Titel: | Ueber die Kunstbauten der Wasserleitung der Stadt St. Etienne. |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. V., S. 23 |
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V.
Ueber die Kunstbauten der Wasserleitung der Stadt
St. Etienne.
Aus Armengaud's Génie industriel, April 1866, S.
174.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Ueber die Kunstbauten der Wasserleitung der Stadt St.
Etienne.
Wie viele andere Städte, so litt auch die Stadt St. Etienne sehr großen Mangel an
Trinkwasser. Das Wasser des die Stadt durchfließenden Flusses Furens ist, nachdem es zum Betriebe der anliegenden Hammerwerke,
Färbereien und sonstigen gewerblichen Anlagen gedient hat, bei seiner Ankunft so
unrein und schlammig, daß es schwarz aussieht, übel riecht und daher für den
häuslichen Gebrauch ganz ungeeignet ist. Selbst für den Fall, daß es gelungen wäre,
das Wasser zu klären, hätte man es doch erst in Reservoirs heben müssen, um es in
die Wohnungen vertheilen zu können.
Nach dem Projecte der Ingenieure Greffe und Montgolfier wird das Wasser in der Nähe seiner Quellen
gefaßt; es wird so nicht nur hell und klar erhalten, sondern auch in einer Höhe
aufgefangen, welche alle Stadtviertel mit demselben zu versorgen gestattet. Dieses
Project, für dessen Ausführung die städtische Verwaltung eine beträchtliche Summe zu
verausgaben ermächtigt wurde, fand den Beifall der ganzen Einwohnerschaft. Da der
Fluß Furens auch einen veränderlichen Lauf hat, indem er
bei Regenwetter und bei dem Schmelzen des Schnees auf den umliegenden Bergen aus
seinem Bette tritt, so mußten vor Allem Bauten zur Verhütung von Ueberschwemmungen
ausgeführt werden und es wurde bei dem Projecte auf die Sicherung der
Trinkwasserleitung bei einem bedeutenden Steigen des Flußwassers Rücksicht
genommen.
Zu diesem Zwecke haben die genannten Ingenieure oberhalb des Dorfes la
Roche-Taillée in 12 bis 13 Kilometer Entfernung von der Stadt St.
Etienne ein sehr großes Reservoir angelegt, welches 2000000 Kubikmeter Wasser faßt
und einen Flächenraum von 1500 Quadratmetern einnimmt; dasselbe kann bei dem Steigen
des Flusses Furens jährlich zweimal angefüllt werden.
Das Wehr, welches dieses große Reservoir schließt, ist nicht weniger als 120 Meter
lang und 50 Meter tief, resp. hoch. Dasselbe ist ganz aus Felsenstücken und Mörtel
von hydraulischem Kalke erbaut, hat unten eine Dicke von 42 Meter, ist dann auf der
der benetzten Oberfläche entgegengesetzten äußeren Seite nach einer Parabel
gestaltet und die Dicke nimmt auf diese Weise so bedeutend ab, daß sie in der Höhe
des höchsten Wasserstandes nur noch 6 Meter beträgt.
Das zur Versorgung der Springbrunnen der Stadt St. Etienne dienende Wasser wird am
Ursprunge der Quellen selbst in sorgfältig gemauerten Steingerinnen aufgefangen, in
Rigolen aus Cement von verschieden großem Querschnitt in Sammelbassins
(Brunnenhäuschen) geleitet und aus diesen endlich in Haupt- und Zweigcanälen
den Bassins der Stadt zugeführt.
Die Figuren 15
und 16 zeigen
einen verticalen und einen horizontalen Durchschnitt eines solchen Sammelbassins im
Maaßstabe von 1/50.
Dasselbe besteht aus zwei Fassungsräumen, von denen der eine weniger tiefe A das in der Fassungsrigole C herbeigeführte Wasser aufnimmt; über der Rigole ist hier ein Steinwurf
zum Durchsickern des Wassers angebracht, welches durch ein kleines Abzugsloch a in der cylindrischen Wand in das Innere des
Sammelbassins abfließt.
Der zweite, oben nicht übermauerte Fassungsraum B wird
mittelst einer steinernen Deckplatte b geschlossen,
welche nach Erforderniß weggenommen werden kann, um das Innere nachzusehen. Dieser
Raum ist von dem ersteren durch eine Scheidewand c von
0,30 Met. Dicke getrennt, in welcher eine Oeffnung d
angebracht ist, die einen größeren Querschnitt als die Fassungsrigole hat, um dem in
letzterer herbeigeführten Wasser den Durchgang zu gestatten, nachdem sich auf dem
Boden des ersten Fassungsraumes die fremdartigen Bestandtheile, die das Wasser mit
sich führen könnte, abgelagert haben. Der Aquäduct D, in
welchem das Wasser nach der Stadt geleitet wird, steht mit dem unteren Theile des
Sammelbassins durch eine Oeffnung e in Verbindung,
welche man mit Hülfe eines gußeisernen Klappventils f
schließt, das von oben mittelst des Griffes an der Zahnstange g bewegt wird, was aber nur durch den mit der Leitung des Dienstes
betrauten Beamten bewerkstelligt werden kann; denn es muß zu diesem Zwecke die die
obere Oeffnung des Sammelbassins verschließende Steinplatte b weggenommen werden, welche durch eine eiserne Traverse mit Vorhängschloß
dauerhaft befestigt ist.
Ein Canal E wird der Oeffnung d gegenüber, und zwar etwas tiefer als diese, angebracht und dient dazu,
das Wasser, welches nicht durch den Aquäduct abgeführt werden kann, abfließen zu
lassen.
