Titel: | Ueber die neue Li-gro-ine- oder Petroleum-Gaslampe; von Prof. Schafhäutl. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. CXVI., S. 472 |
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CXVI.
Ueber die neue Li-gro-ine-
oder Petroleum-Gaslampe; von Prof. Schafhäutl.
Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt, 1866
S. 32.
Mit Abbildungen auf Tab.
VIII.
Schafhäutl, über die Petroleum-Gaslampe.
Wir lasen in der letzten Zeit in Zeitungen von einem Künstler, welcher einen
Brennstoff erfunden habe, mittelst dessen man bloß einen Lampenkörper auszuschwenken
brauche, um hier bei gleichsam leerer Lampe hinreichenden Brennstoff für eine
mehrere Stunden andauernde Flamme zu erhalten. Das erforderliche Ausschwenken des
Lampenkörpers mit dem neuen Brennstoffe ließ natürlich auf einen sehr flüchtigen
Körper, also auf eine sehr flüchtige Kohlenwasserstoffverbindung, schließen; die
geringe Quantität dieses Brennstoffes dagegen, welche bloß durch Adhäsion an den
Wänden des Lampenkörpers zurückbleiben kann und doch hinreichend seyn sollte, eine
leuchtende Flamme durch mehrere Stunden zu unterhalten, widersprach allen bisherigen
Erfahrungen über die zur Erhaltung einer leuchtenden Flamme absolut nöthige
Quantität des Brennmaterials. Indessen existirten diese neuen Lampen nichts desto
weniger in Wirklichkeit, fanden ihren Weg auch nach München, und der Spenglermeister
Hr. C. Schreiber am Carlsthor war wohl der erste, welcher
sie rasch in Handel brachte. Die neue Lampe konnte bisher nur im kleinen Maaßstabe
ausgeführt werden, deßhalb kann sie vor der Hand nicht als Studirlampe, sondern nuruur für Küche, Keller u. dgl. gebraucht werden. Eine solche, in Fig.
23–25 in 2/3 der wirklichen Größe dargestellte Lampe, aus auf der Drehbank
gedrücktem Messingbleche bestehend, bildet eine abgestumpfte Pyramide a, unten an der Basis 3'' 3 2/3''' mit der Brennröhre,
und ohne die letztere 2'' 2 1/2''' hoch, oben mit einem darauf zu schraubenden
Deckel b versehen, welcher die obere Oeffnung von 11'''
im Lichten verschließt. Selbst die beiden Schraubengewinde der Oeffnung sind auf der
Drehbank gedrückt. In dem um die Höhe des Schraubengewindes versenkten Deckel steht
das Brennröhrchen c, 1'' 5''' lang, eigentlich aber nur
11 Linien über den oberen Lampenrand hervor. Dieses Röhrchen ist 2 3/4''' im Lichten
weit, enthält aber erst die eigentliche Dochtröhre d in
sich, welche letztere, 1 2/3''' weit, den dicht eingepaßten Baumwollendocht enthält
und bloß an einer Stelle unten seitwärts an die äußere Röhre angeheftet einen Raum
von etwa 3/8'' auf jeder Seite frei läßt. Dieser Raum bildet die einzige Oeffnung,
durch welche das Innere der Lampe mit der Luft communicirt. Man kann indessen die
Lampe umkehren, ohne daß irgend ein Brennstoff entweichen könnte. Selbst wenn der
aufgeschraubte Deckel mit der Brennröhre abgenommen wird, kann man die Lampe
umkehren, ohne daß irgend eine Flüssigkeit zum Vorschein käme. Allein der Geruch,
der sich dann entwickelt, erinnert sogleich an Petroleumnaphta und im Grunde bemerkt
man einen Waschschwamm f, von einer die Weite der
Deckelöffnung etwas überschreitenden, 13''' im Durchmesser haltenden Röhre e aus einem Drahtgeflechte von 1 Quadratmillimeter
Gitteröffnung niedergehalten, welche sogleich das Räthsel löst, wie man eine Lampe
hinreichend mit flüssigem Brennstoff füllen könne, ohne daß derselbe beim Umkehren
der offenen Lampe wieder zum größten Theil herauslaufe.
In der That, als ich die leere Lampe auf die Waage stellte, sie mit dem
Brennmateriale füllte und dasselbe wieder aus der Lampe herauslaufen ließ, so viel
nämlich herauslaufen wollte, hatte die Lampe um 2 Loth und 2 9/16 Quentchen oder 10
9/16 Quent bayerischen Gewichts gleich 46,209 Grammen zugenommen, also so viel
Brennstoff zurückbehalten. Die Flamme war dabei 23 1/2''' hoch, unten an der
blaulichen Basis 5''' breit, schmal lanzettartig sich nach oben zuspitzend. Der
Docht darf dabei höchstens 1''' über das Röhrchen emporragen. Macht man ihn länger,
so raucht und rußt die Flamme. Die Lampe brannte, bis sie von selbst erlöschte,
wirklich 4 Stunden 5 Minuten. Nach dem Brennen wog sie noch 3 5/16 Quent, gleich
14,49 Grammen. Soviel des Brennstoffes also hält der Schwamm zurück, welcher
Brennstoff nicht mehr zur Verbrennung kommt.
Während 4 Stunden 5 Minuten sind also 7 1/4 Quent bayer. oder 1 Loth 3 1/4 Quent oder
31,7 Gramme verbrannt; das gibt für die Stunde 4,46 Gramme oder 1 77/100 Quentchen. Ein bayer.
Pfd. dieses Brennstoffes zu 36 kr. gerechnet, würde also 72 Stunden oder 3 Tage, den
Tag zu 24 Stunden gerechnet, dauern, die Auslage für Brennstoff per Stunde deßhalb wenig mehr als zwei Pfennige
betragen.
