Titel: | Bestimmung des ökonomisch günstigsten Expansionsgrades bei Dampfmaschinen; nach W. J. Macquorn Rankine. |
Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. III., S. 19 |
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III.
Bestimmung des ökonomisch günstigsten
Expansionsgrades bei Dampfmaschinen; nach W. J. Macquorn Rankine.
Mit einer Abbildung.
Rankine, Bestimmung des vortheilhaften Expansionsgrades bei
Dampfmaschinen.
Schon im Jahre 1851 gab Macquorn Rankine ein graphisches
Verfahren an, den Expansionsgrad des Dampfes zu bestimmen, mit dem eine gewisse
Leistung mit den geringsten Kosten erreicht wird, wenn das Verhältnis des
Hinterdruckes in einer Dampfmaschine zu dem absoluten Anfangsdrucke und das
Verhältniß der von dem Cylinderinhalte abhängigen Kosten zu den von der verbrauchten
Dampfmenge abhängigen Kosten gegeben ist (Transact. of the
Royal Society of Edinburgh, vol. XX p. 191).
Neuerdings hat er diese Aufgabe nach gleichem Princip, aber durch ein einfacheres
Diagramm gelöst (Engineer, 1866 p. 248). Damit die Lösung anwendbar ist, muß die Ansammlung von
condensirtem Wasser im
Cylinder durch einen Dampfmantel oder durch Ueberhitzung verhindert werden, da sonst
die von einem irgend hohen Expansionsgrad zu erwartende Ersparniß nicht erreicht
werden kann. Das fragliche Diagramm wird auf folgende Weise construirt.
Textabbildung Bd. 181, S. 20
Eine Grundlinie AB stelle den Kolbenweg dar; sie
werde in gleiche Theile, etwa 100, getheilt, entsprechend verschiedenen
Expansionsgraden; AC = BD, senkrecht auf AB, stelle den absoluten
Druck des eintretenden Dampfes dar. In einer Reihe Punkten von AB werden Ordinaten errichtet, die den absoluten,
verschiedenen Expansionsgraden entsprechenden Dampfdruck auf den anfänglichen
absoluten Druck als Einheit bezogen darstellen; so ist z.B., wenn der Dampf bei
dem Verhältnisse AK/AB
des Kolbenweges abgesperrt wird, KH/AC das Verhältniß des mittleren dieser Expansion
entsprechenden absoluten Druckes zu dem anfänglichen absoluten Drucke. Durch die
Endpunkte der Ordinaten ziehe man eine Curve AHD;
die Werthe der Ordinaten werden berechnet, oder Tabellen in Lehrbüchern über
Dampfmaschinen entnommen, oder graphisch bestimmt.
Weiter werde EF parallel AB
so gezogen, daß EA/AC gleich
dem Verhältnisse des Hinterdruckes zu dem absoluten Drucke ist. Wenn K den Dampfabsperrungspunkt und KH den mittleren absoluten Dampfdruck bezeichnen, so stellt dann LH den mittleren effectiven Druck dar.
Ferner berechne man für eine bestimmte Zeit (ein Jahr, einen Monat oder einen Tag)
für eine Maschine von der gerade vorliegenden Art die Kosten, die von dem
Cylinderinhalte abhängen, also die Zinsen der Anlagekosten, die Abnutzung, die
Reparaturkosten, Maschinenwärterlöhne etc., und diese mögen kurz
„Maschinenkosten“ genannt werden. Ebenso berechne man die
Kosten für die Arbeit dieser Maschine bei bestimmter Geschwindigkeit, mit vollem
Dampf bei dem beabsichtigten Anfangsdrucke. Diese werden hauptsächlich bestehen aus
den Zinsen der Kesselkosten, Abnutzung und Reparatur der Kessel,
Brennmaterialaufwand, Heizerlöhne etc.; sie mögen kurz
„Volldampfkosten“ genannt werden. Die Volldampfkosten
werden sehr annähernd dem Gewichte des Dampfes proportional seyn, der beim Betrieb
mit vollem Dampf in einer bestimmten Zeit verbraucht werden würde. Dann verlängere
man FE bis G so, daß EF; EG wie die Volldampfkosten zu Maschinenkosten. Für
einen bestimmten Dampfabsperrungspunkt K bezeichnet dann
EL = AK die Kosten des
Dampfes in demselben Maaßstabe, in welchem EF = AB die Volldampfkosten und EG die Maschinenkosten darstellt, und GL
= EG + EL bezeichnet in demselben Maaßstabe die
gesammten Kosten der Maschine und des Dampfes bei der gegebenen Expansion.
Ist GH die von G aus gelegte
Tangente der Curve AD und wird von H aus HK senkrecht zu AB gezogen, so ist K der
ökonomisch günstigste Dampfabsperrungspunkt und AB/AK der ökonomisch günstigste Expansionsgrad. Denn bei
einem gegebenen Absperrungspunkt, z.B. K, ist die
indicirte Arbeit proportional der von der Hinterdruckslinie EF aus gemessenen Ordinate LH, die Kosten aber
sind proportional der Entfernung GL dieser Ordinate von
G; die geleistete Arbeit ist also im Verhältniß zu
den Kosten am größten, wenn der Winkel GH am größten
ist, d.h. wenn GH Tangente der Curve AD ist.
Aus dem obigen Diagramm wurden z.B. folgende Beispiele erhalten:
Verhältniß des Hinterdruckes
Verhältniß der Maschinenkosten
zum Anfangsdruck AE/AC
zu Volldampfkosten
0,05
0,10
0,15
0,20
0,25
ökonomisch günstigstes Dampfabsperrungsverhältniß
0,05
0,16
0,22
0,27
0,30
0,33
0,10
0,20
0,25
0,30
0,33
0,37
0,15
0,24
0,29
0,33
0,37
0,40
0,20
0,28
0,33
0,37
0,40
0,44
Die Volldampfkosten können aus der Leistung und den Kosten einer expandirend
arbeitenden Maschine durch Multiplication der wirklichen Kosten des Dampfes mit dem
Expansionsverhältnisse erhalten werden.
Große Genauigkeit ist bei der Construction nicht nöthig; denn nur bei großer
Abweichung von dem ökonomisch günstigsten Expansionsgrade entsteht ein ernstlicher
ökonomischer Verlust. (Deutsche Industriezeitung, 1866, Nr. 20.)