Die Rigolen, welche je nach der Stelle, an der sie sich befinden, verschiedene
Querschnitte haben, sind ganz aus Beton hergestellt und zwar gewöhnlich aus zwei
Hälften gegossen, welche man aufeinander legt und durch eine dünne Cementschicht
verbindet.
Figur 17
zeigt den Querdurchschnitt der Hauptrigole, welche das größte Profil hat; ihr
Gewölbe, welches die Form eines gedrückten, aus drei Mittelpunkten construirten
Bogens hat, wird vorher gegossen und dann auf die geraden Widerlager aufgelegt. Figur 18 ist
der Durchschnitt einer kleineren Rigole, deren Oeffnung 0,15 Meter beträgt; ihr
Gewölbe ist halbkreisförmig und die Fuge liegt genau in dem horizontalen
Durchmesser.
Figur 19
stellt den Querdurchschnitt einer quadratischen, mit Normalprofil Nr. 2 bezeichneten
Rigole dar, welche nur eine Oeffnung von 0,12 Meter hat und aus zwei übereinander gelegten und in
der Mitte verbundenen gleichen Theilen besteht. Es sind noch zwei kleinere Sorten
Rigolen mit quadratischem Querschnitte vorhanden, von denen die eine mit dem
Normalprofil Nr. 3 eine Weite von 0,10 Met. und die andere mit dem Normalprofil Nr.
4 eine Weite von nur 0,08 Met. hat.
Diese Wasserleitungscanäle, deren Querschnitte alle die in Fig. 15 gezeichnete Form
haben, sind aber verschieden weit; man unterscheidet sie in drei Classen, nämlich
solche mit großem Querschnitte (Fig. 20), bei welchem die
größte Weite – der innere Durchmesser – 0,80 Met. bei 1,52 Met.
verticaler Höhe beträgt; in solche mit mittlerem Querschnitte (Fig. 15), wo der
Durchmesser 0,70 Met. und die Höhe 1,15 Met. beträgt, endlich in solche mit dem
kleinen Querschnitte, dessen innere Weite 0,60 Met. und dessen Höhe 0,90 Met.
beträgt.
Die Wasserleitungscanäle sind so tief angelegt, daß die Dicke der Auffüllung über dem
Gewölbe derselben überall wenigstens 1,20 Met. beträgt.
Die Wasserleitung hat eine Länge von 17 Kilometern, nämlich:
7 Kilometer
mit
dem
großen Querschnitt;
5 „
„
„
mittleren Querschnitt;
3 „
„
„
kleinen Querschnitt und
3 „
„
„
Querschnitt der Hauptrigole.
Dieselbe nimmt das Wasser eines Netzes von secundären Leitungen aus Beton oder aus
gebranntem Thone auf, welche, über eine Fläche von 200 Hektaren vertheilt, eine
Gesammtlänge von ungefähr 70 Kilometern haben. Das Gefälle beträgt durchschnittlich
3 Millimet. per Meter. In entsprechenden Entfernungen
sind Wasserfälle angelegt, welche die Niveaunterschiede des Terrains vermitteln;
dieselben sind unter 45 Grad geneigte Ebenen mit Stiegen oder Absätzen.
Die Wassermenge, welche die gefaßten Quellen liefern, beträgt per Secunde 200 Liter oder
0,200 K. M. × 60 × 60 = 720 Kubikmeter per Stunde und folglich 720 × 24 = 17280 Kub.
Met. in 24 Stunden,
was bei einer Bevölkerung von 100000 Seelen 170 Liter per Kopf ergibt.
Bei der größten Trockenheit ist die verfügbare Wassermenge nicht kleiner als 100
Liter per Secunde, was also noch mehr als 8500
Kubikmeter täglich oder mindestens 85 Liter per Kopf
ausmacht. Diese Wassermenge kann nach dem Bedarf der Stadt vermehrt werden, indem
man aus dem Reservoir mehr oder weniger beträchtliche Mengen entnimmt, was von
keinem nachtheiligen Einfluß auf den öffentlichen Gesundheitszustand ist, denn Versuche haben
gezeigt, daß das Wasser des Reservoirs von gleicher Güte wie das direct aus den
Quellen entnommene ist. Die Temperatur des Wassers beträgt an den Quellen 6°
C., in den Brunnen (Bassins) der Stadt 8° C.
Für die Privatwohnungen kostet die Erlaubniß zum Bezuge von Wasser per Kopf jährlich 7 Francs, so daß also z.B. ein aus
vier Personen bestehender Haushalt jährlich nur 28 Frcs. zu zahlen hat.
Für gewerbliche Anlagen, welche viel Wasser nöthig haben, wie Färbereien, kostet die
Erlaubniß zum täglichen Bezuge von 1 Kubikmeter oder 1000 Liter Wasser für das Jahr
25 Francs, so daß also ein Etablissement, welches in 24 Stunden 100 Kubikmeter
Wasser bedarf, der Stadt jährlich 2500 Francs zu zahlen hat.
Man schätzt den ganzen Kostenaufwand, den die Wasserleitung in Verbindung mit den
nöthigen Schutzbauten gegen die Ueberschwemmungen des Flusses Furens verursacht, auf mehr als 3,000,000 Frcs., die also jährlich
wenigstens 150,000 Frcs. an Interessen erfordern. Man hofft aber, in Folge der
niedrigen Taxe für den Bezug des Wassers, in der Folge wohl das Doppelte dieser
Summe einzunehmen, während man dabei doch noch eine entsprechende Quantität Wasser
auf die Speisung der öffentlichen Springbrunnen, zum Bespritzen der Straßen, Spülen
der Gossen etc. werde verwenden können.