieben Kühlwagen zur
Verfügung stehen, wenn keine Unterbrechung des Betriebes stattfinden soll. Während
einer der Wagen gefüllt und ein zweiter zum Anwärmen benutzt wird, bleiben die fünf
übrigen, welche dann
gefüllt sind, außerhalb des Ofens stehen, um vollständig zu erkalten.
Aus dem Vorstehenden sind die Vorzüge dieses Systems zum Kühlen des Tafelglases vor
den jetzt gebräuchlichen Methoden ersichtlich. So z.B. wird, während bei Anwendung
des bisher so vielfach üblichen Canalofens das Glas im Ofen selbst erkalten muß,
nach Dillinger's System gerade entgegengesetzt der mit
Deckel versehene Wagen mit einer passenden Anzahl von Glastafeln gefüllt, dann dicht
verschlossen und darauf sogleich aus dem Ofen entfernt. Durch seinen Verschluß wird
dieser Wagen in einen kleinen Kühlofen verwandelt und das Glas erkaltet in demselben
außerhalb des Hauptofens. Letzterer Ofen braucht daher nur die doppelte Größe von
derjenigen des Kühlwagens zu haben. Es ist unmöglich, daß die Glastafeln an ihrer
Oberfläche durch zutretende Luft abgekühlt werden; nicht der geringste Luftstrom
kann in den Wagen eindringen und es findet ein gleichmäßiges Erkalten des
Tafelglases durch seine ganze Masse hindurch statt; aus diesem Grunde zieht sich
auch das Glas während des Erkaltens so regelmäßig, als dieß nur möglich ist,
zusammen. In Folge davon fällt aber das Glas weit weniger spröde aus, als wenn es in
offenen Wagen im Ofen selbst gekühlt wird, weil im Augenblicke des Einschiebens der
Wagen der Zutritt von Luft in einem Canal von 20 bis 25 Met. Länge nicht verhütet
werden kann.
Bei dem neuen System findet das Kühlen von selbst, binnen fünf Stunden, statt,
während dieser Proceß im Canalofen zwölf bis achtzehn Stunden beansprucht.
Bei Anwendung des geschlossenen Wagens wird also in kürzerer Zeit ein weit
regelmäßiger und besser gekühltes Glas erhalten, welches sich außerordentlich gut
schneiden läßt. Ueberdieß erfordert die Heizung des Kühlofens in Folge seines
bedeutend kleineren Volums weit weniger Brennmaterial als die der langen
Canalöfen.
Abweichungen im Gange des Dillinger'schen Ofens lassen
sich sehr leicht erkennen, und die Regelmäßigkeit seines Betriebes ist dadurch
gesichert, daß die Mittel, um allen schädlichen Einflüssen zu begegnen, stets zur
Hand sind, was bei Anwendung der Canalöfen nicht der Fall ist, insofern bei diesen
die Ursachen zufälliger Betriebsstörungen sehr verschiedenartig und oft nur
schwierig aufzufinden sind.
Ueberdieß erfordert die Herstellung des Dillinger'schen
Ofens verhältnißmäßig nur geringe Kosten, da dieser Ofen nur den vierten Theil des
zu einem Canalofen mit offenen Wagen nothwendigen Raumes erheischt.
Das Dillinger'sche System beseitigt alle Mängel der
Canal- und der stehenden Oefen, ohne eines einzigen der Vorzüge dieser
letzteren zu entbehren.
Vermöge seiner Einfachheit und seiner Eigenthümlichkeit empfiehlt es sich hinlänglich
durch sich selbst; für erfahrene Glasfabrikanten brauchen wir Nebenvortheile, wie
z.B. das Wegfallen des Abwaschens der Glastafeln etc., nicht hervorzuheben.
Dillinger wendet seinen Ofen mit geschlossenen Wagen in
seiner Glashütte zu Landquart bereits seit mehreren Monaten mit günstigem Erfolge an
und ist gerne bereit, denjenigen Glashüttenbesitzern, welche, um ein den jetzigen
Anforderungen der Industrie entsprechendes Product liefern zu können, sich für die
Entwicklung seines Systems interessiren, die eingehendsten Erläuterungen zukommen zu
lassen.