Titel: | Zur Chemie und Technik der Fette; von Prof. Dr. Bolley. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. CXIV., S. 463 |
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CXIV.
Zur Chemie und Technik der Fette; von Prof. Dr.
Bolley.Aus der „schweizerischen polytechnischen Zeitschrift“ vom
Verf. mitgetheilt.
Bolley, zur Chemie und Technik der Fette.
Die Oelsäure der nicht trocknenden Oele und Fette
(Oleinsäure, Elainsäure) ist seit der vor 20 Jahren vorgenommenen mühevollen und
trefflichen Untersuchung von Gottlieb
Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LVII. S. 33. nicht mehr Gegenstand eingehender Forschung gewesen, wohl darum
hauptsächlich, weil durch jene Untersuchung gewisse Widersprüche ihre Lösung
gefunden haben, die sich in den Resultaten anderer Chemiker, namentlich Varrentrapp's
Ebendaselbst Bd. XXXV S. 196. und Bromeis'
Ebendaselbst Bd. XLII S, 55. Butterölsäure. zeigten, welche sich mit derselben Säure beschäftigten. Wenn, hinsichtlich
der Zusammensetzung und hauptsächlichsten Eigenschaften der Oelsäure, die Gottlieb'sche Arbeit als eine abschließende gilt, so sind
doch noch mehrere Fragen offen geblieben, welche für die Technik der Fette von
höchster Wichtigkeit sind. Die neuere Stearinsäure-Fabrication dreht sich
ganz um das Verhalten der fetten Säuren in höherer Temperatur – ihre
Destillirbarkeit – und obschon seit Jahren unermeßliche Mengen der fetten
Säuren und Neutralfette der Destillation unterworfen werden, ist doch keineswegs
eine zuverlässige Angabe über die Flüchtigkeit der Oelsäure und die Producte der
Destillation vorhanden; das was man hierüber liest, ist im Gegentheil sehr
widerspruchsvoll.
So sagt Varrentrapp: „Das condensirbare
Destillat besteht bei weitem der größten Menge nach aus einem Kohlenwasserstoff,
aus etwas mit überdestillirter unzersetzter Oelsäure und aus der
krystallinischen Substanz der Fettsäure (Sebacylsäure).“
Gottlieb berichtet hierüber Folgendes: „Wenn
Oelsäure oder oleinhaltige Fette der trockenen Destillation unterworfen werden,
so verdichten sich nebst den bekannten Producten der Destillation nicht
unbeträchtliche Mengen von Caprinsäure und Caprylsäure, welche in den flüchtigen
Kohlenwasserstoffen des Destillates gelöst bleiben. Um sie von den übrigen
zugleich entstehenden Körpern zu trennen, ist es am Besten das Uebergegangene
mit einer ziemlich verdünnten Lösung von kohlensaurem Natron unter öfters
wiederholtem Schütteln zu digeriren, wodurch die genannten Säuren mit
Fettsäure und etwas unzerlegter Oelsäure, sowie Spuren von Essigsäure an Natron
gebunden werden.“
C. Bromeis gibt von seiner aus Butter dargestellten
Oelsäure an, daß sie bei ungewöhnlich niedriger Temperatur farblos, aber vollkommen zersetzt übergehe.
Gorup-Besanez sagt in seinem Handbuche:
„Die Oelsäure ist eine nicht flüchtige, das heißt nicht ohne
Zersetzung flüchtige Säure.“
In dem ausgezeichneten Berichte von Prof. Stas in Brüssel
über die auf der Londoner allgemeinen Industrie-Ausstellung repräsentirte
Industrie der Fettwaaren, der mir im Augenblick nur in dem Auszug von E. Kopp im Moniteur scientifique
vorliegt, heißt es wörtlich übersetzt:
„In einem Dampfstrom gehen Margarinsäure und Palmitinsäure gegen
170°–180°C. über, Oelsäure bedarf 200° und
Stearinsäure 230°C.“
Ferner sagt Stas über diese Vorgänge:
„So lange die Temperatur sich zwischen 220 und 240° bewegt, sind
4/5 des Destillates stets ungefärbt; steigt sie über 260°, so beginnt das
Destillat sich etwas zu färben, bei 290° ist die Färbung merklich und bei
320–335° ist sie schon gelbbraun.“
„Ferner erleiden die Fettsäuren, und namentlich die Oleinsäure und
Stearinsäure, etwa bei 300°C. eine Zersetzung. Es bilden sich aus der
Oelsäure namentlich Kohlenwasserstoffe und gefärbte Materien, die den
Destillaten den bekannten Dichroismus und den üblen Geruch ertheilen. Um ihnen
den Geruch zu nehmen, muß man sie erstens längere Zeit mit Wasserdampf
behandeln, der unter einer Gewichtsabnahme von 5–10 Proc. die
Kohlenwasserstoffe entzieht, und zweitens nochmals destilliren.“
„Was ist wohl die Ursache, daß die Industriellen sich zu so hohen
Destillationstemperaturen genöthigt sehen? Beinahe ausnahmslos die
Unvollkommenheit der Verseifung, welche 25–30 Proc. Neutralfett in dem
Product zurückläßt.“
„Dubrunfaut und Wilson haben gezeigt, daß Palmöl erst bei 290°C. ungefähr und
Talg bei 315–320°C. sich verseifen und destilliren; bei diesen
Temperaturen aber werden sowohl Oelsäure als Glycerin schon zersetzt in
Kohlenwasserstoff und Acrolein.“
„Will man diesen Uebelständen begegnen, so muß man entweder das System der
Verseifung ändern oder die Destillation unterbrechen, sobald Acrolein auftritt,
und den Rückstand nochmals verseifen.“
Stas ist der Meinung, die Oelsäure
und wahrscheinlich auch die Stearinsäure seyen nicht ohne tiefergehende
Zersetzung destillirbar; er glaubt nicht an ihre gänzliche Flüchtigkeit.