Ragt der Docht höchstens 1/4''' über das Röhrchen heraus, so wird die Flamme kleiner,
11''' lang, dann währt der Brennstoff natürlich länger als 4 Stunden.
Nimmt man den Boden der Lampe weg, so sieht man, daß der ganze leere Raum des
Lampenkörpers mit Schwammstückchen f ausgefüllt und daß
die 17 3/4''' hohe und 13''' weite Gitterröhre e nur
dazu vorhanden ist, um Platz für den Docht zu lassen, welcher, 6'' lang, wenn der
Deckel aufgeschraubt ist, diesen cylindrischen Raum beinahe vollkommen ausfüllt. g ist ein Deckelchen, welches über die Brennröhre
geschoben wird, wenn man die Lampe nicht benutzt.
Der Brennstoff selbst ist indessen so flüchtig, daß er ziemlich rasch verdampft, ohne
eine Spur zu hinterlassen. Sein spec. Gewicht bei 15° R. ist 0,711, also
gerade das Gewicht desjenigen Theiles des rohen Steinöls, welcher den Transport
desselben so gefährlich macht. Ist vom rohen Steinöl
dieses flüchtige Product, das man im Handel gewöhnlich Benzin oder Petroleumgeist nennt, abdestillirt,
so erhält man erst bei gesteigerter Hitze das eigentliche Petroleum-Photogen
oder schlechtweg Petroleum genannt, welches weniger
flüchtig und weniger leicht entzündlich ein spec. Gewicht von 0,78 hat.
Auf dieses folgt bei fortgesetzter Erhöhung der Temperatur das sogenannte Solaröl,
von 0,82 spec. Gewicht, das am allerwenigsten entzündlich ist und, oft statt des
Photogens verkauft, in den Photogenlampen eine rauchende Flamme erzeugt.
Diese neuen Lampen sind also wirklich Sparlampen, und wenn sie einmal gefüllt sind,
vollkommen geruchlos. Man kann sie ohne die geringste Gefahr in der Tasche tragen;
sie lassen sich leicht anzünden; der Docht selbst verbrennt nie, oder wird höchstens
an seiner obersten Fläche leicht versengt, wenn man die Flamme von selbst auslöschen
läßt.
Die Lampenflamme ist noch überdieß nicht so leicht durch den Zug auszulöschen wie
eine gewöhnliche Kerzen- oder Lampenflamme; man kann die Lampe umstoßen, ja
selbst auf den Boden werfen, ohne Gefahr durch Entzündung des in ihr enthaltenen
Stoffes zu besorgen.
Das einzige Gefährliche ist die Aufbewahrung des Leuchtstoffes, der sogenannten
Li-gro-ine selbst. Diese Naphta oder Li-gro-ine muß,
wenn in großen Quantitäten vorhanden, in wohl verschlossenen Gefäßen aufbewahrt
werden. Sind diese Gefäße nicht wohl verschlossen, so verdampft die Li-gro-ine
auch bei gewöhnlicher Temperatur und bildet im verschlossenen Raume, Kellern oder
dergleichen, zuletzt mit der diesen Raum erfüllenden atmosphärischen Luft eine
Mischung, welche sich, wenn man mit einem Lichte in den Raum tritt, sogleich mit
furchtbarer Explosion entzündet.
Auch Glasflaschen mit geringeren Quantitäten sollten in blecherne oder hölzerne
Gefäße gestellt aufbewahrt bleiben. Sollte eine Flasche mit einigen Pfunden in einem
Zimmer zerbrechen und das Oel auf die Dielen laufen, so muß vorher, ehe man es wagen
darf mit einem Lichte in das früher verschlossene Zimmer zu treten, das Zimmer wohl
gelüftet werden, indem man Fenster und Thüren öffnet. Deßhalb darf auch das Füllen
der Lampen durchaus nicht bei Licht geschehen, und muß überhaupt nur einem
verlässigen Menschen überlassen werden. Geräth diese so leicht entzündliche Naphta,
Benzin oder hier Li-gro-ine genannt, in Brand, so ist sie nur zu
löschen, wenn man große Massen von Sand oder Asche vorräthig hat, welche, indem sie
zugleich abkühlend wirken, auch den Luftzutritt zum erhitzten Oele gänzlich zu
verhindern im Stande sind; selbst geringere Massen dieser Löschmittel helfen nicht,
weil der durch die Verbrennungshitze entstehende Oeldampf noch leichter entzündlich
und gefährlicher ist, als das flüssige Brennmaterial selbst.
Sollte sich das Oel in kleinen Gefäßen, Schalen u. dgl. entzünden, so erlischt die
Flamme, wenn man einen Deckel rasch auf die Schale wirft, ein Bretchen oder
dergleichen darauf legt.
Will man deßhalb z.B. in Brauereien das Licht dieser Lampen die ganze Nacht hindurch
benutzen, so wird es am besten seyn, wenigstens 3 bei Tag gefüllte Lampen vorräthig
zu halten, um die eine anzuzünden, wenn die vorausgehend gebrauchte erlöschen
will.
Ein Fehler bei der Construction dieser neuen Lampen ist, daß die Schwammstückchen,
mit welchen das Innere der Lampe ausgefüllt ist, nicht gehörig ausgewaschen und
ausgesüßt sind. Die Chloride in den Schwammstückchen zerstören in Berührung mit dem
Gitter-Drahtcylinder die eisernen Drähte sehr bald, so daß die
Schwammstückchen auch zuletzt den Raum für den Docht ausfüllen werden.