Titel: | Ueber die Ursache der allmählichen Gewichtsabnahme der Platintiegel beim Glühen; von Dr. G. C. Wittstein. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXXIV., S. 299 |
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LXXIV.
Ueber die Ursache der allmählichen
Gewichtsabnahme der Platintiegel beim Glühen; von Dr. G. C. Wittstein.Vom Verfasser aus seiner „Vierteljahresschrift für praktische
Pharmacie (Bd. XV S. 14)“ mitgetheilt.
Wittstein, über Gewichtsabnahme der Platintiegel beim
Glühen.
Wiederholt vorgekommene chemische Scheidungen von Gemengen und Legirungen edler
Metalle, welche theils aus den bei Anfertigung künstlicher
Gebisse abgefallenen Feilspänen, theils aus Bruchstücken alter Gebisse
bestanden, gaben mir Gelegenheit, einige Erfahrungen zu sammeln, welche der
Veröffentlichung nicht unwerth sind, und unter denen die Erkennung der Ursache der
bekannten allmählichen Gewichtsabnahme der Platintiegel beim Glühen obenan stehen
dürfte.
Diese Abfälle bestanden regelmäßig im Wesentlichen aus Platin,
Gold, Palladium und Silber (diese beiden immer
als Legirung), gering verunreinigt durch Iridium, Eisen und Kupfer, und vermengt mit
Bruchstücken emaillirter Zähne, Sand und sonstigem Schmutze. Daß sie auch Osmium, und zwar in nicht unbedeutender Menge,
enthielten, wurde erst gegen Ende der Arbeiten zufällig erkannt, denn die Gegenwart
dieses Metalles im verarbeiteten Platin zu vermuthen lag kein Grund vor.
Die Quantitäten solcher Abfälle, welche ich jedesmal unter Händen hatte, waren
verschieden, betrugen jedoch nie weniger als 3 Unzen und zuweilen nahe an 2 Pfund;
ein Gemenge letzterer Art z.B. lieferte 16 1/2 Unzen Platinsalmiak und aus diesem
über 7 Unzen Platin, 5 Unzen Silber, 4 1/4 Unzen Gold und 1 1/2 Unzen Palladium.
– Die meisten Zahnärzte verkaufen dergleichen Abfälle an Reisende um einen
von diesen nach dem Augenmaaße festgesetzten Preis; diejenigen aber, welche sich auf
ihren Vortheil besser verstehen, lassen die Metall-Abfälle für eigene
Rechnung scheiden.
Die Extraction der einzelnen Metalle aus diesen Abfällen habe ich stets auf folgende
Weise ausgeführt:
1) Zuerst wurden die Abfälle in eine dünne flache Porzellanschale geschüttet, diese
über ein mäßiges Kohlenfeuer gestellt und, sobald der Boden der Schale schwach
glühte, ihr Inhalt mit einem blanken eisernen Spatel fleißig umgestochen. Diese
Operation bezweckte die Zerstörung aller vorhandenen organischen Materien
(Holzsplitter, Wachs etc.) ohne ein Zusammenschmelzen einzelner Theile zu veranlassen, und
konnte nach einer Viertelstunde als beendigt angesehen werden.
2) Der wieder erkaltete Inhalt der Schale wurde (bei kleineren Mengen) in einen
Setzkolben oder (bei größeren Mengen) in eine tubulirte Retorte gethan – das
eine oder andere Gefäß so geräumig, daß die darin zu behandelnden Materialien nicht
mehr als den vierten Theil ihres Inhaltes einnahmen –, mit dem doppelten
Gewichte reiner Salpetersäure von 1,33 spec. Gew. übergossen und im Sandbade einer
mäßigen Kochung unterworfen. War eine Retorte genommen, so wurde sie mit einer
Vorlage verbunden und diese während der Operation abgekühlt. Sobald die Entwickelung
braungelber Dämpfe ganz oder fast ganz aufgehört hatte, goß man eine neue kleine
Portion Salpetersäure hinzu und wartete ab, ob abermals braungelbe Dämpfe auftreten
würden; im verneinenden Falle wurde die Einwirkung der Säure als beendigt angesehen,
im bejahenden fuhr man mit der Digestion fort und stellte später die Probe mit einer
neuen Portion Säure nochmals an; diese zweite Probe erwies sich aber immer, und die
erste Probe fast immer, als überflüssig.
Der Inhalt des Glasgefäßes wurde mit dem dreifachen Volum Wasser verdünnt, filtrirt,
der ungelöst gebliebene Antheil gewaschen, getrocknet und einstweilen bei Seite
gelegt.
a) Die so erhaltene Lösung war tief braungelb; sie
enthielt alles Silber, Palladium, aber auch Platin, da, wie bekannt, letzteres
Metall bei Gegenwart von Silber in Salpetersäure nicht unlöslich ist.