„Weiß man doch z.B., daß die destillirte Oelsäure keine Elaidinsäure
mehr liefert, weder durch salpetrige Säure, noch Quecksilbernitrat, das
salpetrige Säure enthält, noch durch schweflige Säure. Dieselbe soll aber nach
Roubaix und Oudeckoven
feste Fettsäuren hervorzubringen im Stande seyn, wenn man sie mit concentrirter
Schwefelsäure behandelt.“
„Wirklich findet man in der destillirten Oelsäure feste Fettsäuren, die
vor ihrer Destillation nicht darin existirten. Andererseits findet man in den
Destillationsproducten nach der schwefelsauren Verseifung durch Ausziehen der
Bleisalze mit Aether feste Fettsäuren, deren Schmelzpunkt 28–30°
ist. In Talg aber finden sich nicht fette Säuren von solch' niedrigem
Schmelzpunkt, und die Sache verdiente wirklich eine genauere
Untersuchung.“
Es geht aus den Worten von Stas nicht genau hervor, ob er
sagen will, die Oelsäure sey in einem Dampfstrom von 200°C. ohne Zersetzung
destillirbar, ohne Dampf aber nicht, oder ob der obere Passus nur so viel heißen
soll, daß sich die Oelsäure unter angegebenen Umständen verflüchtigt, offen lassend
ob unzersetzt oder zersetzt, während später die Ansicht ausgesprochen wird, sie sey
ohne Zersetzung nicht flüchtig. Dieser letzteren Ansicht stehen die Versuche von Varrentrapp und Gottlieb
gegenüber, nach welchen stets ein Theil Oelsäure unzersetzt übergeht. Die von den
genannten Chemikern beobachtete Thatsache kann vernünftiger Weise nur so gedeutet
werden, daß der Destillationsvorgang ungleichmäßig geleitet wurde, indem in einem
gewissen Stadium desselben unzersetzte Oelsäure übergieng, in einem anderen aber
Zersetzung derselben eintrat. Ist ein Theil der Oelsäure flüchtig, so muß auch unter
den richtigen Bedingungen der Destillation alle flüchtig
seyn.
Die Frage der Flüchtigkeit oder Nichtdestillirbarkeit der Oelsäure steht im
Vordergrund aller übrigen und an sie knüpfen sich mehrere andere: Welche
Eigenschaften hat das Destillationsproduct? Treffen diese ganz genau zusammen mit
denjenigen der Oelsäure vor der Destillation? Bilden sich noch andere Producte und
von welcher Beschaffenheit, und werden namentlich feste Säuren gebildet? Diese
Fragen konnten nur einer Entscheidung näher gebracht werden durch Wiederaufnahme der
Destillation der Oelsäure.
Zu diesem Zwecke hat Hr. Borgmann aus Wiesbaden in
Verbindung mit mir die nachfolgende Arbeit unternommen.
Wir machten bei einem ersten Destillationsversuch mit Oelsäure, die aus roher
käuflicher (aus Kalkverseifung hervorgegangener), durch Bindung an Blei, Ausziehen des Bleisalzes mit Aether, Abdampfen des Aethers
und Zerlegung des Bleisalzes
mit Chlorwasserstoff erhalten worden, daher spurweise mit
den Oxydationsproducten gemischt war, die Erfahrung, daß auch bei sehr sorgfältig
geführter Heizung der Retorte theils brennbare Gase und neben wenig saurem
wässerigem Destillationsproduct, obenauf ein öliges erhalten wurde, das schon
weitgehende Zersetzung der Oelsäure verrieth. Es roch unangenehm brenzlich, war
dunkelgelbgrün gefärbt, ließ sich nur zum geringen Theil verseifen. Die erhaltene
Seife wurde in Aether gelöst, die Lösung mit essigsaurem Bleioxyd gefällt, das
Bleisalz mit Salzsäure zerlegt und die ausgeschiedene ölige Flüssigkeit gewaschen
und gesammelt. Dieselbe erstarrte bei + 7°C. Es war des verseifbaren Theiles
in dem öligen Destillat so wenig, daß von weiterer Untersuchung der fetten
destillirten Säure abgestanden werden mußte. Die wässerige Flüssigkeit reagirte
sauer; durch Binden der Säure oder Säuren an Natron und Wiederzerlegen wurde eine
geringe Menge einer dicklichen Flüssigkeit erhalten, die nach Buttersäure und
Essigsäure roch. Auf diesem Wege war wenig Aussicht vorhanden zu klarer Einsicht in
die Natur der Destillationsproducte zu gelangen, weil auch größere Mengen des
Materials, in zu Vielerlei zerfallend, wenig Ausbeute an bestimmten gut
charakterisirten Producten gaben.
Es wurde deßhalb die Destillation in einem Strom überhitzten Wasserdampfes
versucht.
Die zu verschiedenen in dieser Weise vorgenommenen Destillationen angewandte Oelsäure
war theils aus dem krystallisirten Barytsalz nach der Methode von Gottlieb, theils nur aus dem Bleisalz dargestellt worden.
Von beiden hatte man sich überzeugt, daß sie frei seyen von festen fetten Säuren,
was für die uns vorliegende Frage die Hauptsache war. Beide Säuren waren schwach
gelblich, rochen fettig, die aus dem Bleisalz dargestellte daneben noch schwach
ranzig. Beide Säuren verhielten sich bei der Destillation ganz gleich, d.h. es
konnte in den Destillationsproducten kein Unterschied wahrgenommen werden. Ohne
diese vorgängige Beobachtung würde die unvollkommen gereinigte Oelsäure als
Arbeitsmaterial nicht beibehalten worden seyn. Der Apparat bestand aus einer
Glasretorte, die zur Lieferung des Dampfes mit Wasser gefüllt war; der Dampf strömte
durch ein etwa 3' langes mit Bimssteinstücken gefülltes
schmiedeeisernes, gegen die Retorte hin etwas geneigtes, in einem langen Rostfeuer
liegendes Rohr, von da in die Vorlage, welche die Oelsäure enthielt. Diese Vorlage
befand sich in einem Sandbade, und war außen mit der Dampfzuführröhre mit einer
Oeffnung für ein Thermometer und dem möglichst weiten Abzugsrohr für die Destillationsproducte
versehen, die sich in einer zweiten Vorlage verdichteten. Durch Erwärmung des
Sandbades unter dem Oelsäuregefäß, und durch das Rostfeuer, in dem das eiserne
Dampfrohr lag, konnte die Temperatur beliebig regulirt werden.
Es wurde eine Portion Oelsäure in diesem Apparate unter möglichstem Einhalten einer
Temperatur zwischen 300° und 320°C. destillirt. Der übergegangene
wässerige Theil der Flüssigkeit verhielt sich wie in dem beschriebenen Versuch der
Destillation ohne Wasser; er reagirte sauer und bestand zum Theil wenigstens aus den
niedrigsten Gliedern der Reihe der einbasischen fetten Säuren. Essigsäure und
Buttersäure gaben sich deutlich durch ihren Geruch zu erkennen. Die ölige
Flüssigkeit war weniger gefärbt als im vorigen Fall, aber sie hatte einen
fremdartigen, von dem der Oelsäure abweichenden Geruch. Sie wurde an einem kühlen
Ort in einem nur theilweise damit gefüllten Glase sich selbst überlassen. Man konnte
bald die Ausscheidung fester häutiger Theilchen beobachten. Diese schienen sich
vorzugsweise an der Oberfläche zu bilden und dieß veranlaßte mehrere Versuche,
welche dahin zielten, die Bildung dieses Körpers durch einen Luftstrom zu befördern.