Das Silber fällte man durch Salzsäure und reducirte es aus
dem Chlorsilber durch Erhitzen mit dem gleichen Gewichte calcinirter Soda im
hessischen Tiegel.
Die vom Chlorsilber getrennte Flüssigkeit engte man möglichst weit ein, setzte eine
ausreichende Menge Salmiak und nach dessen Lösung das Fünffache des Ganzen Alkohol
von 92 Proc. hinzu, um das Platin als Platinsalmiak niederzuschlagen. Derselbe (er
besaß meist eine ziegelrothe Farbe, enthielt also Iridium) wurde nach dem Absetzen
mit Alkohol ausgewaschen, getrocknet und durch Glühen in metallisches Platin (α)
verwandelt.
Die vom Platinsalmiak getrennte Flüssigkeit wurde durch Kochen von allem darin
befindlichen Weingeist befreit, die freie Säure durch kohlensaures Natron
abgestumpft, das Palladium durch Quecksilbercyanid
gefällt und der Niederschlag geglüht.
Da die vom Cyanpalladium getrennte Flüssigkeit noch ziemlich gelb gefärbt erschien,
so war zu vermuthen, daß sie noch etwas Platin enthielt, was sich bei näherer Prüfung
auch bestätigte. Um diesen Rest Platin gleich vollständig zu erhalten, digerirte man
die Flüssigkeit mit Zinkblech in gelinder Wärme. Dadurch ließ sich natürlich nicht
vermeiden, daß auch das Quecksilber des im Ueberschuß zugesetzten
Quecksilbercyanids, sowie das aus den Metall-Abfällen durch die Salpetersäure
aufgelöste Kupfer mit niederfielen; ferner schied sich zuletzt auch etwas Eisenoxyd
oder basisches Eisenoxydsalz (des Eisens der Metall-Abfälle) aus, und endlich
mußte der Niederschlag auch das im angewandten Zinke etwa vorhandene BleiMan sehe Wittstein's Vierteljahresschrift Bd. X S.
214. enthalten. Alle diese Beimengungen des gefällten Platins ließen sich jedoch,
nachdem der schwarze Absatz ausgewaschen war, durch Digestion desselben mit
verdünnter Salpetersäure leicht entfernen, und gleichzeitig verschwanden dadurch
auch die kleinen Fragmente angefressenen Zinkblechs, welche mit in den Absatz
gelangt waren. Bei der Schwierigkeit, das schwarze Metallpulver, welches sich auf
dem Zinke festgesetzt hatte, vollständig von demselben wieder abzuspülen, blieb
mitunter nichts weiter übrig, als selbst größere Zinkstücke mit in die Salpetersäure
zu bringen. Das so von den übrigen Metallen befreite Platin (β) wurde endlich
ausgeglüht.
b) Den bei der Behandlung der Metall-Abfälle mit
Salpetersäure ungelöst gebliebenen Antheil, worin noch alles Gold und das meiste
Platin sich befand, digerirte man anhaltend mit seinem 6 fachen Gewichte starken
Königswassers (aus 1 Gewichtstheil Salpetersäure von 1,33 und 3 Gewichtstheilen
Salzsäure von 1,13 bestehend), wobei nur noch die kieseligen Zahnbruchstücke und
größere Stücke Platin zurückblieben. Letztere ebenfalls in Lösung zu bringen, war im
vorliegenden Falle um so weniger nöthig, als sie sich aus dem Rückstande leicht
herauslesen ließen.
Die tief braungelbe Lösung wurde weit eingeengt, mit Salmiak und Alkohol versetzt,
der ausgeschiedene Platinsalmiak gesammelt und derselbe durch Glühen in metallisches
Platin (γ)
verwandelt.
Aus der von dem Platinsalmiak getrennten Flüssigkeit schlug man, nachdem der
Weingeist verjagt war, das Gold mittelst schwefelsaurem
Eisenoxydul nieder.
Die vom Golde abfiltrirte Flüssigkeit enthielt noch etwas Platin, wurde daher, wie
oben in a), mit Zink behandelt, die schwarze
Ausscheidung durch Salpetersäure vom anhängenden Kupfer, Eisen und event. Blei
befreit und das so gereinigte Platin (δ) ausgeglüht.
Wenn das Palladium der Metall-Abfälle nicht vollständig in die Salpetersäure, womit dieselben
zuerst behandelt worden waren, übergegangen wäre, so hätte der Rest in das
Königswasser gelangen müssen, und würde dann, als Chlorür, zwar der Zersetzung und
Fällung durch den Eisenvitriol (bekanntlich reagirt derselbe wohl auf das
salpetersaure Palladiumoxydul, nicht aber auf das Palladiumchlorür), jedoch nicht
derjenigen des metallischen Zinks entgangen, folglich mit in die letzterhaltene
schwarze Ausscheidung und selbstverständlich auch in die Salpetersäure, welche zur
Reinigung derselben diente, gekommen seyn. Die zu dieser Reinigung verwendete
Salpetersäure zeigte indessen keine auf die Gegenwart von Palladium deutende braune
oder bräunliche Färbung, sondern stets nur eine schwach blaugrüne (von Kupfer).
–
Platin wurde also auf dem beschriebenen Scheidungswege viermal gewonnen, und zwar
zweimal (α und γ) zunächst als Platinsalmiak und zweimal (β und δ) sogleich als
Metall.
Bei der Umwandlung beider Platinsalmiake in Platin durch
Glühen (in einem Platintiegel) fiel es mir auf, daß der Inhalt des Tiegels, als er
sich bereits in Rothglühhitze befand, noch immer Dämpfe ausstieß, während der reine
Platinsalmiak, um völlig zersetzt zu werden, kaum bis zu jener Temperatur gebracht
zu werden braucht. Da das Dampfen selbst nach viertelstündigem Glühen noch
ungeschwächt fortdauerte, prüfte ich den Dampf durch den Geruch und erkannte nun
sogleich an seiner scharfen stechenden Wirkung die Osmiumsäure. Ein den Tiegel
während des Glühens unvollständig schließendes Uhrglas beschlug sich allmählich mit
einem weißen krystallinischen Anfluge, welcher nicht allein denselben Geruch
ausstieß, sondern auch, mit einer Auflösung von Eisenvitriol sowie von
schwefligsaurem Natron betupft, schwarz wurde. Daß die erwähnten Dämpfe Osmiumsäure seyen, konnte mithin keinem Zweifel mehr
unterliegen. Das Dampfen dauerte ziemlich lange, und hörte bei einem Quantum von
kaum 100 Gran rückständig gebliebenen Platins erst nach mehr als einer Stunde
auf.
Es war hiernach vorauszusehen, daß die beiden sogleich als Metalle erhaltenen Proben
Platin (β und δ) ebenfalls Osmium enthalten würden, und bestätigte sich dieß
auch.
Leider wurde versäumt, eine jede Probe solchen bis zum Glühen gebrachten Platins vor
dem weiteren Erhitzen bis zum Aufhören des Dampfens zu wägen, um den dabei
erlittenen Gewichtsverlust und dadurch den Gehalt an Osmium kennen zu lernen. Nur
einmal geschah dieß mit 92 Gran, welche nach fast einstündigem Glühen nur noch 87
Gran wogen, mithin über 5 Proc. (Osmium) verloren hatten.
Wenn nun schon die hierdurch – meines Wissens zuerst – constatirte
Thatsache von einem nicht unbedeutenden Gehalte des verarbeiteten Platins an Osmium an sich von
Wichtigkeit ist, so gewinnt sie noch dadurch an Interesse, daß sie zugleich auch die
bekannte allmähliche Gewichtsabnahme der Platintiegel beim Glühen erklärt. Daß diese
Gewichtsabnahme immer nur eine sehr unbedeutende, einige Milligramme betragende ist,
liegt offenbar in der compacten Beschaffenheit des Metalles, dessen Osmium bloß an
der Oberfläche, d.h. da wo es dem oxydirenden Einflusse der Luft unterliegt,
entweichen kann, und schon unter den Händen des Fabrikanten, in Folge wiederholten
Ausglühens wenigstens zum Theil entwichen seyn muß.
Mit dieser allmählichen Gewichtsabnahme der Platintiegel beim Glühen hängt sicherlich
ihr allmähliches Spröde- und Brüchigwerden zusammen, denn durch das
Entweichen des Osmiums wird der Zusammenhang der kleinsten Theilchen des Platins
gelockert und unterbrochen.
Es bleibt jetzt noch die auf den ersten Blick räthselhafte Anwesenheit des Osmiums in
denjenigen beiden Quantitäten von Platin (α und
γ), welche aus Platinsalmiak erhalten worden
waren, zu erklären übrig. Sowohl in der salpetersauren als auch in der
salpeter-salzsauren Lösung befand sich das Osmium als Säure (OsO⁴).
Der zur vollständigeren Fällung des Platinsalmiaks angewandte Alkohol wirkte
reducirend auf die Osmiumsäure, diese entweder gleich zu sich ausscheidendem Metall
oder zu osmiger Säure (OsO³) zurückführend, welch' letztere bei der Gegenwart
überschüssigen Salmiaks Gelegenheit hatte, osmigsaures Ammoniak zu bilden, das aber
in Alkohol unlöslich ist und sich mithin dem Platinsalmiak beimengte. Der
zersetzende Einfluß des Alkohols erstreckte sich indessen nur auf einen Theil der
vorhandenen Osmiumsäure, denn die beiden anderen, aus den Mutterlaugen durch Zink
niedergeschlagenen Portionen Platin (β und δ) enthielten ebenfalls Osmium.