Die Resultate waren sämmtlich negativ. Es wurde nur sehr wenig von dieser Substanz
gebildet, und da man bei einem anderen später erhaltenen Destillat die Bildung des
festen Körpers auch am Boden der Flüssigkeit vor sich gehen sah, muß die Meinung, er
sey ein Oxydationsproduct, aufgegeben werden. Es wurde bei mehrfacher Wiederholung
der Darstellung eines Destillates auf die beschriebene Weise stets nur so wenig von
dieser Substanz erhalten, daß eine Elementaranalyse nicht vorgenommen, höchstens
einige Reactionen und physikalische Eigenschaften festgestellt werden konnten.
Die Schmelzpunkte, welche an der starren Ausscheidung aus verschiedenen Destillaten
beobachtet wurden, schwankten sehr, und zwar wurden beobachtet die Schmelztemperatur
von 30°C., 54°C., 74°C., 97°C. Es zeigte sich hieran
sowohl, daß man mit Mischungen zu thun hatte, als in dem weiteren Umstande, daß bei
einem Versuche der Verseifung mit der am schwersten schmelzbaren Substanz ein großer
Theil unverseift blieb. Stets war der feste Körper in Alkohol löslich und die Lösung
röthete Lackmuspapier. Die feste Masse bestand zum Theil aus festen Säuren, zum
Theil aus neutralen Kohlenwasserstoffen.
Der flüssig gebliebene ölige Theil war, bei mehreren Destillationen mit Wasserdampf
und über 300°C. ausgeführt, ähnlich wie bei der Destillation ohne Wasserdampf
nur theilweise verseifbar, bestand also größtentheils aus Zersetzungsproducten der
Oelsäure. Es wurde nun eine Destillation bei 250°C. im nämlichen Apparate
vorgenommen. Das ölige Destillat war farblos, wasserklar, geruchlos, etwas
dickflüssig, im wässerigen Theile waren nur Spuren saurer Körper bemerkbar. Aus dem
öligen Destillat schied sich auch bei längerem Stehen nicht das Geringste ab. Es war
vollkommen mit Kalilauge verseifbar, die Seife ließ sich in überschüssiger Kalilauge
ganz so zu einer Gallerte lösen, wie nicht destillirte Oelsäure, mit der ein genau
parallel laufender Versuch vorgenommen wurde. Mit salpetriger Säure behandelt,
lieferte es Elaidinsäure bei 45°C. schmelzend. Auf + 4°C. abgekühlt,
erstarrte das ölige Liquidum und schmolz wieder bei 14°C. Das Barytsalz, aus
dem Kalisalz durch Fällung mit Chlorbaryum dargestellt, wurde analysirt.
Zur Barytbestimmung wurden angewandt 1,3070 Grm. ölsaurer Baryt. Dieser gab 0,3668
Grm. BaO, CO² = 19,51 Proc. Ba.
Zur Verbrennung des Barytsalzes wurden angewandt 0,1955 Grm. bei 100°
getrockneter Substanz. Diese lieferten 0,433 Grm. CO² und mit Hinzurechnung
der an den zurückbleibenden BaO, CO² gebundenen = 0,445 CO² und 0,1706
Wasser. Es berechnet sich
C³⁶ H³³ BaO⁴
gefunden wurden nachObigem
Gottlieb fand im
Mittelvon zwei Analysen
C = 61,8
61,95
61,51
H = 9,44
9,6
9,43
Ba = 19,6
19,55
19,64
O =
9,15
8,94
9,41
––––––––––
––––––––
––––––––
99,99
100,00
99,99
Die Identität des destillirten Körpers und der Oelsäure unterliegt keinem Zweifel. Es
ist hervorzuheben, daß sich die destillirte Oelsäure nicht, oder nur äußerst
langsam, bei Berührung mit Sauerstoff verändert. Ein halbgefülltes, wochenlang
gestandenes, oft geöffnetes Glas enthielt die Säure farb- und geruchlos ohne
die geringste Veränderung.
Wir glauben daher, daß diese Oelsäure sehr rein sey, und daß die Veränderlichkeit der
nicht destillirten von geringen Spuren fremder Körper, die ihr beigemengt sind,
herkomme.
Aus dieser Untersuchung geht hervor:
a) daß die Oelsäure im Wasserdampfstrom
von 250°C. unzersetzt überdestillire;
b) daß die Bildung fester Körper, saurer
und neutraler, in der destillirten Säure nur dann statthabe, wenn die
Destillation bei höherer Temperatur vollzogen wurde.
Hieran knüpfen sich mehrere praktische Folgerungen:
1) Die käufliche Oelsäure, welche durch sogenannte saure Verseifung und Destillation
gewonnen wurde, wird zur Darstellung von Natronseifen von den Seifensiedern ganz
verworfen und ist deßhalb weit billiger als die durch Kalkverseifung bei der
Stearinsäure-Fabrication erhaltene.
Stas sagt in seinem Berichte hierüber: „Die aus
der Kalkverseifung hervorgegangene Oelsäure kostet im Handel etwa 10 Proc. mehr
als die destillirte, weil die Sodaseife, aus letzterer gemacht, nicht soviel
Wasser zurückzuhalten im Stande ist als die aus der ersteren dargestellte,
weßhalb die Seifenfabrikanten erstere vorziehen.“
Es sagt über den gleichen Gegenstand Dr. H. L. Buff:Ueber die Fette und die Fabrication der Fettsäuren. Inauguraldissertation.
Göttingen 1863.
„Die destillirte Oelsäure besitzt einen scharfen unangenehmen Geruch, und
hat die Kaliseife nicht die Fähigkeit, sich in alkalischer Lauge
aufzulösen.“
Dieß Alles ist aber nur der Fall, wenn die Oelsäure bei zu hoher Temperatur
destillirt wurde. Der Mißcredit solcher Säure läßt sich gewiß auf die reichliche
Bildung von Zersetzungsproducten zurückführen. Bei 250°C. destillirte
Oelsäure würde zu diesen Bemängelungen nicht Anlaß geben können. Es fragt sich nur,
ob Dampfstrom und eine Temperatur von 350°C. hinreichen, die schon durch
Schwefelsäure ausgeschiedenen fetten Säuren sämmtlich zu verflüchtigen, d.h. ob
Stearinsäure und Palmitinsäure nicht eine höhere, die Zersetzung der Oelsäure
bedingende Temperatur bedürfen. Nach Stas (s. oben)
sollte das der Fall seyn.
Fraglich ist dabei ferner, ob die durch Schwefelsäure von Glycerin getrennte Oelsäure
nicht schon verändert wurde, so daß sich diese anders verhält, als die durch
basische Verseifung gewonnene.
Schwerlich ist zu erwarten, daß die Temperatur, welche nöthig ist, um ölsaure
Glyceride im Dampfstrom (ohne vorangegangene saure oder basische Verseifung) beim
Betrieb im Großen vollkommen zu spalten, so niedrig gehalten werden kann, daß die
Oelsäure sich nicht zersetzt; doch ist dieß noch keineswegs eine entschiedene Sache,
und Versuche nach dieser Richtung werden aus anderen Gründen wohl nicht
ausbleiben.
2) Es wird bei der Stearinsäure-Fabrication der Hauptvorzug des
Destillationsverfahrens vor der Kalkverseifung in der Vermehrung der starren fetten
Säuren und entsprechender Verminderung der flüssigen gesucht. Wie ist diese Annahme
mit den bisher gemachten genaueren Erfahrungen in Einklang zu bringen, oder woher mag sie
überhaupt kommen?
Eines ist hierbei jedenfalls mit im Spiele, worauf schon Varrentrapp 1840 aufmerksam machte: daß die starren Säuren nach der
Kalkverseifung stets zu einem gewissen Theil in der flüssigen Oelsäure gelöst
bleiben, während sie aus dem Destillat, worin ein großer Theil der Oelsäure zersetzt
ist, sich vollkommener abscheiden. Dieß ist aber nicht die einzige Ursache der
Vermehrung der festen Säuren. Wir haben Grund anzunehmen, daß die Erscheinung der
Ausscheidung starrer Körper in verstärktem Maaße eintritt, wenn bei noch höherer
Temperatur als 300–320°, die wir anwandten, destillirt wird. Aus der
Untersuchung von Gottlieb, der stets starke Zersetzung
der Oelsäure erhielt, geht dieß deutlicher hervor. Seine Zersetzungsproducte saurer
Art waren theils in Wasser lösliche, darunter die zwar erst bei 127°C.
schmelzende, aber hier nicht in Frage kommende Sebacylsäure, theils in Wasser
unlösliche und darunter verseifbare, namentlich Capryl- und Caprinsäure bei 9
und 29,5°C. schmelzend. Wir haben zu den sauren, starren, fetten Säuren, die
wir begreiflicher Weise nicht in gößerer Menge erhielten, weil wir die Destillation
möglichst so einrichteten, um Zersetzung zu vermeiden, noch unverseifbare feste
Fette, Kohlenwasserstoffe erhalten; auch sie tragen gewiß Einiges zur Vermehrung der
Ausbeute an festen Fetten bei. Im Uebrigen scheint das Verlangen von Stas nach Aufklärung der Erscheinung, daß in destillirten
Fetten sich Säuren vom Schmelzpunkt 28–30°C. finden, durch die
Nachweisung der Caprinsäure durch Gottlieb erledigt.